Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg
Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg
Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
die künstliche Ernährung einzustellen? "Wie weit<br />
darf das Recht auf Selbstbestimmung gehen,<br />
zum Beispiel wenn eine Krankheit nicht zum Tod<br />
führt", fragte Ernst. Soll beim Demenzkranken<br />
aktive Sterbehilfe erlaubt sein, wie es in anderen<br />
Ländern schon der Fall ist?<br />
Deutsche Rechtsgelehrte tun sich schwer mit<br />
diesen Fragen: "Juristen können zur Lösung<br />
nicht viel beitragen, weil es keine gesetzliche<br />
Grundlage dafür gibt", sagte Hilgendorf gleich<br />
zu Beginn seines Vortrags. Unterscheidungen<br />
wie "aktive und passive Sterbehilfe" seien eben<br />
keine rechtlichen Begriffe; ein Richter müsse<br />
danach urteilen, ob es sich um Mord, Totschlag<br />
oder Töten auf Verlangen handelt. Was zusätzlich<br />
kompliziert wird, wenn der Jurist das im Grundge<br />
setz verbriefte Recht auf Menschenwürde in seine<br />
Betrachtungen mit aufnimmt, denn das "gilt auch<br />
für den Sterbenden".<br />
Für die Zurückhaltung des Gesetzgebers vermutet<br />
Hilgendorf den Grund in der jüngsten deutschen<br />
Geschichte. Das Euthanasie-Programm der Nati<br />
onalsozialisten werfe noch heute seine Schatten<br />
auf jede Diskussion über aktive und passive Ster<br />
behilfe und mache insbesondere eine rechtliche<br />
Festlegung schwierig. Trotzdem hält Hilgendorf<br />
den derzeitigen Zustand für "erstaunlich und<br />
bedauerlich".<br />
Wie weit geht die Autonomie eines Menschen?<br />
"Nicht unbeschränkt", sagt das Gesetz. Oder,<br />
wie Hilgendorf formulierte: "Die Verfügbarkeit<br />
der Rechtsgüter ist abgestuft." Ebenso wenig<br />
wie ein Mensch sich gegen Bezahlung öffentlich<br />
auspeitschen lasse, dürfe er - nach Ansicht des<br />
Gesetzgebers - auf das eigene Leben verzichten.<br />
"Hier gibt es eine klare Grenze der Autonomie.<br />
Was im Beispiel des Lkw-Unfalls bedeutet: Kommt<br />
der Beifahrer dem Wunsch seines Kollegen nach,<br />
bewertet der Gesetzgeber seine Hilfe als Tötung<br />
auf Verlangen, wofür eine Freiheitsstrafe zwischen<br />
sechs Monaten und fünf Jahren vorgesehen ist.<br />
Rundumblick auf das Lebensende<br />
Rechtliche Fragen waren n ur ein Aspekt unter<br />
vielen an diesem Studientag. Ärzte und Psycho<br />
logen wie der Leiter der Palliativstation im Julius<br />
spital, Heribert Joha, und Armin Schmidtke vom<br />
Lehrstuhl für Klinische Psychologie, befassten sich<br />
mit Fragen zu Suizid, der Autonomie des Patienten<br />
und dem ärztlichen Selbstverständnis. Theologen<br />
wie Erich Garhammer, Elmar Klinger und Francis<br />
X. D'Sa gaben Einblicke in den Umgang mit Leid<br />
und die Deutung von Tod und Sterben in anderen<br />
Religionen.<br />
Damit die Besucher nicht nur Vorträgen folgen<br />
mussten, hatte die Fakultät für den Nachmittag<br />
auch Foren organisiert, in denen Jeder nach Lust<br />
und Interesse mitdiskutieren konnte. Anscheinend<br />
mit Erfolg. Als am späten Nachmittag noch ein<br />
Referat und eine Podiumsdiskussion zurück in die<br />
Neubaukirche riefen, zeigte sich zumindest der<br />
Moderator des Tages, Redakteur Franz Barthel<br />
vom Bayerischen Rundfunk, freudig überrascht,<br />
"dass doch noch so viele da sind".<br />
"Wir sind am Ende." So beschloss Stephan Ernst<br />
einen Tag, der sich intensiv und vielseitig um<br />
Autonomie, Recht und Menschenwürde am Ende<br />
des Lebens gedreht hatte. Viele Fragen seien zwar<br />
immer noch offen, so Ernst. Dennoch sei die Ver<br />
anstaltung ein Erfolg, weil sie viel zur Meinungs<br />
und Bewusstseinsbildung beigetragen habe.<br />
600 KINDERÄRZTE AUS ALLER<br />
WELT TAGTEN IN WÜRZBURG<br />
Die rasante Entwicklung der Früh- und<br />
Neugeborenenmedizin während der<br />
vergangenen zwei Jahrzehnte hat entscheidend<br />
zum Rückgang der Neugeborenensterblichkeit<br />
beigetragen. Sie hat<br />
auch unerwartete Heilungschancen für<br />
schwerkranke Früh- und Neugeborene<br />
eröffnet.<br />
Im Oktober trafen sich im Congress-Centrum in<br />
Würz burg 600 Kinderärzte und Spezialisten für<br />
Neugeborenenmedizin, so genannte Neonatolo<br />
gen, aus aller Welt zu einer viertägigen Veran<br />
staltung, um eine kritische Standortbestimmung<br />
dieser jüngsten Spezialdisziplin der Kinderheil<br />
kunde vorzunehmen. Auf Einladung von Professor<br />
Christian P. Speer, Direktor der Uni-Kinderklinik,