Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg
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Gifteinsatz bringt neue Probleme<br />
Bleibt nur noch die Frage, was der Gendefekt<br />
der Familie aus dem Libanon mit der Hungersnot<br />
in der Dritten Welt zu tun hat. "Ratten" lautet<br />
die Antwort. Sie sind das Bindeglied, das beide<br />
Seiten miteinander in Beziehung setzt. Nicht<br />
nur in der westlichen Welt, sondern auch im<br />
Süden stellen Ratten ein großes Problem für die<br />
Lebensmittelindustrie dar. Schätzungen gehen<br />
davon aus, dass die Tiere in ärmeren Regionen<br />
bis zu einem Drittel der Ernte vernichten. Ihre<br />
Bekämpfung ist schwer, weil sie überraschend<br />
intelligent sind. Giftköder, die rasch wirken, ha<br />
ben sich als wenig effizient erwiesen. Stirbt ein<br />
Tier in der Nähe der Futterstelle, ziehen andere<br />
Vertreter der Population sofort den richtigen<br />
Schluss und machen in Zukunft einen großen<br />
Bogen um das Giftmahl. Weshalb Schädlingsbe<br />
kämpfer inzwischen zu einem Trick greifen: Sie<br />
legten Haferflocken aus, die mit einem Gerin<br />
nungshemmer vermischt sind. Die Ratten, die<br />
davon fressen, sterben an inneren Blutungen;<br />
allerdings erst so spät, dass andere Exemplare<br />
keine Verbindung zwischen Futter und Tod her·<br />
stellen können.<br />
Doch auch diese Methode hat ihre Nachteile,<br />
wie sich mit der Zeit herausstellen sollte: Ratten<br />
können, wie Menschen, gegen die Medizin re<br />
sistent sein, präparierte Haferflocken stellen für<br />
sie keine Gefahr dar. Nach dem Motto "survival<br />
of the fittest" überlebten diese Exemplare den<br />
Angriff mit dem präparierten Futter und pflanzen<br />
sich fort; Tiere, die nicht über das Resistenzgen<br />
verfügen , sterben hingegen aus. Resistente<br />
Populationen sind deshalb zumindest in Norda<br />
merika und Europa auf dem Vormarsch.<br />
Wer die Tiere optimal bekämpfen will, muss also<br />
wissen, ob er eine resistente Population vor sich<br />
hat oder nicht. Nur mit diesem Wissen kann das<br />
geeignete Mittel zur Anwendung kommen und<br />
eine weitere Verbreitung der Nager verhindern.<br />
Die Entscheidung, ob ein bestimmter Stamm das<br />
Giftfutter locker verdaut oder nicht, fällt dank<br />
den Erkenntnissen der <strong>Würzburg</strong>er Humange<br />
netiker jetzt leicht: Die Resistenzmutation kann<br />
vergleichsweise einfach an Hand von Kotuntersu<br />
chungen nachgewiesen werden. Kommt dann das<br />
richtige Mittel zum Einsatz, sollte die Rattenplage<br />
im Getreidesilo eigentlich ein Ende haben.<br />
Forschungsschwerpunkt<br />
Ein Gentest gegen Nebenwirkungen<br />
Die Entdeckung des Gens hat allerdings auch für<br />
den Menschen unmittelbare Vorteile. In den ver<br />
gangenen zwei Jahren hat eine Vielzahl von Publi<br />
kationen gezeigt, dass der entsprechende Abschn itt<br />
auf dem Chromosom 16 in ganz unterschiedlichen<br />
Varianten vorkommt. Je nach Typ finden sich im Blut<br />
seiner Träger unterschiedliche Konzentrationen des<br />
entsprechenden Proteins - damit gekoppelt variiert<br />
ihre Verträglichkeit für den Gerinnungshemmer.<br />
"Ein relativ simpler Gentest gibt einem Arzt also<br />
Auskunft darüber, in welcher Dosierung er das<br />
Medikament seinem Patienten verschreiben muss",<br />
erklärt Müller·Reible. Die kritische Einstellungspha<br />
se, in der Mediziner nach der Methode "Versuch<br />
und Irrtum" bisher nach der idealen Dosierung<br />
suchen, könne so vermieden werden. Der Gentest,<br />
schätzt Müller·Reible, soll noch in diesem Jahr auf<br />
den Markt kommen.<br />
Humangenetik<br />
43 BLICK<br />
Die erfolgreichen <strong>Würzburg</strong>er<br />
Wissenschaftler, fotografiert<br />
an lässlich der Verleihung<br />
des Paul-Martini·Preises auf<br />
dem Deutschen Internisten·<br />
Kongress 2005 (von links):<br />
Andreas Fregin, Clemens<br />
Müller·Reible, Simone Rost<br />
und /ohannes Oldenburg.<br />
Das Institut für Humangenetik der Uni <strong>Würzburg</strong> mit seinen derzeit sechs Arbeits<br />
und einer Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe ist am Hubland untergebracht. Im<br />
Team "Molekulare Humangenetik" forschen Clemens Müller-Reible und seine<br />
Mitarbeiter außerdem an folgenden anderen Projekten:<br />
• der Muskeldystrophie Duchenne, der häufigsten progressiven Muskelerkran<br />
kung des Kindesalters,<br />
• der malignen Hyperthermie, einer genetisch bedingten Veranlagung zu extre<br />
men Reaktionen auf Inhalationsnarkotika und Muskelrelaxantien, die unter<br />
der Narkose zum Tod führen kann,<br />
• und an der Klonierung des Gens für Alkaptonurie, einer angeborenen Stoff·<br />
wechselstörung, bei Mensch und Maus.<br />
Neben der Forschung sind Diagnostik und Beratung eine wichtige Aufgabe für<br />
die Mitarbeiter der Humangenetik. Wer wissen möchte, ob er selbst (oder seine<br />
Kinder) die Anlage für eine vererbliche Krankheit in seinen Genen trägt, erhält<br />
hier Auskunft.