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Jahrbuch Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin ...

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6 Christa-Maria Jeitner<br />

Was verbirgt sich hinter dem verschlüsselnden Kürzel »A.R.O P«? Im Domarchiv befindet<br />

sich ein Inschriftblatt 10 , das 1904 beim Abfüttern der Goldstoffkasel entdeckt wurde:<br />

»Dißen Ornat hat lassen machen Venerabilis Mater Priorissa Anna Rosalia Osburgin. gestickt<br />

Durch Schwester Theodora Thomanin. Schwester Joanna Dorothea Rauchin. Schwester<br />

Maria Foelicitas Drägerin als Jungfrauen dieses Closters Zum H. Creuz genandt. Von Meister<br />

Nicolaus Bäumler verfertiget Den 3ten Septembris Anno 1729. Omnia ad Majorem Dei<br />

Gloriam.« 11<br />

Damit waren die Buchstaben aufgelöst als Monogramm der Stifterin Anna Rosalia<br />

Osburg Priorin. Gleichzeitig war als Entstehungsort der Stickereien eine Werkstatt im Neuwerk-Kloster<br />

gef<strong>und</strong>en, als deren Charakteristikum sich der gestochene Gold- <strong>und</strong> Silberfaden<br />

erweist. Diese Glanzlichter auf beleuchteten Farbflächen – Lichthöhung auf Blättern,<br />

Blüten, auf Gewandfalten, in Haarsträhnen – steigern deren malerische Valeurs <strong>und</strong> geben<br />

den Stickereien strahlende Lebendigkeit. Neben dieser spezifischen Technik gibt es eine<br />

Vielzahl besonderer handwerklicher <strong>und</strong> technischer Merkmale. Durch Klassifizierung <strong>und</strong><br />

Zusammenstellung aussichtsreicher Merkmale konnte eine Tabelle erstellt werden, in der<br />

die Entwicklung der Sticktechniken in diesem Kloster anhand der datierten Stücke ablesbar<br />

wird (Abb. 4). Nach ihr ließen sich selbst <strong>und</strong>atierte Stickereien auf Gr<strong>und</strong> ihrer Techniken<br />

zeitlich einordnen. So ist es möglich, etwa 70 Jahre Werkstattverhalten zu verfolgen,<br />

seine Konstanz wie seine Variabilität. Eine anfangs sehr breit angelegte Skala von Techniken<br />

verminderte sich im Laufe der Zeit, handwerkliche Gewohnheiten verlagerten sich. Die<br />

Aufstellung verdeutlicht sowohl die Verwendung von Techniken über lange Zeit, als auch<br />

das Auftreten neuer, auch bald wieder aufgegebener Methoden. Dahinter lassen sich<br />

stickende Hände vermuten, die ihre Fähigkeiten einbringen konnten, solange sie selbst<br />

stickten. Noch 1714 in den Granatäpfeln professionell ausgeführt, wurde die Anlegetechnik<br />

danach in naiven Bögen gestochen, eine Eigenart, an der sich spätere Stickereien aus<br />

dem Neuwerk-Kloster erkennen lassen. Die Weitergabe selten angewendeter Techniken<br />

wird ablesbar, so Noppenschlingen aus Gold- oder Silberfäden bzw. aus Frisé 12 oder Seidenzwirn,<br />

auch die vereinzelte Wiederkehr von Knötchenstichen oder schwarzer Kontur.<br />

In Nadelmalerei wird in sämtlichen Stücken gestickt, von der lediglich kolorierenden Zutat<br />

im Baldachin von 1688 über dekorative Flächigkeit bis hin zu barockem Naturalismus. Im<br />

Velum (Nr. 17), der letzten Stickerei, ist die Nadelmalerei bis zu einer Farbstilisierung getrieben,<br />

mit der ein geradezu überrealer Ausdruck erreicht wird. Auffallend ist das allmähliche<br />

Übergehen im Stickmaterial von ungesponnener zu gezwirnter Seide. Die Technik der<br />

gestochenen Gold- <strong>und</strong> Silberfäden wird geschickt beherrscht, kein Aufräufeln der Lahnumspinnung<br />

beim Durchstechen des Gr<strong>und</strong>es, keine lockeren Stichlagen durch die Steife<br />

des Fadens. Der äußerst sorgfältigen Stickerei entsprechen Materialien bester Qualität.<br />

Gegenüber Manufakturarbeiten fällt eine besonders dichte, ausschmückende, liebevolle, ja<br />

übertreibende <strong>und</strong> lebendige Ausführung auf, zuweilen bis zu miniaturhaften Details verfeinert.<br />

Auch eigene Materialkombinationen werden hergestellt. An Klosterarbeiten erinnern<br />

aufgestickte Fingerringe, die Halskette aus Perlen sowie die Perlenreihe um ein brennendes<br />

Herz. Die Kombinationen von Techniken <strong>und</strong> Strukturen wie auch die Farbskala

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