II - CCA Monatsblatt
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Zertifizierung in Bolivien<br />
Titel Titel<br />
Angeregt durch Organisationen der internationalen Zusammenarbeit und<br />
durch die Auslandsnachfrage nach ökologisch erzeugten Agrarprodukten,<br />
vor allem solchen, die man in Europa nicht anbauen kann, begannen sich<br />
hier in Bolivien Ende der 80er Jahre Bauern in Asociaciónes, Cooperativas<br />
und CORACAs zusammen zu schließen und gründeten auch kurz darauf<br />
die Asociación de Organizaciónes de Productores Ecológicos de Bolivia<br />
AOPEB 6 . Alles mit dem gemeinsamen Ziel, ökologisch erzeugten Kaffee,<br />
Kakao, Quinoa und wild gesammelte Paranüsse unter Erfüllung der damals<br />
geltenden internationalen Anbaunormen nach Übersee zu exportieren und<br />
dadurch einen höheren Preis zu erzielen.<br />
Wenn Mitglieder dieser exportierenden Genossenschaft das Wort<br />
“Zertifizierung” hören, denken sie höchstwahrscheinlich an zweierlei: an<br />
den Fairen Handel (Mercado solidario, Comercio Justo) 7 undanökologische<br />
Landwirtschaft. Kommt man näher auf das Thema zu sprechen, wird man<br />
irgendwann zu hören bekommen: “Mucha exigencia,, muy complicado,<br />
muy caro, mucho papeleo.”<br />
Da in der Zertifizierung Transparenz und Kontrolle eine Schlüsselfunktion<br />
inne haben, wird sie in der Praxis in sich ergänzender Tätigkeit zwischen<br />
dem Bauern, seiner Organisation und dem Zertifizierungsunternehmen<br />
durchgeführt. Zertifizierte Landwirtschaft, sei es im Fair Trade oder im<br />
Ökolandbau, erfordert in der Tat wie der bolivianische Bauer zurecht angibt,<br />
ein hohes Maß an Dokumentation und diese zu bewältigen ist für viele<br />
Bauern erfahrungsgemäß nicht immer einfach. Die Bauernorganisation<br />
muss ein internes Kontrollsystem aufbauen mit definierten Strukturen und<br />
Prozessen und Personen ausbilden, um die normgemäßenAnforderungen des<br />
Ökolandbaus in die Praxis umzusetzen, und die gesamte dies nachweisende<br />
Dokumentation in Zusammenarbeit mit dem Zertifizierer aufbauen.<br />
6 AOPEB ist der Dachverband der ökologischen Landbaubewegung Boliviens. Er feierte 2011<br />
seinen 20. Geburtstag.<br />
7 Beim Fair Trade geht es prioritär um die Einhaltung sozialer Prinzipien und Kriterien wie bspw.<br />
um die Gleichstellung von Mann und Frau, die Anwendung demokratischer und partizipativer<br />
Entscheidungsprozesse, speziell zur Festlegung der gemeinsamen Investition, die mit dem<br />
“Solidaritätszuschlag” getätigt werden soll. Diess ist für viele Bauern Anreiz sich mit diesem<br />
“Markt” auseinanderzusetzen und die Spielregeln einzuhalten.Neben den sozialen Kriterien gibt<br />
es für landwirtschaftliche Produkte auch produktionstechnische Kriterien, die zum Teil wenig<br />
abweichend oder gar identisch sind mit denen des Ökolandbaus. Hinter dem fairen Handel<br />
stehen vor allem private Träger- Organisationen (u.a. Kirchen) bzw.daraus hervorgehende<br />
internationale Netzwerke, wo unter Beteiligung der Bauern Regeln und Kriterien aufgestellt<br />
werden (Z. B. Fairtrade Labelling Organization) und deren Einhaltung durch spezialisierte<br />
Zertifizierungsunternehmen z.B. FLO CERT GmbH überprüft werden.<br />
Will beispielsweise die bolivianische Kakaobauerngenossenschaft<br />
“El Ceibo” ihren Kakao als ökologisch zertifizierten Kakao in die USA<br />
exportieren, müssen die in El Ceibo zusammen geschlossenen Bauern<br />
die dort geltenden NOP-Normen 8 erfüllen. Es geht darum, mittels<br />
einer lückenlosen Dokumentation die Transparenz im Warenfluss zu<br />
gewährleisten und unter Beweis zu stellen, sprich zu verhindern, dass<br />
plötzlich zehn Sack konventionell erzeugter Kakao auf dem Weg von<br />
Sapecho nach El Alto auf dem LKW landen, um dort in der Fabrik<br />
unzulässigerweise als Ökokakao verarbeitet zu werden.<br />
Fazit: Die Welt der Normen ist für viele Bauern hierzulande schwer<br />
verständlich und ihre Umsetzung kompliziert. Aber: Die Organisationen<br />
schaffenesdennochdieseweitestgehendeinzuhalten.SeitEndederachtziger<br />
Jahre exportieren sie unter Einhaltung der aktuellen internationalen Normen<br />
für zertifizierten Ökolandbau. Viele Organisationen erreichen zusätzlich<br />
auch noch die Fair-Trade-Zertifizierung. Die Konsumenten auf dem<br />
nationalen Markt gehen allerdings weitgehend leer aus. Dort wird kaum<br />
eines der ökologisch zertifizierten Exportprodukte angeboten. Stattdessen<br />
werden die Konsumenten in Bolivien mit Produkten und Begriffen<br />
konfrontiert wie agricultura tradicional, productos super-ecológicos,<br />
productos limpios etc., die frei nach Belieben ohne irgendwelche Kontrolle<br />
eingesetzt werden, meist einzig mit dem Ziel höhere Preise im Verkauf<br />
zu erlangen. Der Konsument ist dem Anbieter ausgeliefert, er kann ihm<br />
glauben und vertrauen oder auch nicht.<br />
Abhilfe soll diesbezüglich die neue, für den bolivianischen Markt<br />
entwickelte, nationale Norm für die Produktion, Transformation und<br />
Vermarktung von ökologischen Produkten schaffen , die das allgemeine<br />
Gesetz aus dem Jahr 2006 (Ley 3525) zur Förderung des Ökolandbaus<br />
präzisiert. Diese von der technischen Einheit des Nationalen Rates für<br />
ökologische Landwirtschaft (Unidad de Coordinación del Conseja<br />
Nacional de Producción Ecologica, UC-CNAPE) erarbeitete nationale<br />
Norm für partizipative Garantiesysteme (Sistemas Participativos de<br />
Garantía, SPG) orientiert sich an den internationalen Vorgaben der IFOAM<br />
für diese Zertifizierungsalternative. Ziel ist es vor allem ökologische<br />
8 Für die exportorientierten Länder sind die Ökoanforderungen der Importländer maßgeblich:<br />
Weltweit gesehen sind dies insbesondere die Verordnungen der Europäischen Union (die EG<br />
Nr. 889/2008 der Europäischen Kommission, deren Durchführungsverordnung EG Nr. 837/2007<br />
des Rates über ökologische Produktion und die Kennzeichnungsverordnung von ökologischen<br />
Produkten maßgebend. Diese lösen die vorherige Verordnung 2092/91 des Rates ab) in den USA<br />
die NOP und in Japan der JAS.<br />
Boliviens Schokoladenseiten 14<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 2/2012 <strong>Monatsblatt</strong> 2/2012<br />
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Boliviens Schokoladenseiten