Jahrbuch Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin ...

Das Sticken der Frauen und Mädchen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 29
Abb. 7 Stickmuster in Form einer Schürze, Baumwollgarn auf
Stramin, Stickerei- und Hohlsaumarbeiten, gefertigt im Handarbeitsunterricht,
Berlin, um 1905, SMBPK Museum Europäischer
Kulturen, MDV 18 A 49
de weibliche Arbeitskräfte ihre Handarbeitsfertigkeiten zum Erwerb des Lebensunterhalts
einsetzen mussten. 19 Diese Arbeiten, die zudem mit der Entwicklung industrieller Fertigungsmethoden
einhergingen, eröffneten den Beschäftigten keine kreativen Möglichkeiten.
Hier hatte der schulische Handarbeitsunterricht eher eine Basis für eine zweifache Disziplinierung
der Mädchen und Frauen gelegt. Zum einen die Position der Frau in der Gesellschaft
betreffend, zum anderen als Arbeitskraft. Handarbeit wurde hier zur schlechtbezahlten
weiblichen Berufsarbeit.
Umso erstaunlicher ist es, wenn wir zuweilen an Sammlungsobjekten, deren sozialer
Kontext gut dokumentiert und überliefert ist, feststellen, dass sie Ausdruck kreativer Ideen
sind, wobei hier sicher auch die Messlatte nach sozialen Kategorien unterschiedlich anzulegen
ist. Begünstigend dafür wirkte sich sicher aus, dass mit der Vereinfachung der Drucktechniken
eine Vielzahl von preiswerten Handarbeitsvorlagen für breite Bevölkerungsschichten
zur Verfügung stand. Modejournale, Galanterie- und Textilfirmen übernahmen
im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die Verbreitung und den Vertrieb der einfachen
Lithographien oder der noch billigeren Buchdruckerzeugnisse sowie Schablonen, deren
Motive schrittweise einer Vereinfachung unterlagen.