Jahrbuch Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin ...

Das Sticken der Frauen und Mädchen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 21
Abb. 1 Agnes Zschucke (14jährig): Stickmustertuch, Kreuzstich, rot, auf locker
gewebtem Baumwollgewebe; gestickt im privaten Handarbeitsunterricht, Sachsen,
1854, SMBPK Museum Europäischer Kulturen, MDV 18 B 258
erzieherischer Wert zuzumessen und deshalb seine Verknüpfung mit der Schule sehr erstrebenswert
sei. Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts finden sich deshalb zahlreiche
Initiativen, um einen systematischen Handarbeitsunterricht, insbesondere für Mädchen
einzuführen. Kabinettsordre von 1817 und in den Folgejahren, so 1830 im Regierungsbezirk
Köln, gaben immer wieder Anstöße dafür und fanden in einigen öffentlichen Schulen
auch schrittweise Anwendung. In der Sammlung sind auch etliche Schul-Mustertücher aus
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts enthalten. Sie zeigen vorwiegend Kreuzstichmuster,
oft als Kombination von Alphabeten, Zahlen und Bildmustern gestaltet. Diese frühen Tücher
dokumentieren die Übergangsperiode von den schmalen, langen hohen Stickmustertüchern
des 18. Jahrhunderts zu den typischen Formmassen des 19. Jahrhunderts. Die Tücher wurden
dann im Breitformat gearbeitet bzw. auf nahezu quadratischer Fläche. In jedem Fall
verkleinerte sich die zu gestaltende Fläche für die Stickerin. Eine klare Gliederung zeichnet
sie in der Mehrzahl aus: mehrere Muster sind in Reihen zueinander geordnet, mehrere
Alphabete stehen zueinander, eines davon wird besonders betont und einzelne Bildmotive
schließen sich dem an. Die Gestaltung dieser kleinen Stickmotive scheinen der
Stickerin Freiräume gegeben zu haben.