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IV - CCA Monatsblatt

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Inhalt<br />

Seite<br />

Einleitung<br />

• In eigener Sache<br />

Serie<br />

3<br />

• Das Bundesland Bayern (alias “der Freistaat”) 4<br />

• Ganz Bayern? Nein! 11<br />

• Hallo Thueringen…und Tschuess, La Paz 21<br />

• Restaurant-Tipp 24<br />

• Die Vermessung der Erde in Peru 1735-1745 25<br />

• Alle Jahre wieder Advents- und Weihnachtsbräuche in Deutschland 31<br />

• Wer.Wie.Was.<br />

Kultur<br />

37<br />

• Una experiencia inolvidable.. 39<br />

• Konzert von Felix Raffel 41<br />

• Presentación de libros 44<br />

• Herta Mueller, una nobel de literature en Bolivia<br />

Reise<br />

47<br />

• Guayamerin 51<br />

• Cayara und Huata-Wohnen mit Stil<br />

Aktuelles<br />

53<br />

• Premiere in Bolivien<br />

Leute<br />

56<br />

• Die Abschiedsfahrt von Manuel Lins und Barbara Guenther 59<br />

• Kein Abschiedsartikel 64<br />

• Lieber <strong>CCA</strong>, liebe <strong>Monatsblatt</strong>-Leser 65<br />

• Ueber mein Studium in Bolivien 66<br />

• Markus Sterr<br />

Schule<br />

69<br />

• Deutsche Schule La Paz vor 50 Jahren 71<br />

• Abi-Rede<br />

Veranstaltungen<br />

74<br />

• Weltuntergang 2012 80<br />

• Mitteilungen der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde 83<br />

• Mitteilungen der Katholischen Kirchengemeinde deutscher Sprache 84<br />

• Goethe<br />

Mischmasch<br />

85<br />

• Ein Kaelteabenteuer 94<br />

• Wider den Handy-Wahn 98<br />

1 <strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Herausgeber:<br />

Deutsche Kulturgemeinschaft,<br />

Centro Cultural Alemán (<strong>CCA</strong>)<br />

Büro: Deutsche Schule La Paz –<br />

Colegio Alemán La Paz<br />

Zuständig: Lic. Miguel Angel Lazarte<br />

Tel.: 2671002<br />

Fax: 2671003<br />

La Paz - BOL<strong>IV</strong>IEN<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

Redaktion:<br />

Manuel Lins 2790904<br />

E – mail: mlinbolivia@yahoo.de<br />

Franziska Sörgel 2710281<br />

E – mail: franziskasoergel@web.de<br />

Dirk Hoffmann 2711724<br />

E – mail: dirk.hoffmann@berlin.de<br />

Sohrab Tawackoli 70517302<br />

E – mail: sohrab@acelerate.com<br />

Katrin Schönlein 2711714<br />

E – mail: ks@alsvidr.de<br />

Frank Schwanbeck 2711714<br />

E – mail: fs@alsvidr.de<br />

(Auflage: 400 Stück)<br />

Artikel/Leserbriefe bitte entweder an Redaktionsmitglieder oder <strong>Monatsblatt</strong>,<br />

Casilla 8718 – La Paz richten.<br />

Die Redaktion behält sich vor, Artikel/Leserbriefe gekürzt zu veröffentlichen.<br />

Artikel/Leserbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion<br />

wieder.<br />

Anzeigen bitte als hardcopy und softcopy an Sohrab Tawackoli senden.<br />

Die einzelnen Artikel des <strong>Monatsblatt</strong>s und eine Gesamtfassung können auf<br />

der Webseite www.cca-monatsblatt.org separat heruntergeladen werden.<br />

Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe ist der 15.02.2011.<br />

2


In eigener Sache<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

Abschied. Das wäre eigentlich mal ein Thema gewesen. Schließlich nehmen<br />

wir dauernd Abschied, sagen je nach landsmannschaftlicher Gebundenheit bzw.<br />

Anpassung Servus, Tschüs, Pfüatdi, Chau oder Ade. Hier in der deutschsprachigen<br />

Gemeinde Boliviens verabschieden wir uns oder andere noch ein bisschen<br />

häufiger als in Deutschland, es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. In<br />

einem philosophischen Sinne sind wir natürlich ohnehin alle Transeuntes, nur<br />

auf der Durchreise, und wenn wir jetzt nicht aufpassen und einfach so weiter<br />

schreiben, sind wir gleich beim Wort zum Sonntag.<br />

Abschied also. Als Thema. Wäre schön gewesen, aber wir haben es einfach<br />

zeitlich nicht geschafft vor lauter Abschiedsfesten, Einladungen und allem,<br />

was die Jahreszeit so mit sich bringt. Vielleicht ein andermal. Wie gesagt: Das<br />

Thema ist ja immer aktuell.<br />

Auch das <strong>Monatsblatt</strong> steckt abschiedsbedingt mal wieder im Umbruch. Für<br />

eine Redaktion ist das aber kein Anlass zur Besorgnis, denn als Zeitungsmacher<br />

hat man ständig mit Umbrüchen zu tun. Zeilenumbruch, Seitenumbruch, warum<br />

dann nicht auch noch personeller Umbruch. <strong>Monatsblatt</strong> geht weiter. Wetten?<br />

Das Jahr 2010 will sich, wie aus chronologischen Kreisen zu vernehmen ist,<br />

Ende Dezember verabschieden. Als Nachfolger soll 2011 bereits fest zugesagt<br />

haben. Wir sind in jedem Fall mal wieder unserer Zeit voraus. Es verabschiedet<br />

sich nämlich schon jetzt:<br />

3<br />

Die Redaktion<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

Serie<br />

Das Bundesland Bayern (alias „der Freistaat“)<br />

Höchster und<br />

tiefster Punkt des<br />

Landes<br />

Wichtige<br />

Kulturbeiträge<br />

B e d e u t e n d e<br />

Persönlichkeiten<br />

Gipfel der Zugspitze (Oberbayern) 2.962 m<br />

Mündung der Kahl in den Main (Unterfranken) 102<br />

m<br />

Da gibt’s viel. Beschränken wir uns auf die eher<br />

populäre Kultur. Stellvertretend seien genannt:<br />

• Im Bereich der Musik die Biermösl Blos’n,<br />

Haindling und die Spider Murphy Gang. Auf<br />

der einen Seite durch und durch bayerisch,<br />

auf der anderen Seite offen-kritisch bis<br />

hinterfotzig-ironisch. Als Einstieg sei das<br />

Lied „Bayern“ vom in keine Schublade<br />

passenden Hans-Jürgen Buchner (Haindling)<br />

empfohlen.<br />

• Bei Film, Theater und Kabarett spannt sich<br />

ein Bogen von Karl Valentin und Liesl<br />

Karlstadt über Gerhard Polt bis hin zu<br />

Helmut Dietl (und da haben wir die seit über<br />

50 Jahren in Oberbayern ansässigen Dieter<br />

Hildebrandt und Loriot noch gar nicht<br />

mitgezählt). Wer sich ein paar nette Abende<br />

machen will und nebenbei verschiedene<br />

Facetten speziell des münchnerischen<br />

Lebens kennen lernen will, dem seien die<br />

Serien von Helmut Dietl empfohlen, egal ob<br />

„Münchner Geschichten“, „Monaco Franze“<br />

oder „Kir Royal“.<br />

Ludwig II., König. Entwarf für Walt Disney das<br />

Modell für Cinderellas Märchenschloss.<br />

Beckenbauer, Franz, Fußballspieler. Gewann so<br />

ungefähr alles, was es zu gewinnen gibt. Wurde, was<br />

heute überhaupt nicht mehr üblich ist, in der Stadt<br />

geboren, für deren Fußballverein er spielte. Siehe<br />

auch „Peinliche Persönlichkeiten“.<br />

Ratzinger, Joseph Alois, Theologe. Holte im Jahr<br />

2005, fast 1.000 Jahre nach Viktor II., den Papsttitel<br />

endlich wieder nach Bayern und nennt sich seitdem<br />

Benedikt XVI.<br />

4


Beiträge zur<br />

Weltwirtschaft<br />

K u l i n a r i s c h e<br />

Spezialitäten<br />

K u l i n a r i s c h e<br />

Verwirrungen<br />

P e i n l i c h e<br />

Persönlichkeiten<br />

Serie<br />

Die Fugger, insbesondere Jakob und sein Neffe und<br />

Erbe Anton Fugger, die Anfang bis Mitte des 16. Jh.<br />

die reichsten Männer der Welt und, wie man heute<br />

sagen würde, politische Strippenzieher par excellence<br />

waren.<br />

Allianz (Platz 22 der weltgrößten Konzerne), Siemens<br />

(Platz 37), BMW (zweitwertvollste Automarke der<br />

Welt), Munich Re (weltgrößter Rückversicherer,<br />

Umsatz pro Kopf ca. 1 Million Euro)<br />

Weißwürscht mit Brez’n und süßem Senf, dazu<br />

ein Weißbier, idealerweise am späten Vormittag<br />

einzunehmen<br />

Das Radler. Der Legende nach wurde die Mischung<br />

aus Zitronenlimonade und Bier 1922 von Franz Xaver<br />

Kugler, dem Wirt der Kugler-Alm in Holzkirchen<br />

südlich von München erfunden, als er sich eines<br />

Wochenendes vor das Problem gestellt sah, allzu<br />

viele Radfahrer mit Getränken zu versorgen und<br />

flugs die „Radler-Maß“ kreierte. Neuere Forschungen<br />

legen jedoch den Schluss nahe, dass die Erfindung<br />

mindestens auf die Zeit um 1900 datiert, da sie bereits<br />

vor Kugler literarisch erwähnt wurde.<br />

Saures Lüngerl<br />

Dick, Alfred. Stellvertretend für viele CSU-Politiker,<br />

bei denen man nicht entscheiden konnte, ob sie nun<br />

dumm oder dreist oder beides waren. Der damalige<br />

bayerische Umweltminister wurde bekannt, als er<br />

nach der Katastrophe von Tschernobyl vor laufenden<br />

Kameras verstrahltes Molke-Pulver aß und die<br />

unvergesslichen Worte sprach: „Des tut mir nix.“ An<br />

Kommentaren mangelte es danach nicht, u.a. fragte<br />

man sich, ob der Minister nun als Sondermüll entsorgt<br />

werden müsse.<br />

Beckenbauer, Franz, Fußballfunktionär. Als Spieler<br />

genial, als Trainer geschickt, als Kommentator,<br />

Funktionär und Medienfigur einfach nur peinlich.<br />

Erwarb sich zum Titel „Kaiser“ noch den des „Firle-<br />

Franz“ hinzu.<br />

5<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Serie<br />

Wie komme ich eigentlich dazu, über das Bundesland Bayern zu schreiben?<br />

Ich bin zwar in Wolfratshausen, 30 Kilometer südlich von München, also in<br />

Bilderbuchbayern geboren, aber damit hört mein Bayrischtum auch schon<br />

wieder auf. Von meiner Abstammung her nordostdeutsch, habe ich Bayrisch<br />

(„boarisch“) als ungefähr vierte oder fünfte Fremdsprache gelernt, und das auch<br />

nur, um mich über eingefleischte Bayern lustig zu machen. In Bolivien habe ich<br />

mindestens ein halbes Dutzend Nationalparks besucht, in Bayern noch keinen<br />

einzigen (es gibt zwei, den Nationalpark Bayerischer Wald, den ältesten in<br />

Deutschland, und den Nationalpark Berchtesgaden). Und schließlich, wie mein<br />

Schwager, ein wesentlich echterer Bayer als ich, einmal angemerkt hat: „Wenn<br />

a Katz in da Hundehüttn jungt, is imma no a Katz!“ Andererseits ist Bayern<br />

traditionell auch ein Einwanderer- und Multikultiland, von daher bin ich gar<br />

kein so untypischer Bayer.<br />

In der Wahrnehmung im Ausland wird Deutschland oft mit Bayern gleichgesetzt,<br />

streng genommen sogar nur mit einem kleinen Teil des Bundeslandes<br />

„Freistaat Bayern“, nämlich dem Regierungsbezirk Oberbayern. Deutschland<br />

= Lederhosen + Bier, so lautet die ebenso einfache wie falsche folkloristische<br />

Gleichung. Das ist insofern witzig, als Bayern einen eher weniger typischen Teil<br />

Deutschlands darstellt, allein schon historisch. Im Gegensatz zum größten Teil<br />

des heutigen deutschen Staatsgebietes kamen Altbayern und Schwaben unter<br />

die Herrschaft des römischen Reiches, was man heute noch an den manchmal<br />

frappierend italienischen Gesichtszügen mancher Bayern sehen kann.<br />

Das Bayernbild, nicht nur im Ausland, ist wohl stärker als bei jeder anderen<br />

deutschen Region von Klischees geprägt. Zeit also, mit Vorurteilen aufzuräumen,<br />

oder, wo das nicht möglich ist, sie zumindest etwas zeitgemäßer zu gestalten.<br />

Klischee 1: „Bayern ist streng katholisch!“<br />

Stimmt, zumindest teilweise. Altbayern ist in der Tat (im Gegensatz zu Franken)<br />

von der römisch-katholischen Kirche geprägt, was sich vielerlei Brauchtum<br />

wie z.B. Fronleichnamprozessionen zeigt. Allerdings geht, wie überall in<br />

Deutschland, der Einfluss der Kirche immer weiter zurück. Die Zeiten, als der<br />

Pfarrer von der Kanzel aus Wahlempfehlungen gab (und dabei auch gehört<br />

wurde), sind vorbei.<br />

Klischee 2: „In Bayern tragen die Leute Lederhosen und Dirndl!“<br />

Leider viel zu selten. Denn bei den richtigen Personen sieht ein Dirndl oder eine<br />

Lederhose schon fesch aus. Außer zu folkloristischen und festlichen Anlässen wie<br />

Hochzeiten werden diese Kleidungsstücke aber nur noch selten aus den Schrank<br />

geräumt. Und glauben Sie bloß nicht, dass das, was Sie auf dem Oktoberfest<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

6


Serie<br />

im München („der Wies’n“) zu sehen bekommen, bayerische Tracht ist. Was<br />

dort insbesondere von Halb- und Möchtegernpromis zur Schau gestellt wird, ist<br />

oft ein ähnlich grauenvoller Stilbruch wie Badehose mit Krawatte oder Cholita<br />

mit Baseballkäppi. Apropos: Die „Madln und Buam“ vom Ave Maria sehen in<br />

bayerischer Tracht oft erstaunlich gut aus. Mindestens so gut wie Deutsche in<br />

Tinku-Kleidung.<br />

Klischee 3: „In Bayern wählt man CSU!“<br />

Das war einmal. Der CSU ist etwas gelungen (und zwar ohne dass sie das<br />

wollte), wovon jeder guter Pädagoge träumt: Sie hat sich selbst überflüssig<br />

gemacht. Sie hat entscheidend dazu beigetragen, dass aus dem eher armen<br />

Agrarland (das lange Zeit Mittel aus dem Länderfinanzausgleich empfing)<br />

unter der Chiffre „Laptop und Lederhose“ eine merkwürdig gut funktionierende<br />

Chimäre aus bäuerlich-touristischer und hochtechnologischer Wirtschaftsregion<br />

wurde (die nun den Länderfinanzausgleich gar keine so gute Idee mehr findet).<br />

Gerade ich als Stamm-Nicht-CSU-Wähler muss diese Leistung rundum<br />

anerkennen – und gleichzeitig darüber schmunzeln, dass die CSU, die einst,<br />

wie man sagte, einen Besenstiel hätte aufstellen können, Hauptsache, es steht<br />

CSU drauf, sich damit selbst das Wasser abgegraben hat. Denn ungebildete,<br />

traditionsverhaftete Bauern mögen vielleicht Besenstiele als Kandidaten<br />

akzeptieren; bei Softwareentwicklern und Öko-Landwirten stehen die Chancen<br />

da deutlich schlechter. Im Grunde genommen könnte die CSU also stolz sein<br />

auf ihre schlechten Wahlergebnisse. Aber das wäre nun wirklich völlig un-CSUhaft.<br />

Klischee 4: „Das bayerische Bier... !“<br />

Endlich mal ein nettes Vorurteil. Das bayerische Bier hat einen dermaßen guten<br />

Ruf (und das zu Recht!), dass es schon wieder ein Klischee ist. Wahr ist: Mit laut<br />

statistischem Bundesamt 627 Brauereien entfällt etwa die Hälfte der deutschen<br />

Braustätten auf Bayern (vermutlich sind es noch einige mehr als die genannten<br />

627, denn einige mir persönlich bekannte Brauereien habe ich in der Liste nicht<br />

gefunden). Auf der anderen Seite ist Bayern auf dem Bierweltmarkt ein Zwerg.<br />

Die größte bayerische Brauerei Oettinger belegt auf dem Weltmarkt gerade<br />

einmal Platz 33 – mit einem Marktanteil von 0,5 Prozent. Die Reputation des<br />

bayerischen Bieres steht damit in krassen Gegensatz zu seinen Verkaufszahlen.<br />

Was andererseits auch seinem Charme hat: Es sind eben nicht die großen<br />

Marken, die in Bayern alles beherrschen, sondern kleine, oft unbekannte und<br />

dafür umso leckerere Bierspezialitäten. Und in einer unverzichtbaren Zutat ist<br />

Bayern nach wie führend: Hopfen. Allein 25% der Weltproduktion werden in<br />

der Hallertau (auch Holledau) angebaut, und beim daraus gewonnenen Extrakt<br />

handelt es sich um Spitzenqualität.<br />

7<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Serie<br />

Übrigens: Wenn man in Bayern einen Liter Bier möchte, muss man „a Maß“<br />

bestellen, mit einem kurzen, leicht ins „O“ spielenden „A“. Wer „das Maaaß“<br />

sagt, mit sächlichen Artikel und langem „A“, outet sich als kulturfremd. Und<br />

mit „von der Maas bis an die Memel“ hat das Ganze nun wirklich nichts zu tun.<br />

Klischee 5: „Die bayerischen Landschaften sind lieblich, mit Seen und<br />

Bergen!“<br />

Stimmt. Dieses Vorurteil muss ich voll und ganz und nicht ohne den Stolz<br />

des „zugroasten“ (zugereisten) Bayern bestätigen. Der Starnberger See<br />

an einem schönen, sonnigen Sommertag, mit Segelbooten und den Alpen<br />

im Hintergrund, und danach am See im Biergarten sitzen – etwas recht viel<br />

Schöneres gibt es gar nicht. Übrigens zeigt sich hier in zweierlei Hinsicht, dass<br />

die Bayern viel demokratischer und aufmüpfiger sind als oft angenommen.<br />

Zum einen ist es per Biergartengesetz aus dem 19. Jahrhundert erlaubt, in von<br />

außen zugängliche Biergärten sein eigenes Essen mitzubringen (nur das Bier<br />

muss verständlicherweise vor Ort gekauft werden), zum anderen verpflichtet<br />

die bayerische Verfassung Staat und Gemeinden, „der Allgemeinheit die<br />

Zugänge zu Bergen, Seen und Flüssen (...) freizuhalten und allenfalls durch<br />

Einschränkungen des Eigentumsrechtes freizumachen freizumachen“ (!). Ja, so<br />

sozialistisch können wir sein! Wenn wir wollen.<br />

Klischee 6: „Alle Bayern sind Fans des FC Bayern München!“<br />

Falsch, ganz falsch! Natürlich gibt es im Freistaat Bayern zugegebenermaßen<br />

eine ziemlich große Zahl fehlgeleiteter Menschen, die Anhänger dieses<br />

zugegebenermaßen recht erfolgreichen Vereins sind. Erfolg zieht die Menschen<br />

nun einmal an wie Fliegen ... – lassen wir das. Andererseits leben in Bayern<br />

die größten (FC-) Bayern-Hasser. Diese sind oft Fans des TSV 1860 München<br />

(auch „Sechzig“, „die Sechzger“, „die Löwen“, seltener „die Blauen“), deren<br />

Glaubensbekenntnis sich in den Worten „... und wir steigen wieder auf,<br />

halleluja!“ ausdrückt. Sechzig war 1966 zum ersten und bisher einzigen Male<br />

deutscher Meister, woran sich viele Fans, die damals überhaupt noch nicht<br />

geboren waren, mit Wehmut erinnern. Es ist ein Verein, an dem man wunderbar<br />

leiden und verzweifeln kann, im Gegensatz zu den langweiligen Bayern, mit<br />

denen man immer nur irgendwelche Erfolge feiern kann und die deswegen auch<br />

keine g’scheiten Spitznamen haben (außer „die Roten“, was auch langweilig<br />

ist).<br />

Klischee 7: „Die Bayern sind eingebildet darauf, Bayern zu sein, und<br />

kennen den Rest Deutschlands gar nicht!“<br />

Da ist zumindest teilweise was dran. Es kann in der Tat ziemlich nerven,<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

8


Serie<br />

mit welch dümmlichem Stolz manche Bayern Bayern und speziell manche<br />

Münchner Münchner sind. Wobei oft gar nicht klar ist, worauf sie da im einzelnen<br />

überhaupt stolz sind. Egal: Mir san mir! Weitere Erklärungen überflüssig. Nun<br />

ist diese Art von hohlem National- bzw. Regionalstolz keineswegs nur in Bayern<br />

anzutreffen, aber lästig ist sie in jedem Fall. Dass sie nicht reiselustig seien, kann<br />

man den Bayern jedoch nicht vorwerfen. Allerdings liegt ihnen oft der Gardasee<br />

(„da Sä“) doch näher als der Wannsee, wie es sie überhaupt immer wieder stark<br />

nach Italien zieht, vielleicht durch genetische Reste bedingt. Andererseits scheut<br />

der Bayer keineswegs die Überquerung des sogenannten „Weißwurstäquators“<br />

und ist durchaus in der Lage, im Norden oder Osten der Bundesrepublik Urlaub<br />

zu machen oder sich gar anzusiedeln. In Berlin lebt bereits seit geraumer Zeit<br />

eine nicht unerhebliche Zahl von Bayern, die bereits im Jahre 1876 für die<br />

damals 6.000 Bajuwaren den „Verein der Bayern in Berlin“ ins Leben riefen.<br />

Ein Schmankerl am Rande: Als einer der Vorsitzenden 1920 nach München zog,<br />

gründete er dort einen Zweigverein für die dort lebenden Vereinsmitglieder.<br />

Eine Münchner Zweigstelle der Vereins der Bayern in Berlin – das hätte sich<br />

Karl Valentin kaum besser ausdenken können.<br />

9<br />

Text: Manuel Lins<br />

Fotos: Barbara Günther, Manuel Lins, Internet<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Serie<br />

Gruselig: T-Shirt mit Lederhosen- oder Dirndlaufdruck.<br />

Bilderbuchbayern. Loisach und Kirche St. Andreas in Wolfratshausen.<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

10


11<br />

Serie<br />

Ganz Bayern? Nein!<br />

Ganz im Norden kauert eine Handvoll Franken und bewacht das, was übrig<br />

blieb - den allerletzten deutschen Rest vom großen Frankenreich. Unter Karl<br />

dem Großen waren die Franken die größte Macht in Europa, sogar die Gallier<br />

mitsamt ihren Asterixen hatten sie nach Abzug der Römer eingemeindet. Danach<br />

wurden immer kleinere Reiche daraus, bis ein königstreuer Reichskreis Franken<br />

übrig blieb, zersplittert in kleine und kleinste geistliche und weltliche Territorien<br />

und Reichsstädte, ohne Führung und eigene Identität. Leicht bewegliche<br />

Konkursmasse im Ausverkauf des Heiligen Römischen Reiches 1803. Das<br />

Unwort jenes Jahres war mit Sicherheit „Reichsdeputationshauptschluss“ und<br />

das hieß: Franken ist überhaupt nichts mehr „offizielles“, es sind drei willkürlich<br />

eingerichtete Regierungsbezirke von Bayern, die ein knappes Drittel der<br />

Freistaatsfläche einnehmen. Von den Franken als Einwohnern gibt es dort gute<br />

4 Millionen, die Kollegen in den fränkischen Teilen Baden-Württembergs und<br />

Thüringen nicht mitgerechnet. Sprachlich hat Franken hier und da noch Spuren<br />

hinterlassen – ein Land heißt noch Frankreich, eine Währung heißt Franken. In<br />

ganz entfernten Gegenden, wie Persien, Thailand und Polynesien heißen immer<br />

noch alle Europäer nach den Kreuzzugs-Franken: Farang und ähnlich.<br />

Misstrauisch und grantlerisch seien sie, so sagt man, ihr Dialekt hart und reich an<br />

Schimpfwörtern. Während die Westfalen der Sage nach auftauen, nachdem man<br />

einen Sack Salz mit ihnen gegessen hat, gibt es für Franken kein vergleichbares<br />

Geheimrezept, man mag sie oder nicht – und umgekehrt.<br />

Dumm sind sie nicht, immerhin stammen Adam Ries(e), Werner Siemens<br />

und Werner Heisenberg von hier. Was ihnen aber fehlt ist der selbstbewusste<br />

Gestus des Weltbayern, der alles einsackt und dabei noch lächelt. Dazu fühlt<br />

sich der Franke zu klein, zu gedeckelt und missachtet, das Weltformat erlernt er<br />

niemals. Ganz natürlich und folgerichtig stammt die „Lichtgestalt des deutschen<br />

Fußballs“ ja auch aus München – und der Hanswurst des deutschen Fußballs<br />

aus Erlangen und trainiert jetzt die Bulgaren. Aber über Fußball will ich nun<br />

wirklich nicht weiter sprechen.<br />

Es hängen ja nun auch tatsächlich glanzvollere Namen mit Franken zusammen:<br />

Albrecht Dürer zum Beispiel, Wolfram von Eschenbach, der Tannhäuser aus<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Serie<br />

Tannhausen, Adam Kraft, Lucas Cranach d. Ä, Peter Henlein, Hans Sachs und<br />

Martin Behaim, allesamt schon lange nicht mehr unter uns. Und wer erinnert<br />

sich noch an Alois Alzheimer? Ja, da war was…<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

Das lustige Rhinozeros des „Alberto Durero“<br />

Doch die aktuelle Prominenz, die zum letztjährigen „Tag der Franken“<br />

zusammengekratzt wurde, bestand nur noch aus Thomas Gottschalk und<br />

Karl-Theodor zu Guttenberg - Tatjana Gsell und Gabriele Pauli waren nicht<br />

eingeladen. Damit hätten wir auch schon das Thema „peinliche Persönlichkeiten“<br />

abgehandelt, die nämlich, die g’scheiter sein wollen als die anderen, raus aus<br />

Franken – und damit scheitern.<br />

Gottschalk und Guttenberg – Gipfel fränkischer Prominenz<br />

Vielleicht braucht es auch kein Weltformat, denn daneben gibt es auch ein<br />

zeitgenössisches ganz speziell fränkisches Format, das nach eigenen Formen<br />

12


Serie<br />

und Identitäten sucht und auch dabei unterstützt wird. Die Kultur der Stadt-<br />

und Turmschreiber wird nach wie vor gepflegt und einheimische wie auswärtige<br />

Künstler in das Kulturleben der Städte eingebunden. Der Besucher wird<br />

überrascht sein von der vielgliederigen Kleinkunst- und Musikszene in und<br />

um die großen fränkischen Städte Nürnberg, Erlangen, Fürth (das „Kleeblatt“),<br />

Würzburg, Bayreuth und Bamberg. Festivals für alte, neue und allerneueste<br />

Musik, Theater und Straßenkunsttreffen, altbewährtes und herausfordend Neues<br />

für Auge und Ohr. Die Akademie der bildenden Künste in Nürnberg lässt sich<br />

nicht beirren vom großen Münchner Nachbarn; ringt um Form und Inhalt aber<br />

nicht um Nachwuchs. Kunst- und Wahrheitssucher gibt es mehr in Franken,<br />

als man so glaubt, nicht nur kollektive Kinderschänder wie im Skandaldorf<br />

Falchslanden.<br />

Immer grenzwertig: Die Fotos von Jürgen Teller<br />

Künstler, die man vielleicht kennt, sind der Fotograf Jürgen Teller mit seinen<br />

halbtoten Models, Eugen Gomringer, der Vater der konkreten Poesie (übrigens<br />

in Bolivien geboren) und Ludwig Fels, der Dinge schrieb wie Ich bau aus<br />

der Schreibmaschine eine Axt – alle ein bisschen marode, brutal sogar. In den<br />

zahlreichen Sagen und Legenden der Region spukt und gruselt es mächtig,<br />

immer noch sind sie lebendig, inspirieren die Künstler, und die Kinder leben<br />

unter dem mächtigen Schatten des „Nachtgigers“, der sie holen kommt, wenn<br />

sie nicht rechtzeitig zu Hause sind.<br />

13<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Serie<br />

Die Lorenzkirche lebt! Das Geisterheer der Nürnberger Illustratorin Therese<br />

Hein gruselt schaurig durch das Gewölbe (copyright: www.theresehein.<br />

de)<br />

Vom Sachsen sagt der Bayer, er sei ja ganz helle, aber nur alle vier Wochen<br />

einmal. Über den Franken traut er sich das nicht zu sagen. Immerhin gibt es<br />

in Franken außer so skurrilen Einrichtungen wie der Kartelschule (offiziell:<br />

Schafkopf-Akademie) in Weinzierlein auch vier staatliche Universitäten und<br />

sechs staatliche Fachhochschulen sowie mehrere kleinere Hochschulen, wie<br />

zum Beispiel die o.g. Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg oder die<br />

Musikhochschule Nürnberg-Augsburg. Gute Lehrer gab es auch, zum Beispiel<br />

Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Karl Popper. Gute Arbeit, doch der Glanz<br />

fehlt.<br />

Vielleicht kann man die Franken am ehesten mit mürrischen Zwergen<br />

vergleichen, die ihre Schätze hüten. Sie protzen nicht damit, wie die Bayern<br />

mit ihren leer stehenden Schlössern, sie haben keine großen Fernsehstudios und<br />

grelle Stars wie die Gloria von Turn und Taxis und den Mooshammer, keine<br />

Prinzessinnen und keine Schickeria. Was sie haben ist ein altes Kulturland voller<br />

Kleindode und das kennen und schätzen sie auch.<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

14


Serie<br />

Von Aschaffenburg bis ins Fichtelgebirge, von Thüringen bis nach<br />

Eichstätt hinunter erstreckt sich das Territorium Unter- Mittel- und<br />

Oberfranken und beherbergt damit neben der Region Mainfranken mit ihrer<br />

Bocksbeutelgemütlichkeit und dem Würzburger Hochstift auch den Naturpark<br />

Fichtelgebirge mit dem Ochsenkopf und dem höchsten Berg Frankens, dem<br />

Schneeberg (1.053m ü.NN), die Fränkische Schweiz und den Naturpark<br />

Altmühltal.<br />

Die Touristenrouten „Romantische Straße“ und „Burgenstraße“ führen in ihren<br />

längeren Strecken durch Franken hindurch, denn Romantik und Burgen gibt<br />

es reichlich. Wer seine Augen zum Überlaufen bringen will, fährt während der<br />

Kirschblüte über die einspurigen gewundenen Landstraßen der fränkischen<br />

Schweiz – wer es flott will, nimmt auch gerne das Motorrad und dreht seine<br />

Schleifen. Und wenn es den müden Wanderer oder Fahrer nach einer Rast<br />

verlangt, bieten sich die mittelalterlichen Bilderbuchstädte Rothenburg ob der<br />

Tauber, Nürnberg, Dinkelsbühl und Feuchtwangen aufs vortrefflichste dafür an.<br />

15<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Serie<br />

Schöne Orte gibt es natürlich noch viel mehr: Bamberg, Bayreuth, Pottenstein,<br />

aber ich bin doch kein Reiseführer. Ich bin nur zufällig dort aufgewachsen, mitten<br />

in Wallensteins Lager an der Alten Feste in einer geschichtsbewussten Familie.<br />

Wir wanderten um Pfingsten gerne eines der idyllischen weidenbestandenen<br />

Flüsschen ab, die Rednitz, die Pegnitz, die Wiesent und in mehreren Etappen<br />

die Altmühl, immer von der Quelle bis zur Mündung auf Schusters Rappen, wie<br />

Feuerschuh und Windsandale. Wir klopften nach Fossilien in den Eichstätter<br />

Steinbrüchen und suchten die frisch gepflügten Felder nach Spuren der Kelten<br />

und Römer ab. Beliebte Ausflugsziele waren das Hermann-Oberth-Raumfahrt-<br />

Museum in Feucht, die Dinkelsbühler Kinderzeche und die Luisenfestspiele in<br />

Wunsiedel. Als neue Attraktionen kamen die Lohengrin-Therme in Bayreuth<br />

für die Großen und der Playmobil FunPark in Zirndorf für die Kleinen dazu.<br />

Und natürlich hetzt die Mama jedes Mal auch noch zu den Dassler-Brüdern<br />

nach „Herz’iAurach“ um die Familie mit neuem Turnzeug – mit Raubkatze oder<br />

dreigestreift – aus dem Fabrikverkauf einzudecken.<br />

„Ein Maler in Franken braucht nur zwei Farben- grün und rot“ lamentierte unser<br />

Kunstlehrer Böhm. Grün für die Bäume und rot für die spitzgiebeligen Dächer,<br />

die jedem gleich auffallen, auch wenn er nur mit dem ICE auf dem Weg nach<br />

München durchs Fränkische rast. Wer ein bisschen mehr Zeit hat, um durch<br />

ein fränkisches Dorf zu stromern, dem fallen die typischen Hoftore auf: Ein<br />

Fußgänger- und ein Werkstor nebeneinander und nicht wie anderswo knauserig<br />

ineinander gebaut. Ein kleines Bauerngärtlein gehört immer dazu – farbenfroher<br />

als die monotonen Allgäuer Geranienkästen. Oft ziert auch noch eine umfriedete<br />

Wehrkirche das Dorf. Doch von den Familienwappen darin hängen immer mehr<br />

kopfüber – die Geschlechter sind erloschen.<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

16


Serie<br />

Rot sind neben den Ziegeldächern auch oft die Sandsteinmauern, zumindest in<br />

der Nürnberger Gegend. Der Boden dort ist sandig, hochstämmige Nadelwälder<br />

prägen das Umland, Blaubeergestrüpp und alles, was Sand mag, gibt es dort.<br />

Zum Beispiel auch wunderbaren Spargel im Nürnberger Gemüsegarten, dem<br />

Knoblauchsland. Doch viel mehr gibt der Boden nicht her. Seine großen<br />

wirtschaftlichen Erfolge hat Nürnberg daher auch nicht in der Landwirtschaft<br />

erzielt sondern als günstig gelegene Handelsstadt auf der Achse Prag-<br />

Rotterdam. Dort drehte sich allerhand in der Nürnberger Blütezeit, dem Hoch-<br />

und Spätmittelalter. Auch nach dem zweiten Weltkrieg machte sich der alte<br />

umtriebige Nürnberger Unternehmergeist bemerkbar, und Firmen wie Siemens,<br />

Schöller, MAN, AEG, Grundig oder Triumph-Adler hatten maßgeblichen Anteil<br />

am deutschen Wirtschaftswunder. Tüftler und Handwerker nutzten schon früh<br />

die schnellwachsenden Fichten – zum Beispiel für den Bleistiftbau. Staedtler,<br />

Schwan-STABILO und Faber Castell haben alle ihren Firmensitz immer<br />

noch im Umland. Auch der berühmte Christkindlesmarkt war als Messe der<br />

Holzbauerzunft entstanden. Wer nicht Mitglied der Innung war, durfte nicht<br />

ausstellen, daher hat sich das einheitliche Erscheinungsbild bis heute gehalten.<br />

Große Dinge konnte man auf dem engen Hauptmarkt aber nicht verkaufen,<br />

daher verkünstelten sich die Nürnberger unter anderem im Holzspielzeug. Im<br />

nahe gelegenen Bubenreuth entstand durch die zugezogenen Hugenotten ein<br />

Instrumentenbauerzentrum, das immer noch erstaunte Journalisten anzieht.<br />

Wer außer den „Holzerern“ ebenfalls Gefallen an den Nadelwäldern hatte,<br />

das waren die Bienen. Sie lieferten die Basis für zweierlei: Das Wachs für den<br />

Formenbau der Metallgießer, die wie Peter Vischer damals europaweit die<br />

Kirchen und Plätze schmückten. Und den Honig, der ab dem 14. Jahrhundert<br />

in den Männerklöstern der Gegend zu einem nahrhaften und extrem lange<br />

17<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Serie<br />

haltbaren Fladen verbacken wurde, den man heute unter dem Namen Lebkuchen<br />

kennt. Womit wir schon mitten in der Küche stehen.<br />

Ein schwarz-weisses Bratwurstbild sieht nicht lecker aus, aber das Wirtshaus!<br />

Und die ist bekanntermaßen deftig. Models kommen daher keine aus Franken,<br />

dafür schmeckt’s zu gut. Jürgen Teller, der schon lange in Amerika lebt, hat<br />

angeblich das Foto eines gebackenen Karpfens an der Wand hängen und das<br />

Heimatgefühl, das er damit verbindet, sind die großen Portionen, die man in<br />

Franken immer aufgetischt bekommt. Der aischgründer Spiegelkarpfen, der sich<br />

nur dann noch auf dem Teller krümmt, wenn er wirklich frisch aus dem Teich<br />

kommt, gehört in den Monaten mit „R“ jedenfalls zu den Top-Hits der fränkischen<br />

Küche. Dazu kommt viel Schweinernes: Das Schäufele, ein besondere Art des<br />

Zuschnitts der Schweineschulter und knuspriger Schweinsbraten mit viel Kruste,<br />

alles ein wenig kräftiger als in der bayerischen Küche, was man auch den Knödeln<br />

anmerkt, die keinesfalls halb-und-halb mit gekochten Kartoffeln, sondern gerne<br />

auch „roh“ gegessen werden. Und natürlich die Bratwürste! Außen herum ist<br />

je nach Größe Schweine- oder Schafsdarm, innen das „Bratwurstgehäck“ vom<br />

Schwein und mit des Franken Lieblingskraut, dem Majoran, kräftig gewürzt.<br />

Ob man sie nürnbergerisch fingerlang oder fränkisch bleistiftlang isst, sobald<br />

noch das obligatorische Sauerkraut mit Schmalz dazu kommt, liegen alle<br />

Verdauungsorgane für mehrere Stunden im Koma, vor allem die Galle dreht<br />

durch. Der Franke aber schont sich nicht, sondern kippt sich gleich noch ein<br />

„Seidla“ dazu, eines der viele hellen Biere, die im Brauereiparadies Franken in<br />

vielen kleinen Haus-Brauereien entstehen.<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

18


Serie<br />

Angeblich besitzt der Bezirk Oberfranken die höchste Brauereidichte<br />

Deutschlands und somit auch der Welt. So kommt es, dass fast jeder Franke<br />

seine bevorzugte Hausmarke hat, von der er auch selbstverständlich seinen<br />

eigenen Vorrat mit auf Feiern mitbringt. Denn zuzumuten ist es ja nicht, dass ein<br />

Freund des Weissenohener Landbiers eine Flasche Hetzelsdorfer in die Hand<br />

nehmen muss.<br />

Während die Nachbarn in den anderen bayerischen Provinzen das Wort „Bier“<br />

immerhin noch buchstabieren können, setzt es spätestens beim Wein aus, es<br />

gibt nämlich keinen bayerischen Wein. Der Frankenwein hingegen - einst als<br />

sauere Plörre verschrieen - konnte in den letzten beiden Jahrzehnten an Qualität<br />

gewinnen und wird auch außerhalb der Region inzwischen verkauft und zwar<br />

nicht nur wegen seiner ulkigen Bocksbeutel-Verpackung sondern zunehmend<br />

auch wegen des Geschmacks. Die steilen Weinhänge in der Würzburger<br />

Mainschleife kennt jeder, der mal mit den Zug durchgefahren ist, hier wachsen<br />

Silvaner und Müller-Thurgau. Doch es gibt auch kleine Anbaugegenden am<br />

Untermain, wo man Burgundertrauben anbaut.<br />

19<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Serie<br />

Natürlich muss einer das Ganze im Griff haben, und das ist in diesem Fall<br />

der heilige Kilian, Schutzpatron der Winzer und der Franken. Seit dem 7.<br />

Jahrhundert hält er seine Hand schützend über die Region und sorgt dafür, dass<br />

durch die Widrigkeiten der Weltgeschichte wenig dauerhafter Schaden entstand.<br />

Und Unbill gab es ja nun auch. Schließlich war „der Adolf“ in der Stadt der<br />

Reichsparteitage sehr präsent und später war Nordbayern als Grenzgebiet zur<br />

so genannten Ostzone auch vom „Ami“ mit einem Netz aus Stützpunkten<br />

überzogen worden – alles keine wirklichen Franken. Doch alle sind sie<br />

irgendwann gegangen und die Franken haben wieder ihre Ruhe. Frank und frei<br />

also? Wenn man Janis Joplin glaubt, dann ja, schließlich singt sie „Freedom is<br />

just another word for nothing left to lose“… und das trifft nun in der Tat zu.<br />

Ja, ich mag Franken! Und das fällt wahrscheinlich umso leichter, wenn man wie<br />

ich weit weg ist und sich nicht mit dem Missmut und der Unfreundlichkeit seiner<br />

Bewohner herumschlagen muss. Doch der Trick ist: man darf zurückpfopfern,<br />

gegen ein ehrliches „selber Drecksack!“ wird niemand etwas einzuwenden<br />

haben.<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

20<br />

Franziska Sörgel


Serie<br />

Hallo Thüringen ….<br />

… und Tschüß, La Paz<br />

Es ist soweit – schneller als einst gedacht und geplant – ich muss nach erst einem<br />

Jahr der recht turbulenten Gewöhnung an das Leben in dieser brodelnden Stadt<br />

und die Arbeit in der Deutschen Schule schon wieder an die Rückkehr denken.<br />

Eine Rückkehr in eine Region, die es in sich hat: Thüringen, das gern „das grüne<br />

Herz Deutschlands“ genannt wird.<br />

Zu Recht, denn dort befinden sich die größte zusammenhängende Waldfläche<br />

der Bundesrepublik und auch der geografische Mittelpunkt, ganz nah bei Erfurt,<br />

der teilweise noch mittelalterlich geprägten Landeshauptstadt.<br />

Und es gibt noch zahlreiche andere Superlative, die bemerkenswert sind aus<br />

1.500 Jahren Kultur-, Wissenschafts- und Wirtschaftsgeschichte.<br />

Ich muss gestehen, dass ich während des Sammelns von allerlei Interessantem<br />

und Wissenswertem selbst staunte und zuletzt ziemlich stolz war, in welcher<br />

Umgebung ich aufgewachsen bin und welche ich nun ab Januar wieder als<br />

Heimat erleben und genießen darf.<br />

Meinem befreundeten Kollegenpaar und gleichzeitigen Redakteuren des<br />

Moblas - Katrin Schönlein und Frank Schwanbeck - entgegnete ich sofort<br />

– nachdem sie mich um einen Beitrag über Thüringen gebeten hatten – ich<br />

würde mich sehr kurz fassen, da ich wenig Zeit habe… das fällt mir nun sehr<br />

schwer.<br />

Nun ich bin so frei und empfehle allen Lesern und Reisefreudigen schlichtweg<br />

die Wikipedia-Website http://de.wikipedia.org/wiki/Thueringen.<br />

Da steht all das ausführlicher beschreiben, worüber man staunen kann, z. B.<br />

dass dort folgende Menschen gelebt, gearbeitet und tiefe Spuren hinterlassen<br />

haben:<br />

- Johann Wolfgang von Goethe (Dichter, Schriftsteller)<br />

- Friedrich Schiller (Dichter, Schriftsteller)<br />

- Johann-Sebastian Bach (Komponist)<br />

- Martin Luther (Reformator, Übersetzer der Bibel)<br />

- Elisabeth von Thüringen (Landgräfin, Heilige)<br />

- Lucas Cranach der Ältere (Maler, Grafiker)<br />

- Anna Amalia (Herzogin von Sachsen-Weimar)<br />

- Christoph Martin Wieland (Dichter, Übersetzer und Herausgeber)<br />

- Johann Gottfried Herder (Theologe der Weimarer Klassik)<br />

- Franz Liszt (Komponist, Dirigent und Musikschriftsteller)<br />

- Friedrich Böttger und Hans Macheleidt (die Erfinder des Porzellans in<br />

Europa)<br />

21<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Serie<br />

- Thomas Müntzer (Führer im Bauernkrieg)<br />

- Till Eulenspiegel (ein Schelm)<br />

- Otto Dix (Maler)<br />

- Konrad Duden (der Autor des wohl meistgelesenen Buches in deutscher<br />

Sprache)<br />

-Friedrich Fröbel („Revolutionär“ der frühkindlichen Pädagogik und<br />

Begründer des<br />

ersten Kindergartens der Welt)<br />

Die Geschichte dieser Region ist wirklich sehr reich, natürlich auch mit<br />

Ereignissen aus düsteren Zeiten, wofür zum Beispiel Buchenwald steht, das<br />

ehemalige KZ bei Weimar, auch der Stadt der Dichter und Denker sowie der<br />

ersten demokratischen Verfassung Deutschlands.<br />

Auf besagter Website steht auch, dass Thüringen ein Paradies ist für Wanderer,<br />

für Radler, für Paddelbootbegeisterte, für Skifahrer. Das kann ich ohne Zögern<br />

bestätigen, aus eigener Erfahrung.<br />

Was kann man noch so dort zum Staunen finden?<br />

• den größten Stausee Deutschlands (Saaletalsperre)<br />

• eine der ältesten Lindenbäume unseres Landes<br />

• das erste Hochhaus auf deutschem Boden (Jena, erbaut während des I.<br />

Weltkrieges)<br />

• den ersten Gartenzwerg unserer Zivilisation, 1880<br />

• die besten, würzigsten Rostbratwürste und<br />

die zartesten Kartoffelklöße… weltweit<br />

• das älteste Reinheitsgebot deutschen Bieres aus Weißensee 1434<br />

• die farbenprächtigsten Höhlen der Erde (Saalfelder Feengrotten)<br />

• die wohl besten optischen Geräte weltweit (Jenoptik, ehem. Zeiss)<br />

• das älteste noch bespielte Theater Deutschlands (Hildburghausen)<br />

• das größte Tanz- und Folkfestival Europas (immer am ersten<br />

Juliwochenende in Rudolstadt)<br />

• einen wirklich sehr schiefen Turm (Oberkirche Bad Frankenhausen)<br />

• Gold… (im Schwarzatal)<br />

• die einzige unter Denkmalschutz stehende Golfanlage Deutschlands<br />

(bei Oberhof)<br />

• die einst größte Kirchenglocke des Abendlandes („Gloriosa“, Erfurter<br />

Dom, 1251 bzw. 1434)<br />

• den größten Rummel Thüringens ( das „Vogelschießen“ in Rudolstadt<br />

im August)<br />

• die steilste Standseil-Normalspur-Bergbahn der Welt (Oberweißbach)<br />

Wer von diesen Fakten noch nicht genug verlockt wird – es gibt auch noch<br />

den Kaltennordheimer Heiratsmarkt, den berühmten Weimarer Zwiebelmarkt<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

22


Serie<br />

oder das Krämerbrückenfest in Erfurt, jedes Jahr. Es gibt unglaublich viele<br />

Burgen und Schlösser, und es lohnt sich nicht nur, die Wartburg bei Eisenach<br />

zu besuchen!<br />

Immerhin hat Thüringen beispielsweise auch noch durch einen Brückenbauer<br />

Ruhm erlangt – Johan August Röbling – der im 19. Jh. die New Yorker Brooklyn-<br />

Bridge erbaute, ebenso durch den Druck der ersten bayrischen Briefmarke,<br />

das bekannte Meyer´s Lexikon oder die auf einem Geheimrezpt beruhenden,<br />

mittlerweile weltweit exportierten Ankerbausteinkästen aus Rudolstadt.<br />

Genau dorthin werde ich zurückkehren, wo die Berge niedriger sind, grüner, die<br />

Luft weniger dünn, der Himmel oft weniger blau und sonnig…<br />

Ich werde mit Sicherheit viel aus meiner erlebnisreichen Zeit in Bolivien, in La<br />

Paz, mitnehmen und ich werde viel vermissen.<br />

Mein Dank und meine Anerkennung möchte ich an dieser Stelle allen<br />

Freundinnen und Freunden, die mir hier wichtige Menschen waren und<br />

bleiben, ausdrücken.<br />

23<br />

Steffi Schramm<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Hallo liebe Leser,<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

Serie<br />

Restaurant - Tipp<br />

zum Abschluss des Jahres nur noch ein ganz kurzer Beitrag aus dem Hause<br />

„Ich esse nicht zu Hause“.<br />

Wir waren im Chalet Flor de Leche. Von Montag bis Samstag ist das eine<br />

Käsefabrik. Sonntags öffnet man die Türen und bietet den Selbstgemachten<br />

in verschiedenen Gerichten an. Wem Käse schmeckt und nicht genug davon<br />

haben kann, der sollte sich einen Ausflug nach Achocalla gönnen. Es ist nicht<br />

leicht zu finden. Wenn man aus Mallasa kommt und an der Tankstelle vorbei<br />

fährt, dann geht es einen kleinen Weg nach links rein. Es passt kaum ein<br />

Auto durch. Bis zum Ende und schon ist man da. Das Ambiente ist bei einem<br />

halben Stern hängen geblieben, die Bedienung war zwar freundlich, konnte<br />

sich aber keine Auszeichnung verdienen. Das Essen an sich ist ok, aber doch<br />

schwer!!! käselastig. „Alles Käse!“, könnte man auch sagen. Meiner Frau hat es<br />

geschmeckt, mir nicht. Reservierungen kann man unter 2890011 oder 72066011<br />

machen.<br />

Das beste Eis gibt es in La Paz in der Cafeteria Heladeria Rinascimento. Das<br />

Eis ist köstlich, vor allem die verschiedenen Schokoladeneissorten hab es mir<br />

angetan. Das Eiscafé befindet sich in San Miguel, C.Claudio Aliaga 1202, Tel.<br />

2797487.<br />

So, das war‘s für dieses Jahr. Im nächsten Jahr kommt die Abschlusstournee.<br />

Nach vier Berichten wird es dann Zeit, mal wieder in Deutschland zu Hause zu<br />

kochen.<br />

Grüße an alle von CK, Karpi, Christian Karp<br />

24


Serie<br />

Die Vermessung der Erde in Peru<br />

1735 – 1745<br />

Fortsetzung vom <strong>Monatsblatt</strong> 03/10<br />

Was war bisher geschehen ?<br />

Im Jahre 1735 beschließt die königliche französische Akademie der<br />

Wissenschaften, die Bogenlänge eines Breitengrades auf einem Meridian<br />

am Äquator zu bestimmen. Mit der gleichen Messung wird am nördlichen<br />

Wendekreis in Erfahrung gebracht, ob die Erde wirklich ein Geoid sei, also<br />

eine am Äquator ausgebauchte Kugel oder dort eingeschnürt, also ein Sphäroid.<br />

Der Expedition an den Äquator gehören zehn Franzosen an, u.a. der Leiter<br />

Louis Godin, der Geograph Charles de La Condamine und der Mathematiker<br />

und Astronom Pierre Bouguer. Nach einjähriger Überfahrt trifft die Gruppe im<br />

Juni 1736 in Quito ein, damals eine Audienz des Vizekönigreiches von Peru.<br />

Die Mitglieder werden von den Honoratioren der Stadt sowie der Bevölkerung<br />

stürmisch in Empfang genommen. Bald beginnen sie mit der Vermessung einer<br />

Grundlinie nördlich von Quito für die sich anschließende Triangulation, wozu<br />

sie über ein Jahr benötigen. Aufkeimende Feindseligkeit des neuen Präsidenten<br />

der Audencia von Quito den Forschern gegenüber sowie Geldmangel zwingen<br />

La Condamine nach Lima zum Vizekönig von Spanien zu reisen. Nach acht<br />

Monaten kehrt er mit Vollmachten sowie reichlichen finanziellen Mitteln zurück<br />

und die Vermessungsarbeiten der Expedition können zügig fortgesetzt werden.<br />

Die Triangulation<br />

Die Grundlinie war in der Nähe des Äquators<br />

ausgelegt worden. Nun gilt es, in Richtung<br />

Süden eine längere Strecke in der Landschaft<br />

genau zu vermessen. Dazu bedient man<br />

sich der Triangulation, einer Kombination<br />

aus geodätischen, astronomischen und<br />

mathematischen Verfahren. Hier nur soviel:<br />

von den Endpunkten einer, sagen wir etwa<br />

in Ost – West verlaufenden Grundlinie,<br />

mit den Endpunkten A und B, wird mit<br />

dem Theodolit ein markanter Punkt C im<br />

Süden angepeilt und die Winkel zwischen<br />

der Grundlinie und den Peilungsgraden zum<br />

Punkt C gemessen (siehe Zeichnung). Man begibt sich zu Punkt C und bestimmt<br />

auf astronomischen Weg den Winkel a = Azimut, den eine der Dreiecksseiten, z.<br />

25<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Serie<br />

B. B - C mit dem Meridian, also der Nordrichtung bildet. Nun fährt man so fort,<br />

in dem man von den Endpunkten B und C einen weiteren Markierungspunkt<br />

D im Süden anpeilt, wobei B - C die neue Grundlinie darstellt. So erhält man<br />

durch das weitere Anpeilen von Punkten in der Landschaft eine Kette von<br />

Dreiecken, die sich in unserem Fall immer weiter nach Süden erstrecken und<br />

die Grundlage für genaue Entfernungsmessungen im Gelände in Kilometern<br />

und Metern bilden.<br />

Im Oktober 1737 beginnen die Expeditionsteilnehmer mit der Vermessung der<br />

Dreiecke. Sie beschließen, sich in drei Gruppen aufzuteilen, um ihre Ergebnisse<br />

gegenseitig überprüfen zu können. Jean Godin de Ordonais ist mit dem<br />

Techniker der Forscher für die Errichtung der Markierungspunkte im Gelände<br />

zuständig, wenn sich nicht vorhandene Punkte wie Kirchturmspitzen oder<br />

markante Erhebungen in der Landschaft zum Anpeilen anbieten. Louis Godin<br />

und der Spanier Jorge Juan de Santacilla bilden die eine Vermessungsgruppe<br />

sowie La Condamine, Bouguer und Antonio de Ulloa die andere. In den ersten<br />

Wochen kommen sie gut voran, das Wetter ist einigermaßen freundlich und die<br />

Gegend zunächst noch bewohnt, so dass sie in den Landhäusern der Umgebung<br />

Unterkunft finden und ihnen verlässliche Diener gestellt werden. Dies ändert<br />

sich aber mit der zunehmenden Entfernung von Quito. Bald müssen sie bei<br />

den errichteten Markierungspunkten in Zelten nächtigen, die Landschaft wird<br />

immer unwirtlicher und auf die örtlich angeheuerten Helfer ist wenig Verlass.<br />

Nicht nur, dass diese sich bei jeder sich anbietenden Gelegenheit aus dem Staube<br />

machen, sie nehmen dann auch alles mit, was nicht niet und nagelfest ist. Nur<br />

die wissenschaftlichen Geräte fassen sie nicht an, da sie diesen einen magischen<br />

Wert beimessen. Die physischen Anforderungen an die Wissenschaftler sind<br />

sehr hoch, aber trotz Krankheit, Einsamkeit und ständigem Verdruss erreichen<br />

sie mit ihren Dreiecken die Stadt Cuenca, etwa 300 km südlich von Quito. Sie<br />

beschließen, sich dort von den Strapazen der Vermessung ein wenig zu erholen,<br />

mieten sich ein Haus und leben dort eine Zeit lang alle zusammen.<br />

Der tragische Tod eines Expeditionsmitgliedes<br />

Cuenca hat etwa 20 000 Einwohner und obwohl sie die zweitgrößte Stadt der<br />

Audencia ist, ist sie wegen schlechter Straßenverhältnisse und minimalem<br />

Handel mit anderen Städten eine der Abgeschiedensten im Land. So wickelt<br />

sich das Zusammenleben der Bevölkerung in der Stadt, in der vor allem Indianer<br />

und Mestizen, einige Kreolen, in Südamerika geborenen Spanier, und wenige<br />

spanische Verwaltungsbeamte wohnen, in eigenartigen Bahnen ab, man ist<br />

extrem klatschsüchtig, man verspürt eine Abneigung gegen jede Art von Arbeit<br />

und der Pöbel ist noch roh und bösartig. So kommt es auch hier, wie schon in<br />

Quito, zu einer feindseligen Einstellung der Einwohner von Cuenca gegenüber<br />

den Franzosen und latent ist die Abneigung der Bevölkerung gegen die spanische<br />

Verwaltung. Da die Bürger von Cuenca die Vermessungsarbeiten nicht verstehen,<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

26


Serie<br />

nehmen sie an, die Forscher suchen kostbare Mineralien oder vergrabene<br />

Schätze. Soll dies der wahre Grund für die Ermordung des Expeditionsarztes<br />

Dr. Jean Seniergues gewesen sein ? Die Geschichte, die sich jetzt abspielt,<br />

könnte Stoff für eine mexikanische Telenovela hergeben: Hausarzt einer Familie<br />

alten Geschlechtes aus der Zeit der Eroberungen in Cuenca, eben dieser Dr.<br />

Seniergues, wird gebeten, in einem Streit zu vermitteln. Zwanzigjährige Tochter<br />

des Hauses, Manuela, ihres Zeichens sehr hübsch und lebensvoll, war mit Diego<br />

de León, einem auf der Gitarre klimpernden Cuencaño, verlobt gewesen; dieser<br />

hatte sie aber verlassen und statt ihrer die Tochter des Alkalden geheiratet. Herr<br />

Doktor tritt an Diego heran mit dem Vorschlag, der Familie von Manuela eine<br />

Abfindung zu zahlen, da nun niemand die Tochter mehr heiraten würde. Diego<br />

willigt erst ein, zieht aber später seine Zusage zurück mit der Begründung,<br />

Hausarzt sei nun mit Manuela liiert und er somit aller Verpflichtungen ledig.<br />

Große Entrüstung beim Arzt über diese Behauptung, er fordert Diego zum Duell<br />

mit dem Degen. Dieser kneift und erscheint nicht zum verabredeten Zeitpunkt.<br />

Folgt das große jährliche Volksfest mit Umzügen, Tänzen, Pantomimen und<br />

Stierkämpfen; Wein und vor allem Chicha fließen in Strömen. Franzosen<br />

nehmen am Stierkampf teil, wobei Herr Doktor, sicherlich etwas kühn, mit<br />

Manuela und ihrer Familie in einer getrennten Loge erscheint. Nähert sich der<br />

Loge Diego de León und macht abfällige Bemerkungen über Manuela. Hausarzt<br />

möchte die Ehre der jungen Dame retten und geht mit Pistole und Degen in<br />

den Händen gegen Diego vor. Wütende Menge, vom Alkohol beflügelt, fällt<br />

mit Lanzen, Degen und Steinen über den Arzt her und tötet ihn. La Condamine,<br />

Bouguer, Louis Godin und Jussieu wollen noch zur Hilfe eilen, werden aber von<br />

Soldaten in schwarzen Umhängen daran gehindert, wie man im Vordergrund des<br />

Bildes erkennen kann; nur mit Mühe gelingt es den Franzosen, unbeschadet ihre<br />

Herberge zu erreichen.<br />

27<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Serie<br />

La Condamine will und kann den Mord nicht ungesühnt lassen und strengt<br />

eine gerichtliche Untersuchung an, um die Mörder zu identifizieren und zu<br />

verurteilen. Der Prozess beginnt relativ zügig, doch die Rechtsprechung in der<br />

Audencia von Quito ist unberechenbar und von eigener Art. Erst nach Monaten<br />

werden die Mörder zwar ermittelt, aber nie verurteilt.<br />

Abschluss der Vermessungsarbeiten<br />

Schon bald verlassen die Forscher wieder Cuenca, vermessen noch drei weitere<br />

Dreiecke und sind im Herbst 1739 nach über zweijährigen extremen körperlichen<br />

Anforderungen am südlichsten Vermessungspunkt angelangt; im ganzen haben<br />

sie von der Grundlinie bei Quito ausgehend 43 Dreiecke angelegt über eine<br />

Distanz von rund 345 km. Bei dieser Vermessung wird mit geodätischen,<br />

astronomischen und mathematischen Verfahren die absoluten Entfernungen in<br />

Kilometern und Metern zwischen den Markierungspunkten in der Landschaft<br />

bestimmt. Danach wird der nördlichste und südlichste Markierungspunkt der<br />

Dreieckskette auf einen gemeinsamen Meridian, in unserem Beispiel auf die<br />

Punkte x und y projiziert (siehe Zeichnung); beide sollten im Gelände gut<br />

zugänglich sein. Dadurch erhält man die absolute Entfernung in Kilometern und<br />

Metern zwischen den Punkten x und y auf dem Längengrad. Nun fehlt zur<br />

Festlegung der Länge eines Breitengrades auf einem Meridian noch als dritter<br />

Arbeitsweg die Bestimmung der genauen geographischen Breite in Graden,<br />

Minuten und Sekunden der in unserem Beispiel genannten Punkte x und y.<br />

An diese Aufgabe machen sich die beiden Forscher Charles de la Condamine<br />

und Pierre Bouguer und zwar getrennt, um die Ergebnisse am Schluss<br />

vergleichen zu können. Diese astronomischen Standortbestimmungen gestalten<br />

sich ausgesprochen schwierig. Zum einen benutzen die Wissenschaftler<br />

verschiedene astronomische Geräte, zum anderen dürfen die zur Bestimmung<br />

benutzten Viertelkreise über längere Zeit nicht bewegt werden, was bei den<br />

häufigen Erdbeben in der Region kaum gewährleistet ist. Zuletzt ist in der Regel<br />

das Wetter unbeständig und erlaubt oft nur kurzzeitige Beobachtungen des<br />

Sternenhimmels.<br />

Somit ziehen sich die geographischen Ortsbestimmungen in die Länge<br />

und erst im April 1743 gleichen sich die von den beiden Wissenschaftlern<br />

getrennt ermittelten Werte soweit an, dass sie den letzten Schritt der<br />

Bogenlängenberechnung durchführen können. Dazu brauchen sie nur die vorher<br />

mit Hilfe der Triangulation gemessene absolute Entfernung in Kilometern und<br />

Metern zwischen den Punkten x und y durch die astronomisch ermittelte<br />

geographische Distanz in Graden, Minuten und Sekunden zu teilen und fast<br />

sieben Jahre nach Beginn der Arbeiten steht das Ergebnis fest : die Länge eines<br />

Breitengrades auf dem Meridian in der Nähe des Äquators beträgt 114,96 km;<br />

entbehrungsreiche Jahre der Arbeit sind damit zu einer dürren Zahl geronnen !<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

28


Serie<br />

Übrigens beträgt die Differenz zwischen den Berechnungen von La Condamine<br />

und Bouguer nur 6,5 m, eine für die damaligen Umstände bei der Vermessung<br />

unglaubliche wissenschaftliche Leistung. Da die Läge eines Breitengrades in<br />

Frankreich mit 111,18 km gemessen worden war, ist nun durch die Bestimmung<br />

eines Bogengrades am Äquator bewiesen, dass es sich bei der Gestalt der Erde<br />

um einen Geoid handelt, also um eine am Äquator ausgebauchte Kugel.<br />

Die französische Forschergruppe löst sich auf<br />

Damit sind die Vermessungsarbeiten im Frühjahr 1743 abgeschlossen und die<br />

zentrale Aufgabe, die den Forschern von der französischen Akademie mit auf<br />

den Weg gegeben worden war, ist erfüllt. Trotzdem vergehen zum Teil noch<br />

Jahre, bis die überlebenden Expeditionsteilnehmer nach Europa zurückkehren.<br />

Was hat sich in den Folgejahren ereignet ?<br />

Der Leiter der Gruppe, Louis Godin, verdingt sich als Professor für Astronomie<br />

an der Universität in Lima und kehrt 1751 nach Spanien zurück, wo er eine<br />

Anstellung als Mathematiklehrer in Cádiz annimmt. Pierre Bouguer reist über<br />

den Camino Real nach Bogotá, danach den Magdalenenstrom abwärts nach<br />

Cartagena und segelt von dort nach Frankreich, wo er 1744 eintrifft. Zwei<br />

Mitglieder der Forschergruppe sehen die Heimat nicht wieder, sie ereilt der Tod<br />

fast auf die gleiche unglückliche Weise. Der mitgereiste Uhrmacher stürzt bei<br />

der Reparatur der Uhr im Turm der Kathedrale von Quito vom Gerüst und bei<br />

dem Techniker, der sich als Architekt verdingt hatte, bricht das Baugerüst an<br />

einer Kirchenfassade zusammen und er stürzt in die Tiefe.<br />

Der neben Dr. Jean Seniergues zweite Arzt der Expedition ist Joseph de<br />

Jussieu. Er geht von Anfang an seiner Neigung als Naturalist und Botaniker<br />

nach und durchstreift, nur von einem Diener begleitet mit Mula oder Kanu<br />

über Wochen und Monate die Nebelwälder am Ostabhang der Anden und<br />

sammelt Pflanzen, Käfer und Vogelbälge. Nur selten gesellt er sich zu dem<br />

Rest der Forschergruppe oben in den Höhen der Vulkane. Im Jahr 1748, drei<br />

Jahre nach Abschluss der Vermessungsarbeiten, verlässt er Quito und gedenkt<br />

über Brasilien nach Frankreich zurückzukehren. Im Süden von Peru erfährt de<br />

Jussieu von dem Leiden der Indios, die im Rahmen der Mita für die Bergwerke<br />

von Potosí ausgehoben werden. Nun schlägt sein Herz als Arzt und über den<br />

Titicacasee reist er an den Cerro Rico, wobei dieser Bericht über die Vermessung<br />

der Erde in Peru doch noch einen Bezug zu Bolivien bekommt. Vier Jahre<br />

lang betreut er ärztlich die für die Minen von Potosí verpflichteten Indios;<br />

bei den unmenschlichen Arbeitsbedingungen damals unter Tage eine für die<br />

Gesamtheit der Minenarbeiter sicher nur begrenzte Hilfe. Schwer krank kehrt<br />

de Jussieu nach Lima zurück und erfährt, dass seine gesamten in vielen, vielen<br />

Jahren gesammelten botanischen und zoologischen Sammlungen sowie sein<br />

umfangreiches Manuskriptmaterial verloren gegangen ist. So hat ihn das gleiche<br />

29<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Serie<br />

Schicksal ereilt wie etwa 60 Jahre später den böhmischen Naturalisten Thaddäus<br />

Haenke, dem sein gesamter sehr umfangreicher naturwissenschaftlicher<br />

Nachlass durch die Wirren der Unabhängigkeit von Bolivien in Cochabamba<br />

verloren gegangen ist (siehe <strong>Monatsblatt</strong> 03/03). De Jussieu hat den Verlust<br />

seiner Sammlungen nicht verkraftet, er wird geisteskrank und kommt bis zu<br />

seinem Lebensende nicht wieder in den Besitz seiner geistigen Kräfte. Erst im<br />

Jahre 1771 kehrt er nach Frankreich zurück.<br />

Jean Godin des Odonais, ein Vetter des Expeditionsleiters Louis Godin, ist<br />

als Messkettenträger nach Südamerika mitgereist. Er heiratet 1741 Isabel,<br />

die erst dreizehnjährige Tochter von Pedro Manuel de Grandmaison, einem<br />

gutsituierten Kreolen französischer Abkunft, Besitzer einer großen Estanzia am<br />

Fuße des Chimborasso bei Riobamba. Über das tragische Schicksal der Familie<br />

am oberen Amazonas, dem nur das Ehepaar Godin und der Vater entrinnen<br />

sowie über die Rückreise von Charles de La Condamine mit der geographischen<br />

Erkundung des Amazonasstromes wird in einer dritten und letzten Fortsetzung<br />

der Vermessung der Erde in Peru im nächsten <strong>Monatsblatt</strong> berichtet werden.<br />

Christian Neumann-Redlin<br />

Cochabamba<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

30


Serie<br />

„Alle Jahre wieder ......“<br />

Advents- und Weihnachtsbräuche in Deutschland<br />

Alle Jahre wieder kommt die Advents- und Weihnachtszeit, ob hier in Bolivien<br />

oder in Deutschland. Doch was wissen wir noch von den Ursprüngen und<br />

von der Herkunft mancher Bräuche. In einer Zeit der Berieselung in den<br />

Geschäften, die schon viele Wochen vor der Adventszeit beginnt und in einer<br />

Zeit der Überflutung mit Geschenken geht das Wissen über die Advents- und<br />

Weihnachtsbräuche, auch in Deutschland unter. Deshalb möchte ich in dieser<br />

Ausgabe einige Bräuche und deren Hintergründe vorstellen.<br />

Die Lichter im christlichen Brauchtum am Adventskranz und Weihnachtsbaum<br />

sind zwar heute eine Selbstverständlichkeit, ihre Tradition reicht aber bei<br />

weitem nicht so weit zurück, wie viele heute vermuten. Weihnachtsbäume in<br />

Privathäusern gab es zwar in Einzelfällen schon im 16. Jahrhundert, allgemeine<br />

Verbreitung fanden sie aber erst im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts.<br />

Der Adventskranz<br />

Er dürfte der bekannteste Adventsbrauch sein, obwohl er der weitaus jüngste<br />

ist, wenigstens soweit es sich um die jetzige Form des gewundenen Kranzes mit<br />

den vier Kerzen und den roten, beziehungsweise violetten Bändern handelt. Den<br />

ersten Adventskranz gestaltete 1839 in Hamburg der evangelische Theologe und<br />

Erzieher Johann Hinrich Wichern. Also zunächst nur im norddeutschen Raum,<br />

aber erst ab 1930, auch in Süddeutschland und Österreich wurde der Kranz<br />

mit den vier Kerzen eingeführt. So sah man gerade erst vor genau 80 Jahren<br />

in München den ersten Adventskranz in einer Kirche. Bald hingen sie in allen<br />

Häusern. Unter dem Adventskranz wurden mit den Kindern die Adventslieder<br />

gesungen, Geschichten vorgelesen oder erzählt. Vielleicht können Sie sich noch<br />

daran erinnern, wenn Ihre Eltern im dunklen Zimmer die 1. Kerze anzündeten<br />

und Sie als kleines Kind diese ausblasen durften. Der Adventskranz als Symbol<br />

für den Kreislauf des Lebens, durchdringt mit seinen Lichtern die immer<br />

dunkleren Tage und verdeutlicht für die Christen mit der Geburt des Heilands<br />

den Sieg über die Finsternis. Die vier Kerzen deuten die vier Adventswochen<br />

an und sollen auch auf das jahrtausende Warten des jüdischen Volkes auf dem<br />

Erlöser erinnern.<br />

31<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Serie<br />

Barbarazweige<br />

Ein inzwischen in Deutschland etwas vergessener Brauch ist, dass am<br />

Barbaratag, dem 4. Dezember Obstbaumzweige geschnitten und ins Wasser<br />

gestellt werden. Sie sollen pünklich zum Weihnachtsfest erblühen und gelten als<br />

Zeichen dafür, dass die Natur nicht tot ist, sondern nur schläft. Neben Holunder-<br />

und Apfelzweigen werden heute vor allem Kirschzweige geschnitten. Im 19.<br />

Jahrhundert hatte man ganze Bäume zum Treiben gebracht und diese wurden<br />

an Weihnachten geschmückt. Somit waren sie die Vorläufer unserer heutigen<br />

Weihnachtsbäume.<br />

Ein Spaziergang im Obstgarten am Barbaratag, ohne anschließend den Schnee<br />

abschütteln zu müssen, ist sogar eine Garantie für weiße Weihnachten, wie eine<br />

alte Wetterregel unterstreicht: „Geht Sankt Barbara im Klee, kommt´s Christkind<br />

dann im tiefen Schnee!“<br />

St. Nikolaus<br />

Besonders für die Kinder ist St. Nikolaus, am 6.Dezember ein ganz besonderer<br />

Tag und dieser Brauch ist auch heute noch überall beliebt. Er ist zu einer<br />

unsterblichen Figur geworden, die jedes Jahr mit rotem Umhang, Mütze, weißem<br />

Bart und goldenem Stab Häuser und Wohnungen besucht und die Schuhe der<br />

Kinder mit Nüssen und Süßigkeiten füllt oder die Geschenke direkt überbringt.<br />

Der Nikolaus kam allerdings früher in rustikaler Kleidung. Auf einem Bild<br />

von 1809 trug er Kniebundhose und einen großen Hut mit breiter Krempe. Der<br />

echte Nikolaus, Bischof von Myra, einer Hafenstadt in Kleinasien, die heute zur<br />

Türkei gehört, lebte dort im 4. Jahrhundert. Die Verehrung des Bischofs breitete<br />

sich über ganz Europa aus und er wurde zur Symbolfigur des Retters der Armen<br />

und Notleidenden, der Kranken und Schwachen, der Großen und der Kleinen.<br />

Es müssen Erwachsene gewesen sein, die irgendwann auf die Idee gekommen<br />

sind, dem guten Nikolaus einen furchteinflößenden Begleiter an die Seite zu<br />

stellen. So ungefähr ab der Mitte des 17. Jahrhunderts kommt der Nikolaus<br />

nämlich nicht mehr allein, sondern mit Knecht Ruprecht zu den Kindern. Der<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

32


Serie<br />

verkündet in einem 1663 erschienenen Weihnachtsspiel mit folgenden Worten,<br />

was Sache ist: „Ich bin der alte böse Mann, der alle Kinder fressen kann.“<br />

Die Negativgestalt an der Seite von Nikolaus hat viele Namen. Ob Ruprecht,<br />

Zemper, Krampus oder Wubartl, es sind allesamt Angstmacher. Trotzdem steht<br />

auch heute noch der gute Nikolaus im Vordergrund und die Kinder lernen im<br />

Kindergarten, in der Schule oder zu hause die alten bekannten Gedichte und<br />

dazu zwei Beispiele:<br />

„O du guter Nikolaus<br />

mit dem Bart und Besen,<br />

leer’ dein Säcklein bei uns aus!<br />

Wir sind brav gewesen.“<br />

„Holler, boller Rumpelsack<br />

Niklas trägt sie huckepack,<br />

Weihnachtsnüsse gelb und braun,<br />

runzlich – punzlich anzuschaun.“<br />

Ursprünglich war der Nikolaustag auch der Tag der Weihnachtsbescherung.<br />

Diese wurde dann, seit etwas 100 Jahren auf den Weihnachtstag verlegt und die<br />

Geschenke brachte von nun an das Christkind.<br />

Doch leider vermischen sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr die Figuren<br />

vom Nikolaus und vom sogenannten Weihnachtsmann. Die Figur des Santa<br />

Claus (der Name des Nikolaus in England und in den Vereinigten Staaten)<br />

wurde in England erst „entdeckt“ und ist besonders auch in den USA verbreitet<br />

und von dort kam sie wieder nach Deutschland. Dieser Weihnachtsmann ist ab<br />

November, vor allem in den Kaufhäusern und in den deutschen Fußgängerzonen<br />

zu sehen. Ebenso ist in den letzten zwei Jahrzehnten eine weitere Mode aus den<br />

USA nach Europa übergeschwappt und so erstrahlen von Jahr zu Jahr immer<br />

mehr, von innen leuchtende Nikoläuse oder Rentierherden mit Leuchtschläuchen<br />

die Vorgärten, Balkone und Giebelfronten, bereits zur Vorweihnachtszeit in<br />

hellem Lichterglanz.<br />

Der Weihnachtsbaum<br />

Die Entwicklung des Weihnachtsbaumes hatte keinen eindeutigen Anfang. Es<br />

soll 1611 in Schlesien der erste kerzengeschmückte Tannenbaum im Schloß der<br />

Herzogin Dorothea Sybille von Schlesien gestanden haben. Jedenfalls trat er<br />

im 19. Jahrhundert von Deutschland ausgehend seinen Siegeszug um die Welt<br />

an. Den kerzengeschmückten Fichten- oder Tannenbaum soll 1806 in Bayern<br />

Kurfürst Maximilian <strong>IV</strong>. eingeführt haben. Nach Verdrängen der Obstbäume<br />

33<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Serie<br />

setzte sich der Nadelbaum in den nächsten Jahrzehnten immer mehr durch. Die<br />

Bäume trugen allerdings noch keine Lichter, es hingen lediglich Zuckerstücke,<br />

Äpfel und mit Mehl angeweißte Nüsse daran. Erst um 1870 kam der Glasschmuck<br />

aus Thüringen hinzu. Das Lametta aus Zinnfolien geschnitten, ist seit Beginn<br />

des 20 Jahrhundert bekannt. In dieser Zeit kommt auch das Engelshaar auf und<br />

die Silber- und Goldketten.<br />

Der Weihnachtsbaum blieb zunächst in den Häusern und Kirchen. Vor fast<br />

100 Jahren leuchtete 1912 der erste, mit elektrischen Kerzen bestrahlte<br />

Weihnachtsbaum auf dem Madison-Square von New York und 1924 regte in<br />

Weimar ein Straßenweihnachtsbaum zu weiteren in Deutschland an. Heute<br />

finden wir in jeder Stadt und in jeden noch so kleinen Ort, auf dem Markt- oder<br />

Dorfplatz, einen großen Weihnachtsbaum.<br />

Der größte Weihnachtsbaum steht jedes Jahr vor dem Rockefeller Center in New York – natürlich!<br />

Auch steht heute unter dem Weihnachtsbaum fast immer eine Weihnachtskrippe. Wesentlich älter<br />

ist dagegen diese Tradition, vor allem in Franken. Die Jesuiten sollen bereits vor 400 Jahren die<br />

ersten Krippen in und um Bamberg aufgestellt haben.<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

34


Serie<br />

Die Weihnachtszeit im Nationalsozialismus<br />

Die Weihnachtszeit und ihre Bräuche wurde in Deutschland in der Zeit des<br />

Nationalsozialismus allerdings arg missbraucht und erlebten somit auch ihre<br />

Schattenseiten. Reich illustriert und oft mehrere hundert Seiten lang, enthielten<br />

die im Jahr 1939 neu gedruckten Weihnachtsbücher viele Märchen, Gedichte,<br />

Lieder, Geschichten und Rezepte. Dazwischen hatten allerdings die Herausgeber<br />

geschickt Sachtexte eingefügt, die zum Beispiel von den germanischen<br />

Wurzeln des Weihnachtsfestes handelten oder Vorschläge für „artgerechtes<br />

Brauchtum in der Vorweihnachtszeit“ machten. Mit großer Konsequenz<br />

wurden alle christlichen Elemente des Weihnachtsfestes gestrichen und durch<br />

nationalsozialistisches Gedankengut ersetzt. Aus dem Christkind wurde das<br />

„Lichtkind“ und Maria wurde als „das Urbild der deutschen Frau“ gepriesen.<br />

Die Weihnachtslieder aus den kirchlichen Gesangbüchern tauchten nun unter<br />

Beibehaltung der bekannten Melodien, aber mit neuen Texten versehen, auf.<br />

Gleichzeitig erschienen Weihnachtslieder, die „den neuen Geist atmeten,“ diese<br />

wurden speziell in den Schulen und bei den Nazi-Weihnachtsfeiern gesungen.<br />

Alledings bestanden die Ehefrauen zu Hause aber darauf, vor dem Christbaum<br />

in der Stube die christlichen Weihnachtslieder zu singen. Auch hätte man in den<br />

folgenden Kriegsjahren, draußen an der Front oder im Lazarett am Heiligen<br />

Abend viel lieber „Stille Nacht, heilige Nacht“ gesungen, denn das hätte dem<br />

Soldaten „mehr Kraft zum Durchhalten“ gegeben. Soviel zu diesem dunklen<br />

Kapitel.<br />

Noch eine Anmerkung zum wohl bekanntesten Weihnachtslied auf der Welt<br />

„Stille Nacht, heilige Nacht.“ Am Heiligabend 1818 führten der Arnsdorfer<br />

Dorfschullehrer und Organist Franz Xaver Gruber und der Hilfspfarrer Joseph<br />

Mohr in der Kirche St. Nikolaus in Oberndorf bei Salzburg in Österreich<br />

dieses Lied erstmals auf. Aber erst im Jahre 1832 wurde dieses mit anderen<br />

Tiroler Liedern in Leipzig vorführt. Dort gewann vor allem diese Melodie die<br />

Aufmerksamkeit der Zuhörer. Von dort aus trat es seinen Siegeszug durch die<br />

deutschen Länder und später um die ganze Welt an. Heute gibt es Übersetzungen<br />

in mehr als 300 Sprachen.<br />

35<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Serie<br />

Und wie erleben wir heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, die Weihnachtszeit<br />

und ihre Bräuche in Deutschland. Leider stehen immer mehr gestresste Eltern,<br />

mit von Geschenken überhäuften Kindern, vor dem Weihnachtsbaum. Durch<br />

die wochenlange Berieselung haben die Menschen schon die Weihnachtszeit<br />

überdrüssig, bevor sie mit dem Weihnachtsfest beginnt. Doch es gibt auch<br />

Lichtblicke und so gelingt es auch viele junge Familien, wieder andere<br />

Schwerpunkte in dem Vordergrund zustellen – mehr Zeit und Muße für die<br />

Kinder und sich selbst in der Advents- und Weihnachszeit zu haben. Nach dem<br />

Motto: „Weniger ist mehr!“ – in diesem Sinne eine Frohe Weihnachtszeit!<br />

Andreas Motschmann<br />

Gedicht<br />

Als ich ein Kind noch gewesen<br />

das ist schon lange her,<br />

da war Weihnachten noch ein Erlebnis,<br />

ein Märchen und noch vieles mehr.<br />

Es gab nur kleine Geschenke,<br />

denn wir waren nicht reich,<br />

doch die bescheidenen Gaben,<br />

kamen dem Paradiese gleich.<br />

Da gab es Äpfel und Nüsse,<br />

mitunter auch ein paar Schuh<br />

und wenn die Kasse es erlaubte ein kleines Püppchen noch dazu.<br />

Wie war doch das Kinderherz selig<br />

Für all diese herrliche Pracht<br />

und es war ein heimliches Raunen um die Stille heilige Nacht.<br />

Aus dem schönsten der christlichen Feste<br />

hat der Mensch einen Jahrmarkt gemacht,<br />

er wünscht sich vom Besten das Beste<br />

und vergisst dabei den Sinn der Heiligen Nacht.<br />

Karl Tischler<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

36


Wer.Wie.Was.<br />

Serie<br />

Ein nahes Ausflugsziel für Paceños: der Yachtclub in<br />

Huatajata<br />

Auf halbem Weg nach Copacabana kommt man am Yachtclub Boliviano (YCB)<br />

vorbei, der früher viele Mitglieder aus der deutschen Kolonie hatte. Schon<br />

bei der Gründung vor über 60 Jahren waren sie dabei. Damals stellten sie die<br />

meisten Segler, während die Bolivianer Motorboote vorzogen.<br />

Heute ist der Club mit 45 Mitgliedern recht international ausgerichtet, um die<br />

10 Segelyachten liegen im Hafen, wohl doppelt so viele Motorboote und etliche<br />

kleine Segler wie Optimist und ähnliche, sowie Paddelboote, Kanus und Kajaks,<br />

die meist von den Mitgliedern fast kostenlos benutzt werden können.<br />

Mehrmals im Jahr werden gemeinsame Ausfahrten organisiert, als Tagesfahrten<br />

in die nähere Umgebung oder übers Wochenende zur Sonneninsel, Copacabana<br />

oder sogar bis Puno. Ende Oktober 2010 ist wieder die Sonneninsel angesagt.<br />

Die Segelboote organisieren Regatten, meist mit den Schulbooten der Marine<br />

zusammen. Auch werden Regatten der lokalen Segler ausgerufen.<br />

Das Restaurant serviert am Wochenende gute Forellengerichte, Cebiche, Steaks<br />

und vieles mehr, wobei auch Gäste willkommen sind.<br />

Der Club bietet zwei Möglichkeiten Mitglied zu werden: als festes Mitglied,<br />

was 2000$ Eintrittsgebühr kostet und 235Bs pro Monat. Für das eigene Boot<br />

zahlt man Bs24/Fuß Bootslänge. Wer sich nur für begrenzte Zeit in Bolivien<br />

aufhält, ist für Bs 250/Monat (Plan „Socio Amigo“) dabei. Mehr information<br />

beim Clubsekretär Jorge Arandia [jorgearandiaa@yahoo.es].<br />

37<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Serie<br />

Während der Regatta, vor dem Hafen am 17.10.2010<br />

Fertigmachen zur Segelbootregatta<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

38


Kultur<br />

Una experiencia inolvidable…<br />

Jose Andres Navarro Silberstein, Schüler der 9. Klasse des Colegio<br />

Aleman, ist vielen Lesern sicher von früheren Konzerten bekannt.<br />

Im April diesen Jahres konnte er zuletzt mit einem von 400 begeisterten<br />

Zuschauern frenetisch aufgenommenen Konzert 2400 Dollar für einen guten<br />

Zweck einspielen.<br />

Jose spielt seit seinem 4. Lebensjahr Klavier, nimmt seitdem regelmäßig<br />

Unterricht. Nach eigener Aussage gehören harte Arbeit, d.h. täglich 2 Stunden<br />

Übung, am Wochenende 4 Stunden täglich und eine totale Begeisterung für<br />

Musik dazu, um so erfolgreich spielen zu können.<br />

Im September hatte Jose Andres die Gelegenheit, als einer von weltweit 15<br />

jugendlichen Pianisten an einem Wettbewerb der „Crane School of Music“ in<br />

den USA teilzunehmen.<br />

Im folgenden Bericht beschreibt Jose Andres seine Erfahrungen und Erlebnisse<br />

während seines Aufenthaltes in den USA.<br />

Frank Schwanbeck<br />

Entre el 10 y 12 de septiembre, tuve la gran oportunidad de participar en<br />

“The Julia Crane Internacional Piano Competition” (5ª Versión), una de las<br />

competencias más importantes en Estados Unidos, en SUNY Potsdam, N.Y.<br />

“The Crane School of Music”, la escuela en la que se llevó a cabo el concurso,<br />

tiene una larga historia de excelencia y tradición en la educación musical y el<br />

rendimiento; y, es una “All-SteinwaySchool”.<br />

Como todos los aspirantes, envié una grabación en un CD con tres piezas de<br />

diferentes estilos. De un gran número de solicitantes nacionales e internacionales,<br />

logré clasificar al concurso, al cual solo quince pianistas entre 14 y 18 años<br />

fueron aceptados para competir en éste gran evento. Tuve el privilegio de no solo<br />

ser uno de los más jóvenes del concurso, sino también el único latinoamericano.<br />

Al igual que los demás participantes, todos artistas realizamos en la ronda<br />

preliminar una audición de 12 minutos con fragmentos de exigentes piezas<br />

musicales de memoria, sin partituras y ante un exigente y selecto jurado, que<br />

evaluó tanto la variedad, originalidad y dificultad de sus programas, así como<br />

nuestra habilidad técnica.<br />

En ese fin de semana disfruté del fabuloso festival, el cual nos ofreció a todos<br />

los participantes variadas actividades con afamados pianistas, pedagogos y<br />

39<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Kultur<br />

profesores de renombre internacional. Esta fue una gran ocasión para hacer<br />

nuevas amistades y excepcionales músicos de diversas nacionalidades. Sin duda<br />

alguna, fue la experiencia más maravillosa, intensa y enriquecedora de toda mi<br />

vida.<br />

Consciente de que éste es el primero de mis logros internacionales y el mayor<br />

impulso para continuar trabajando en lo que más me apasiona desde que era<br />

niño, aseguro que cuando se construyen sueños que se hacen realidad, hay que<br />

seguir soñando y apuntando a lo más grande.<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

40<br />

José Andrés Navarro Silberstein<br />

S1A<br />

Colegio Alemán, Mariscal Braun


Kultur<br />

4. 4. Konzert von Felix Raffel<br />

Junger Künstler liefert interessante und abwechslungsreiche<br />

Darstellung<br />

Zu einem interessanten und abwechslungsreichen Benefizkonzert kam es am<br />

01.10.2010 in der Deutschen Schule. Unter dem Titel „Classic meets film music“<br />

versuchte der junge Pianist und Filmkomponist Felix Raffel mit Unterstützung<br />

der Deutschen Botschaft, dem Deutschen Kulturverein und natürlich dem<br />

„Colégio Alemán Mariscal Braun“ die beiden Gebiete Klassik und Filmmusik<br />

miteinander zu verknüpfen. Die Einnahmen des Konzerts sollten an das<br />

Sozialwerk „Arco Iris“ gehen, das laut dem Gründer und Vorsitzenden Pater<br />

Josef Neuenhofer, der im Augenblick in Deutschland auf „119 Veranstaltungen“<br />

und Vorträgen versucht Unterstützung zu finden, auf „jede Spende angewiesen<br />

ist.“<br />

Ungewöhnlich an der Vorführung war schon die Umgebung. Während die<br />

drei vorausgegangenen Konzerte Raffels im Foyer der Deutschen Schule<br />

stattfanden, wurde die vierte, total ausverkaufte Darbietung auf die Bühne der<br />

Turnhalle verlegt, zu der sich die 130 Zuhörer durch nur einen etwas engen<br />

Aufgang hinauf zwängen mussten. Der zweite Zugang war nämlich durch die<br />

etwas aufwendigen elektronischen Steuer- und Technikanlagen versperrt, die für<br />

die Vorstellung notwendig waren.<br />

Als Einstieg wurde ein kurzer Dokumentarfilm gezeigt, in der aus der Perspektive<br />

eines Kindes die durch Ignoranz begründete, negativ verlaufende Zukunft der<br />

Menschheit gezeigt wird. Zu dem witzigen und sozialkritischen Spot „Jugend<br />

denkt Um.Welt“ hat Felix Raffel die Musik geschrieben. Sie kam im Juli 2010<br />

in der spanischen „Ciudad de Ubeda“ bei den diesjährigen Jerry Goldsmith-Awards,<br />

einem der weltweit wichtigsten Wettbewerbe für Nachwuchs-Filmkomponisten,<br />

in der Kategorie „Beste Musik für einen Werbespot“ in die Endausscheidung<br />

der letzten fünf Beiträge.<br />

Felix Raffel begann sein eigentliches Konzert mit Ludwig van Beethovens<br />

Klaviersonate Nr. 21 in C-Dur op. 53, auch bekannt als Waldstein-Sonate, die<br />

als eine der wichtigsten und bekanntesten Klaviersonaten aus Beethovens<br />

mittlerer Schaffensperiode gilt. Dem jungen Pianisten standen wegen anderer<br />

dringender Termine nur fünf Tage zur Verfügung, um sich wieder mit dem Werk<br />

vertraut zu machen, das er letztmalig vor einigen Jahren live gespielt hatte. Trotz<br />

dieser kurzen Vorbereitungs- und Einspielzeit wurde das schwierige Werk, so<br />

die Reaktion eines professionellen Kritikers, „hervorragend von Felix Raffel<br />

auf dem Flügel interpretiert.“ Konzentriert und gewandt meisterte Raffel auch<br />

41<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Kultur<br />

die schwierigsten Passagen. Und ihm gelang es virtuos und meisterhaft, die<br />

verschiedenen Stimmungen der drei Sätze der konzentrierten Zuhörerschaft zu<br />

vermitteln. Begeisterter und langanhaltender Applaus war die Belohnung für<br />

den Künstler.<br />

Im zweiten Teil präsentierte der junge Pianist, der vor einigen Jahren sein<br />

Klavierstudium in Hannover mit der Bestnote abgeschlossen hat, ein Medley<br />

von 15 bekannten Filmmelodien, die er zum Teil ohne Übergang miteinander<br />

verknüpft hatte. Um diesen Programmpunkt auch für die Zuhörer spannend<br />

und interessant zu machen, ließ er Lösungszettel verteilen, auf denen die Titel<br />

eingetragen werden konnten, die die Zuhörer erkannt hatten. Diejenigen mit<br />

den meisten richtigen Lösungen konnten zwei Kinogutscheine gewinnen. Es<br />

war interessant zu beobachten, wie aus Erwachsenen wieder Schüler wurden<br />

und mit allen Mitteln, also auch mit Nachbarschaftshilfe und Abschreiben,<br />

versucht wurde, an die richtigen Lösungen zu kommen. Immerhin schafften<br />

es 2 Schüler der Deutschen Schule in „Gruppen- oder Teamarbeit“ 11 richtige<br />

Titel zu benennen.<br />

Nach der Pause improvisierte Felix Raffel live zu einem Film, in dem<br />

verschiedene, langsam wechselnde und ineinander übergehende Farben gezeigt<br />

wurden und bei dem er versuchte die jeweiligen Stimmungen wiederzugeben.<br />

Die z.T. freien Improvisationen, die der Filmkompositionsstudent auf dem<br />

Klavier nach teilweise vorgegebenen Strukturen -es war das einzige Mal am<br />

Abend, das er Noten benutzte- gemäß der wechselnden Farben spielte, ließ<br />

viele der Zuschauer perplex zurück. Sie stellten sich und dem Komponisten<br />

anschließend die Frage, wie sich aus einem malerischen Motiv Kompositionen<br />

kreieren lassen und dabei noch frei improvisiert werden kann.<br />

Überraschend und für einige Zuschauer schockierend war dann der letzte Teil des<br />

Abends. Gezeigt wurde der Film „The Boy who wouldn’t kill“, für dessen Musik<br />

Felix Raffel im Juli den diesjährigen Jerry Goldsmith-Preis in der Sparte Kurzfilm<br />

verliehen bekam. Der etwa 30minütige Film zeigt eine Miniaturgesellschaft<br />

nach einem Atomkrieg, in der die Regeln des Zusammenlebens nicht mehr<br />

funktionieren und in der es nur noch um das reine Überleben geht. Einige<br />

Zuschauer waren nicht darauf vorbereitet, dass dabei eben auch brutale Szenen<br />

vorkommen konnten, die musikalisch unterlegt werden mussten. Felix Raffel<br />

zeigte in seinen Einführungsworten, welche ungeheuren Privilegien mit dem<br />

Filmkompositionsstudium verknüpft sind, konnte er doch bei einigen Szenen<br />

mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg tagelang im Studio spielen,<br />

um die einzelnen Szenen musikalisch zu untermalen. Auch in diesem Teil<br />

wurde sehr deutlich, wie der junge Filmkomponist, der sich im Augenblick in<br />

Potsdam – Babelsberg auf sein Examen vorbereitet, wandelnde Stimmungen<br />

und Emotionen musikalisch ausdrücken kann, gab es doch stetige Wechsel von<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

42


Kultur<br />

einfühlsamer und sanfter Gitarrenmusik zu monströsen Orchesterpassagen, die<br />

im Stil an die Musik Enrico Morricones erinnerten.<br />

Der sehr abwechslungsreiche und interessante Abend wurde durch eine<br />

Zugabe abgeschlossen, zu der sich Felix Raffel nach eigenen Angaben spontan<br />

entschlossen hatte, nachdem er die bei einigen Zuschauern etwas bedrückte<br />

Stimmung sah.<br />

Die Chopin-Etüde op. 10 Nr. 5 in Ges Dur zeigte dann einmal mehr die<br />

Virtuosität des jungen Künstlers und gab ihm den verdienten langandauernden<br />

Beifall für seine Leistung, von der einige Zuschauer meinten, dass es die bisher<br />

überzeugendste und beste war.<br />

Schlussendlich muss auch noch das große soziale Engagement genannt werden,<br />

das Felix Raffel zeigt. Denn auch dieses Mal, wie in den vorausgegangenen<br />

Konzerten, kam der ganze Erlös einer sozialen Institution in Bolivien zugute,<br />

in diesem Jahr der „Fundación Arco Iris“. Das Konzert spülte etwa 6.600,-<br />

Bolivianos in die Kassen der Stiftung zugunsten ihrer Heim- und Straßenkinder.<br />

Für eine Rieseninstitution wie Arco Iris ist dies vielleicht ein geringer Betrag,<br />

aber immerhin etwas, denn, wie am Anfang im Zitat von Pater Neuenhofer<br />

erwähnt, seine Stiftung ist auf jede Hilfe angewiesen.<br />

David Quispe<br />

43<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Kultur<br />

Presentación de los libros “Ururi und die Strassenkinder”<br />

(alemán) y “Ururi et les enfants de la rue” (francés)<br />

15. Feria Internacional del Libro 2010<br />

Con la presencia del Embajador de Alemania, Sr. Philipp Schauer, y de su<br />

distinguida esposa Benita, se realizó la presentación de la novela “Ururi y los sin<br />

chapa” de la escritora Gladys Dávalos Arze en francés y alemán, el 22 de agosto<br />

pasado en la Feria Internacional del Libro de La Paz.<br />

La Editorial “Elebeté”, una editorial pequeña, aún “en construcción”, con una<br />

propuesta editorial innovadora, hecha con gran esfuerzo, se dedicará de aquí<br />

en adelante a traducir obras selectas de la literatura boliviana contemporánea,<br />

con el objetivo de darla a conocer en el exterior, siendo este el comienzo de una<br />

misión a largo plazo.<br />

Según Dávalos, “el tema de la traducción literaria ha sido completamente<br />

descuidado hasta ahora en Bolivia, siendo así que existe literatura que podriamos<br />

llamar “de exportación”, aunque a primera vista no lo parezca. Hablamos de una<br />

literatura interesante que, sin duda, llama la atención en países europeos y en<br />

EE.UU. por la temática diversa y distinta que en general aborda. Es un desafío<br />

grande, pero necesario. Ya era, ya es hora de traducir la literatura boliviana,<br />

algo importante y fundamental para darle un lugar en el mundo a las letras<br />

bolivianas”.<br />

Gladys Dávalos Arze, responsable de “Elebeté”, comenta: “Fueron los mismos<br />

extranjeros los que demandaron leer las obras en su idioma materno, en este<br />

caso, en alemán, inglés y francés. De ahí nació la idea de traducir, elemento<br />

esencial para lograr que la literatura de un país exista más allá de sus fronteras.<br />

Esto ocurrió más o menos en 2005 y en 2007 la idea fue tomando forma de<br />

proyecto y ahora es una realidad”.<br />

Entre los meses de noviembre del año pasado y febrero de este año se tradujeron<br />

5 libros, que multiplicados por 3 idiomas y vistos desde la perspectiva de<br />

la Cámara del Libro, son 15. Desde un comienzo se convirtió en un trabajo<br />

compartido a nivel internacional: mientras Aurore Taillandier traducía en<br />

Paris, Marie Mendoza traducía en Achocalla y Herbert Schweikert traducía en<br />

Heidelberg. Gabriela Keseberg traducía en Bruselas y Heike Sell trabajaba en<br />

Achumani. En tanto que Virginia Garlitz traducía desde Plymouth en EE.UU.,<br />

Astrid Wind colaboraba con la revisión de algunas de las traducciones. Todo este<br />

trabajo estuvo bajo la coordinación, supervisión y revisión de Gladys Dávalos<br />

Arze.<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

44


Kultur<br />

“No todos los libros han podido ser publicados con la rapidez con la que fueron<br />

traducidos. El milagro hubiera sido que los 15 fueran presentados ahora. Sin<br />

embargo, poco a poco saldrán las obras, con preferencia las de literatura escrita<br />

por mujeres y la literatura infanto-juvenil”, añadió Gladys Dávalos Arze. “La<br />

Editorial considera justo destacar el trabajo de las escritoras. Desde fines del<br />

siglo pasado, la literatura escrita por mujeres ha ido aumentando, tanto en<br />

cantidad como calidad y merece un impulso”, complementó con entusiasmo.<br />

“En lo que se refiere a la literatura infantil boliviana, ésta se defiende sola porque<br />

ofrece tópicos distintos, interesantes y provocativos para los niños de Europa<br />

y EE.UUU, algo que sirve para ampliar sus conocimientos, su panorama y<br />

visión del mundo, sin olvidar el tema del entretenimiento, pero sin la consabida<br />

violencia. A la literatura hay que entenderla también como conocimiento y la<br />

traducción de temas bolivianos significa abrirle puertas al lector a un mundo que<br />

antes no conocía”, finalizó.<br />

La autora de la novela traducida, Gladys Dávalos Arze, agradeció a dos de las<br />

traductoras que estuvieron presentes la noche del 22 de agosto:<br />

Dávalos Arze conoció a Marie Mendoza, de nacionalidad francesa, en su calidad<br />

de bibliotecaria del colegio Franco Boliviano. Ella no dejaba que la escritora<br />

pasara de largo y siempre la invitaba a visitar “su” bien equipada biblioteca, a la<br />

que se encargó de añadir sus libros. Cuando se le habló del proyecto, hace más o<br />

menos un año, Marie se entusiasmó muchísimo, lo cual fue de gran incentivo para<br />

el proyecto. Lo anécdotico fue que cuando se le pidió que tradujera “Ururi...”,<br />

ella dijo: ”Ya lo he traducido hace algún tiempo. Sabía que esto ocurriría, de un<br />

modo u otro”.<br />

En cuanto a Heike Sell, la escritora se refirió en los siguientes términos:<br />

“A Heike Sell, de nacionalidad alemana, la conozco desde que llegó a Bolivia a<br />

trabajar en el Colegio Alemán, hace cinco años. Desde un comienzo, Heike se<br />

perfiló como una colega especial. No sólo es una gran bailarina, experta en fox<br />

trot, cha cha cha y tango (junto a su hijo Tino), sino que perfeccionó el castellano<br />

en clases intensivas con rapidez; no quería que se le hable en alemán y, lo más<br />

llamativo, se interesó por la cultura boliviana y trató de integrarse. En una de sus<br />

incursiones en el mundo cultural paceño, vino a visitar la Casa Museo de Cecilio<br />

Guzmán de Rojas. Ahí vio por primera vez mis libros y quedó algo frustrada por<br />

no poder leer “Ururi y los sin chapa” en alemán. “Mi castellano aún no alcanza<br />

para leerla ahora”. “Entonces”, le dije, “hay sólo dos opciones: o perfeccionas<br />

el castellano o traduces el libro más adelante”. No pensé que ella iba a tomar en<br />

serio lo que dije, pero he ahí que, hizo las dos cosas: llegó a adquirir un dominio<br />

impresionante del castellano y tradujo el libro. Le tomó algún tiempo hacerlo,<br />

pero si tomamos en cuenta que todo esto ha sido hecho al margen del ajetreo<br />

laboral bastante exigente, robándole tiempo al tiempo, es un gran logro. Uno<br />

45<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Kultur<br />

cuando ve el libro listo, no se imagina siquiera la enorme cantidad de trabajo que<br />

hay detrás. Hoy no me queda más que felicitarla de todo corazón, no solamente<br />

por su empeño, sino también por su generosidad”. Y, dirigiéndose especialmente<br />

a Heike, concluyó: “Tal como te prometí, el libro está siendo presentado cuatro<br />

meses antes de tu retorno a Alemania. Heike, eres una persona admirable. Para<br />

tí, toda mi gratitud y cariño”.<br />

La escritora agradeció además a la concurrencia por su presencia a la presentación<br />

de las traducciones de esta novela sobre la vida dura y descarnada de los niños<br />

de la calle de La Paz, a quienes está dedicado el libro.<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

46


Kultur<br />

HERTA MÜLLER,UNA NOBEL DE LITERATURA EN<br />

BOL<strong>IV</strong>IA<br />

Extracto de una conferencia celebrada en la Feria Internacional<br />

del Libro, en la que la autora Gladys Dávalos Arze cuenta la<br />

visita de la narradora al país, publicado el domingo 29 de<br />

agosto de 2010 en “Página SIETE”.<br />

Semblanza de la escritora alemana<br />

En noviembre de 1999 la escritora alemana Herta Müller fue invitada por el<br />

Instituto Goethe y el PEN Internacional para visitar La Paz y Cochabamba,<br />

donde habló de sus libros con el público en general y sostuvo reuniones más<br />

íntimas, con autores bolivianos.<br />

Fue un encuentro inolvidable. Aparte de representar al PEN Internacional, como<br />

Presidenta de la Filial Boliviana, también realicé la traducción y la interpretación<br />

simultánea del encuentro, en el que ninguno de los presentes podía imaginar<br />

entonces que estaba sentado al lado o al frente de un futuro Premio Nobel de<br />

Literatura.<br />

En La Paz, el encuentro oficial se llevó a cabo en el Instituto Goethe y el objetivo<br />

central era hablar del libro “La piel del zorro”. Sin embargo, era difícil, sino<br />

imposible, evitar debatir sobre la por entonces aún fresca dictadura en Rumania,<br />

donde nació Müller. Y, sobre todo, porque el libro trata fundamentalmente este<br />

tema, pero de manera poética y metafórica, que es lo que engancha de inmediato<br />

al lector.<br />

La novela es el retrato de una ciudad triste y desamparada de Rumania en las<br />

postrimerías de la era dictatorial de Nicolai Ceausescu, en la que se suceden<br />

una serie de hechos en diversos escenarios sombríos como hospitales,<br />

fábricas, cuarteles y bares. Los personajes se ven continuamente amenazados<br />

y perseguidos por el zorro, que no es otra cosa que la “Securitate” o la policía<br />

que controla hasta la respiración de sus ciudadanos, todos sospechosos de<br />

algo, generalmente de conspiración contra el estado totalitario. Lo interesante<br />

es que también figura el personaje de la oveja que, como supondrán, es aquel<br />

ciudadano sin carácter, el seguidor sin raciocinio del régimen, el denunciante.<br />

Todo esto podría apuntar a una suerte de fábula casi de tinte infantil. No lo es.<br />

Es una trama cruel, sórdida, nada placentera, dolorosa en la que se muestra de lo<br />

que son capaces los regímenes dictatoriales. Decía que, a pesar de haber sido el<br />

encuentro literario, fue difícil sustraerse ante esta realidad y Herta contó de viva<br />

voz hechos ocurridos a ella y a su familia, que nos dejaron en un silencio largo<br />

y respetuoso al enterarnos de los abusos a los derechos humanos del régimen<br />

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<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Kultur<br />

de Ceausescu. Hubiéramos querido comentar, argumentar, discutir con ella,<br />

pero ante la viva evidencia de alguien maltratado y echado de su país, sólo por<br />

pertenecer a una minoría, quedamos impresionados y no atinamos a decir nada.<br />

De alguna manera también mostramos cierta impotencia y nos limitamos en<br />

gran parte a escuchar. Todo esto nos indicó, en cierta forma, que Herta también<br />

escribía desde lo personal. Muchos de los hechos monstruosos contados en éste<br />

y otros libros, le han ocurrido o a ella y a su familia o a sus vecinos y amigos.<br />

La parte informal del encuentro fue algo más tarde, más o menos unas dos<br />

horas después, en las que abandonamos las instalaciones del Instituto Goethe<br />

e invitamos a Herta a un café cercano. Ahí, en medio de pastelillos y humintas<br />

- no recuerdo si ella tomó té o café - conversamos de manera algo más<br />

distendida, pero no del todo. Recuerdo a una Herta Müller aún bastante rígida,<br />

a la cual era difícil sacar una sonrisa y desviarla del tema. De alguna manera,<br />

continuamos enterándonos de los horrores de la dictadura en Rumania. No lo<br />

intentamos siquiera, es decir, sacarla de su rol de escritora militante, luchadora y<br />

comprometida con los derechos humanos en su país de nacimiento.<br />

“LA PATRIA ES EL LENGUAJE”<br />

Decía que Herta Müller fue echada de Rumania por pertenecer a una minoría.<br />

Sus padres eran alemanes, más concretamente emigrantes suabos: “Los suabos<br />

llegaron a la región denominada Banato hace más de trescientos años. Su<br />

lengua, un dialecto del alemán, es una más de las que se hablan en la zona<br />

multiétnica habitada por bávaros, suabos, palatinos, croatas, armenios, búlgaros<br />

y eslovacos. Esa parte del mundo es un ejemplo de la diversidad que caracteriza<br />

a Europa Media. Herta Müller nació en esa parte de Rumania y, desde muy<br />

pequeña, escribió en alemán y en rumano. Siempre dio testimonio de su horror<br />

por la dictadura de Ceaucescu. Mucho se ha hablado de su pertenencia al país<br />

natal, aunque su lenguaje sea el alemán. “Digamos que Herta es una rumana<br />

que representa a la poderosa variedad social y lingüística de Europa Media.<br />

Es, en fin, una ciudadana del país de la literatura”. Este es un comentario de la<br />

prensa española, pero ella misma afirma que la “patria es el lenguaje”, aparte<br />

que los alemanes lo han asumido siempre así. Personalmente considero a Herta<br />

Müller como a alguien que por casualidad nació en otro lugar de la tierra, pero<br />

que ella es alemana y no sólo por el lenguaje. Según mis averiguaciones, ella<br />

empezó a escribir algo en rumano a partir de sus quince años. Antes escribió y<br />

habló sólo alemán. Hasta ahora ella asegura no poder escribir en rumano, que<br />

le falta vocabulario y que sin las palabras, pues no se puede escribir. Por otra<br />

parte, considero a Herta también “muy alemana” en cuanto al estilo o, tal vez<br />

mejor dicho, a la forma de escribir. Si pensamos en García Márquez, su estilo<br />

podría ser comparado como el vaivén de una brisa tibia de palabras arropadas<br />

en una hamaca, en cambio, el estilo de Müller es como el salto de unos dados<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

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Kultur<br />

fríos cayendo las gradas de un edificio gris con un ruido sordo y seco. Ya algún<br />

lector o lectora observó que sus oraciones son, no sólo cortas, sino cortantes,<br />

tajantes y, lo que más llama la atención: no utiliza conectores de ninguna clase.<br />

Sus textos no llegan a ser los que se escribe para un guión para una película, pero<br />

falta poco para que lo sean.<br />

Biografia de Herta Müller<br />

Nació el 17 de agosto de 1953 en Nitzkydorf en Rumania. Vive desde 1987 en<br />

Berlin, Alemania. Su padre fue miembro de la SS. El y su madre, al parecer,<br />

trabajaban en el campo en Rumania, a donde emigraron junto con gran cantidad<br />

de suabos: “Sólo mi madre era campesina”, apunta en la pág. 42, de su libro<br />

“La bestia del corazón”. Herta Müller hace figurar al padre en sus obras como<br />

alcohólico. Uno puede imaginarse que su propio padre bebía en demasía,<br />

probablemente para olvidar su pasado nazi. En cuanto a las recriminaciones<br />

sobre el pasado nazi de su padre, es necesario mencionar que Müller nunca ha<br />

negado este hecho, es más, en la obra “La bestia del corazón” ella escribe en la<br />

página 137: “¿Acaso alguien puede escoger a su padre?”<br />

Herta estudió Filología Germánica y Románica en la Universidad de Timisoara<br />

y más adelante se vio obligada a abandonar Rumania por defender los derechos<br />

de la minoría alemana.<br />

Ha escrito varios libros: “Der Teufel sitzt im Spiegel”, “Der Koenig verneigt<br />

sich und toetet”; algunos están traducidos al español, como “El hombre es un<br />

gran faisán en el mundo”, “La piel del zorro”, “La bestia del corazón” y, el más<br />

reciente, “Atemschaukel” (“Vaivén del miedo”). La parte más novedosa son sus<br />

poemas, habilidad que sólo dio a conocer después de obtener el Premio Nobel<br />

de Literatura.<br />

A Herta Müller le gusta ser una figura pública. Recibe premios. Da conferencias.<br />

Da charlas, firma libros. Concede entrevistas, una de las principales ha sido la<br />

del popular “sofá azul” y deja que la fotografíen. Se viste de negro total y ahora<br />

lleva el pelo extremadamente corto, pero a lo largo de su vida ha cambiado de<br />

color de cabello y de tamaño innumerables veces.<br />

La obra de Müller<br />

No hay variedad de temas en la obra de Herta. Su obsesión por escribir sobre la<br />

situación de las minorías en las dictaduras socialista-comunistas no es tan fácil<br />

de entender, sobre todo, porque en la vida real ella se casó con uno de los altos<br />

líderes del partido comunista en Rumania. Pero los seres humanos somos de por<br />

sí contradictorios. Más adelante se divorció de él y tengo entendido que ahora<br />

vive sola y no tiene hijos.<br />

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<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Kultur<br />

Tiene la fama de ser una maestra en prosa lírica o poética. Esta fama es justificada,<br />

porque en todos sus libros utiliza metáforas bellas y enigmáticas. Por ejemplo:<br />

”Cada persona tiene un amigo en cada pedacito de nube”; “contempló el día<br />

vacío”; “el suelo chirriaba al ritmo de la desesperanza”.<br />

La ficción de Müller es real, si vale el término, pero al mismo tiempo leyendo no<br />

parece tan real, parece bastante ficticia. Refleja el miedo y la incertidumbre, pero<br />

también la esperanza. Dibuja un mundo de terror, de muerte y de impotencia<br />

frente al estado totalitario comunista en el que el individuo, sus deseos<br />

personales, sus sueños o su felicidad no interesan o importan muy poco o nada,<br />

pero todo dentro de una metáfora larga y un contexto lleno de claves y símbolos<br />

intrigantes.<br />

Pienso que ella busca algo más que su interés personal. Su obra implica un<br />

intento de abrir caminos también a otras minorías en el mundo que podrían ser<br />

injustamente maltratadas; se me ocurre pensar en este momento por ejemplo en<br />

los mejicanos en EE.UU. Desde ese punto de vista, considero que la índole de<br />

los temas puede ser transferible, aunque no se trate del mismo sistema político<br />

imperante. Como sea, sus libros denotan la interpretación de una realidad viva<br />

(¿o muerta?), que no puede, no deja indiferente a nadie.<br />

En suma, lo que más impresiona en términos literarios, esto es independientemente<br />

de la temática algo obsesiva, son las formas estéticas originales que ella utiliza, en<br />

el sentido de escribir un libro como un largo poema, lleno de belleza metafórica.<br />

(Esta conferencia fue auspiciada por el Instituto Goethe de La Paz y organizada<br />

por su bibliotecaria Angelines Mendoza)<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

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Reise<br />

Guayaramerin<br />

Ein Ausflugsziel für Touristen, die schon alles haben<br />

Guayaramerin liegt in Bolivien oben rechts im Beni am Rio Mamoré. Fährt man<br />

über diesen Fluß, dann ist man schon in Brasilien. Von Riberalta sind es noch<br />

90 Kilometer nord-nordostwärts bis zu dem Vierzigtausend-Einwohnerdorf,<br />

dessen Lage nicht anders als tropisch zu beschreiben ist. Der Ort lebt von den<br />

Brasilianern, die am Wochenende herüberkommen, um all das zu kaufen, was<br />

es bei ihnen zu Hause auch gibt, nur hier eben wesentlich günstiger. Neben<br />

dem Konsum-Tourismus erblühte neuerdings auch eine Art Medizin-Tourismus:<br />

Es wird gerne die Arbeit der kubanischen Ärzte und ihrer Augen-Kampagne<br />

in Anspruch genommen. Daher kehrt so mancher von seinem Ausflug nach<br />

Bolivien mit einer Augenbinde zurück. In Wirklichkeit sogar ziemlich viele.<br />

Neben diesen beiden Touristenströmen braucht der Ort keinen anderen,<br />

zumindest nicht die typischen Gucker und Frager und Ausruher. Zum Ausruhen<br />

gibt es auch wenig - Unterkünfte ja, aber kein Hotel, wegen dem sich die Anreise<br />

extra lohnen würde. Die vormals attraktive Anlage am See Itauba Eco Resort ist<br />

inzwischen ganzjährig ausgebucht – von Brasilianern natürlich.<br />

Zum Gucken und Fragen gäbe es zwar eine ganze Menge, doch man findet<br />

nicht so richtig die Infrastruktur für Touren und Exkursionen, von Museen oder<br />

informativen Bildbänden und Broschüren ganz zu schweigen.<br />

Für uns war Guayaramerin vor allem wegen der Cachuela Esperanza, dem<br />

Kautschuk-Dorf interessant. Dort, wo am Anfang des vorigen Jahrhundert der<br />

sagenumwobene Kautschukbaron Nicolas Suárez eine Stadt aus dem Nichts<br />

gebaut hat – die nun wieder ins Nichts zurückgesunken ist. Das wollten wir uns<br />

gerne anschauen und riefen nach einem Taxi. Und dieses war ein Glücksgriff.<br />

Sowohl das Auto, das nämlich eine Klimaanlage hatte, als auch der Fahrer,<br />

ein ehemaliger Lehrer, der viel wusste und in allen Lebenslagen wunderbar<br />

hilfsbereit war.<br />

Auf der Fahrt dorthin sahen wir Nahaufnahmen und Details des Elends, das<br />

wir die Wochen vorher in dicken Rauchschwaden nach La Paz heraufziehen<br />

sahen, wenn nämlich mitten im Urwald kein Wald mehr da ist. Angeblich ist<br />

das in Brasilien nicht mehr so an der Tagesordnung, seit es hohe Geldstrafen<br />

und Wiederaufforstungsauflagen gibt. Aber in Brasilien kann man ja auch keine<br />

geklauten Autos mehr verkaufen. Dafür gibt es extra eine Straße weit entfernt<br />

von der normalen Route, auf der die Wagen nach Bolivien gebracht werden.<br />

„Wo sollen wir die geklauten Autors denn sonst verkaufen, geht ja fast nur noch<br />

in Bolivien!!“ hörten wir es klagen und hätten vor lauter Mitleid fast mitgeweint.<br />

Welche Dimensionen das Geschäft haben muss sieht man daran, dass auf ein<br />

51<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Reise<br />

Auto mit Nummernschild im Umkreis der Grenze mindestens 15 ohne kommen.<br />

Nun aber endlich zum großen Highlight, der Cachuela Esperanza: Das<br />

Eindrucksvollste ist wohl immer noch ihre Lage an Río Beni, der jetzt, in der<br />

Trockenzeit wunderbare runde Sandsteinfelsen zeigt, die sonst unter Wasser<br />

versteckt sind. Ein flacher und beeindruckender Felsrücken zieht sich durch das<br />

ganze Dorf – sogar die Kirche steht darauf. Es muss einmal wirklich hübsch<br />

gewesen sein mit Parks und Cafés, sogar ein Theater gibt es dort, in dem jetzt<br />

die Fledermäuse wohnen. Die verlassene Villa der Familie Suárez liegt ein<br />

wenig außerhalb und wurde bis vor kurzem gemieden – natürlich spukt es dort–<br />

erst seit ein einigen Wochen behausen ein paar Dorfbewohner einen Teil der<br />

Zimmer, verbreiten das übliche Durcheinander aus Müll und Kleintieren und<br />

freuen sich offensichtlich darüber, dass sie jetzt nicht mehr so früh aufstehen<br />

müssen wie damals unter dem strengen Kautschuk-Regime.<br />

Das immer noch hübsche Kirchlein mit einigen erschöpften Touristen<br />

Was ist denn wohl mit den ganzen Bäumen passiert? Angeblich stehen sie<br />

noch zu Tausenden unversehrt da. Mit ein wenig Fragerei finden wir vier<br />

davon. Und tatsächlich: Der Gummi rinnt aus der Rinde, wie wir das früher in<br />

der Schule gelernt haben. Die Kinder popeln sich eifrig ihre hausgemachten<br />

Kaugummis zusammen und träumen schon von riesigen blubbernden<br />

Kaugummi-Fabriken. Doch angeblich stehen schon die Japaner vor der Tür mit<br />

großen Investitionsplänen.<br />

Ob sie nun kommen oder nicht, Guayaramerin scheint nicht gerade auf sie<br />

zu warten. Zum Wochenende türmen sie wieder Bettwäsche und Geschirr in<br />

die Schaufenster für die Brasilianer – wer sonst noch kommt oder geht gehört<br />

wahrhaftig nicht zu ihren Sorgen.<br />

Kontakt und Infos:<br />

Hotel San Carlos: 591 855 855 3555 Calle 6 de agosto 347<br />

Itauba Eco Resort: 8553514<br />

Juan Raúl Huayhua (Fremdenfüher und Fahrer): 77845152<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

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Franziska Sörgel


Reise<br />

Cayara und Huata – Wohnen mit Stil<br />

Bolivien wartet immer wieder mit Überraschungen und unvermuteten Schätzen<br />

auf – auch im Hotelsektor. Wer Richtung Potosí und Sucre unterwegs ist und<br />

nicht unbedingt direkt in der Stadt wohnen will, dem seien die beiden folgenden<br />

Unterkünfte wärmstens empfohlen.<br />

Cayara – Hacienda und Museum<br />

22 Kilometer von Potosí entfernt (15 Kilometer Richtung Oruro, dann 7<br />

Kilometer Richtung Nordwesten) liegt die Hacienda Cayara. Sie wurde<br />

Mitte des 16. Jahrhunderts fast gleichzeitig mit Potosí und zum Zweck der<br />

Lebensmittelversorgung der Stadt gegründet, eine Aufgabe, der sie durch die<br />

Produktion von Käse und anderen Milchprodukten immer noch nachkommt. Vor<br />

etwa 100 Jahren wechselte die Hacienda von den Marquisen von Otavi in den<br />

Besitz der schottisch-französischen-englischen Familie Aitken-Soux-Leighton,<br />

die sie bis heute mit Umsicht, Sorgfalt und Liebe zum Detail pflegt, ihre Schätze<br />

bewahrt und Teile zu einem Hostal der besonderen Art umgewandelt hat. Mit<br />

Stolz zeigen die Eigentümer Rüstungen aus der Zeit der Konquistadoren,<br />

Säbel aus dem bolivianischen Unabhängigkeitskampf und nicht zuletzt die<br />

umfangreiche Bibliothek. Am Abend sitzt der Gast in seinem Sessel vor dem<br />

knisternden Kaminfeuer und fühlt sich wie ein kleiner Fürst.<br />

Cayara Hostal, www.cayara.com.bo/hostal/index.html<br />

Preisbeispiel pro Person (September 2010): Übernachtung mit Frühstück 25<br />

USD, Abendessen 7 USD.<br />

Kontakt: Juan Jorge Aitken, mindaj@supernet.com.bo, oder Maria Luisa<br />

Serrano, oficinapotosi@yahoo.com<br />

Huata – Wohnen im Präsidentensitz<br />

Gleich außerhalb von Sucre, ganze zehn Kilometer vom Stadtzentrum entfernt,<br />

liegen im Huata-Tal mehrere Landsitze. Einer davon gehörte einst dem<br />

bolivianischen Präsidenten Manuel Belzu, der von 1848 bis 1855 amtierte und<br />

von hier auch regierte, denn der Regierungssitz war damals dort, wo sich der<br />

Präsident aufhielt. Später kamen schlechtere Zeiten für Dorf und Landsitz. Das<br />

Dorf fiel Überschwemmungen zum Opfer, denen die etwas höher gelegene<br />

Präsidentenresidenz zwar entging, dafür aber zeitweise zum Ziegenstall verkam.<br />

Bis sich das deutsche Ehepaar Hans Jürgen und Gisa Petersen der Sache annahm.<br />

Heute ist kaum mehr vorstellbar, in welchem Zustand die Gebäude einst gewesen<br />

sein müssen. Wenn man jetzt im renovierten und gepflegten Landsitz die Gärten<br />

53<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Reise<br />

und das Essen (aus eigener Produktion), Spaziergänge, Schwimmbecken und<br />

vor allen Dingen die Ruhe genießt, überkommt einen nicht gerade die Lust zu<br />

regieren. Eher noch einfach ein paar Tage länger bleiben zu dürfen.<br />

HuataPreisbeispiel pro Person (September 2010): Übernachtung mit<br />

Halbpension 30 USD, Vollpension 35 USD. Kontakt: Hans Jürgen Petersen,<br />

hjuergenp@hotmail.com, oder Gisa Petersen, gisa.petersen@gmx.net<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

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Aktuell<br />

Hotel Tipp<br />

Das Hotel Aranjuez in Cochabamba<br />

Eigentlich hatten wir ja eine Reservierung fürs Hotel Anteus. Als wir dann aber<br />

ankamen hieß es, sie hätten keinen Platz, da eine Delegation gekommen sei.<br />

Wozu reserviert man dann? Wir waren einigermaßen sauer.<br />

Doch dann fanden wir das Hotel Aranjuez, gleich um die Ecke in der Calle<br />

Buenos Aires No.563. Gut mit 69 US$ fürs Doppelzimmer ist es schon um<br />

einiges teurer als das Anteus, aber das ist es wirklich wert.<br />

Es ist ganz im spanischen Stil gehalten mit blau gemusterten Kacheln, Ziergittern<br />

und Brunnen. Es gibt verschiedene Gärten und einige große Terrassen, von wo<br />

aus man den Blick über die Stadt bis hin zu den kahlen Bergen und über die<br />

Baumwipfel des nahen Palacio Portales schweifen lassen kann. Der romantisch<br />

unter hohen Bäumen gelegene Pool ist temperiert, sehr angenehm in der kühleren<br />

Jahreszeit.<br />

Wenn man in einem den Gärten bei sehr dezenter, klassischer Hintergrundmusik<br />

bei einer Tasse Kaffee entspannt kann man völlig vergessen, dass man im<br />

trockenen, staubigen Cochabamba ist.<br />

Ein gutes Buffetfrühstück – die Eier werden nach Wunsch frisch zubereitet- und<br />

freundliches, kompetentes Personal tragen ebenfalls zum Wohlbefinden bei.<br />

Autostellplätze gibt es direkt vor dem Hotel.<br />

Reservierungen: 424 1935, 428 0076 (77, 78 oder 79)<br />

55<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Aktuell<br />

Premiere in Bolivien: DW-AKADEMIE und DED fördern<br />

gemeinsam Qualitätsjournalismus<br />

Die Medien in Bolivien sind gespalten: Fast jede Zeitung, jeder Radiosender<br />

und jedes Fernsehprogramm ordnet sich einer politischen Kraft zu – und<br />

treibt die politische Konfrontation an. Meinung und Information werden<br />

in der Berichterstattung kaum getrennt. Medienexperten sprechen von<br />

einer Krise des Journalismus. Deswegen ist der Wunsch nach einer<br />

professionellen und praxisnahen Journalistenausbildung im Land groß.<br />

Die DW-AKADEMIE – das Ausbildungszentrum der Deutschen Welle - und<br />

der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) kooperieren in Bolivien erstmals<br />

in einem langfristigen Projekt: Gemeinsam soll der Journalismus im Land<br />

gestärkt werden.<br />

“Unser Land braucht große und gute Journalisten”, sagt Karen Longaric, die<br />

Direktorin der Universidad Andina Simón Bolívar (UASB) in La Paz: “Wir<br />

sind sehr glücklich mit diesem Projekt, denn die Wirkung dieser Kooperation<br />

wird lange anhalten.” Longaric hofft auf eine Verbesserung der journalistischen<br />

Qualität im Land. Die Universität der Andengemeinschaft konnte für das Projekt<br />

als Partner gewonnen werden.<br />

Unterstützung von Sendern und Universitäten<br />

Die Universitäten des Landes werden dabei unterstützt, die Ausbildung der<br />

Journalisten praxisnah zu gestalten. Die direkte Arbeit der DW-AKADEMIE<br />

mit Sendern wird verstärkt. Vor allem lokale Radio- und Fernsehsender sollen<br />

dabei unterstützt werden, ihrem Publikum relevante Informationen verständlich<br />

zu vermitteln.<br />

Beratungen in Sendern, eine Trainingsreihe zu Wirtschaftsberichterstattung<br />

oder Umweltthemen – die Förderung der journalistischen Qualität kann viele<br />

Formen haben. “Immer unter dem Motto: Praxis, Praxis, Praxis”, sagt Gerda<br />

Meuer, die Direktorin der DW-AKADEMIE: “Wir wollen professionalisieren<br />

und keine Vorträge halten.”<br />

Journalismus stärken, bedeutet Demokratie fördern<br />

“Um die Demokratie zu stärken, ist der Journalismus zentral”, sagt Hans<br />

Schoeneberger, ehemaliger Landesdirektor des DED in Bolivien, der die Stelle<br />

angestoßen und eingeweiht hat. Die Kooperation mit der DW-AKADEMIE<br />

ist für ihn ein idealer Zusammenschluss: “Wir kombinieren die Stärken<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

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Aktuell<br />

beider Organisationen.” Der DED arbeitet gemeinsam mit seinen lokalen<br />

Partnerorganisationen seit mehr als 40 Jahren vor Ort in Bolivien. Die DW-<br />

AKADEMIE bringt ihre Mittel und Kompetenz in der internationalen<br />

Medienentwicklung ein und hat nun erstmals langfristig eine Fachkraft vor Ort<br />

in Lateinamerika.<br />

Peter Deselaers rechts im Bild bei der Einweihung des Projektes<br />

“Das ist unsere Zukunft”, sagt Gerda Meuer, die Direktorin der DW-<br />

AKADEMIE: “Wir setzen unseren Weg fort uns stärker in langfristigen<br />

Projekten der Medienentwicklung gemeinsam mit anderen Organisationen der<br />

deutschen Entwicklungspolitik zu engagieren.”<br />

Künftig zeigt die DW-AKADEMIE in Bolivien dauerhaft Präsenz. Der<br />

Journalist und Trainer der DW-AKADEMIE, Peter Deselaers, wird von seinem<br />

Büro in der Anden-Universität in La Paz als DED-Entwicklungshelfer die<br />

Arbeit koordinieren. Dadurch kann er die Sender und Universitäten nachhaltig<br />

begleiten. Für spezielle Trainings und Beratungen werden zusätzliche Experten<br />

der DW-AKADEMIE nach Bolivien reisen.<br />

Große Hoffnung bei Medienexperten und Journalisten in Bolivien<br />

“Wir haben große Hoffnungen, dass wir mit dem Projekt dazu beitragen können,<br />

den bolivianischen Journalismus aus der Krise zu führen”, sagt Erick Torrico,<br />

der akademische Leiter der Kommunikationswissenschaften an der Anden-<br />

Universität. Auch Vertreter von Journalistenverbänden und Medienhäusern<br />

hatten sich immer wieder praxisnahe Fortbildung und Beratung von den<br />

deutschen Partnern gewünscht.<br />

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<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Aktuell<br />

Radioberatung in San Ignacio de Velasco, bei dem Radiosender Juan XXIII<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

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Peter Deselaers/DW-Akademie


Leute<br />

Die Abschiedsfahrt von Manuel Lins und Barbara Günther<br />

„Ein feiner Zug“<br />

Am Ende des Jahres fährt der Zug für Barbara Günther und Manuel Lins ab.<br />

Der Deutschen Schule in La Paz und Bolivien nach 8 Jahren auf Wiedersehen zu<br />

sagen wird den beiden schwer fallen, denn in dieser Zeit haben sie Landschaft,<br />

Kultur, Land und Leute intensiv kennen gelernt und viele Freundschaften<br />

geknüpft. Die vielen <strong>Monatsblatt</strong>berichte geben nur einen kleinen Ausschnitt<br />

von dem wieder, was Manuel und Barbara in Bolivien erlebt haben. Ein feiner<br />

Zug war es von den beiden Freunde und Kollegen zu einer Abschiedsfahrt<br />

einzuladen.<br />

Was kann man mit über 100 Personen am besten unternehmen?<br />

Für Erwachsene und Kinder, wanderfreudige und fußfaule zu Beginn der<br />

Regenzeit einen hochwertigen Ausflug zu planen ist fast unmöglich. Wenn jedoch<br />

zwei Organisationstalente und Ortskundige eine Idee verwirklichen möchten,<br />

dann sind tolle Erlebnisse garantiert. So auch bei dieser Abschiedsfahrt.<br />

Manuel und Barbara haben einfach einen ganzen Zug gemietet und uns an einem<br />

sonnigen Oktoberwochenende einen schönen Landstrich zwischen La Paz und<br />

dem Titicacasee gezeigt. Moment mal, mit dem Zug zum Titicacasee, geht das<br />

überhaupt? Und ob! Der „Tren turistíco“ fährt jeweils den zweiten Sonntag im<br />

Monat von El Alto über Viacha und Tiahuanaco nach Guaqui, einem kleinen<br />

Hafenort am Titicacasee. Unglaublich aber wahr. Wer diese Zugfahrt ebenfalls<br />

unternehmen möchte, findet am Ende dieses Artikels praktische Informationen<br />

dazu.<br />

Pünktlich um 9:00 Uhr ertönte das Abfahrtssignal der Lokomotive und los<br />

ging die Fahrt zum Titicacasee. Alle 136 Lins-Günther-Gäste hatten in den<br />

geräumigen Wagons Platz gefunden und betrachteten die langsam vorbeiziehende<br />

Landschaft. Für Abwechselung war natürlich auch gesorgt. Eine bolivianischdeutsche<br />

Musik-Combo erheiterte die Zuggäste und animierte zum Mitsingen:<br />

„Ya va partir el tren caballero,<br />

Ya va partir el tren,<br />

Y si no subo yo, mi amor se llevará,<br />

Vamonos a la playa a orillas del mar,<br />

Se va en ese tren se va”....<br />

Sandwiches, wahlweise mit Ei, Käse oder Schinken, wurden vom Zugpersonal<br />

verteilt (natürlich hatte jeder ein von Manuel personalisiertes Sandwichticket<br />

erhalten), dazu gab es Tee, Kaffee oder Kakao und wer es ganz gemütlich haben<br />

wollte, war im Speisewagen zu finden. Die gemächliche Geschwindigkeit des<br />

Zuges forderte einen ambitionierten Witzbold dazu heraus aus dem Zug zu<br />

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Leute<br />

springen, neben diesem herzulaufen und den Insassen von außen zuzuwinken.<br />

Nach einer Minute konnten wir diesen Sportler gesund und außer Atem wieder<br />

im Zug begrüßen. Nach etwa 3 Stunden Fahrzeit erreichten wir den Hafenort<br />

Guaqui und hier erwarteten uns weitere Höhepunkte.<br />

Ein Zugmuseum konnten wir bestaunen. Von außen nicht gerade schick aber<br />

von innen offenbart dieses Zugdepot wahre Ausstellungsperlen.<br />

Manuel und die Lokomotive<br />

Alte Loks und elektrische Triebwagen sind dort zu besichtigen. Zwei der<br />

Triebwagen sind mit alten Holzbänken ausgestattet und wenn man auf diesen<br />

Platz nimmt fühlt man sich um einige Jahre zurückversetzt. Dieses Gefühl<br />

hatten auch Filmemacher, denn diese Triebwagen wurden im Jahre 2007 für den<br />

bolivianschen Film „Los Andes no creen en Dios“ ausgeliehen. Und wer schon<br />

immer DIE Illimani besteigen wollte, der bekam in diesem Museum die<br />

Die Illimani<br />

Nach diesen Eindrücken hätte die Rückfahrt beginnen können aber Manuel und<br />

Barbara hatten noch einen weiteren Trumpf auszuspielen, denn sie hatten für uns<br />

noch eine mehrstündige Bootsfahrt organisiert. In Guaqui gingen wir an Bord<br />

des Schiffes „Buque multipropósito“ und diesmal konnten wir die Landschaft<br />

vom Oberdeck oder sogar von der Kapitänsbrücke aus genießen.<br />

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Leute<br />

Barbara an Bord<br />

Zahlreiche Entenarten und Tauchvögel konnten wir beobachten. Eine wirkliche<br />

Überraschung waren aber die Flamingos, die wir im seichten Schilfwasser<br />

ausmachen konnten. Flamingos am Titicacasee, wer hätte das gedacht. Da<br />

Seeluft hungrig macht, wurde auch an das Mittagessen gedacht. In dem großen<br />

Speisesaal wurde uns die „Forelle a la Titicacasee“ serviert, einfach lecker.<br />

Zurück in Guaqui, fuhren wir wieder mit dem Zug in Richtung La Paz. Das<br />

Saya-Bierfass wurde angestochen und das Kuchenbuffet war eröffnet. Gut<br />

gelaunt, voll bepackt mit vielen Eindrücken, mit bolivianischen und deutschen<br />

Liedern in den Ohren und auf den Lippen ging dieser Tag zu Ende.<br />

Liebe Barbara und lieber Manuel, im Namen all eurer Freunde und Kollegen<br />

bedanken wir uns ganz herzlich für diesen außergewöhnlich schönen Tag.<br />

Viele eurer Freunde werdet ihr in Deutschland oder hier in Bolivien in naher<br />

oder ferner Zukunft wiedersehen und dann werdet ihr bestimmt von dieser<br />

besonderen Abschiedsfahrt erzählen.<br />

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Praktische Informationen<br />

ZUG<br />

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Leute<br />

Der „Tren turistíco“ fährt jeweils den zweiten Sonntag im Monat von El Alto<br />

(Calle 8, Zona Santiago I, zwischen Regimiento Ingavi und Avenida Arica) über<br />

Viacha und Tiahuanaco nach Guaqui und zurück. Auf dem Hinweg macht der<br />

Zug einen zweistündigen Stopp in Tiahuanaco.<br />

Fahrplan: El Alto ab 8:00<br />

Tiahuanaco an 10:35<br />

Tiahuanaco ab 12:35<br />

Guaqui an 13:20<br />

Guaqui ab 15:00<br />

El Alto an 18:20<br />

Fahrkarten kann man in Sopocachi bei der Eisenbahngesellschaft FCA, F.<br />

Guachalla No. 494 esq. Sánchez Lima, kaufen (Tel. 2419770, 2419763).<br />

Für Sonder- und Gruppenfahrten bei Cynthia Aramayo, caramayo@fca.com.bo,<br />

nachfragen.<br />

Weitere Informationen auch unter www.fca.com.bo.<br />

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SCHIFF<br />

Leute<br />

Foto: Buque multipropósito<br />

Das „Buque multipropósito“ liegt normalerweise im Hafen von Guaqui. Mit<br />

dem „Tren turistíco“ lässt sich eine kleine Rundfahrt über den See verbinden.<br />

Für längere Fahrten verfügt das Schiff auch über Kabinen.<br />

Kontakt: Armada Boliviana, Avenida Michel, Tercer Piso, Següencoma.<br />

Zuständig ist Teniente Juan Carlos Espinoza, Tel. 72006922, melpatric@<br />

hotmail.com<br />

Text: Patrick Hartwigt<br />

Praktische Informationen: Manuel Lins<br />

Fotos: Patrick Hartwigt, Susanne Preiss, Franziska Sörgel, Henning Hinsch<br />

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Leute<br />

Kein Abschiedsartikel<br />

Ja, und dann wollte ich mich hinsetzen und einen Abschiedsartikel schreiben.<br />

Mir ist dann auch sogleich ein ebenso passendes wie originelles Bild von<br />

lachenden und weinenden Augen eingefallen. Aber dann konnte ich mich nicht<br />

einigen, ob es nun je ein lachendes und weinendes Auge ist oder je zwei oder<br />

irgendetwas dazwischen. So musste also dieser Ansatz aufgegeben werden.<br />

Als nächstes fiel mir das wunderschöne Abschiedslied „Gute Nacht, Freunde“<br />

ein. Weiter als bis zur Zeile „was ich noch zu sagen hätte, dauert eine Zigarette“<br />

kam ich nicht. Die Zigarette eines passionierten Nichtrauchers kann ziemlich<br />

lange dauern, und das wollte ich Ihnen dann doch nicht zumuten.<br />

Danach saß ich eine Weile recht ratlos herum.<br />

Die Rettung nahte in Gestalt eines anderen Liedes, das da heißt „Niemals geht<br />

man so ganz“. Nun ja, wenn das wahr ist, dass man niemals so ganz geht, dann<br />

braucht man wohl auch niemals so ganz einen Abschiedsartikel schreiben. Und<br />

so lasse ich es denn.<br />

Stattdessen gibt’s Reste. Genau, Sie wissen schon, wie diese Sachen, die Sie im<br />

Kochtopf und im Kühlschrank finden und die Sie einfach zu schade zum Wegwerfen<br />

finden. Manchmal kann man daraus ganz originelle Menüs kombinieren,<br />

manchmal ist der Geschmack eher eigenartig, und notfalls kann man es immer<br />

noch dem Hund geben.<br />

Wenn Ihnen meine Reste also zu abgestanden, zu aufgewärmt oder zu geschmacklos<br />

erscheinen, dürfen Sie sie gerne zurückgehen lassen und was anderes<br />

lesen.<br />

Manuel Lins<br />

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Leute<br />

Lieber <strong>CCA</strong>, liebe <strong>Monatsblatt</strong>-Leser,<br />

ich möchte mich an dieser Stelle besonders bedanken für das Vertrauen des<br />

<strong>CCA</strong>, der mir und uns allen in all den Jahren völlig freie Hand bei Auswahl und<br />

Gestaltung der Themen gelassen hat, die wir für berichtenswert hielten. Und bei<br />

den Lesern für die Geduld bei der Lektüre meiner Artikel. Mir hat die Arbeit<br />

jedenfalls sehr viel Spaß gemacht!<br />

Nicht unerwähnt lassen möchte ich aber auch, dass das <strong>Monatsblatt</strong> mehr als<br />

von den redaktionell geplanten Beiträgen durch die spontanen Beobachtungen<br />

und Einsendungen lebt, die uns zum Glück reichlich erreichen.<br />

Also: Frisch ran an die Feder und viel Spaß beim Schreiben!<br />

Dies wünscht Ihnen mit einem herzlichen Abschiedsgruß,<br />

Ihre Franziska Sörgel<br />

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<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

Leute<br />

Über mein Studium in Bolivien<br />

Seit Anfang des Jahres 2010 studiere ich, Annika Stahl (21) für zwei Semester an<br />

der Universidad NUR in Santa Cruz, Bolivien. Ursprüngliche stamme ich aus dem<br />

mittelhessischen Marburg und studiere in Deutschland Betriebswirtschaftslehre<br />

an der Provadis School of International Management and Technology in<br />

Frankfurt am Main, einer privaten Hochschule, die im Rahmen des CHE-<br />

Hochschulrankings immer wieder in der Spitzenkategorie mitzählt. Wie der Name<br />

der Hochschule bereits vermuten lässt handelt es sich bei meinem Studiengang<br />

um akadademische Ausbildung unter internationalen Gesichtspunkten. Dies<br />

führte mich auch zu der Entscheidung zwei Auslandssemester in mein Studium<br />

einzubauen, denn wie kann man Internationalität und Globalisierung besser<br />

verstehen als durch direkte Auslandserfahrung.<br />

Die Entscheidung Bolivien als Austauschland zu wählen, ist für mich<br />

aufgrund einiger Faktoren relativ einfach gewesen. Zum einen wollte ich<br />

meine Sprachkenntnisse in Spanisch vor allem in Sachen Wirtschaftstermini<br />

ausbauen, um später einmal die Möglichkeit zu haben, meine Sprachkenntnisse<br />

in das Berufsleben einzubauen. Zum anderen hatte ich die Möglichkeit,<br />

einige Universitäten noch in der Planungsperiode meines Auslandsstudiums<br />

direkt kennenzulernen und mich für diejenige zu entscheiden, die am besten<br />

meinen persönlichen Anforderungen und den Anforderungen meiner deutschen<br />

Universität entspricht. Außerdem wollte ich neben allem Akademischen<br />

Lebenserfahrung in einem Land sammeln, das so kontrovers und einmalig ist<br />

und noch dazu so anders als meine Heimat Deutschland ist. Da ich bereits zum<br />

Schüleraustausch in Santa Cruz war und so einige Ferien in Bolivien verbracht<br />

habe, kannte ich mich bereits gut in diesem Land aus. Deswegen konnte ich mir<br />

relativ sicher sein, hier all die Dinge lernen und erleben zu können, die ich mir<br />

von meinen Auslandssemestern erhoffte.<br />

Der Beginn meiner Auslandssemester war durch einige bürokratische<br />

Hürden gespickt. Das Schwierigste war wohl, den Damen und Herren des<br />

Immatrikulationamts beizubringen, dass ich meine Geburtsturkunde der<br />

Universität nicht im Original zur Verfügung stellen konnte, da man in Deutschland<br />

– im Unterschied zu Bolivien – nicht beliebig viele Geburtsurkunden ausgestellt<br />

bekommt. Dies zu erklären und Einsicht zu erreichen hat mich circa sechs Monate<br />

gekostet. Ebenso kompliziert war die Anrechnung meiner Studienleistungen aus<br />

Deutschland, um mich in Vorlesungen einschreiben zu können, die nicht dem<br />

ersten Semester entstammten.<br />

Damit meine in Bolivien erbrachten Leistungen komplett angerechnet werden<br />

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Leute<br />

können, gab mir meine deutsche Universität die Vorschrift, jeweils gleichwertige<br />

Veranstaltungen zu denen des dritten und vierten Semesters zu besuchen. Da der<br />

Aufbau des Studiums und deren Inhalte an der Universität NUR etwas anders<br />

strukturiert sind als an der Provadis besuche ich derzeit Vorlesung vom zweiten<br />

bis zum letzten, dem zehnten Semester.<br />

Während das erste und zweite Semester meinem Empfinden nach eher als<br />

Einführung in die Betriebswirtschaft zu betrachten war, kann ich nach nun fast<br />

4 abgeschlossenen Semestern sagen, dass ich die wichtigen Grundkonzepte<br />

der BWL sicher beherrsche und ich einen fundierten Überblick über die<br />

Funktionsbereiche der Wissenschaft besitze. Nun habe ich vor allem das<br />

Bedürfnis, das Erlente im Berufsalltag anzuwenden und noch mehr Detailwissen<br />

anzuhäufen.<br />

Ich denke, der große Unterschied zwischen Studium in Deutschland und Studium<br />

in Bolivien besteht darin, dass das Studium hier sehr praktisch orientiert ist.<br />

Meine Dozenten legten bisher alle großen Wert darauf uns Studenten auf das<br />

tatsächliche Berufsleben vorzubereiten und uns die richtigen Werkzeuge zur<br />

Verfügung zu stellen, um ohne große Probleme in den Arbeitsmarkt eintreten<br />

zu können. Die enge Verknüpfung mit der Praxis wird unter anderem dadurch<br />

erreicht, dass pro Vorlesung normalerweise mindestens eine Facharbeit<br />

angefertigt werden muss, die ein reales Beispiel aus der Wirtschaft heranzieht.<br />

Im Rahmen dessen müssen Prozesse und Strukturen einer realen Firma unter<br />

den Gesichtspunkten des Gelernten analysiert werden. Durch unterschiedliche<br />

Aufgabenstellung kann man natürlich nicht jedesmal den gleichen Betrieb<br />

wählen, was den Vorteil mit sich bringt, dass man viele sehr unterschiedliche<br />

Industrien, deren Firmen und Funktionsbereiche kennenlernen kann und die<br />

Möglichkeit hat den ein oder anderen Kontakt zu knüpfen.<br />

Im Fazit lässt sich sagen, dass mein Studium in Bolivien ein voller Erfolg<br />

ist. Ich habe fachlich viel hinzugelernt, neue Leidenschaften entdeckt und<br />

zukünftige interessante Arbeitsfelder kennenlernen können. Diesbezüglich<br />

muss ich vor allem meinem Dozenten für Finanzmathematik dafür danken,<br />

dass er mir Vertrauen in meine mathematischen Fähigkeiten einflößte.<br />

Aufgrunddessen konnte ich mich von einer zu Schulzeiten eher mittelmäßigen<br />

Mathemathikschülerin in eine Studentin verwandeln, die mittlerweile anderen<br />

Studenten als Tutor behilflich ist. Seit meinem Studienaufenthalt in Bolivien ist<br />

in mir ungeheures Interesse für diesen Aspekt der BWL geweckt worden, von<br />

dem ich vorher dachte, dass dies nicht meine größte Stärke sein würde.<br />

Mein Aufenthalt in Santa Cruz hat mich geprägt und meinen Charakter<br />

weiterentwickelt. Er half mir mich zu orientieren und festzustellen was ich von<br />

meiner (näheren) Zukunft erwarte, welche Werte mir wichtig sind und worauf<br />

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Leute<br />

ich im Grunde verzichten kann. Diese und viele andere sind meine Argumente,<br />

wenn ich eine Erklärung auf das Standardkommentar abgeben muss: „Warum<br />

studierst du denn bitte in einem Dritteweltland? Die Bildung ist in solchen<br />

Ländern doch total schlecht.“<br />

Santa Cruz de la Sierra, 14.10.2010<br />

Für weitergehende Fragen zu meinem Studium oder persönlichen Laufbahn<br />

können Sie mich gerne per E-mail kontaktieren: annika.stahl@arcor.de<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

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Leute<br />

Markus Sterr: neuer Landesdirektor des DED in La Paz<br />

Sehr gerne nehme ich die Gelegenheit wahr, mich Ihnen vorzustellen. Als<br />

Nachfolger von Hans Schoeneberger habe ich ab dem 1. September mit Freude<br />

die Aufgaben als Landesdirektor des DED im „Casa de la Cooperación Alemana“<br />

in San Miguel übernommen.<br />

Zur Mitte des Monats August bin ich zusammen mit meiner Frau Ute eingereist<br />

und der so herzliche Empfang von vielen Seiten hat uns regelrecht überwältigt.<br />

Wir freuen uns beide sehr auf den Aufenthalt in diesem so vielversprechenden<br />

Land. Bolivien in seinen Zeiten politischer und sozialer Veränderungen intensiv<br />

und nicht zuletzt durch die Arbeit des DED durchaus „nah dran“ erleben zu<br />

können erscheint uns schon jetzt ein besonderer Abschnitt in privater und<br />

beruflicher Hinsicht zu werden.<br />

Sechs Jahre habe ich in Bonn in der Zentrale des DED gearbeitet.<br />

Entwicklungszusammenarbeit habe ich dort eher als konzeptionellen Diskurs,<br />

Planung von Prozessen und „Schärfung von Profilen“ wahrgenommen. Um<br />

wieder Einblick in die Realität und vorangeschrittener Veränderungen zu<br />

erhalten war die Zeit reif geworden für einen erneuten Auslandsaufenthalt mit<br />

„Erfahrungen aus erster Hand“.<br />

Meine „Karriere“ beim DED habe ich 1989 begonnen, als ich als<br />

Entwicklungshelfer in meinem Erstberuf als Schreiner nach Ghana ging. Sehr<br />

schnell habe ich in dieser Zeit gemerkt, dass die Zusammenarbeit in Teams<br />

und das Entwickeln und Umsetzen von Ideen zur Verbesserung sozialer und<br />

wirtschaftlicher Gegebenheiten sinnvoller und für mich persönlich erfüllender<br />

war als die bloße Technik der Holzverarbeitung.<br />

Die positiven Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit und für andere Menschen<br />

mündeten in dem Wunsch nach einer beruflichen Neuausrichtung. Mit der<br />

Weiterbildung zum Betriebswirt und einem MBA-Zusatzstudium in England<br />

habe ich mir diesen Wunsch erfüllt. Mit Ausnahme dieser Ausbildungszeiten<br />

ist der DED nunmehr seit mehr als 20 Jahren mein einziger Arbeitgeber. In den<br />

Jahren 1994 bis 2002 war ich für den DED in Ecuador tätig. 2004 nahm mich<br />

die DED-Zentrale in Bonn für das Programm „Entwicklungspartnerschaften<br />

mit der Wirtschaft“ und später für die Leitung der Gruppe „Wirtschafts- und<br />

Beschäftigungsförderung“ unter Vertrag.<br />

In dieser Zeit war ich auch Mitglied des Betriebsrates und habe in dieser Funktion<br />

die ersten Schritte in Richtung Fusion von DED, GTZ und InWEnt erlebt.<br />

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<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Leute<br />

Schritte, die den zukünftigen Bürotag hier in La Paz maßgeblich beeinflussen<br />

werden. „Veränderung“ scheint die Losung für den Aufenthalt in diesem Land.<br />

Privat sind meine Frau und ich in einem für unsere Begriffe „Traumland“<br />

angekommen. Alle Elemente geschichtlicher, kultureller und auch<br />

landlandschaftlicher Prägung tragen zu einer einmaligen Vielseitigkeit bei, die<br />

uns immer faszinierte. Wir wünschen uns, diese Vielseitigkeit durch Reisen in<br />

Bolivien wenigstens in Ansätzen erschließen zu können. Gern auch zu Fuß,<br />

um dem in Bonn vernachlässigten Bergsteigen wieder öfter nachkommen zu<br />

können und meist auch mit der Kamera um den Hals…<br />

Die neue Bleibe in Calacoto wird gerade eingerichtet, so dass auch meine<br />

Kinder (17 & 19), die in Ecuador leben, und weitere Gäste bald gesellige Zeiten<br />

bei einem Glas Wein und gutem Essen erleben können.<br />

In diesem Sinne, mit herzlichen Grüßen,<br />

Markus Sterr<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

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Schule<br />

Deutsche Schule La Paz vor 50 Jahren<br />

Aufzeichnungen von Johannes Lein<br />

Vorbemerkung von Matthias Strecker: Manche unserer Leser werden sich an<br />

das Ehepaar Lein erinnern (Johannes Lein und Gertraud, im folgenden Text<br />

„Traude“ genannt), das Ende der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts als Lehrer<br />

an die Deutsche Schule nach Oruro kam, später dort eine zweite Amtszeit hatte<br />

und ab 1959 an der Deutschen Schule La Paz arbeitete. Leins hervorragende<br />

Schwarz-Weiß-Fotos wurden in einer Reihe von Ausstellungen in Bolivien,<br />

Deutschland und den USA gezeigt; M. Strecker, G. Aranibar und F. Taboada<br />

veröffentlichten sie in einem großen Bildband. Im Nachlass von J. Lein fanden<br />

sich Briefe und Berichte, die er an seine Mutter und Freunde in Deutschland<br />

schickte. Hier eine kleine Kostprobe. Die Leser mögen überlegen, inwieweit<br />

die geschilderten Zustände des Jahres 1959 noch auf die Realität der Schule<br />

heute zutreffen. Ein wesentlicher Unterschied ist jedenfalls in den Gebäuden<br />

vorhanden. Während man in der alten Schule in Sopocachi viele Treppen zu<br />

steigen hatte, werden die Lehrer in Achumani eher zu Langstreckenläufern.<br />

Schlacht im Klassenzimmer<br />

Ich brauche für Kulissen Holzleisten. Der Vater eines Schülers meiner Klasse<br />

hat eine Holzhandlung mit Sägewerk. Ich will dem Schüler die Bestellung mit<br />

den Maßen mitgeben und nähere mich mit dem Zettel meinem Klassenzimmer.<br />

Kleine Pause, nur zum Lehrerwechsel. Ohrenbetäubender Lärm. Heiße Luft<br />

kommt aus dem Klassenzimmer, mit ihr die Spanisch-Lehrerin, ihre einzige<br />

Waffe, ein 30 cm langes Lineal, verzweifelt schwingend. Aus den leeren<br />

Augenhöhlen starrt das Grauen. Ihr Trauerkleid ist arg bestäubt. Um sie herum<br />

drängt, schreit und gestikuliert es von erröteten, erregten und schwitzenden<br />

Viertelstarken-Körpern. Sie kommt also aus einer Mühle, sollte gerade in den<br />

Trichter gesteckt werden, die Ärmste. Wilhelm Busch hätte seine Freude an<br />

diesem Bild gehabt, ich auch, wenn ich nicht der Klassenlehrer wäre. Schon stehe<br />

ich im Zimmer, ein kreidestaubgeschwängerter Schwamm beendet neben mir<br />

seinen Flug, der Lärm schwillt ab und verliert sich in markanten Rufen einiger<br />

unter den Bänken, die meine Gegenwart nicht ahnen und an eine Kampfpause<br />

denken. Ich sage lange nichts und lasse mir auch nichts sagen. Stille wie nach<br />

einem Bombenangriff. Ein grauer heißer Dunst schwelt über den Kämpfern und<br />

Amazonen. „Setzen! Fenster auf! Altmann, komme sofort mit mir!“ Der blonde<br />

Lausbub folgt mir auf den Fersen.<br />

Auf dem Gang bleibe ich stehen, bewege meinen Zettel und schaue ihm in<br />

die Leberblümchenaugen. „Ich war es nicht allein. Andere haben viel straffer<br />

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<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Schule<br />

geschossen, ich habe bloß so daneben, an die Tafel, der Imaña und Silvestri<br />

waren viel näher, die hatten immer Volltreffer... Ich hab auch nicht geschrien,<br />

ich dachte schon, es könnte jemand kommen... Ich hab auch nicht gepfiffen,<br />

ich kann jetzt gar nicht richtig, weil ich doch Mandelentzündung hatte... Die<br />

Barbara, die hinter mir sitzt, die hat toll gepfiffen, und...“ In fünf Sekunden<br />

hatte ich mehr erfahren als ich wollte. „Ich wollte dir nur diesen Zettel mit den<br />

Maßen für deinen Vater mitgeben; ich hatte es in der ersten Stunde vergessen.<br />

Es eilt nicht so sehr, aber bis zum Wochenende möchte ich die Leisten haben.<br />

Grüß schön!“ Der Junge wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Mit<br />

seinen blonden Locken und hochrotem Gesicht sah er aus wie ein Engel, der<br />

aus Versehen an die Tür zur Hölle geklopft hat. In seiner Verlegenheit und<br />

Überraschung gab er mir die Hand und machte eine tiefe Verbeugung. Das<br />

hatte er in den sechs Montane unserer Bekanntschaft noch nie getan. „Fort!“ Er<br />

entfleuchte in ein Klassenzimmer, das einer Totenkammer glich. Die Biologie-<br />

Lehrerin hatte bestimmt eine leichte, staubfreie Stunde.<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

Kleister oder ... ?<br />

14.15 Uhr. Es klingelt zum Unterrichtsbeginn. Werken. Ich gebe dieses Fach<br />

zum ersten Male in den 24 Jahren meiner Lehrerpraxis. Nicht einfach, besonders,<br />

wenn Werkraum, Schülerzahl und Werkzeuge alles andere als ideal sind. Aber<br />

die Schüler sind begeistert und laut dabei, beim Werken fehlt keiner, auch wenn<br />

er am Vormittag krank war. Ich habe meinen weißen Mantel an, in der Hand<br />

eine Konservendose mit Mehlkleister, noch halbwarm, denn Traude hat ihn<br />

eben zu Hause kochen müssen. Bis zum Werkraum müssen wir noch 92 Stufen<br />

hochsteigen. Jeder will die Büchse tragen, einer nur hat die Ehre und das Glück.<br />

Als das Kleben endlich losgehen soll und ich nach der Büchse schaue, ist sie<br />

fast leer. „Wo ist der Kleister?“ Schweigen. Verschmitzte Blicke. Erröten. Dann<br />

bricht es los aus neiderfüllten Kehlen: „Der und der und der – das sind nämlich<br />

gute Freunde –, die haben immer gekostet und geleckt, und nun haben wir nichts<br />

mehr zum Kleben!“ Soll man da schimpfen und strafen mit den Söhnen von<br />

Ärzten, Rechtsanwälten und Offizieren, für die der Mehlkleister aus dem Hause<br />

Lein eine Götterspeise war?<br />

Theaterstück mit Kahlköpfen<br />

27. November 1959. Wir hatten in diesem Jahre fünf Schlussfeieren mit<br />

Darbietungen und Prämienverteilung: Kindergarten, 1.-3. Schuljahr, 4.-6.<br />

Schuljahr, 7.-9. Schuljahr und 10.-12. Schuljahr. Da viele Schuljahre drei bis<br />

vier Parallelklassen haben, kann man sich den Rummel vorstellen. Bei vier<br />

Feiern hatte ich einen besonderen Auftrag. Bei der vierten hatte man mir die<br />

Gesamtgestaltung zudiktiert. Um etwas Besonderes zu bieten, entschloss ich<br />

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Schule<br />

mich für ein kurzes lustiges Theaterstück mit einem Dutzend Kinder meiner<br />

Quarta. Ich musste es selbst verfassen, zum Einstudieren blieben mir drei Tage.<br />

Geschrieben habe ich es zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens, im Bett.<br />

„Wer kennt uns?“ war der Titel.<br />

Der Inhalt hatte einen wohl in der ganzen Welt einmaligen Anlass: Einen<br />

Tag vor Begin der schriftlichen Schlussprüfungen, die in allen Fächern eine<br />

Woche lang mit Prüfungskommissionen aus anderen Schulen durchgeführt<br />

werden, erschienen drei Buben meiner Klasse mit kahlgeschorenen Schädeln,<br />

am nächsten Tag waren es sieben und am dritten Tag 12. Die Kerle waren<br />

kaum wiederzuerkennen. Warum hatten sie das getan? Einige Lehrer hatten<br />

ihnen gedroht, dass sie wegen ihr Faulenzerei und Flegeleien während des<br />

ganzen Schuljahres im Examen hochgenommen würden. Und dieses Wort<br />

„Hochnehmen“ umschreibt man in der spanischen Sprache mit „die Haare<br />

ziehen oder wegnehmen“. Die Buben waren nicht dumm und machten daraus<br />

diesen Witz, dass sie sich die Haare selbst wegrasierten. Sie sahen alle aus wie<br />

Yul Brynner. Wo die Eltern diese Maßnahme nicht erlaubten, schnitten sie sich<br />

solche Stufen in ihren Haarschopf oder schnitten ganze Haarbüschel heraus, dass<br />

sie schließlich doch zum Friseur gehen durften. Ich finde es gehört mehr Mut<br />

dazu, mit 13 Jahren ohne Haare als mit einer kunstvollen Frisur herumzulaufen.<br />

Ich hatte ein gewisses Verständnis für den Witz, der Direktor und andere<br />

Kollegen aber nicht. Mit meinem Stück rettete ich die Ehre meiner Buben.<br />

Der Einakter wurde zu einem großen Erfolg, der selbst den gestrengen Herrn<br />

Direktor zu Lob und Anerkennung veranlasste. Meine Kahlköpfe spielten so<br />

frisch und frech und sicher, dass sie in 15 Minuten die gefeierten Stars der<br />

Schule wurden. Die Eltern waren plötzlich sehr stolz auf ihr Kinder. Ich auch,<br />

und es fiel mir am nächsten Tag bei der Ausgabe der Zensurenhefte besonders<br />

schwer, ihnen mitteilen zu müssen, dass ich höchstwahrscheinlich nicht weiter<br />

ihr Klassenlehrer sein werde und dass 10 von den 44 Kindern der Klasse nicht<br />

versetzt werden. Das hat aber nichts mit der „Glatzenaktion“ zu tun. Man<br />

braucht mich wieder für harte Nüsse.<br />

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Johannes Lein<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Queridos Bachilleres,<br />

Estimados Padres de Familia,<br />

Estimados Invitados:<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

Schule<br />

Abi - Rede<br />

Esta noche mi última tarea como jefa de curso, o casí ex-jefa del curso S4A, es<br />

dirigir la palabra a todos Ustedes. Pero mis primeras palabras quisiera dirigirlas<br />

exclusivamente a los padres de familia y por eso hablo en castellano.<br />

Queridos padres de familia:<br />

Les felicito por sus hijos y su graduación al fin de una formación alemana, y en<br />

ese sentido única, en La Paz.<br />

¡Felicidades!<br />

Lamentablemente la nota va a decidir sobre una plaza en la universidad o una<br />

beca. Pero no deberíamos olvidar que ellos necesitan una personalidad fuerte<br />

para lograr sus objetivos y los deseos de ellos mismos, y no de Ustedes como<br />

padres. Y cada uno de los hijos de Ustedes es una persona única con una<br />

determinada personalidad.<br />

Muchisimas gracias a los colegas de la primaria por acompañar a sus hijos en su<br />

primera etapa con un cariño muy grande, con una paciencia impresionante y con<br />

una tranquilidad que, a mi, me falta. Gracias a muchos colegas de la secundaria<br />

por ayudarme a formar el curso en la última etapa del colegio.<br />

Pero mi agradecimiento dirijo especialmente a Ustedes como padres,<br />

Por la educación en la casa.<br />

Por el apoyo del colegio (a pesar de que hubieron quejas).<br />

Y por el apoyo a mi persona como jefa de curso en particular.<br />

En estos tres años he visto a sus hijos crecer y desarollar. Cada uno de ellos<br />

no solamente tiene una nota, sino cada uno conoce sus fuerzas y también sus<br />

debilidades, las cuales considero que son las más importantes y que ellos<br />

aprendieron a manejarlas.<br />

Los bachilleres tienen conocimientos generales y bien grandes, pero además<br />

saben disfrutar los pequeños placeres de la vida<br />

74


Schule<br />

Actividades fuera del colegio.<br />

Las amanecidas.<br />

El primer gran amor.<br />

La reconciliación después de una pelea con los amigos, etc.<br />

Han comenzado a entender la palabra “amistad”. El mérito es también suyo.<br />

Ustedes no tienen ningún motivo para estar desilusionados por un promedio que<br />

no coincide con los sueños de Ustedes. Estoy convencida de que cada uno de sus<br />

hijos encontrará su camino propio y adecuado a corto y a largo plazo. Ustedes<br />

pueden estar muy orgullosos en este momento de que sus hijos sean bachilleres<br />

alemanes.<br />

Queridos papás,<br />

¡Felicidades!<br />

Disculpenme si ahora voy a dirigir la palabra a los bachilleres en alemán. Por lo<br />

cual Ustedes deberían sentirse orgullosos también, ya que ellos son capaces de<br />

cambiar de un idioma a otro con facilidad.<br />

Liebe Abiturientinnen, liebe Abiturienten,<br />

meine liebe Klasse S4A,<br />

Der deutsche Philosoph, Dichter und Philologe Friedrich Nietzsche, der<br />

übrigens im August des Jahres 1900 in Weimar! starb, sagte einmal: „Man<br />

belohnt seine Lehrerin schlecht, wenn man immer ihr Schüler bleibt.“ Darum<br />

müsst Ihr Euch nun verabschieden, von der Schule, von Euren Lehrern, von<br />

Euren Klassenkameraden, von Eurem Klassenraum ..... Aber auch ich muss und<br />

möchte mich von Euch an dieser Stelle offiziell verabschieden.<br />

Ich kann Euch sagen, es war verdammt ungemütlich mit Euch. Vor drei Jahren<br />

hatte ich eine Klasse geerbt, die dem männlichen Charme meines Vorgängers<br />

verfallen war, ganz besonders die Mädchen. Dem konnte ich natürlich nichts<br />

entgegensetzen und musste mir ständig anhören: Herr Quaiser hat das aber so<br />

gemacht; bei Herrn Quaiser war das aber anders; Herr Quaiser hat gesagt ... –<br />

Dennoch sollten wir an dieser Stelle gemeinsam sagen: Danke, Florian Quaiser<br />

für Deine Arbeit und Dein Engagement! - Schließlich habt Ihr letzten Endes doch<br />

erkannt, dass es sich auch nach der Quaiser-Ära durchaus lohnt, noch weiterhin<br />

den Unterricht zu besuchen und wie sich später herausstellen sollte, je nach<br />

Tagesform und Begeisterung zum Unterrichtsfach in Quantität und Qualität ganz<br />

unterschiedlich. Eure Köpfe wurden vollgestopft mit irgendwelchen Formeln<br />

wie z.B. die: Ableitung mal stehen lassen plus stehen lassen mal Ableitung<br />

?! (oder so ähnlich), mit hochwissenschaftlichen Vererbungstheorien, mit<br />

philosophischem Geschwafel und nicht zu vergessen, mit bedeutenden Werken<br />

englischsprachiger, spanischsprachiger und nicht<br />

75<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Schule<br />

zuletzt deutscher Literatur, bei denen Eure Lehrer der Meinung waren: Die muss<br />

man mal gelesen haben! Machen wir noch ein letztes Mal die Probe: Ihr werdet<br />

nachts aus Eurem schönsten Traum gerissen und gefragt: Wer war Goethe? Und<br />

Ihr könnt spontan antworten: ..... (gerappt: Goethe war ein Dichter, Goethe war<br />

ein Philosoph, ...). Da kann man nur hoffen, dass die Schule kein Alptraum war<br />

und ihr mit ein bisschen Abstand gern auf Eure Schulzeit zurückschauen werdet.<br />

Ich habe versucht, Euch mehr als nur Goethes Werke nahezubringen und<br />

bedanke mich auch bei meiner Kollegin Ligia D’Andrea für die Unterstützung<br />

in Sachen „Liebeskunde“.<br />

Allerdings gab es auch eine gewisse Lernresistenz einiger von euch, vor<br />

allem in Sachen Pünktlichkeit, wobei recht beachtlich ist, wie konsequent und<br />

ausdauernd Ihr dies über die drei letzten Schuljahre hinweg durchgehalten habt.<br />

Das war für uns Lehrer eine echte Herausforderung! So manches Mal habe ich<br />

Euch verteidigt, auch wenn andere meinten, Ihr hättet es nicht verdient. Aber<br />

heute kann ich mit gutem Gewissen sagen, Ihr habt es verdient. Denn was ich<br />

an Euch am meisten mag, ist, dass Ihr streitbarer und aufmüpfiger geworden<br />

seid. Ihr seid selbstbewusster geworden. Nutzt all diese Eigenschaften klug und<br />

geht Eurer Wege. Auf diesen Wegen darf man stolpern, hinfallen, liegen bleiben<br />

oder sogar umkehren und zweifeln, denn es gibt viele Wege und Straßen, die<br />

zum Ziel führen. Ihr solltet niemals Lust, Neugier und Mut verlieren, neue und<br />

unbekannte Wege zu betreten. Kommt aber wieder rechtzeitig zurück, damit Ihr<br />

pünktlich seid, denn wir sind verabredet: Am 10. Mai 2035. Bis dahin<br />

Macht’s gut und ¡Hasta luego!<br />

Eure Heike Sell<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

76


Schule<br />

� EX-ISFPD, Jette Sell , brandaktuell aus Oxford,<br />

England<br />

Ein weiteres Beispiel für erfolgreiche ISFPD-Studenten:<br />

kürzere Studienzeiten →→→ billigeres Studium →→→ schneller im<br />

Beruf<br />

77<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Schule<br />

E-learning an der Deutschen Berufsschule La Paz<br />

Googeln, Wikipedia, You tube, Facebook – alles Begriffe, die für Schüler im<br />

Internetzeitalter nicht mehr wegzudenken sind und die auch nicht spurlos an den<br />

Lehrern vorbeigehen sollten.<br />

12 Kolleginnen und Kollegen aus den Deutschen Berufsschulen in Südamerika<br />

trafen sich vom 25.10. – 27.10. 2010 zu einer überregionalen Fortbildung in<br />

der Deutschen Berufsschule La Paz, um sich mit dem Thema „E-Learning<br />

an kaufmännischen Schulen“ auseinander zu setzen und die Möglichkeiten<br />

auszuloten, wie man „virtuelle Klassenzimmer“ auf elektronische Plattformen<br />

sinnvoll für den Unterricht einsetzen kann.<br />

Doch bevor es montags los ging, konnten die Lehrer sonntags , soweit sie<br />

nicht der Höhe Tribut zollten, bei einer Stadtrundfahrt einen ersten Eindruck<br />

von La Paz gewinnen. Der dabei positiv gewonnene Eindruck wurde dann in<br />

der Deutschen Berufsschule montags getoppt. Beindruckt von der herrlichen<br />

Lage der Schule kamen die Lehrer aus dem Staunen nicht mehr heraus, als sie<br />

die Ausstattung der Schule sahen. Helle, klimatisierten Klassenräumen digitale<br />

Tafeln, Laptops und ein Computerraum mit 20 Arbeitsplätzen, ausgestattet mit<br />

der neuesten Soft- und Hardware.<br />

Nach einer Einführung zum Thema durch den Leiter der Berufsschule La Paz,<br />

Jürgen Winkel, stand für den den restlichen Tag das Arbeiten in einem sogenannten<br />

„virtuellen Klassenzimmer“, basierend auf den Internetplattformen lo-net und<br />

Moodle auf dem Programm. Abends lud die Deutsche Kulturgemeinschaft<br />

sowie die Schulgemeinschaft zum Empfang ein.<br />

Der Dienstag stand ganz im Zeichen der praktischen Ausbildung der Deutschen<br />

Berufsschule La Paz. So konnten die Kollegen das Vorzeigeunternehmen<br />

Drogeria Inti unter der sachkundigen Führung von Christian Schilling und<br />

Friedrich K. Ohnes besichtigen. Einem Kurzbesuch zum Titicaca-See folgte<br />

dann ein Besuch der Deutsch –Bolivianischen Außenhandelskammer (AHK),<br />

wobei in einer regen Diskussion die unterschiedliche Zusammenarbeit<br />

zwischen den Partnern der dualen Ausbildung (AHK, Berufsschule und<br />

Unternehmen) in den einzelnen Ländern (Sao Paulo, Buenos Aires, Santiago,<br />

Lima und Quito) angesprochen wurde. Mit einem Abendessen beim Leiter der<br />

Wirtschaftsabteilung der Deutschen Botschaft , Andreas Schröder, klang der<br />

Dienstag aus.<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

78


Schule<br />

Mittwochs standen wieder unter Anleitung von Kollegen der Deutschen<br />

Berufsschule La Paz, Manuel Lins und Roberto Salgado, die Arbeit mit Moodle<br />

und Joomla, - einem Programm zur Gestaltung von Webpages - , sowie der<br />

Einsatz der digitalen Tafel im Unterricht auf dem Programm. Neben den<br />

dazu gewonnen Erkenntnissen vereinbarten die Teilnehmer auf einer Moodle<br />

Plattform in Sao Paulo Unterrichtsthemen, länderübergreifend für alle<br />

Studenten, aber auch länderspezifische Hausauf-gaben und Projekte – gerade<br />

wenn die Studenten in den Unternehmen arbeiten- zugänglich zu machen.<br />

Die Teilnehmer der Fortbildung machten deutlich, dass die von der Deutschen<br />

Berufsschule La Paz angestoßene Thematik „E-learning“ auf der Agenda der<br />

Deutschen Berufsschulen in Südamerika ganz vorne steht und deshalb das<br />

Thema schon im Mai 2011 in einer Folgeveranstaltung in Lima vertieft werden<br />

soll.<br />

Jürgen Winkel<br />

Leiter der Deutschen Berufsschule La Paz<br />

79<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

Veranstaltulgen<br />

Weltuntergang 2012<br />

Ein Veranstaltungshinweis<br />

2012 geht also die Welt unter. Die Maya und neuerdings auch ein paar andere für<br />

Apokalypsen zuständige Stellen haben das gesagt. Das ist gut zu wissen, weil<br />

man sich darauf einstellen kann. Das Datum steht noch nicht genau fest, aber die<br />

Planungen laufen auf den 21. oder den 23. Dezember hinaus. Praktischerweise<br />

entgeht man dadurch dem Vorweihnachtsstress. Es lohnt sich dann nicht mehr,<br />

große Vorräte anzulegen, und gute, lange gereifte Rotweine sollte man beizeiten<br />

konsumiert haben, es wäre ja schade darum. Der eine oder die andere mag sich<br />

noch zu einem lange überfälligen Seitensprung hinreißen lassen, denn wenn<br />

die Welt in Stücke fliegt, ist es ja nicht so schlimm, wenn kurz vorher noch<br />

die Beziehung in die Brüche geht. Wer nicht an den Weltuntergang glaubt,<br />

kann unmittelbar vor dem ultimativen Ladenschluss vermutlich noch einige<br />

hübsche Schnäppchen auf dem Immobilienmarkt ergattern. Davon, den alten<br />

Widersacher noch eben zu ermorden, raten wir hingegen ab. Ist sowieso sinnlos,<br />

und man geht mit einem schlechten Gewissen in die Apokalypse. Das wäre wie<br />

ungewaschen Weihnachten feiern. Nein, nein!<br />

Weltuntergangsverweigerer wie ich haben die Angewohnheit, hinsichtlich<br />

Veranstaltungen wie dieser dumme Fragen zu stellen. Dabei geht es weniger<br />

darum, woher die Maya das alles gewusst haben sollen, denn auf solche Fragen<br />

bekommt man von Weltuntergangsanhängern nur verschwurbelte Antworten der<br />

Art, dass sie eben in einer ganz anderen Beziehung zum Kosmos gestanden<br />

haben als ich. Vielmehr habe ich die Neigung, dem an die Wand gemalten Teufel<br />

die Grundierung zu entziehen.<br />

Der Maya-Kalender ende, so heißt es, mit dem 21.12.2012, und das<br />

bedeute, dass dann auch die Welt ende. So ganz überzeugend finde ich diese<br />

Argumentation nicht. Mein Sparkassenkalender z.B. endet am 31.12.2011, aber<br />

bisher fand ich das nicht Indiz genug davon auszugehen, dass es den 1.1.2012<br />

nicht mehr geben wird. Vielleicht hatten die Maya einfach keinen Platz mehr<br />

auf ihrem Kalender. Ich meine, irgendwann muss ja mal Schluss sein. Aber<br />

die ganz grundsätzliche dumme Frage ist: Wie kommt man genau auf das<br />

Jahr 2012? Die Hochkultur der Maya, in der ihr hochkomplizierter Kalender<br />

entwickelt wurde, wird ca. auf die Zeit von 700 v.C. bis 900 n.C. datiert. Seit<br />

dem gab es zig Kalenderreformen, ja immer wieder liest man sogar davon, dass<br />

ganze Jahrhunderte, in denen historisch gesehen erstaunlich wenig passierte,<br />

tatsächlich erfunden und unserer Zeitrechnung einfach hinzugefügt worden<br />

seien. In jedem Fall ist eins sicher: Wir leben nicht im Jahr 2010 nach Christi<br />

Geburt. Mit anderen Worten: Das Jahr 2012 ist gar nicht das Jahr 2012, es heißt<br />

80


Veranstaltulgen<br />

nur so. Wie aber berechnet man dann einen Weltuntergang, der vor Tausenden<br />

von Jahren vorhergesagt wurde? Und wie haben die Maya ihre Prophezeiung<br />

formuliert? Etwa mit sybillinischen Äußerungen à la „67 Jahre nach dem Ende<br />

eines großen Krieges“? Ja, wenn sie klar und deutlich gesagt hätten: „zwei Jahre<br />

nach der ersten Fußballweltmeisterschaft auf afrikanischem Boden“! Mit kurzen<br />

Fußnoten zur Erklärung der Begriffe „Fußball“ und „Afrika“.<br />

Aber nein, in Wirklichkeit haben die Maya keineswegs das Ende irgendeiner Welt<br />

vorhergesagt, sondern nur das Ende eines Umlaufs des Präzessionszyklus. Da<br />

sich danach sowieso alles wieder von vorne wiederholt, astronomisch gesehen,<br />

braucht man den Kalender nicht mehr fortzuführen. Das stimmt zwar auch nicht,<br />

denn ein Präzessionszyklus dauert fast 26.000 Jahre, und der Maya-Kalender<br />

begann erst am 1. August 3114 v.C., umfasst also nur gut 5.000 Jahre, aber was<br />

soll’s? Trotzdem können Sie auf www.weltuntergang-2012.de, einer Webseite,<br />

die nicht so dumm ist wie sie klingt, darüber abstimmen, ob der Weltuntergang<br />

stattfindet oder nicht. Zuletzt war eine knappe Mehrheit dagegen. Wir wischen<br />

uns den Schweiß von der Stirn.<br />

Deutlich kruder ist da doch die Seite www.esoterium.de. Dort heißt es: „In der<br />

Prophezeiung der Maya, wird die Sonne in ihrer Polarisation am 22. Dezember<br />

2012 einer Wandlung unterziehen, nach dem ein synchronisierender Lichtstrahl<br />

vom Zentrum der Galaxie gesandt wird; dieser Lichtstrahl wird einen<br />

gigantischen lodernden Strahlenpunkt senden, welcher Zerstörungen mittels<br />

planetarer Umwälzungen hervorbringen kann.“<br />

Wir zweifeln keine Sekunde lang, dass gigantische lodernde Strahlenpunkte<br />

ziemlich üble Zerstörungen hervorrufen können. Uns reicht ja schon ein<br />

vergleichsweise kleines Feuerzeug, um uns die Finger zu verbrennen, und das<br />

tut auch ganz schön weh. Was esoterium vergisst zu erwähnen: Nachdem die<br />

Jungs im Zentrum der Galaxis ihren Lichtstrahl losgeschickt haben, vergehen<br />

noch einmal ungefähr 32.600 Jahre, bis er bei unserer Sonne angekommen ist,<br />

denn die Galaxis ist doch einigermaßen groß. Was esoterium ebenfalls vergisst<br />

zu erwähnen: Im Zentrum der Galaxis soll sich nach der gängigen kosmischen<br />

Theorie ein schwarzes Loch befinden, und diesen Biestern ist ungefähr alles<br />

zuzutrauen außer dem Aussenden von Lichtstrahlen. Wir wischen uns abermals<br />

den Schweiß von der Stirn. Noch dazu, da esoterium uns beruhigt, dass die<br />

Maya gar nichts von Weltuntergang gesagt haben, sondern nur von einem<br />

Wandlungsprozess.<br />

Die ziemlich gut recherchierte Seite www.scienceblogs.de zitiert Übersetzungen<br />

von Maya-Inschriften, berichtet von genervten zeitgenössischen Mayas und stellt<br />

zum Schluss unmissverständlich klar: „Also: es gibt keinerlei wissenschaftliche<br />

Grundlage für einen Weltuntergang im Jahr 2012. Geschichten über Planet X,<br />

81<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Veranstaltulgen<br />

Nibiru, Planetenkonstellationen, etc haben nichts mit der Realität zu tun. Und<br />

sogar die `Prophezeiung´ selbst existiert nicht. Die Maya haben für das Jahr<br />

2012 keinen Weltuntergang vorhergesehen!“<br />

Aber die Bibel hat! Laut www.spiritlight.de war es sogar Gott höchstpersönlich,<br />

der in die Offenbarung – natürlich verschlüsselt, denn ER spielt halt gern –<br />

das Datum reingesetzt hat. Die Sache ist ziemlich verzwickt, und man muss<br />

sich mit Würfeln und ganz vielen Zwölfen herumschlagen, aber wenn man<br />

dem biblischen Text hinreichend zurechtbiegt (und das tut man), dann springt<br />

einem der 21.12.2012 nur so ins Auge. Oder er wird einem mit geradezu<br />

alttestamentarischer Gewalt ins Auge geschleudert. Der Autor geht so in seiner<br />

Zahlenmystik auf, dass er sogar davon fasziniert ist, als Summe der sechs Seiten<br />

eines Würfels genauso 21 zu erhalten, wie wenn er erst die gegenüberliegenden<br />

Seiten und dann noch einmal deren Summen addiert, ein Phänomen, das<br />

Mathematikern unter den Namen Kommutativgesetz und Assoziativgesetz<br />

bereits seit längerem bekannt ist.<br />

Nun denn, fassen wir zusammen. Die Maya haben nicht den Weltuntergang<br />

prophezeit, und die Bibel hat auch nicht, da können die Geisterlichter sagen,<br />

was sie wollen. Mit Überraschung musste ich feststellen, dass die Maya<br />

aber tatsächlich den 21.12.2012 gemeint hatten (nur nicht speziell für die<br />

Apokalypse, sondern einfach so). Sie nehmen Bezug auf Konstellationen von<br />

Himmelskörpern, und über die Sonnenfinsternis vom 11.8.1999 kann man<br />

tatsächlich auf das ominöse Datum kommen. Nur ist es überhaupt nicht ominös.<br />

Es findet sich auch nur auf einer einzigen, noch dazu nur rudimentär erhaltenen<br />

Inschrift, in der dem Datum nicht einmal eine besondere Bedeutung beigemessen<br />

wird. Vielleicht war’s ja auch einfach nur so dahingemeißelt.<br />

Apocalypse now? Ach was! Der Weltuntergang fällt aus. Schon wieder!<br />

Verkaufen Sie Ihre Immobilien nicht voreilig und unter Wert, und auch die Sache<br />

mit dem Seitensprung sollten Sie sich noch einmal gut überlegen. Nicht, dass<br />

Sie dann am 22.12.2012 mit zerknirschtem Gesicht Entschuldigungen stammeln<br />

à la „Schatz, es tut mir so leid, aber weißt Du, ich dachte halt, die Welt geht<br />

unter“, Ausreden, die erfahrungsgemäß überhaupt nicht gut ankommen.<br />

Sollte sich aber apokalypsemäßig wider Erwarten doch noch etwas tun, wird<br />

das <strong>Monatsblatt</strong> in der Ausgabe 1/2013 ausführlich über den Event berichten,<br />

selbstverständlich mit ein paar spektakulären Farbfotos.<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

82<br />

Manuel Lins


Veranstaltulgen<br />

Mitteilungen der Evangelisch – Lutherischen Gemeinde<br />

Deutscher Sprache in Bolivien (IELHA)<br />

Terminplan IELHA Oktober bis Dezember 2010<br />

Sonntag, 14.11.<br />

10 Uhr ökumenische Andacht zum Volkstrauertag<br />

auf dem deutschen Friedhof und 11 Uhr auf dem<br />

jüdischen Friedhof<br />

Donnerstag, 25.11. 16 Uhr Recreación im Pfarrhaus<br />

Sonntag, 28.11. 10.30 Uhr Gottesdienst<br />

Sonntag, 12.12. 10.30 Uhr Adventsgottesdienst und Adventsbasar<br />

Donnerstag, 16.12. 16 Uhr Recreación im Pfarrhaus<br />

Freitag, 24.12.<br />

Weihnachtsgottesdienst, voraussichtlich mit<br />

Krippenspiel<br />

Freitag, 31.12. 19 Uhr Jahresschluss-Gottesdienst<br />

Gemeindepräsidentin: Caroline Sölle de Hilari Tel. 2411885<br />

Pastor: Claus von Criegern Tel. 2414645<br />

Martin-Luther-Kirche Tel. 2419619<br />

Anschrift: Sánchez Lima esq. Rosendo Gutiérrez<br />

Postfach: Casilla 2851, La Paz<br />

83<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Veranstaltulgen<br />

Mitteilungen der Katholischen Kirchengemeinde<br />

deutscher Sprache<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

Messe 13.11.2010, 19.00 Uhr<br />

Christmette 24.12.2010, 18.00 Uhr<br />

Termine der Gottesdienste in der Kapelle der Schwestern Calle<br />

Fernando Guachalla, Ecke 6 de Agosto<br />

Veranstaltungen<br />

Mitteilung der atheistischen Gemeinde: Bis auf weiteres keine<br />

Gottesdienste geplant.<br />

84


VORTRAG/WORKSHOP<br />

Veranstaltulgen<br />

„La PAZ es CaPAZ -<br />

La Paz öffnet sich für Menschen mit Behinderungen“<br />

Um auf die Situation von Menschen mit<br />

Behinderungen in Bolivien aufmerksam<br />

zu machen bietet das Goethe-Institut im<br />

November zahlreiche Veranstaltungen<br />

zu dem Thema „ La PAZ es caPAZ<br />

- La Paz öffnet sich für Menschen<br />

mit Behinderungen“ an. Vom 10.<br />

bis 30. November haben Interessierte<br />

die Möglichkeit im MUSEF eine Führung durch die Ausstellung „Dialog<br />

in der Dunkelheit“ zu machen. In völlig abgedunkelten Räumen werden<br />

Alttagssituationen wie ein Marktbesuch oder ein Spaziergang durch die Straßen<br />

zum fast unüberwindbaren Hindernis, wenn wir uns nicht - wie gewohnt - auf<br />

unser Augenlicht verlassen können. Blinde Menschen sind täglich mit diesen<br />

Problemen konfrontiert.<br />

Neben der Ausstellung veranstalten die<br />

deutschen Künstlerinnen Sylvia Schwarz<br />

und Alexandra Schauwienold vom 15. bis<br />

20. November ein Theater-Workshop für<br />

Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung<br />

oder ihrer psychischen Erkrankung wenige<br />

Möglichkeiten haben, ihre künstlerischen<br />

Fähigkeiten in die Gesellschaft<br />

einzubringen. Die Präsentation der Ergebnisse findet am 22. November im<br />

MUSEF statt.<br />

Den 27. November widmen wir Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen<br />

sind. Auf der Plaza Avaroa wird es an diesem Tag eine Messe mit zahlreichen<br />

Informationen für und über Menschen mit Behinderungen geben. Zusätzlich<br />

begrüßen wir an diesem Tag Prominente aus Politik, Kultur und Medien, um an<br />

unserer Aktion „Der Rollstuhl – eine Herausforderung im Alltag“ teilzunehmen.<br />

Bei dieser Aktion sollen die Teilnehmenden einen Parcours aus alltäglichen<br />

Situationen, wie einem Bankbesuch oder dem Einkauf im Supermarkt im<br />

Rollstuhl bewältigen, um zu realisieren, welche Schwierigkeiten die Struktur<br />

der Stadt Menschen mit Behinderungen bereitet.<br />

85<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Workshop<br />

„Wir malen und basteln ein Buch“<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

Veranstaltulgen<br />

Am 9. November um 17:30 Uhr wird die deutsche<br />

Kinder- und Jugendbuchautorin Birte Müller eine<br />

Lesung in deutscher Sprache in der Lutheranischen<br />

Kirche geben, zu der wir unser junges Publikum herzlich<br />

einladen. Zudem organisiert das Goethe-Institut vom 05.<br />

– 10. November einen Bilderbuchworkshop, in dem<br />

Kinder ihr eigenes Buch malen und basteln können.<br />

1973 in Hamburg geboren, studierte Birte Müller<br />

Buchillustration und Malerei an der Fachhochschule<br />

für Gestaltung in Hamburg und verbrachte Auslandssemester in Mexiko und<br />

Bolivien<br />

Ihre Abschlussarbeit wurde 2002 mit dem ersten Preis für die beste Diplomarbeit<br />

des Jahres augezeichnet und erschien 2003 als Buch mit dem Titel „Auf<br />

Wiedersehen, Oma“, welches auch in der Bibliothek des Goethe-Instituts La<br />

Paz zu finden ist.<br />

Die Geschichte handelt von einem Mädchen aus den Anden, deren Großmutter<br />

gestorben ist und beschreibt das Leben in einem Dorf in Bolivien.<br />

Seit 1999 arbeitet Birte Müller als freie Illustratorin in Hamburg. Sie veranstaltet<br />

regelmäßig Workshops und Lesungen für Kinder in der ganzen Welt, darunter<br />

bereits mehrfach in Spanien, Mexiko und auch in Bolivien.<br />

Von Birte Müller sind mehrere Bilderbücher und illustrierte Bücher erschienen,<br />

unter anderem „Was macht der Bär den ganzen Tag?“ (2004) und „Inga zieht<br />

sich an“ (2007). In Spanien erschien zuletzt 2007 das Bilderbuch „El diente, el<br />

calcetín y el perro astronauta“ mit einem Text von Antonio Lozano.<br />

MUSIK<br />

Konzert des Pianisten Alexander Schimpf<br />

”Vielleicht gibt es sie ja noch, die Tonkünstler<br />

jüngerer Generation, die ihr Publikum ihrem<br />

musikalischen Talent und nicht außermusikalischen,<br />

boulevardtauglichen<br />

Sensationen verdanken. Alexander Schimpf,<br />

der dieses Jahr den Wiener Beethoven-<br />

Klavierwettbewerb gewonnen hat, könnte<br />

einer dieser künftigen Helden eines reformbedürftigen<br />

Klassikbetriebs werden…”<br />

So schrieb die Süddeutsche Zeitung nach einem Klavierabend des Pianisten<br />

86


Veranstaltulgen<br />

im Kleinen Saal des Münchner Gasteigs. Seit seinen Erfolgen im Deutschen<br />

Musikwettbewerb 2008 und im Internationalen Beethoven-Wettbewerb<br />

Wien 2009 hat sich Alexander Schimpf einen Namen als vielversprechender<br />

Musiker der jungen Generation gemacht und konzertiert mit zunehmender<br />

Regelmäßigkeit im In- und Ausland.<br />

Geboren 1981 in Göttingen, erhielt der Pianist seine Ausbildung als Schüler<br />

bei Wolfgang Manz in Hannover, später an der Musikhochschule Dresden bei<br />

Winfried Apel sowie bei Bernd Glemser in Würzburg. Weitere wesentliche<br />

Anregungen erhielt er von der französischen Pianistin Cécile Ousset. Am<br />

02. Dezember präsentiert das Goethe-Institut einen Klavierabend mit<br />

Alexander Schimpf. Der Ort wird noch bekannt gegeben.<br />

MUSIK<br />

Ausstellung „Entzaubert“ von Wolfram Hahn<br />

Im Vorfeld des Kinderfilmfestivals Kolibri, das vom<br />

01. – 15. November in La Paz statt findet, zeigt das<br />

Goethe-Institut La Paz vom 26.10. – 10.11.2010 die<br />

Ausstellung „Entzaubert“ von Wolfram Hahn in der<br />

Cinemateca Boliviana.<br />

Traurige, ernsthafte Blicke, eingefrorene Mimik. Die<br />

von Wolfram Hahn porträtierten Kinder wirken leblos<br />

wie Puppen, wie Körper ohne Geist und Regung. Ihr<br />

erstarrter Blick geht nach unten, fokussiert etwas im<br />

Raum, das sich dem Betrachter nicht erschließt. In welcher Situation werden die<br />

Kinder gezeigt? Was veranlasst sie, sich wie gebannt auf einen fixen Punkt zu<br />

konzentrieren und dabei dennoch so unbeteiligt zu bleiben? Die Kinder blicken<br />

dem Betrachter nicht entgegen, bleiben ihm gegenüber passiv und verwehren<br />

dadurch eine direkte Beziehung. Sie selbst sind sich dessen scheinbar nicht<br />

bewusst, sind zu sehr abgelenkt, um sich ihrer Inszenierung gewahr zu werden.<br />

Es ist der Fernseher, der die Kinder so intensiv und magisch in seinen Bann<br />

zieht. Die sensiblen Fotografien von Wolfram Hahn verblüffen vor allem,<br />

weil der Betrachter durch die dargestellte Situation unangenehm berührt<br />

wird. Er ist konfrontiert mit Kindern, denen ihr typisch kindliches Äußeres<br />

abhanden gekommen ist. In ihrer Konzentration, körperlichen Inaktivität und<br />

Verschlossenheit der Umgebung gegenüber scheinen sie sich aller kindlichen<br />

Attribute wie Spontaneität, Agilität, Naivität etc. entledigt zu haben. Sie gleichen<br />

vielmehr jungen Erwachsenen, die sich mit äußerster Ernsthaftigkeit auf die<br />

visuellen Botschaften konzentrieren. Der Fernseher entzaubert ihnen die Welt.<br />

„Es ist für die elektronischen Medien unmöglich, irgendwelche Geheimnisse zu<br />

bewahren. Ohne Geheimnisse aber kann es so etwas wie Kindheit nicht geben“.<br />

(Neil Postman)<br />

87<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


KINO<br />

Europäisches Filmfestival<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

Veranstaltulgen<br />

Im Rahmen des Europäischen Filmfestivals<br />

vom 11.-25.11.10 präsentiert das Goethe-<br />

Institut in der Cinemateca Boliviana vier<br />

ausgewählte deutsche Filme.<br />

In „Emmas Glück“ (Sven Taddicken) trifft<br />

der todkranke Max auf die eigenwillige<br />

Schweinezüchterin Emma und lernt das wahre Glück neu kennen. Die Welt<br />

erklärt hierzu: „Taddickens Film schleppt das unabwendbare schwere Ende<br />

im Gepäck und strebt trotzdem nach leichtfüßigem Gang, sucht die Balance<br />

zwischen Albernheit und Komik, will Weinerliches meiden und wünscht sich<br />

doch einen Kloß in des Zuschauers Hals.“<br />

Der Film „Krabat“ (Marco Kreuzpaintner) erzählt die Geschichte des<br />

Waisenjungen Krabat, der sich aus einer dunklen Schattenwelt zu befreien<br />

versucht und vor dem Tod flieht. 2008 erhielt der Film den Bayerischen<br />

Filmpreis in der Kategorie „Kinder- und Jugendfilmpreis“.<br />

2009 wurde der Film „Soul Kitchen“ (Fatih Akin) bei den Filmfestspielen von<br />

Venedig mit dem Silbernen Löwen für den „Großen Preis der Jury“ ausgezeichnet.<br />

In dem Film geht es um Familie und Freunde, um Liebe, Vertrauen und Loyalität<br />

– und um den Kampf um die Heimat als einen Ort, den es in einer zunehmend<br />

unberechenbaren Welt zu schützen gilt.<br />

Das Drama „Vier Minuten“ (Chris Kraus) handelt von der spannenden<br />

Beziehung zwischen einer alten Klavierlehrerin und einer jungen Frau.<br />

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt zu dem mit insgesamt 46<br />

internationalen Auszeichnungen geehrten Film: „Die Geschichte zwischen<br />

der alten Klavierlehrerin und ihrer widerspenstigen Schülerin im Gefängnis<br />

entwickelt eine beträchtliche emotionale Wucht, die in einem furiosen Finale<br />

gipfelt und sich vor allem den großartigen Hauptdarstellerinnen Monica<br />

Bleibtreu und Hannah Herzsprung verdankt.“<br />

Mehr Informationen finden Sie auf der Homepage des Europäischen<br />

Filmfestivals: http://cineeuropeo.boliviadomains.com/<br />

88


Veranstaltulgen<br />

Kulturagenda November – Dezember 2010<br />

Datum Veranstaltung KünstlerIn Ort<br />

26.10.- -<br />

10.11.10<br />

Eintritt frei<br />

10. – 30.11.10<br />

Mo. – So.:<br />

10:00 – 12:00<br />

Mo. – Fr.:<br />

16:00 – 18:00<br />

Eintritt frei<br />

Fotoausstellung:<br />

„Entzaubert”<br />

Im Rahmen des<br />

Kinderfilmfestival<br />

“Kolibri”<br />

Ausstellung:<br />

„Dialog in der<br />

Dunkelheit“<br />

Eine interaktive<br />

Ausstellung mit<br />

Führung.<br />

I. Ausstellungen<br />

Im Rahmen von<br />

„LaPAZ es caPAZ“<br />

89<br />

Wolfram Hahn<br />

Verschiedene<br />

Cinemateca<br />

Boliviana, C.<br />

Oscar Soria<br />

esq. Rosendo<br />

Gutiérrez<br />

MUSEF,<br />

C. Ingavi<br />

916, esq.<br />

Jenaro<br />

Sanjinés<br />

Bitte beachten Sie, dass Änderungen im Programmablauf auftreten können.<br />

Genaue Informationen entnehmen Sie bitte unserer Homepage http://www.<br />

goethe.de/lapaz<br />

05. - 10.11.10<br />

Eintritt frei<br />

09.11.10<br />

17:30 Uhr<br />

Eintritt frei<br />

II. Vorträge/ Workshops/Seminare<br />

Bilderbuchworkshop:<br />

„Wir malen und basteln<br />

ein Buch“<br />

Lesung mit der<br />

Kinderbuchautorin<br />

Birte Müller (in<br />

deutscher Sprache)<br />

Birte Müller<br />

Birte Müller<br />

Stadtbibliothek,<br />

Plaza del<br />

Estudiante<br />

Lutheranische<br />

Kirche,<br />

C. Sánchez<br />

Lima<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


15. - 20.11.10<br />

22.11.10<br />

Eintritt frei<br />

19.11.10<br />

Eintritt frei<br />

25.11.10<br />

18.00 – 21.00<br />

Uhr<br />

Eintritt frei<br />

27.11.10<br />

10:00 -12.00<br />

Uhr<br />

Eintritt frei<br />

29.11.10<br />

Eintritt frei<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

Theater-Workshop<br />

für Personen mit<br />

Behinderungen<br />

Präsentation der<br />

Ergebnisse<br />

Im Rahmen von<br />

„LaPAZ es caPAZ“<br />

Veranstaltulgen<br />

„Stadtklima -<br />

Quartiersmanagement“<br />

Anmeldung:<br />

Goethe-Institut:<br />

Tel.:2431916<br />

Vortragsreihe: „Die<br />

Rechte von Menschen<br />

mit Behinderungen“<br />

Im Rahmen von<br />

„LaPAZ es caPAZ“<br />

Aktion: „Der Rollstuhl<br />

– eine Herausforderung<br />

im Alltag“<br />

Im Rahmen von<br />

„LaPAZ es caPAZ“<br />

„Bremer LeseLust“:<br />

Ein Vortrag zum Thema<br />

Leseförderung<br />

90<br />

Sylvia<br />

Schwarz und<br />

Alexandra<br />

chauwienold<br />

Kai Reichert<br />

(D),<br />

Sérgio Póvoa<br />

Pires (Bras.)<br />

und Matthias<br />

Nabholz<br />

(CH)<br />

Sylvia<br />

Schwarz und<br />

Alexandra<br />

chauwienold<br />

sowie<br />

bolivianische<br />

Experten<br />

MUSEF,<br />

C. Ingavi 916,<br />

esq. Jenaro<br />

Sanjinés<br />

(Anmeldung<br />

erforderlich)<br />

Centro de<br />

Eventos<br />

Auditorium,<br />

C. Fernando<br />

Guachalla 421<br />

MUSEF,<br />

C. Ingavi 916,<br />

esq. Jenaro<br />

Sanjinés<br />

N.N. Plaza Avaroa<br />

Ulrike<br />

Hoevelmann N.N.<br />

Bitte beachten Sie, dass Änderungen im Programmablauf auftreten können.<br />

Genaue Informationen entnehmen Sie bitte unserer Homepage http://www.<br />

goethe.de/lapaz<br />

III. Musik


02.12.10<br />

19.00 Uhr<br />

Eintritt frei<br />

Klaviertkonzert:<br />

Robert Schumann<br />

und Frédéric<br />

Chopin<br />

Veranstaltulgen<br />

Alexander Schimpf N.N.<br />

Bitte beachten Sie, dass Änderungen im Programmablauf auftreten können.<br />

Genaue Informationen entnehmen Sie bitte unserer Homepage http://www.<br />

goethe.de/lapaz<br />

01.-15.11.10<br />

05.11.10<br />

19:15 Uhr<br />

Eintritt: 10 Bs.<br />

11.-25.11.10<br />

Eintritt: 10 Bs.<br />

27. und<br />

28.11.10<br />

Eintritt frei<br />

Deutscher<br />

Beitrag zum<br />

Kinderfilmfestival<br />

„Kolibri“<br />

<strong>IV</strong>. KINO<br />

Eröffnung der<br />

November-Filmreihe:<br />

„Entdeckungen und<br />

Begegnungen“ mit<br />

anschließender<br />

Diskussion mit dem<br />

Regisseur<br />

Europäisches<br />

Filmfestival<br />

Filmreihe zum<br />

Thema „Menschen<br />

mit Behinderungen“<br />

im Rahmen von<br />

„LaPAZ es caPAZ“<br />

91<br />

Filme von Prix<br />

Jeunesse<br />

Rainer Simon<br />

Filmbeiträge:<br />

Emmas Glück,<br />

Krabat,<br />

Soul Kitchen,<br />

Vier Minuten<br />

Filmbeiträge:<br />

Jenseits der Stille,<br />

Touch the Sound,<br />

Einladung zum<br />

Tanz, Der andere<br />

Körper<br />

Cinemateca<br />

Boliviana,<br />

C. Oscar<br />

Soria esq.<br />

Rosendo<br />

Gutiérrez<br />

Cinemateca<br />

Boliviana,<br />

C. Oscar<br />

Soria esq.<br />

Rosendo<br />

Gutiérrez<br />

Cinemateca<br />

Boliviana,<br />

C. Oscar<br />

Soria esq.<br />

Rosendo<br />

Gutiérrez<br />

Cinemateca<br />

Boliviana,<br />

C. Oscar<br />

Soria esq.<br />

Rosendo<br />

Gutiérrez<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Veranstaltulgen<br />

Außerdem: Viernes de cine alemán/Freitag des deutschen Kinos.<br />

Jeden Monat präsentieren wir eine Filmreihe mit wechselnden<br />

thematischen Schwerpunkten. Im November geht es um das Thema<br />

„Entdeckungen und Begegnungen“. Diese Filmreihe wird am 05.<br />

November von dem deutschen Regisseur Rainer Simon eröffnet (19:15<br />

Uhr, Cinemateca Boliviana, C. Oscar Soria esq. Rosendo Gutiérrez, 10<br />

Bs, Schüler des Goethe-Instituts 2x1). Im Dezember richtet sich unsere<br />

Filmreihe an Kinder und Jugendliche.<br />

Mehr Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen auf der Homepage des<br />

Goethe-Instituts http://www.goethe.de/lapaz<br />

„Ups, davon habe ich nichts gewusst…“<br />

„Schade, das sehe ich erst heute“<br />

„Was? Schon vorbei?“<br />

Damit so etwas nicht mehr vorkommt, abonnieren sie unseren Newsletter:<br />

Informationen.<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

Wenn Sie sich für unseren Newsletter interessieren,<br />

in dem wir regelmäßig über unsere kulturellen<br />

Aktivitäten informieren, dann schicken Sie bitte<br />

Ihren Namen und Emailadresse an: cultura@lapaz.<br />

goethe.org mit dem Betreff Newsletter abonnieren.<br />

Sie erhalten dann automatisch wöchentlich unsere<br />

92


Veranstaltulgen<br />

93<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

Mischmasch<br />

Ein Kälteabenteuer:<br />

Mitternachtsschwimmen im Titicacasee<br />

Im Tierreich gibt es die verrücktesten Überlebensstrategien. So überlebt der<br />

nordamerikanische Waldfrosch Rana sylvatica frostige Minustemperaturen<br />

indem er einfach zu Eis erstarrt. Damit sich im Zellgewebe keine<br />

lebensbedrohlichen Eiskristalle bilden reichert diese Froschart das Blut mit<br />

einem körpereigenen Frostschutzmittel an. Dieses Frostschutzmittel besteht aus<br />

Glycerin und Glucose. Ist die Winterzeit vorbei und wenn sich die Temperaturen<br />

wieder erhöhen kommt der Stoffwechsel wieder in Gang und der Waldfrosch<br />

hüpft wieder fröhlich herum.<br />

Auch hier auf dem südamerikanischen Kontinent ist die Winterzeit hy vorbei<br />

und zwei Individuen der Spezies Homo Sapiens sind nach einem Kälteabenteuer<br />

wieder aufgetaut und können nun davon berichten:<br />

„Wir sind doch verrückt, noch können wir umkehren!“<br />

Dies dachten wir am 23. Juni während der Nachtfahrt nach Tiquina. In der<br />

Dunkelheit flackerten viele Feuer auf dem Altiplano, ganze Felder und Berghänge<br />

waren vom nebligen Rauch überzogen. Es ist ein bolivianischer Brauch in der<br />

kältesten Nacht des Jahres den eisigen Temperaturen etwas entgegenzusetzen.<br />

Aus diesem kalten Grund wärmen sich viele Bolivianer in der „Noche de San<br />

Juan“ an großen Lagerfeuern, trinken heiße Getränke und es werden Hotdogs<br />

gegessen.<br />

Anstatt sich ebenfalls an einem Lagerfeuer zu wärmen, zogen es zwei<br />

Kälteabenteurer vor pünktlich um 24:00 Uhr die Engstelle am Titicacasee<br />

„Estrecho de Tiquina“ schwimmend zu durchqueren. Unter der Leitung des<br />

bolivianischen Sportministeriums wird seit 3 Jahren dieser mitternächtliche<br />

Schwimmwettkampf ausgetragen. So waren wir nicht die einzigen, die den<br />

kalten Temperaturen trotzten. Die Überlebensstrategien der Schwimmer<br />

unterschieden sich von der des Waldfrosches. Einige Schwimmer waren mit<br />

einem Neoprenanzug bekleidet, andere cremten sich mit rotem Autowachs von<br />

Kopf bis Fuß ein und wir bevorzugten einfach unsere Badehose und schmierten<br />

uns mehr aus psychologischen Gründen mit etwas Vaseline ein.<br />

94


Mischmasch<br />

Foto: Vor dem Start – Außentemperatur -2°C<br />

Kurz nach Mitternacht bei – 2 C° Außentemperatur und einer Wassertemperatur<br />

von 11°C viel der Startschuss. Mit 30 weiteren enthusiastischen Schwimmern<br />

„sprangen“ wir in die Fluten des Titicacasees. Aus Sicherheitsgründen wurden<br />

wir von Tauchern und Booten der bolivianischen Marine begleitet. Bei<br />

sternklarer Nacht näherten wir uns brustschwimmend und mit dem Kopf über<br />

Wasser langsam dem blinkende Leuchtturmlicht auf der anderen Uferseite. An<br />

Kraulschwimmen war gar nicht zu denken, denn bei der kalten Wassertemperatur<br />

stellte sich automatisch eine sehr schnelle Atmung ein. Nach etwas über<br />

zwanzig Minuten erreichten wir nicht mit Glycerin aber mit viel Adrenalin<br />

im Blut überglücklich und zitternd das Ufer von San Pedro de Tiquina. Von<br />

der bolivianischen Marine wurden wir sofort in Wolldecken gewickelt, ich<br />

wurde von meiner Frau wärmstens umarmt und zu den heißen Duschen des<br />

Marinestützpunktes geführt.<br />

Foto: Im Ziel<br />

Der Erstplazierte durchquerte die 914 Meter breite Engstelle in 11 Minuten.<br />

Unglaublich. Mit der doppelten Zeit waren die beiden einzigen ausländischen<br />

95<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Mischmasch<br />

Teilnehmer „los rubios“ aber auch sehr zufrieden. Auf der Plaza von San Pedro de<br />

Tiquina fand um 2 Uhr morgens noch die Siegerehrung statt. Ingo Müller erhielt<br />

den dritten Platz und erhielt für diese Leistung einen Pokal, Patrick Hartwigt<br />

kam 3 Minuten später ins Ziel und begnügte sich mit einer Urkunde, einem Hot<br />

Dog und mit Té co Té. Ein Dank geht an dieser Stelle an die Organisatoren, dem<br />

Departameto de Deporte und der bolivianischen Marine, die diesen Wettkampf<br />

sehr gut vorbereitet und durchgeführt haben.<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

Foto: Die Glücklichen<br />

Tipps für Nachahmer:<br />

• Zwei bis drei Wochen vor dem 23 Juni informiert das Sportministerium<br />

über diesen Wettkampf.<br />

• Im Stadion Hernando Síles muss man vorher einen medizinischen<br />

Check absolvieren, danach erhält man einen Erlaubnisschein und kann<br />

an dem Wettkampf teilnehmen.<br />

• Vorbereitung: Im Club Alemán kann man gut im Außenbecken<br />

trainieren.<br />

• Nach dem Schwimmen nicht heiß duschen! Schüttelfrostgefahr!<br />

Text und Fotos: Patrick Hartwigt<br />

96


Mischmasch<br />

Demnächst erhältlich:<br />

Manuel Lins<br />

Die <strong>Monatsblatt</strong>-Artikel 2003-2010<br />

232 Seiten mit vielen Abbildungen<br />

Schmuckausgabe mit Lesebändchen<br />

Einband wahlweise Schweinsleder oder Sackleinen<br />

NT-Verlag, La Paz 2010<br />

120 Bolivianos<br />

Bezug über den Online-Shop des <strong>Monatsblatt</strong>es<br />

www.cca-monatsblatt.org/shop<br />

97<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

Mischmasch<br />

Wider den Handy-Wahn<br />

Vorsicht, das hier ist eine Polemik. Nicht, dass man nachher sage, ich habe<br />

Sie nicht gewarnt. Ausgewogene Berichterstattung werden Sie hier vergeblich<br />

suchen. Stattdessen wird hier gegen Handys, Celulares, Mobiltelefone<br />

geschrieben, brutal, frontal und schonungslos. Wenn Sie das nicht verkraften,<br />

sollten Sie schnell weiterblättern. Oder telefonieren gehen.<br />

So, jetzt sind wir unter uns. Willkommen im Handy-Hass-Artikel!<br />

Sie werden hier nichts lesen davon, wie wichtig und nützlich ein Mobiltelefon<br />

ist, wenn man sich in der Stadt treffen will. Stattdessen werden Sie über Idioten<br />

lesen, die gleich nach dem Einsteigen in ein Trufi zum Handy greifen, um<br />

wemauchimmer mitzuteilen, dass sie gerade in ein Trufi gestiegen sind. Und bis<br />

zum Erreichen des Zielortes das Wemauchimmer ständig auf dem Laufenden<br />

halten, wo sie sich gerade befinden auf dem ach so gefährlichen Trip.<br />

Sie werden auch nichts lesen über die Menschen, denen ein Handy nach einem<br />

Unfall oder einer Panne auf nächtlicher Landstraße Unannehmlichkeiten erspart<br />

oder gar das Leben gerettet hat. Stattdessen werden Sie von den doppelt so<br />

vielen Menschen lesen, die bei Unfällen, die durch unaufmerksame, handytelefonierende<br />

Autofahrer verursacht wurden, ums Leben kamen.<br />

Und Sie werden lesen über Hunderte von Millionen von Euro, die Jahr für Jahr<br />

allein in Deutschland für Handyschalen und Klingeltöne ausgegeben wurden,<br />

deren beliebtesten einer einst auf den schönen Namen „Furz Drei“ hörte. Kurz,<br />

dies ist ein Artikel über Dementia Celularis, den handyinduzierten Schwachsinn.<br />

Es gibt den medizinischen Verdacht, dass Handybenutzung das Gehirn<br />

schädigen kann. Ich bin mir dessen sicher. Man muss Handybenutzer nur einmal<br />

beobachten. Wie sonst ist es zu erklären, dass an und für sich vernunftbegabte,<br />

durchaus sympathische Menschen sich vollkommen bescheuert verhalten,<br />

sobald ihr Gerät klingelt oder zappelt? Leute mobiltelefonieren mit leicht<br />

gesenkter Stimme, aber ansonsten völlig ungeniert in Kirchen und Konzerten.<br />

Während einer Prüfung klingelt das Celular des Prüfers, und statt dass es ihm<br />

peinlich ist, nimmt der Prüfer den Anruf entgegen. Da rührt sich das Handy<br />

eines Vortragenden bei einer Fortbildung, und es schaltet es keineswegs aus und<br />

entschuldigt sich bei den Zuhörern, nein, er telefoniert. Achtung, Vortragender!<br />

Beim letzten Mal war ich dermaßen baff über Deine Missachtung, dass ich<br />

stumm geblieben bin. Nächstes Mal gehe ich, wenn Du nicht eine sehr gute<br />

Entschuldigung vorbringen kannst. Wenn Du Deinen Zuhörern nicht mehr<br />

98


Mischmasch<br />

Respekt entgegenbringst, kann das, was Du mir erzählen willst, nicht wirklich<br />

wichtig sein.<br />

Alle diese Beispiele sind keineswegs frei erfunden, sondern ich habe sie selbst<br />

erlebt. Dass ich noch nie einen Pfarrer während der Wandlung telefonieren sah,<br />

liegt vermutlich daran, dass ich so selten in die Kirche gehe.<br />

Bei der Dementia Celularis handelt es sich nicht um eine Geisteskrankheit im<br />

eigentlichen Sinne, sondern um eine Suchterkrankung, auch wenn die Symptome<br />

oft sehr ähnlich sind. Wenn sie früher einen Menschen sahen, der den Bürgersteig<br />

entlang geht und dabei unverständliches, zusammenhangloses Zeug vor sich<br />

brabbelt, dann war klar, dass es der etwas geistesgestörte Dorfdepp sein musste.<br />

Heute ist das nicht mehr so einfach. Es durchaus sein, dass der Mensch einfach<br />

nur telefoniert, mittels einer sogenannten Freisprecheinrichtung. Der Name der<br />

Einrichtung bedeutet allerdings nicht, dass er automatisch von jedem Verdacht<br />

der Geistesstörung freigesprochen ist. In den meisten Fällen ist es jedoch nur<br />

eine simple Sucht. So wie Raucher in Sitzungspausen ins Freie eilen, um sich<br />

eine Zigarette anzustecken, und Trinker in die Toilette flüchten, um mal eben<br />

einen Flachmann zu kippen, so verdrückt sich der Mobiltelefonjunkie in eine<br />

Ecke, um irgendjemanden anzurufen, egal wen. Das braucht er jetzt dringend,<br />

denn möglicherweise hatte er bereits seit Stunden keinen telefonischen Kontakt<br />

mehr zur Außenwelt. Ohne diesen ist er aber seiner eigenen (insbesondere<br />

gesellschaftlichen) Existenz nicht mehr sicher, was verständlicherweise zu<br />

großer Nervosität führen kann. Erst nach erfolgtem Anruf wird er ruhiger. An<br />

die Stelle des „Ich denke, also bin ich“ ist das „Ich telefoniere, also bin ich“<br />

getreten. Was den Vorteil hat, dass man nicht mehr denken muss.<br />

Gedacht wird sowieso nicht viel am Handy. Die Verbreitung des Gerätes hat<br />

nicht für mehr Kommunikation gesorgt; nur das Geschwätz hat zugenommen.<br />

Und noch mit einem weiteren Märchen gilt es aufzuräumen. Ein Mobiltelefon,<br />

so heißt es, sei sehr praktisch, ja unverzichtbar, um sich bei Verabredungen<br />

doch noch zu treffen, z.B. wenn man ein bisschen zu spät ist. Tatsächlich wäre<br />

die Nutzung zu diesem sinnreichen Zweck denkbar. In der Realität hingegen<br />

dient das Handy dazu, sich überhaupt keine Mühe mehr zu machen, bei<br />

Verabredungen auch nur annähernd pünktlich zu sein. Stattdessen ruft man den<br />

betreffenden Menschen an, um ihm zu sagen, dass man leider im Stau steckt,<br />

nun aber wirklich gleich da sein wird, höchstens fünf Minuten!, obwohl man in<br />

Wahrheit noch daheim und gerade im Begriff ist, vor Verlassen des Hauses noch<br />

eine erfrischende Dusche zu nehmen. Wenn Mensch dann doch irgendwann zu<br />

der Verabredung erscheint, ist Mitmensch vermutlich nicht da. Die Chancen<br />

stehen allerdings gut, dass er bei Anruf versichert, dass er ganz in der Nähe sei<br />

und in höchstens fünf Minuten da sein wird.<br />

99<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


Mischmasch<br />

Der Siegeszug des Handys war nicht aufzuhalten und nur schwer auszuhalten.<br />

Der Durchseuchungsgrad bei Jugendlichen liegt inzwischen bei weit über 90<br />

Prozent, der Verschuldungsgrad durch Handys nicht ganz so hoch. Aber wir<br />

arbeiten daran. Bei Jugendlichen im Alter von 13 bis 17 Jahren rangiert das<br />

Mobiltelefon schon auf Platz zwei der „Taschengeldfresser“, und oftmals ist die<br />

Handyrechnung das Einstiegstor in die Schuldenspirale. Sag nicht ich. Sagt die<br />

Bundesregierung.<br />

Irgendwann wird man dazu übergehen, Kinder bereits bei Geburt serienmäßig<br />

mit Mobiltelefonen auszustatten. Das ist praktisch, übersichtlich und dient der<br />

Sicherheit. Im Gegenzug wird man uns, die LSC („Los sin celular“), als exotische,<br />

bestaunenswerte und etwas unterentwickelte Subspezies des Menschen in einen<br />

telefonlosen Käfig sperren. Guck mal, der hat gar kein Handy, das sieht aber<br />

komisch aus! Schaut, es gibt sie noch! Richtig putzig, wie er da auf dem Sofa<br />

sitzt und liest und Tee trinkt ohne zu telefonieren! Sind ja nicht mehr viele, aber<br />

merkwürdigerweise haben es diese lebenden Fossilien geschafft, der natürlichen<br />

Auslese zu entgehen.<br />

Bis es jedoch so weit ist, werde ich zumindest manchmal, wenn auch nur<br />

telefonisch, das bleiben, was ich immer schon sein wollte: unerreichbar.<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

100<br />

Manuel Lins


Mischmasch<br />

Wichtiger Hinweis<br />

der Deutschen Botschaft:<br />

Alle Deutschen, die im Ausland leben, können sich im Rahmen eines passwortgeschützten<br />

online-Verfahrens bei der für sie zuständigen deutschen Auslandsvertretung<br />

in eine Deutschenliste gemäß § 6 Abs. 3 des deutschen Konsulargesetzes<br />

aufnehmen lassen.<br />

Bei der Eintragung in die Deutschenliste handelt es sich um eine freiwillige Maßnahme.<br />

Die Botschaft La Paz rät, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen,<br />

damit sie – falls erforderlich – in Krisen und sonstigen Ausnahmesituationen<br />

mit Deutschen schnell Verbindung aufnehmen kann. Darüberhinaus besteht die<br />

Möglichkeit, über die in der Liste zu hinterlegenden e-Mail-Adressen, z.B. auf<br />

anstehende Bundestagswahlen und Wahlen zum Europäischen Parlament hinzuweisen<br />

oder sonstige konsularische Hinweise zu übermitteln.<br />

Die Möglichkeit der online-Registrierung ersetzt die bisher manuell geführten<br />

Deutschenlisten der deutschen Auslandsvertretungen. Wir bitten Sie daher,<br />

sich über das Internet elektronisch zu registrieren, auch wenn Sie in der sog.<br />

Deutschenliste bereits eingetragen waren. Sie werden künftig automatisch in<br />

regelmäßigen Abständen aufgefordert werden, Ihre Angaben zu bestätigen bzw.<br />

zu aktualisieren. Damit sollen Vollständigkeit und Aktualität der Registrierungen<br />

sichergestellt werden. Bitte beantworten Sie die Ihnen automatisch zugehenden<br />

Aufforderungen deshalb im eigenen Interesse.<br />

101<br />

<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010


<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />

Mischmasch<br />

102

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