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Jahrbuch Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin ...

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8 Christa-Maria Jeitner<br />

lassen eine künstlerisch führende Persönlichkeit unter den stickenden Händen des Klosters<br />

vermuten.<br />

Zur Ausbildung in Klöstern gehörte, daß begabte Mädchen sticken lernten. Techniken<br />

<strong>und</strong> handwerkliche Eigenheiten wurden dort weitergegeben, wodurch sich eine fortlaufende<br />

Tradition entwickelte. Zu ihrem eigenen Stil gelangte die Werkstatt, weil sichtlich<br />

auf die künstlerische Darstellung ebenso großer Wert gelegt wurde wie auf handwerkliche<br />

Meisterschaft. Geübt wurde auch der Umgang mit Vorlagen, deren Umsetzung <strong>und</strong> Variation,<br />

schließlich wurde die Fähigkeit zu selbständigen Entwürfen entwickelt. Druckgraphik<br />

aus der Werkstatt Schongauers war schon Ende des 15. Jahrh<strong>und</strong>erts als Vorlage herangezogen<br />

worden. 13 Welche Drucke im Barock in das Kloster gelangten, Einfluß gewannen<br />

<strong>und</strong> damit möglicherweise auch Bildtypen für die Ausstattung der Kirche vorgaben, bleibt<br />

noch zu eruieren. Klosterfrauen blieben durch die Pflicht der Stabilitas loci auf ihr Kloster<br />

beschränkt. Bei neuen Entwicklungen waren sie auf Informationen angewiesen, die in ihr<br />

Kloster gelangten, das waren sowohl gedruckte Bildvorlagen als auch gemusterte Stoffe. In<br />

dieser begrenzten Welt muß der Neubau der Kirche als einzigartiger Einbruch zeitgenössischen<br />

künstlerischen Schaffens gewirkt haben. Er brachte die Chorfrauen in Kontakt mit<br />

Künstlern, die mit der Ausstattung beauftragt waren. Einflüsse <strong>und</strong> Wechselwirkungen verschmolzen<br />

zum Stil der Werkstatt, deren Stickereien ihrerseits das Kloster repräsentieren,<br />

weil dort in erster Linie für den eigenen Bedarf gearbeitet wird.<br />

Auf den eigenen Bereich verweisen die beiden vor dem Neubau der Kirche entstandenen<br />

Stickereien. Mit dem Typus der Engel mit Weihrauchfässchen, wie er auf dem Baldachin<br />

von 1688 (Nr. 1) <strong>und</strong> der Kasel »A.R. O P« »14« (Nr. 2, Farbabb. 1) erscheint, ist eher<br />

in früheren Kunstepochen zu rechnen. Tatsächlich finden sich Engel mit Weihrauchfässern<br />

über dem Giebel des Tabernakels aus der alten Kirche (Farbabb. 2). 14 Dieses Bild war für<br />

die Chorfrauen mit dem eucharistischen Brot verb<strong>und</strong>en. Das Motiv wurde von ihnen übernommen.<br />

15<br />

Der hl. Michael, als barock-antiker Held erscheinend, findet sich nicht nur als Stickerei<br />

auf der Unterseite des Baldachinhimmels (Nr. 11, Farbabb. 3 <strong>und</strong> 4), sondern auch auf dem<br />

Deckengemälde der Kapelle bei der Crucis-Kirche 16 , dessen Datierung »1735« im gleichen<br />

Duktus geschrieben ist wie die Jahresangaben auf den Stickereien. Das Gemälde trägt die<br />

Inschrift: »An dieser Kirchen ist der erste Stein gelegt den 8. Mai ao 1731 auff s. Michaels<br />

Erscheinung«. Die Malerei der Kapelle stammt wegen ihrer naiven Züge von anderer Hand<br />

als die Deckenmalereien der Kirche. Von dieser Hand könnten auch Fahnen gemalt sein.<br />

Das ziemlich grob in Ölfarben auf Leinwand gemalte Blatt in einer weinroten Seidendamastfahne<br />

im Besitz des Domes zeigt wiederum eine ähnliche Darstellung des hl. Michael.<br />

Derartige Fahnen sind auch für die Crucis-Kirche belegt: »S. Antonius de Padua 1740« 17<br />

sowie »S. JOANNES NEPUMUCENUS 1740«, auf deren Rückseite Maria auf der Weltkugel<br />

»S. Maria 1740« 18. Diese Immaculata steht einer weiteren Stickerei nahe, einer apokalyptischen<br />

Madonna mit Jesuskind (Nr. 12). 19 Die Komposition in silbernem Oval, umschlungen<br />

von einer Blumengirlande, in den Ecken Blumenbuketts mit silbernen Schleifen, ist<br />

identisch mit der des Baldachinhimmels mit hl. Michael.

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