IV - CCA Monatsblatt
IV - CCA Monatsblatt
IV - CCA Monatsblatt
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Inhalt<br />
Seite<br />
Einleitung<br />
• In eigener Sache<br />
Serie<br />
3<br />
• Das Bundesland Bayern (alias “der Freistaat”) 4<br />
• Ganz Bayern? Nein! 11<br />
• Hallo Thueringen…und Tschuess, La Paz 21<br />
• Restaurant-Tipp 24<br />
• Die Vermessung der Erde in Peru 1735-1745 25<br />
• Alle Jahre wieder Advents- und Weihnachtsbräuche in Deutschland 31<br />
• Wer.Wie.Was.<br />
Kultur<br />
37<br />
• Una experiencia inolvidable.. 39<br />
• Konzert von Felix Raffel 41<br />
• Presentación de libros 44<br />
• Herta Mueller, una nobel de literature en Bolivia<br />
Reise<br />
47<br />
• Guayamerin 51<br />
• Cayara und Huata-Wohnen mit Stil<br />
Aktuelles<br />
53<br />
• Premiere in Bolivien<br />
Leute<br />
56<br />
• Die Abschiedsfahrt von Manuel Lins und Barbara Guenther 59<br />
• Kein Abschiedsartikel 64<br />
• Lieber <strong>CCA</strong>, liebe <strong>Monatsblatt</strong>-Leser 65<br />
• Ueber mein Studium in Bolivien 66<br />
• Markus Sterr<br />
Schule<br />
69<br />
• Deutsche Schule La Paz vor 50 Jahren 71<br />
• Abi-Rede<br />
Veranstaltungen<br />
74<br />
• Weltuntergang 2012 80<br />
• Mitteilungen der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde 83<br />
• Mitteilungen der Katholischen Kirchengemeinde deutscher Sprache 84<br />
• Goethe<br />
Mischmasch<br />
85<br />
• Ein Kaelteabenteuer 94<br />
• Wider den Handy-Wahn 98<br />
1 <strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Herausgeber:<br />
Deutsche Kulturgemeinschaft,<br />
Centro Cultural Alemán (<strong>CCA</strong>)<br />
Büro: Deutsche Schule La Paz –<br />
Colegio Alemán La Paz<br />
Zuständig: Lic. Miguel Angel Lazarte<br />
Tel.: 2671002<br />
Fax: 2671003<br />
La Paz - BOL<strong>IV</strong>IEN<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
Redaktion:<br />
Manuel Lins 2790904<br />
E – mail: mlinbolivia@yahoo.de<br />
Franziska Sörgel 2710281<br />
E – mail: franziskasoergel@web.de<br />
Dirk Hoffmann 2711724<br />
E – mail: dirk.hoffmann@berlin.de<br />
Sohrab Tawackoli 70517302<br />
E – mail: sohrab@acelerate.com<br />
Katrin Schönlein 2711714<br />
E – mail: ks@alsvidr.de<br />
Frank Schwanbeck 2711714<br />
E – mail: fs@alsvidr.de<br />
(Auflage: 400 Stück)<br />
Artikel/Leserbriefe bitte entweder an Redaktionsmitglieder oder <strong>Monatsblatt</strong>,<br />
Casilla 8718 – La Paz richten.<br />
Die Redaktion behält sich vor, Artikel/Leserbriefe gekürzt zu veröffentlichen.<br />
Artikel/Leserbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion<br />
wieder.<br />
Anzeigen bitte als hardcopy und softcopy an Sohrab Tawackoli senden.<br />
Die einzelnen Artikel des <strong>Monatsblatt</strong>s und eine Gesamtfassung können auf<br />
der Webseite www.cca-monatsblatt.org separat heruntergeladen werden.<br />
Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe ist der 15.02.2011.<br />
2
In eigener Sache<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
Abschied. Das wäre eigentlich mal ein Thema gewesen. Schließlich nehmen<br />
wir dauernd Abschied, sagen je nach landsmannschaftlicher Gebundenheit bzw.<br />
Anpassung Servus, Tschüs, Pfüatdi, Chau oder Ade. Hier in der deutschsprachigen<br />
Gemeinde Boliviens verabschieden wir uns oder andere noch ein bisschen<br />
häufiger als in Deutschland, es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. In<br />
einem philosophischen Sinne sind wir natürlich ohnehin alle Transeuntes, nur<br />
auf der Durchreise, und wenn wir jetzt nicht aufpassen und einfach so weiter<br />
schreiben, sind wir gleich beim Wort zum Sonntag.<br />
Abschied also. Als Thema. Wäre schön gewesen, aber wir haben es einfach<br />
zeitlich nicht geschafft vor lauter Abschiedsfesten, Einladungen und allem,<br />
was die Jahreszeit so mit sich bringt. Vielleicht ein andermal. Wie gesagt: Das<br />
Thema ist ja immer aktuell.<br />
Auch das <strong>Monatsblatt</strong> steckt abschiedsbedingt mal wieder im Umbruch. Für<br />
eine Redaktion ist das aber kein Anlass zur Besorgnis, denn als Zeitungsmacher<br />
hat man ständig mit Umbrüchen zu tun. Zeilenumbruch, Seitenumbruch, warum<br />
dann nicht auch noch personeller Umbruch. <strong>Monatsblatt</strong> geht weiter. Wetten?<br />
Das Jahr 2010 will sich, wie aus chronologischen Kreisen zu vernehmen ist,<br />
Ende Dezember verabschieden. Als Nachfolger soll 2011 bereits fest zugesagt<br />
haben. Wir sind in jedem Fall mal wieder unserer Zeit voraus. Es verabschiedet<br />
sich nämlich schon jetzt:<br />
3<br />
Die Redaktion<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
Serie<br />
Das Bundesland Bayern (alias „der Freistaat“)<br />
Höchster und<br />
tiefster Punkt des<br />
Landes<br />
Wichtige<br />
Kulturbeiträge<br />
B e d e u t e n d e<br />
Persönlichkeiten<br />
Gipfel der Zugspitze (Oberbayern) 2.962 m<br />
Mündung der Kahl in den Main (Unterfranken) 102<br />
m<br />
Da gibt’s viel. Beschränken wir uns auf die eher<br />
populäre Kultur. Stellvertretend seien genannt:<br />
• Im Bereich der Musik die Biermösl Blos’n,<br />
Haindling und die Spider Murphy Gang. Auf<br />
der einen Seite durch und durch bayerisch,<br />
auf der anderen Seite offen-kritisch bis<br />
hinterfotzig-ironisch. Als Einstieg sei das<br />
Lied „Bayern“ vom in keine Schublade<br />
passenden Hans-Jürgen Buchner (Haindling)<br />
empfohlen.<br />
• Bei Film, Theater und Kabarett spannt sich<br />
ein Bogen von Karl Valentin und Liesl<br />
Karlstadt über Gerhard Polt bis hin zu<br />
Helmut Dietl (und da haben wir die seit über<br />
50 Jahren in Oberbayern ansässigen Dieter<br />
Hildebrandt und Loriot noch gar nicht<br />
mitgezählt). Wer sich ein paar nette Abende<br />
machen will und nebenbei verschiedene<br />
Facetten speziell des münchnerischen<br />
Lebens kennen lernen will, dem seien die<br />
Serien von Helmut Dietl empfohlen, egal ob<br />
„Münchner Geschichten“, „Monaco Franze“<br />
oder „Kir Royal“.<br />
Ludwig II., König. Entwarf für Walt Disney das<br />
Modell für Cinderellas Märchenschloss.<br />
Beckenbauer, Franz, Fußballspieler. Gewann so<br />
ungefähr alles, was es zu gewinnen gibt. Wurde, was<br />
heute überhaupt nicht mehr üblich ist, in der Stadt<br />
geboren, für deren Fußballverein er spielte. Siehe<br />
auch „Peinliche Persönlichkeiten“.<br />
Ratzinger, Joseph Alois, Theologe. Holte im Jahr<br />
2005, fast 1.000 Jahre nach Viktor II., den Papsttitel<br />
endlich wieder nach Bayern und nennt sich seitdem<br />
Benedikt XVI.<br />
4
Beiträge zur<br />
Weltwirtschaft<br />
K u l i n a r i s c h e<br />
Spezialitäten<br />
K u l i n a r i s c h e<br />
Verwirrungen<br />
P e i n l i c h e<br />
Persönlichkeiten<br />
Serie<br />
Die Fugger, insbesondere Jakob und sein Neffe und<br />
Erbe Anton Fugger, die Anfang bis Mitte des 16. Jh.<br />
die reichsten Männer der Welt und, wie man heute<br />
sagen würde, politische Strippenzieher par excellence<br />
waren.<br />
Allianz (Platz 22 der weltgrößten Konzerne), Siemens<br />
(Platz 37), BMW (zweitwertvollste Automarke der<br />
Welt), Munich Re (weltgrößter Rückversicherer,<br />
Umsatz pro Kopf ca. 1 Million Euro)<br />
Weißwürscht mit Brez’n und süßem Senf, dazu<br />
ein Weißbier, idealerweise am späten Vormittag<br />
einzunehmen<br />
Das Radler. Der Legende nach wurde die Mischung<br />
aus Zitronenlimonade und Bier 1922 von Franz Xaver<br />
Kugler, dem Wirt der Kugler-Alm in Holzkirchen<br />
südlich von München erfunden, als er sich eines<br />
Wochenendes vor das Problem gestellt sah, allzu<br />
viele Radfahrer mit Getränken zu versorgen und<br />
flugs die „Radler-Maß“ kreierte. Neuere Forschungen<br />
legen jedoch den Schluss nahe, dass die Erfindung<br />
mindestens auf die Zeit um 1900 datiert, da sie bereits<br />
vor Kugler literarisch erwähnt wurde.<br />
Saures Lüngerl<br />
Dick, Alfred. Stellvertretend für viele CSU-Politiker,<br />
bei denen man nicht entscheiden konnte, ob sie nun<br />
dumm oder dreist oder beides waren. Der damalige<br />
bayerische Umweltminister wurde bekannt, als er<br />
nach der Katastrophe von Tschernobyl vor laufenden<br />
Kameras verstrahltes Molke-Pulver aß und die<br />
unvergesslichen Worte sprach: „Des tut mir nix.“ An<br />
Kommentaren mangelte es danach nicht, u.a. fragte<br />
man sich, ob der Minister nun als Sondermüll entsorgt<br />
werden müsse.<br />
Beckenbauer, Franz, Fußballfunktionär. Als Spieler<br />
genial, als Trainer geschickt, als Kommentator,<br />
Funktionär und Medienfigur einfach nur peinlich.<br />
Erwarb sich zum Titel „Kaiser“ noch den des „Firle-<br />
Franz“ hinzu.<br />
5<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Serie<br />
Wie komme ich eigentlich dazu, über das Bundesland Bayern zu schreiben?<br />
Ich bin zwar in Wolfratshausen, 30 Kilometer südlich von München, also in<br />
Bilderbuchbayern geboren, aber damit hört mein Bayrischtum auch schon<br />
wieder auf. Von meiner Abstammung her nordostdeutsch, habe ich Bayrisch<br />
(„boarisch“) als ungefähr vierte oder fünfte Fremdsprache gelernt, und das auch<br />
nur, um mich über eingefleischte Bayern lustig zu machen. In Bolivien habe ich<br />
mindestens ein halbes Dutzend Nationalparks besucht, in Bayern noch keinen<br />
einzigen (es gibt zwei, den Nationalpark Bayerischer Wald, den ältesten in<br />
Deutschland, und den Nationalpark Berchtesgaden). Und schließlich, wie mein<br />
Schwager, ein wesentlich echterer Bayer als ich, einmal angemerkt hat: „Wenn<br />
a Katz in da Hundehüttn jungt, is imma no a Katz!“ Andererseits ist Bayern<br />
traditionell auch ein Einwanderer- und Multikultiland, von daher bin ich gar<br />
kein so untypischer Bayer.<br />
In der Wahrnehmung im Ausland wird Deutschland oft mit Bayern gleichgesetzt,<br />
streng genommen sogar nur mit einem kleinen Teil des Bundeslandes<br />
„Freistaat Bayern“, nämlich dem Regierungsbezirk Oberbayern. Deutschland<br />
= Lederhosen + Bier, so lautet die ebenso einfache wie falsche folkloristische<br />
Gleichung. Das ist insofern witzig, als Bayern einen eher weniger typischen Teil<br />
Deutschlands darstellt, allein schon historisch. Im Gegensatz zum größten Teil<br />
des heutigen deutschen Staatsgebietes kamen Altbayern und Schwaben unter<br />
die Herrschaft des römischen Reiches, was man heute noch an den manchmal<br />
frappierend italienischen Gesichtszügen mancher Bayern sehen kann.<br />
Das Bayernbild, nicht nur im Ausland, ist wohl stärker als bei jeder anderen<br />
deutschen Region von Klischees geprägt. Zeit also, mit Vorurteilen aufzuräumen,<br />
oder, wo das nicht möglich ist, sie zumindest etwas zeitgemäßer zu gestalten.<br />
Klischee 1: „Bayern ist streng katholisch!“<br />
Stimmt, zumindest teilweise. Altbayern ist in der Tat (im Gegensatz zu Franken)<br />
von der römisch-katholischen Kirche geprägt, was sich vielerlei Brauchtum<br />
wie z.B. Fronleichnamprozessionen zeigt. Allerdings geht, wie überall in<br />
Deutschland, der Einfluss der Kirche immer weiter zurück. Die Zeiten, als der<br />
Pfarrer von der Kanzel aus Wahlempfehlungen gab (und dabei auch gehört<br />
wurde), sind vorbei.<br />
Klischee 2: „In Bayern tragen die Leute Lederhosen und Dirndl!“<br />
Leider viel zu selten. Denn bei den richtigen Personen sieht ein Dirndl oder eine<br />
Lederhose schon fesch aus. Außer zu folkloristischen und festlichen Anlässen wie<br />
Hochzeiten werden diese Kleidungsstücke aber nur noch selten aus den Schrank<br />
geräumt. Und glauben Sie bloß nicht, dass das, was Sie auf dem Oktoberfest<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
6
Serie<br />
im München („der Wies’n“) zu sehen bekommen, bayerische Tracht ist. Was<br />
dort insbesondere von Halb- und Möchtegernpromis zur Schau gestellt wird, ist<br />
oft ein ähnlich grauenvoller Stilbruch wie Badehose mit Krawatte oder Cholita<br />
mit Baseballkäppi. Apropos: Die „Madln und Buam“ vom Ave Maria sehen in<br />
bayerischer Tracht oft erstaunlich gut aus. Mindestens so gut wie Deutsche in<br />
Tinku-Kleidung.<br />
Klischee 3: „In Bayern wählt man CSU!“<br />
Das war einmal. Der CSU ist etwas gelungen (und zwar ohne dass sie das<br />
wollte), wovon jeder guter Pädagoge träumt: Sie hat sich selbst überflüssig<br />
gemacht. Sie hat entscheidend dazu beigetragen, dass aus dem eher armen<br />
Agrarland (das lange Zeit Mittel aus dem Länderfinanzausgleich empfing)<br />
unter der Chiffre „Laptop und Lederhose“ eine merkwürdig gut funktionierende<br />
Chimäre aus bäuerlich-touristischer und hochtechnologischer Wirtschaftsregion<br />
wurde (die nun den Länderfinanzausgleich gar keine so gute Idee mehr findet).<br />
Gerade ich als Stamm-Nicht-CSU-Wähler muss diese Leistung rundum<br />
anerkennen – und gleichzeitig darüber schmunzeln, dass die CSU, die einst,<br />
wie man sagte, einen Besenstiel hätte aufstellen können, Hauptsache, es steht<br />
CSU drauf, sich damit selbst das Wasser abgegraben hat. Denn ungebildete,<br />
traditionsverhaftete Bauern mögen vielleicht Besenstiele als Kandidaten<br />
akzeptieren; bei Softwareentwicklern und Öko-Landwirten stehen die Chancen<br />
da deutlich schlechter. Im Grunde genommen könnte die CSU also stolz sein<br />
auf ihre schlechten Wahlergebnisse. Aber das wäre nun wirklich völlig un-CSUhaft.<br />
Klischee 4: „Das bayerische Bier... !“<br />
Endlich mal ein nettes Vorurteil. Das bayerische Bier hat einen dermaßen guten<br />
Ruf (und das zu Recht!), dass es schon wieder ein Klischee ist. Wahr ist: Mit laut<br />
statistischem Bundesamt 627 Brauereien entfällt etwa die Hälfte der deutschen<br />
Braustätten auf Bayern (vermutlich sind es noch einige mehr als die genannten<br />
627, denn einige mir persönlich bekannte Brauereien habe ich in der Liste nicht<br />
gefunden). Auf der anderen Seite ist Bayern auf dem Bierweltmarkt ein Zwerg.<br />
Die größte bayerische Brauerei Oettinger belegt auf dem Weltmarkt gerade<br />
einmal Platz 33 – mit einem Marktanteil von 0,5 Prozent. Die Reputation des<br />
bayerischen Bieres steht damit in krassen Gegensatz zu seinen Verkaufszahlen.<br />
Was andererseits auch seinem Charme hat: Es sind eben nicht die großen<br />
Marken, die in Bayern alles beherrschen, sondern kleine, oft unbekannte und<br />
dafür umso leckerere Bierspezialitäten. Und in einer unverzichtbaren Zutat ist<br />
Bayern nach wie führend: Hopfen. Allein 25% der Weltproduktion werden in<br />
der Hallertau (auch Holledau) angebaut, und beim daraus gewonnenen Extrakt<br />
handelt es sich um Spitzenqualität.<br />
7<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Serie<br />
Übrigens: Wenn man in Bayern einen Liter Bier möchte, muss man „a Maß“<br />
bestellen, mit einem kurzen, leicht ins „O“ spielenden „A“. Wer „das Maaaß“<br />
sagt, mit sächlichen Artikel und langem „A“, outet sich als kulturfremd. Und<br />
mit „von der Maas bis an die Memel“ hat das Ganze nun wirklich nichts zu tun.<br />
Klischee 5: „Die bayerischen Landschaften sind lieblich, mit Seen und<br />
Bergen!“<br />
Stimmt. Dieses Vorurteil muss ich voll und ganz und nicht ohne den Stolz<br />
des „zugroasten“ (zugereisten) Bayern bestätigen. Der Starnberger See<br />
an einem schönen, sonnigen Sommertag, mit Segelbooten und den Alpen<br />
im Hintergrund, und danach am See im Biergarten sitzen – etwas recht viel<br />
Schöneres gibt es gar nicht. Übrigens zeigt sich hier in zweierlei Hinsicht, dass<br />
die Bayern viel demokratischer und aufmüpfiger sind als oft angenommen.<br />
Zum einen ist es per Biergartengesetz aus dem 19. Jahrhundert erlaubt, in von<br />
außen zugängliche Biergärten sein eigenes Essen mitzubringen (nur das Bier<br />
muss verständlicherweise vor Ort gekauft werden), zum anderen verpflichtet<br />
die bayerische Verfassung Staat und Gemeinden, „der Allgemeinheit die<br />
Zugänge zu Bergen, Seen und Flüssen (...) freizuhalten und allenfalls durch<br />
Einschränkungen des Eigentumsrechtes freizumachen freizumachen“ (!). Ja, so<br />
sozialistisch können wir sein! Wenn wir wollen.<br />
Klischee 6: „Alle Bayern sind Fans des FC Bayern München!“<br />
Falsch, ganz falsch! Natürlich gibt es im Freistaat Bayern zugegebenermaßen<br />
eine ziemlich große Zahl fehlgeleiteter Menschen, die Anhänger dieses<br />
zugegebenermaßen recht erfolgreichen Vereins sind. Erfolg zieht die Menschen<br />
nun einmal an wie Fliegen ... – lassen wir das. Andererseits leben in Bayern<br />
die größten (FC-) Bayern-Hasser. Diese sind oft Fans des TSV 1860 München<br />
(auch „Sechzig“, „die Sechzger“, „die Löwen“, seltener „die Blauen“), deren<br />
Glaubensbekenntnis sich in den Worten „... und wir steigen wieder auf,<br />
halleluja!“ ausdrückt. Sechzig war 1966 zum ersten und bisher einzigen Male<br />
deutscher Meister, woran sich viele Fans, die damals überhaupt noch nicht<br />
geboren waren, mit Wehmut erinnern. Es ist ein Verein, an dem man wunderbar<br />
leiden und verzweifeln kann, im Gegensatz zu den langweiligen Bayern, mit<br />
denen man immer nur irgendwelche Erfolge feiern kann und die deswegen auch<br />
keine g’scheiten Spitznamen haben (außer „die Roten“, was auch langweilig<br />
ist).<br />
Klischee 7: „Die Bayern sind eingebildet darauf, Bayern zu sein, und<br />
kennen den Rest Deutschlands gar nicht!“<br />
Da ist zumindest teilweise was dran. Es kann in der Tat ziemlich nerven,<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
8
Serie<br />
mit welch dümmlichem Stolz manche Bayern Bayern und speziell manche<br />
Münchner Münchner sind. Wobei oft gar nicht klar ist, worauf sie da im einzelnen<br />
überhaupt stolz sind. Egal: Mir san mir! Weitere Erklärungen überflüssig. Nun<br />
ist diese Art von hohlem National- bzw. Regionalstolz keineswegs nur in Bayern<br />
anzutreffen, aber lästig ist sie in jedem Fall. Dass sie nicht reiselustig seien, kann<br />
man den Bayern jedoch nicht vorwerfen. Allerdings liegt ihnen oft der Gardasee<br />
(„da Sä“) doch näher als der Wannsee, wie es sie überhaupt immer wieder stark<br />
nach Italien zieht, vielleicht durch genetische Reste bedingt. Andererseits scheut<br />
der Bayer keineswegs die Überquerung des sogenannten „Weißwurstäquators“<br />
und ist durchaus in der Lage, im Norden oder Osten der Bundesrepublik Urlaub<br />
zu machen oder sich gar anzusiedeln. In Berlin lebt bereits seit geraumer Zeit<br />
eine nicht unerhebliche Zahl von Bayern, die bereits im Jahre 1876 für die<br />
damals 6.000 Bajuwaren den „Verein der Bayern in Berlin“ ins Leben riefen.<br />
Ein Schmankerl am Rande: Als einer der Vorsitzenden 1920 nach München zog,<br />
gründete er dort einen Zweigverein für die dort lebenden Vereinsmitglieder.<br />
Eine Münchner Zweigstelle der Vereins der Bayern in Berlin – das hätte sich<br />
Karl Valentin kaum besser ausdenken können.<br />
9<br />
Text: Manuel Lins<br />
Fotos: Barbara Günther, Manuel Lins, Internet<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Serie<br />
Gruselig: T-Shirt mit Lederhosen- oder Dirndlaufdruck.<br />
Bilderbuchbayern. Loisach und Kirche St. Andreas in Wolfratshausen.<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
10
11<br />
Serie<br />
Ganz Bayern? Nein!<br />
Ganz im Norden kauert eine Handvoll Franken und bewacht das, was übrig<br />
blieb - den allerletzten deutschen Rest vom großen Frankenreich. Unter Karl<br />
dem Großen waren die Franken die größte Macht in Europa, sogar die Gallier<br />
mitsamt ihren Asterixen hatten sie nach Abzug der Römer eingemeindet. Danach<br />
wurden immer kleinere Reiche daraus, bis ein königstreuer Reichskreis Franken<br />
übrig blieb, zersplittert in kleine und kleinste geistliche und weltliche Territorien<br />
und Reichsstädte, ohne Führung und eigene Identität. Leicht bewegliche<br />
Konkursmasse im Ausverkauf des Heiligen Römischen Reiches 1803. Das<br />
Unwort jenes Jahres war mit Sicherheit „Reichsdeputationshauptschluss“ und<br />
das hieß: Franken ist überhaupt nichts mehr „offizielles“, es sind drei willkürlich<br />
eingerichtete Regierungsbezirke von Bayern, die ein knappes Drittel der<br />
Freistaatsfläche einnehmen. Von den Franken als Einwohnern gibt es dort gute<br />
4 Millionen, die Kollegen in den fränkischen Teilen Baden-Württembergs und<br />
Thüringen nicht mitgerechnet. Sprachlich hat Franken hier und da noch Spuren<br />
hinterlassen – ein Land heißt noch Frankreich, eine Währung heißt Franken. In<br />
ganz entfernten Gegenden, wie Persien, Thailand und Polynesien heißen immer<br />
noch alle Europäer nach den Kreuzzugs-Franken: Farang und ähnlich.<br />
Misstrauisch und grantlerisch seien sie, so sagt man, ihr Dialekt hart und reich an<br />
Schimpfwörtern. Während die Westfalen der Sage nach auftauen, nachdem man<br />
einen Sack Salz mit ihnen gegessen hat, gibt es für Franken kein vergleichbares<br />
Geheimrezept, man mag sie oder nicht – und umgekehrt.<br />
Dumm sind sie nicht, immerhin stammen Adam Ries(e), Werner Siemens<br />
und Werner Heisenberg von hier. Was ihnen aber fehlt ist der selbstbewusste<br />
Gestus des Weltbayern, der alles einsackt und dabei noch lächelt. Dazu fühlt<br />
sich der Franke zu klein, zu gedeckelt und missachtet, das Weltformat erlernt er<br />
niemals. Ganz natürlich und folgerichtig stammt die „Lichtgestalt des deutschen<br />
Fußballs“ ja auch aus München – und der Hanswurst des deutschen Fußballs<br />
aus Erlangen und trainiert jetzt die Bulgaren. Aber über Fußball will ich nun<br />
wirklich nicht weiter sprechen.<br />
Es hängen ja nun auch tatsächlich glanzvollere Namen mit Franken zusammen:<br />
Albrecht Dürer zum Beispiel, Wolfram von Eschenbach, der Tannhäuser aus<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Serie<br />
Tannhausen, Adam Kraft, Lucas Cranach d. Ä, Peter Henlein, Hans Sachs und<br />
Martin Behaim, allesamt schon lange nicht mehr unter uns. Und wer erinnert<br />
sich noch an Alois Alzheimer? Ja, da war was…<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
Das lustige Rhinozeros des „Alberto Durero“<br />
Doch die aktuelle Prominenz, die zum letztjährigen „Tag der Franken“<br />
zusammengekratzt wurde, bestand nur noch aus Thomas Gottschalk und<br />
Karl-Theodor zu Guttenberg - Tatjana Gsell und Gabriele Pauli waren nicht<br />
eingeladen. Damit hätten wir auch schon das Thema „peinliche Persönlichkeiten“<br />
abgehandelt, die nämlich, die g’scheiter sein wollen als die anderen, raus aus<br />
Franken – und damit scheitern.<br />
Gottschalk und Guttenberg – Gipfel fränkischer Prominenz<br />
Vielleicht braucht es auch kein Weltformat, denn daneben gibt es auch ein<br />
zeitgenössisches ganz speziell fränkisches Format, das nach eigenen Formen<br />
12
Serie<br />
und Identitäten sucht und auch dabei unterstützt wird. Die Kultur der Stadt-<br />
und Turmschreiber wird nach wie vor gepflegt und einheimische wie auswärtige<br />
Künstler in das Kulturleben der Städte eingebunden. Der Besucher wird<br />
überrascht sein von der vielgliederigen Kleinkunst- und Musikszene in und<br />
um die großen fränkischen Städte Nürnberg, Erlangen, Fürth (das „Kleeblatt“),<br />
Würzburg, Bayreuth und Bamberg. Festivals für alte, neue und allerneueste<br />
Musik, Theater und Straßenkunsttreffen, altbewährtes und herausfordend Neues<br />
für Auge und Ohr. Die Akademie der bildenden Künste in Nürnberg lässt sich<br />
nicht beirren vom großen Münchner Nachbarn; ringt um Form und Inhalt aber<br />
nicht um Nachwuchs. Kunst- und Wahrheitssucher gibt es mehr in Franken,<br />
als man so glaubt, nicht nur kollektive Kinderschänder wie im Skandaldorf<br />
Falchslanden.<br />
Immer grenzwertig: Die Fotos von Jürgen Teller<br />
Künstler, die man vielleicht kennt, sind der Fotograf Jürgen Teller mit seinen<br />
halbtoten Models, Eugen Gomringer, der Vater der konkreten Poesie (übrigens<br />
in Bolivien geboren) und Ludwig Fels, der Dinge schrieb wie Ich bau aus<br />
der Schreibmaschine eine Axt – alle ein bisschen marode, brutal sogar. In den<br />
zahlreichen Sagen und Legenden der Region spukt und gruselt es mächtig,<br />
immer noch sind sie lebendig, inspirieren die Künstler, und die Kinder leben<br />
unter dem mächtigen Schatten des „Nachtgigers“, der sie holen kommt, wenn<br />
sie nicht rechtzeitig zu Hause sind.<br />
13<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Serie<br />
Die Lorenzkirche lebt! Das Geisterheer der Nürnberger Illustratorin Therese<br />
Hein gruselt schaurig durch das Gewölbe (copyright: www.theresehein.<br />
de)<br />
Vom Sachsen sagt der Bayer, er sei ja ganz helle, aber nur alle vier Wochen<br />
einmal. Über den Franken traut er sich das nicht zu sagen. Immerhin gibt es<br />
in Franken außer so skurrilen Einrichtungen wie der Kartelschule (offiziell:<br />
Schafkopf-Akademie) in Weinzierlein auch vier staatliche Universitäten und<br />
sechs staatliche Fachhochschulen sowie mehrere kleinere Hochschulen, wie<br />
zum Beispiel die o.g. Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg oder die<br />
Musikhochschule Nürnberg-Augsburg. Gute Lehrer gab es auch, zum Beispiel<br />
Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Karl Popper. Gute Arbeit, doch der Glanz<br />
fehlt.<br />
Vielleicht kann man die Franken am ehesten mit mürrischen Zwergen<br />
vergleichen, die ihre Schätze hüten. Sie protzen nicht damit, wie die Bayern<br />
mit ihren leer stehenden Schlössern, sie haben keine großen Fernsehstudios und<br />
grelle Stars wie die Gloria von Turn und Taxis und den Mooshammer, keine<br />
Prinzessinnen und keine Schickeria. Was sie haben ist ein altes Kulturland voller<br />
Kleindode und das kennen und schätzen sie auch.<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
14
Serie<br />
Von Aschaffenburg bis ins Fichtelgebirge, von Thüringen bis nach<br />
Eichstätt hinunter erstreckt sich das Territorium Unter- Mittel- und<br />
Oberfranken und beherbergt damit neben der Region Mainfranken mit ihrer<br />
Bocksbeutelgemütlichkeit und dem Würzburger Hochstift auch den Naturpark<br />
Fichtelgebirge mit dem Ochsenkopf und dem höchsten Berg Frankens, dem<br />
Schneeberg (1.053m ü.NN), die Fränkische Schweiz und den Naturpark<br />
Altmühltal.<br />
Die Touristenrouten „Romantische Straße“ und „Burgenstraße“ führen in ihren<br />
längeren Strecken durch Franken hindurch, denn Romantik und Burgen gibt<br />
es reichlich. Wer seine Augen zum Überlaufen bringen will, fährt während der<br />
Kirschblüte über die einspurigen gewundenen Landstraßen der fränkischen<br />
Schweiz – wer es flott will, nimmt auch gerne das Motorrad und dreht seine<br />
Schleifen. Und wenn es den müden Wanderer oder Fahrer nach einer Rast<br />
verlangt, bieten sich die mittelalterlichen Bilderbuchstädte Rothenburg ob der<br />
Tauber, Nürnberg, Dinkelsbühl und Feuchtwangen aufs vortrefflichste dafür an.<br />
15<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Serie<br />
Schöne Orte gibt es natürlich noch viel mehr: Bamberg, Bayreuth, Pottenstein,<br />
aber ich bin doch kein Reiseführer. Ich bin nur zufällig dort aufgewachsen, mitten<br />
in Wallensteins Lager an der Alten Feste in einer geschichtsbewussten Familie.<br />
Wir wanderten um Pfingsten gerne eines der idyllischen weidenbestandenen<br />
Flüsschen ab, die Rednitz, die Pegnitz, die Wiesent und in mehreren Etappen<br />
die Altmühl, immer von der Quelle bis zur Mündung auf Schusters Rappen, wie<br />
Feuerschuh und Windsandale. Wir klopften nach Fossilien in den Eichstätter<br />
Steinbrüchen und suchten die frisch gepflügten Felder nach Spuren der Kelten<br />
und Römer ab. Beliebte Ausflugsziele waren das Hermann-Oberth-Raumfahrt-<br />
Museum in Feucht, die Dinkelsbühler Kinderzeche und die Luisenfestspiele in<br />
Wunsiedel. Als neue Attraktionen kamen die Lohengrin-Therme in Bayreuth<br />
für die Großen und der Playmobil FunPark in Zirndorf für die Kleinen dazu.<br />
Und natürlich hetzt die Mama jedes Mal auch noch zu den Dassler-Brüdern<br />
nach „Herz’iAurach“ um die Familie mit neuem Turnzeug – mit Raubkatze oder<br />
dreigestreift – aus dem Fabrikverkauf einzudecken.<br />
„Ein Maler in Franken braucht nur zwei Farben- grün und rot“ lamentierte unser<br />
Kunstlehrer Böhm. Grün für die Bäume und rot für die spitzgiebeligen Dächer,<br />
die jedem gleich auffallen, auch wenn er nur mit dem ICE auf dem Weg nach<br />
München durchs Fränkische rast. Wer ein bisschen mehr Zeit hat, um durch<br />
ein fränkisches Dorf zu stromern, dem fallen die typischen Hoftore auf: Ein<br />
Fußgänger- und ein Werkstor nebeneinander und nicht wie anderswo knauserig<br />
ineinander gebaut. Ein kleines Bauerngärtlein gehört immer dazu – farbenfroher<br />
als die monotonen Allgäuer Geranienkästen. Oft ziert auch noch eine umfriedete<br />
Wehrkirche das Dorf. Doch von den Familienwappen darin hängen immer mehr<br />
kopfüber – die Geschlechter sind erloschen.<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
16
Serie<br />
Rot sind neben den Ziegeldächern auch oft die Sandsteinmauern, zumindest in<br />
der Nürnberger Gegend. Der Boden dort ist sandig, hochstämmige Nadelwälder<br />
prägen das Umland, Blaubeergestrüpp und alles, was Sand mag, gibt es dort.<br />
Zum Beispiel auch wunderbaren Spargel im Nürnberger Gemüsegarten, dem<br />
Knoblauchsland. Doch viel mehr gibt der Boden nicht her. Seine großen<br />
wirtschaftlichen Erfolge hat Nürnberg daher auch nicht in der Landwirtschaft<br />
erzielt sondern als günstig gelegene Handelsstadt auf der Achse Prag-<br />
Rotterdam. Dort drehte sich allerhand in der Nürnberger Blütezeit, dem Hoch-<br />
und Spätmittelalter. Auch nach dem zweiten Weltkrieg machte sich der alte<br />
umtriebige Nürnberger Unternehmergeist bemerkbar, und Firmen wie Siemens,<br />
Schöller, MAN, AEG, Grundig oder Triumph-Adler hatten maßgeblichen Anteil<br />
am deutschen Wirtschaftswunder. Tüftler und Handwerker nutzten schon früh<br />
die schnellwachsenden Fichten – zum Beispiel für den Bleistiftbau. Staedtler,<br />
Schwan-STABILO und Faber Castell haben alle ihren Firmensitz immer<br />
noch im Umland. Auch der berühmte Christkindlesmarkt war als Messe der<br />
Holzbauerzunft entstanden. Wer nicht Mitglied der Innung war, durfte nicht<br />
ausstellen, daher hat sich das einheitliche Erscheinungsbild bis heute gehalten.<br />
Große Dinge konnte man auf dem engen Hauptmarkt aber nicht verkaufen,<br />
daher verkünstelten sich die Nürnberger unter anderem im Holzspielzeug. Im<br />
nahe gelegenen Bubenreuth entstand durch die zugezogenen Hugenotten ein<br />
Instrumentenbauerzentrum, das immer noch erstaunte Journalisten anzieht.<br />
Wer außer den „Holzerern“ ebenfalls Gefallen an den Nadelwäldern hatte,<br />
das waren die Bienen. Sie lieferten die Basis für zweierlei: Das Wachs für den<br />
Formenbau der Metallgießer, die wie Peter Vischer damals europaweit die<br />
Kirchen und Plätze schmückten. Und den Honig, der ab dem 14. Jahrhundert<br />
in den Männerklöstern der Gegend zu einem nahrhaften und extrem lange<br />
17<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Serie<br />
haltbaren Fladen verbacken wurde, den man heute unter dem Namen Lebkuchen<br />
kennt. Womit wir schon mitten in der Küche stehen.<br />
Ein schwarz-weisses Bratwurstbild sieht nicht lecker aus, aber das Wirtshaus!<br />
Und die ist bekanntermaßen deftig. Models kommen daher keine aus Franken,<br />
dafür schmeckt’s zu gut. Jürgen Teller, der schon lange in Amerika lebt, hat<br />
angeblich das Foto eines gebackenen Karpfens an der Wand hängen und das<br />
Heimatgefühl, das er damit verbindet, sind die großen Portionen, die man in<br />
Franken immer aufgetischt bekommt. Der aischgründer Spiegelkarpfen, der sich<br />
nur dann noch auf dem Teller krümmt, wenn er wirklich frisch aus dem Teich<br />
kommt, gehört in den Monaten mit „R“ jedenfalls zu den Top-Hits der fränkischen<br />
Küche. Dazu kommt viel Schweinernes: Das Schäufele, ein besondere Art des<br />
Zuschnitts der Schweineschulter und knuspriger Schweinsbraten mit viel Kruste,<br />
alles ein wenig kräftiger als in der bayerischen Küche, was man auch den Knödeln<br />
anmerkt, die keinesfalls halb-und-halb mit gekochten Kartoffeln, sondern gerne<br />
auch „roh“ gegessen werden. Und natürlich die Bratwürste! Außen herum ist<br />
je nach Größe Schweine- oder Schafsdarm, innen das „Bratwurstgehäck“ vom<br />
Schwein und mit des Franken Lieblingskraut, dem Majoran, kräftig gewürzt.<br />
Ob man sie nürnbergerisch fingerlang oder fränkisch bleistiftlang isst, sobald<br />
noch das obligatorische Sauerkraut mit Schmalz dazu kommt, liegen alle<br />
Verdauungsorgane für mehrere Stunden im Koma, vor allem die Galle dreht<br />
durch. Der Franke aber schont sich nicht, sondern kippt sich gleich noch ein<br />
„Seidla“ dazu, eines der viele hellen Biere, die im Brauereiparadies Franken in<br />
vielen kleinen Haus-Brauereien entstehen.<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
18
Serie<br />
Angeblich besitzt der Bezirk Oberfranken die höchste Brauereidichte<br />
Deutschlands und somit auch der Welt. So kommt es, dass fast jeder Franke<br />
seine bevorzugte Hausmarke hat, von der er auch selbstverständlich seinen<br />
eigenen Vorrat mit auf Feiern mitbringt. Denn zuzumuten ist es ja nicht, dass ein<br />
Freund des Weissenohener Landbiers eine Flasche Hetzelsdorfer in die Hand<br />
nehmen muss.<br />
Während die Nachbarn in den anderen bayerischen Provinzen das Wort „Bier“<br />
immerhin noch buchstabieren können, setzt es spätestens beim Wein aus, es<br />
gibt nämlich keinen bayerischen Wein. Der Frankenwein hingegen - einst als<br />
sauere Plörre verschrieen - konnte in den letzten beiden Jahrzehnten an Qualität<br />
gewinnen und wird auch außerhalb der Region inzwischen verkauft und zwar<br />
nicht nur wegen seiner ulkigen Bocksbeutel-Verpackung sondern zunehmend<br />
auch wegen des Geschmacks. Die steilen Weinhänge in der Würzburger<br />
Mainschleife kennt jeder, der mal mit den Zug durchgefahren ist, hier wachsen<br />
Silvaner und Müller-Thurgau. Doch es gibt auch kleine Anbaugegenden am<br />
Untermain, wo man Burgundertrauben anbaut.<br />
19<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Serie<br />
Natürlich muss einer das Ganze im Griff haben, und das ist in diesem Fall<br />
der heilige Kilian, Schutzpatron der Winzer und der Franken. Seit dem 7.<br />
Jahrhundert hält er seine Hand schützend über die Region und sorgt dafür, dass<br />
durch die Widrigkeiten der Weltgeschichte wenig dauerhafter Schaden entstand.<br />
Und Unbill gab es ja nun auch. Schließlich war „der Adolf“ in der Stadt der<br />
Reichsparteitage sehr präsent und später war Nordbayern als Grenzgebiet zur<br />
so genannten Ostzone auch vom „Ami“ mit einem Netz aus Stützpunkten<br />
überzogen worden – alles keine wirklichen Franken. Doch alle sind sie<br />
irgendwann gegangen und die Franken haben wieder ihre Ruhe. Frank und frei<br />
also? Wenn man Janis Joplin glaubt, dann ja, schließlich singt sie „Freedom is<br />
just another word for nothing left to lose“… und das trifft nun in der Tat zu.<br />
Ja, ich mag Franken! Und das fällt wahrscheinlich umso leichter, wenn man wie<br />
ich weit weg ist und sich nicht mit dem Missmut und der Unfreundlichkeit seiner<br />
Bewohner herumschlagen muss. Doch der Trick ist: man darf zurückpfopfern,<br />
gegen ein ehrliches „selber Drecksack!“ wird niemand etwas einzuwenden<br />
haben.<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
20<br />
Franziska Sörgel
Serie<br />
Hallo Thüringen ….<br />
… und Tschüß, La Paz<br />
Es ist soweit – schneller als einst gedacht und geplant – ich muss nach erst einem<br />
Jahr der recht turbulenten Gewöhnung an das Leben in dieser brodelnden Stadt<br />
und die Arbeit in der Deutschen Schule schon wieder an die Rückkehr denken.<br />
Eine Rückkehr in eine Region, die es in sich hat: Thüringen, das gern „das grüne<br />
Herz Deutschlands“ genannt wird.<br />
Zu Recht, denn dort befinden sich die größte zusammenhängende Waldfläche<br />
der Bundesrepublik und auch der geografische Mittelpunkt, ganz nah bei Erfurt,<br />
der teilweise noch mittelalterlich geprägten Landeshauptstadt.<br />
Und es gibt noch zahlreiche andere Superlative, die bemerkenswert sind aus<br />
1.500 Jahren Kultur-, Wissenschafts- und Wirtschaftsgeschichte.<br />
Ich muss gestehen, dass ich während des Sammelns von allerlei Interessantem<br />
und Wissenswertem selbst staunte und zuletzt ziemlich stolz war, in welcher<br />
Umgebung ich aufgewachsen bin und welche ich nun ab Januar wieder als<br />
Heimat erleben und genießen darf.<br />
Meinem befreundeten Kollegenpaar und gleichzeitigen Redakteuren des<br />
Moblas - Katrin Schönlein und Frank Schwanbeck - entgegnete ich sofort<br />
– nachdem sie mich um einen Beitrag über Thüringen gebeten hatten – ich<br />
würde mich sehr kurz fassen, da ich wenig Zeit habe… das fällt mir nun sehr<br />
schwer.<br />
Nun ich bin so frei und empfehle allen Lesern und Reisefreudigen schlichtweg<br />
die Wikipedia-Website http://de.wikipedia.org/wiki/Thueringen.<br />
Da steht all das ausführlicher beschreiben, worüber man staunen kann, z. B.<br />
dass dort folgende Menschen gelebt, gearbeitet und tiefe Spuren hinterlassen<br />
haben:<br />
- Johann Wolfgang von Goethe (Dichter, Schriftsteller)<br />
- Friedrich Schiller (Dichter, Schriftsteller)<br />
- Johann-Sebastian Bach (Komponist)<br />
- Martin Luther (Reformator, Übersetzer der Bibel)<br />
- Elisabeth von Thüringen (Landgräfin, Heilige)<br />
- Lucas Cranach der Ältere (Maler, Grafiker)<br />
- Anna Amalia (Herzogin von Sachsen-Weimar)<br />
- Christoph Martin Wieland (Dichter, Übersetzer und Herausgeber)<br />
- Johann Gottfried Herder (Theologe der Weimarer Klassik)<br />
- Franz Liszt (Komponist, Dirigent und Musikschriftsteller)<br />
- Friedrich Böttger und Hans Macheleidt (die Erfinder des Porzellans in<br />
Europa)<br />
21<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Serie<br />
- Thomas Müntzer (Führer im Bauernkrieg)<br />
- Till Eulenspiegel (ein Schelm)<br />
- Otto Dix (Maler)<br />
- Konrad Duden (der Autor des wohl meistgelesenen Buches in deutscher<br />
Sprache)<br />
-Friedrich Fröbel („Revolutionär“ der frühkindlichen Pädagogik und<br />
Begründer des<br />
ersten Kindergartens der Welt)<br />
Die Geschichte dieser Region ist wirklich sehr reich, natürlich auch mit<br />
Ereignissen aus düsteren Zeiten, wofür zum Beispiel Buchenwald steht, das<br />
ehemalige KZ bei Weimar, auch der Stadt der Dichter und Denker sowie der<br />
ersten demokratischen Verfassung Deutschlands.<br />
Auf besagter Website steht auch, dass Thüringen ein Paradies ist für Wanderer,<br />
für Radler, für Paddelbootbegeisterte, für Skifahrer. Das kann ich ohne Zögern<br />
bestätigen, aus eigener Erfahrung.<br />
Was kann man noch so dort zum Staunen finden?<br />
• den größten Stausee Deutschlands (Saaletalsperre)<br />
• eine der ältesten Lindenbäume unseres Landes<br />
• das erste Hochhaus auf deutschem Boden (Jena, erbaut während des I.<br />
Weltkrieges)<br />
• den ersten Gartenzwerg unserer Zivilisation, 1880<br />
• die besten, würzigsten Rostbratwürste und<br />
die zartesten Kartoffelklöße… weltweit<br />
• das älteste Reinheitsgebot deutschen Bieres aus Weißensee 1434<br />
• die farbenprächtigsten Höhlen der Erde (Saalfelder Feengrotten)<br />
• die wohl besten optischen Geräte weltweit (Jenoptik, ehem. Zeiss)<br />
• das älteste noch bespielte Theater Deutschlands (Hildburghausen)<br />
• das größte Tanz- und Folkfestival Europas (immer am ersten<br />
Juliwochenende in Rudolstadt)<br />
• einen wirklich sehr schiefen Turm (Oberkirche Bad Frankenhausen)<br />
• Gold… (im Schwarzatal)<br />
• die einzige unter Denkmalschutz stehende Golfanlage Deutschlands<br />
(bei Oberhof)<br />
• die einst größte Kirchenglocke des Abendlandes („Gloriosa“, Erfurter<br />
Dom, 1251 bzw. 1434)<br />
• den größten Rummel Thüringens ( das „Vogelschießen“ in Rudolstadt<br />
im August)<br />
• die steilste Standseil-Normalspur-Bergbahn der Welt (Oberweißbach)<br />
Wer von diesen Fakten noch nicht genug verlockt wird – es gibt auch noch<br />
den Kaltennordheimer Heiratsmarkt, den berühmten Weimarer Zwiebelmarkt<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
22
Serie<br />
oder das Krämerbrückenfest in Erfurt, jedes Jahr. Es gibt unglaublich viele<br />
Burgen und Schlösser, und es lohnt sich nicht nur, die Wartburg bei Eisenach<br />
zu besuchen!<br />
Immerhin hat Thüringen beispielsweise auch noch durch einen Brückenbauer<br />
Ruhm erlangt – Johan August Röbling – der im 19. Jh. die New Yorker Brooklyn-<br />
Bridge erbaute, ebenso durch den Druck der ersten bayrischen Briefmarke,<br />
das bekannte Meyer´s Lexikon oder die auf einem Geheimrezpt beruhenden,<br />
mittlerweile weltweit exportierten Ankerbausteinkästen aus Rudolstadt.<br />
Genau dorthin werde ich zurückkehren, wo die Berge niedriger sind, grüner, die<br />
Luft weniger dünn, der Himmel oft weniger blau und sonnig…<br />
Ich werde mit Sicherheit viel aus meiner erlebnisreichen Zeit in Bolivien, in La<br />
Paz, mitnehmen und ich werde viel vermissen.<br />
Mein Dank und meine Anerkennung möchte ich an dieser Stelle allen<br />
Freundinnen und Freunden, die mir hier wichtige Menschen waren und<br />
bleiben, ausdrücken.<br />
23<br />
Steffi Schramm<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Hallo liebe Leser,<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
Serie<br />
Restaurant - Tipp<br />
zum Abschluss des Jahres nur noch ein ganz kurzer Beitrag aus dem Hause<br />
„Ich esse nicht zu Hause“.<br />
Wir waren im Chalet Flor de Leche. Von Montag bis Samstag ist das eine<br />
Käsefabrik. Sonntags öffnet man die Türen und bietet den Selbstgemachten<br />
in verschiedenen Gerichten an. Wem Käse schmeckt und nicht genug davon<br />
haben kann, der sollte sich einen Ausflug nach Achocalla gönnen. Es ist nicht<br />
leicht zu finden. Wenn man aus Mallasa kommt und an der Tankstelle vorbei<br />
fährt, dann geht es einen kleinen Weg nach links rein. Es passt kaum ein<br />
Auto durch. Bis zum Ende und schon ist man da. Das Ambiente ist bei einem<br />
halben Stern hängen geblieben, die Bedienung war zwar freundlich, konnte<br />
sich aber keine Auszeichnung verdienen. Das Essen an sich ist ok, aber doch<br />
schwer!!! käselastig. „Alles Käse!“, könnte man auch sagen. Meiner Frau hat es<br />
geschmeckt, mir nicht. Reservierungen kann man unter 2890011 oder 72066011<br />
machen.<br />
Das beste Eis gibt es in La Paz in der Cafeteria Heladeria Rinascimento. Das<br />
Eis ist köstlich, vor allem die verschiedenen Schokoladeneissorten hab es mir<br />
angetan. Das Eiscafé befindet sich in San Miguel, C.Claudio Aliaga 1202, Tel.<br />
2797487.<br />
So, das war‘s für dieses Jahr. Im nächsten Jahr kommt die Abschlusstournee.<br />
Nach vier Berichten wird es dann Zeit, mal wieder in Deutschland zu Hause zu<br />
kochen.<br />
Grüße an alle von CK, Karpi, Christian Karp<br />
24
Serie<br />
Die Vermessung der Erde in Peru<br />
1735 – 1745<br />
Fortsetzung vom <strong>Monatsblatt</strong> 03/10<br />
Was war bisher geschehen ?<br />
Im Jahre 1735 beschließt die königliche französische Akademie der<br />
Wissenschaften, die Bogenlänge eines Breitengrades auf einem Meridian<br />
am Äquator zu bestimmen. Mit der gleichen Messung wird am nördlichen<br />
Wendekreis in Erfahrung gebracht, ob die Erde wirklich ein Geoid sei, also<br />
eine am Äquator ausgebauchte Kugel oder dort eingeschnürt, also ein Sphäroid.<br />
Der Expedition an den Äquator gehören zehn Franzosen an, u.a. der Leiter<br />
Louis Godin, der Geograph Charles de La Condamine und der Mathematiker<br />
und Astronom Pierre Bouguer. Nach einjähriger Überfahrt trifft die Gruppe im<br />
Juni 1736 in Quito ein, damals eine Audienz des Vizekönigreiches von Peru.<br />
Die Mitglieder werden von den Honoratioren der Stadt sowie der Bevölkerung<br />
stürmisch in Empfang genommen. Bald beginnen sie mit der Vermessung einer<br />
Grundlinie nördlich von Quito für die sich anschließende Triangulation, wozu<br />
sie über ein Jahr benötigen. Aufkeimende Feindseligkeit des neuen Präsidenten<br />
der Audencia von Quito den Forschern gegenüber sowie Geldmangel zwingen<br />
La Condamine nach Lima zum Vizekönig von Spanien zu reisen. Nach acht<br />
Monaten kehrt er mit Vollmachten sowie reichlichen finanziellen Mitteln zurück<br />
und die Vermessungsarbeiten der Expedition können zügig fortgesetzt werden.<br />
Die Triangulation<br />
Die Grundlinie war in der Nähe des Äquators<br />
ausgelegt worden. Nun gilt es, in Richtung<br />
Süden eine längere Strecke in der Landschaft<br />
genau zu vermessen. Dazu bedient man<br />
sich der Triangulation, einer Kombination<br />
aus geodätischen, astronomischen und<br />
mathematischen Verfahren. Hier nur soviel:<br />
von den Endpunkten einer, sagen wir etwa<br />
in Ost – West verlaufenden Grundlinie,<br />
mit den Endpunkten A und B, wird mit<br />
dem Theodolit ein markanter Punkt C im<br />
Süden angepeilt und die Winkel zwischen<br />
der Grundlinie und den Peilungsgraden zum<br />
Punkt C gemessen (siehe Zeichnung). Man begibt sich zu Punkt C und bestimmt<br />
auf astronomischen Weg den Winkel a = Azimut, den eine der Dreiecksseiten, z.<br />
25<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Serie<br />
B. B - C mit dem Meridian, also der Nordrichtung bildet. Nun fährt man so fort,<br />
in dem man von den Endpunkten B und C einen weiteren Markierungspunkt<br />
D im Süden anpeilt, wobei B - C die neue Grundlinie darstellt. So erhält man<br />
durch das weitere Anpeilen von Punkten in der Landschaft eine Kette von<br />
Dreiecken, die sich in unserem Fall immer weiter nach Süden erstrecken und<br />
die Grundlage für genaue Entfernungsmessungen im Gelände in Kilometern<br />
und Metern bilden.<br />
Im Oktober 1737 beginnen die Expeditionsteilnehmer mit der Vermessung der<br />
Dreiecke. Sie beschließen, sich in drei Gruppen aufzuteilen, um ihre Ergebnisse<br />
gegenseitig überprüfen zu können. Jean Godin de Ordonais ist mit dem<br />
Techniker der Forscher für die Errichtung der Markierungspunkte im Gelände<br />
zuständig, wenn sich nicht vorhandene Punkte wie Kirchturmspitzen oder<br />
markante Erhebungen in der Landschaft zum Anpeilen anbieten. Louis Godin<br />
und der Spanier Jorge Juan de Santacilla bilden die eine Vermessungsgruppe<br />
sowie La Condamine, Bouguer und Antonio de Ulloa die andere. In den ersten<br />
Wochen kommen sie gut voran, das Wetter ist einigermaßen freundlich und die<br />
Gegend zunächst noch bewohnt, so dass sie in den Landhäusern der Umgebung<br />
Unterkunft finden und ihnen verlässliche Diener gestellt werden. Dies ändert<br />
sich aber mit der zunehmenden Entfernung von Quito. Bald müssen sie bei<br />
den errichteten Markierungspunkten in Zelten nächtigen, die Landschaft wird<br />
immer unwirtlicher und auf die örtlich angeheuerten Helfer ist wenig Verlass.<br />
Nicht nur, dass diese sich bei jeder sich anbietenden Gelegenheit aus dem Staube<br />
machen, sie nehmen dann auch alles mit, was nicht niet und nagelfest ist. Nur<br />
die wissenschaftlichen Geräte fassen sie nicht an, da sie diesen einen magischen<br />
Wert beimessen. Die physischen Anforderungen an die Wissenschaftler sind<br />
sehr hoch, aber trotz Krankheit, Einsamkeit und ständigem Verdruss erreichen<br />
sie mit ihren Dreiecken die Stadt Cuenca, etwa 300 km südlich von Quito. Sie<br />
beschließen, sich dort von den Strapazen der Vermessung ein wenig zu erholen,<br />
mieten sich ein Haus und leben dort eine Zeit lang alle zusammen.<br />
Der tragische Tod eines Expeditionsmitgliedes<br />
Cuenca hat etwa 20 000 Einwohner und obwohl sie die zweitgrößte Stadt der<br />
Audencia ist, ist sie wegen schlechter Straßenverhältnisse und minimalem<br />
Handel mit anderen Städten eine der Abgeschiedensten im Land. So wickelt<br />
sich das Zusammenleben der Bevölkerung in der Stadt, in der vor allem Indianer<br />
und Mestizen, einige Kreolen, in Südamerika geborenen Spanier, und wenige<br />
spanische Verwaltungsbeamte wohnen, in eigenartigen Bahnen ab, man ist<br />
extrem klatschsüchtig, man verspürt eine Abneigung gegen jede Art von Arbeit<br />
und der Pöbel ist noch roh und bösartig. So kommt es auch hier, wie schon in<br />
Quito, zu einer feindseligen Einstellung der Einwohner von Cuenca gegenüber<br />
den Franzosen und latent ist die Abneigung der Bevölkerung gegen die spanische<br />
Verwaltung. Da die Bürger von Cuenca die Vermessungsarbeiten nicht verstehen,<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
26
Serie<br />
nehmen sie an, die Forscher suchen kostbare Mineralien oder vergrabene<br />
Schätze. Soll dies der wahre Grund für die Ermordung des Expeditionsarztes<br />
Dr. Jean Seniergues gewesen sein ? Die Geschichte, die sich jetzt abspielt,<br />
könnte Stoff für eine mexikanische Telenovela hergeben: Hausarzt einer Familie<br />
alten Geschlechtes aus der Zeit der Eroberungen in Cuenca, eben dieser Dr.<br />
Seniergues, wird gebeten, in einem Streit zu vermitteln. Zwanzigjährige Tochter<br />
des Hauses, Manuela, ihres Zeichens sehr hübsch und lebensvoll, war mit Diego<br />
de León, einem auf der Gitarre klimpernden Cuencaño, verlobt gewesen; dieser<br />
hatte sie aber verlassen und statt ihrer die Tochter des Alkalden geheiratet. Herr<br />
Doktor tritt an Diego heran mit dem Vorschlag, der Familie von Manuela eine<br />
Abfindung zu zahlen, da nun niemand die Tochter mehr heiraten würde. Diego<br />
willigt erst ein, zieht aber später seine Zusage zurück mit der Begründung,<br />
Hausarzt sei nun mit Manuela liiert und er somit aller Verpflichtungen ledig.<br />
Große Entrüstung beim Arzt über diese Behauptung, er fordert Diego zum Duell<br />
mit dem Degen. Dieser kneift und erscheint nicht zum verabredeten Zeitpunkt.<br />
Folgt das große jährliche Volksfest mit Umzügen, Tänzen, Pantomimen und<br />
Stierkämpfen; Wein und vor allem Chicha fließen in Strömen. Franzosen<br />
nehmen am Stierkampf teil, wobei Herr Doktor, sicherlich etwas kühn, mit<br />
Manuela und ihrer Familie in einer getrennten Loge erscheint. Nähert sich der<br />
Loge Diego de León und macht abfällige Bemerkungen über Manuela. Hausarzt<br />
möchte die Ehre der jungen Dame retten und geht mit Pistole und Degen in<br />
den Händen gegen Diego vor. Wütende Menge, vom Alkohol beflügelt, fällt<br />
mit Lanzen, Degen und Steinen über den Arzt her und tötet ihn. La Condamine,<br />
Bouguer, Louis Godin und Jussieu wollen noch zur Hilfe eilen, werden aber von<br />
Soldaten in schwarzen Umhängen daran gehindert, wie man im Vordergrund des<br />
Bildes erkennen kann; nur mit Mühe gelingt es den Franzosen, unbeschadet ihre<br />
Herberge zu erreichen.<br />
27<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Serie<br />
La Condamine will und kann den Mord nicht ungesühnt lassen und strengt<br />
eine gerichtliche Untersuchung an, um die Mörder zu identifizieren und zu<br />
verurteilen. Der Prozess beginnt relativ zügig, doch die Rechtsprechung in der<br />
Audencia von Quito ist unberechenbar und von eigener Art. Erst nach Monaten<br />
werden die Mörder zwar ermittelt, aber nie verurteilt.<br />
Abschluss der Vermessungsarbeiten<br />
Schon bald verlassen die Forscher wieder Cuenca, vermessen noch drei weitere<br />
Dreiecke und sind im Herbst 1739 nach über zweijährigen extremen körperlichen<br />
Anforderungen am südlichsten Vermessungspunkt angelangt; im ganzen haben<br />
sie von der Grundlinie bei Quito ausgehend 43 Dreiecke angelegt über eine<br />
Distanz von rund 345 km. Bei dieser Vermessung wird mit geodätischen,<br />
astronomischen und mathematischen Verfahren die absoluten Entfernungen in<br />
Kilometern und Metern zwischen den Markierungspunkten in der Landschaft<br />
bestimmt. Danach wird der nördlichste und südlichste Markierungspunkt der<br />
Dreieckskette auf einen gemeinsamen Meridian, in unserem Beispiel auf die<br />
Punkte x und y projiziert (siehe Zeichnung); beide sollten im Gelände gut<br />
zugänglich sein. Dadurch erhält man die absolute Entfernung in Kilometern und<br />
Metern zwischen den Punkten x und y auf dem Längengrad. Nun fehlt zur<br />
Festlegung der Länge eines Breitengrades auf einem Meridian noch als dritter<br />
Arbeitsweg die Bestimmung der genauen geographischen Breite in Graden,<br />
Minuten und Sekunden der in unserem Beispiel genannten Punkte x und y.<br />
An diese Aufgabe machen sich die beiden Forscher Charles de la Condamine<br />
und Pierre Bouguer und zwar getrennt, um die Ergebnisse am Schluss<br />
vergleichen zu können. Diese astronomischen Standortbestimmungen gestalten<br />
sich ausgesprochen schwierig. Zum einen benutzen die Wissenschaftler<br />
verschiedene astronomische Geräte, zum anderen dürfen die zur Bestimmung<br />
benutzten Viertelkreise über längere Zeit nicht bewegt werden, was bei den<br />
häufigen Erdbeben in der Region kaum gewährleistet ist. Zuletzt ist in der Regel<br />
das Wetter unbeständig und erlaubt oft nur kurzzeitige Beobachtungen des<br />
Sternenhimmels.<br />
Somit ziehen sich die geographischen Ortsbestimmungen in die Länge<br />
und erst im April 1743 gleichen sich die von den beiden Wissenschaftlern<br />
getrennt ermittelten Werte soweit an, dass sie den letzten Schritt der<br />
Bogenlängenberechnung durchführen können. Dazu brauchen sie nur die vorher<br />
mit Hilfe der Triangulation gemessene absolute Entfernung in Kilometern und<br />
Metern zwischen den Punkten x und y durch die astronomisch ermittelte<br />
geographische Distanz in Graden, Minuten und Sekunden zu teilen und fast<br />
sieben Jahre nach Beginn der Arbeiten steht das Ergebnis fest : die Länge eines<br />
Breitengrades auf dem Meridian in der Nähe des Äquators beträgt 114,96 km;<br />
entbehrungsreiche Jahre der Arbeit sind damit zu einer dürren Zahl geronnen !<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
28
Serie<br />
Übrigens beträgt die Differenz zwischen den Berechnungen von La Condamine<br />
und Bouguer nur 6,5 m, eine für die damaligen Umstände bei der Vermessung<br />
unglaubliche wissenschaftliche Leistung. Da die Läge eines Breitengrades in<br />
Frankreich mit 111,18 km gemessen worden war, ist nun durch die Bestimmung<br />
eines Bogengrades am Äquator bewiesen, dass es sich bei der Gestalt der Erde<br />
um einen Geoid handelt, also um eine am Äquator ausgebauchte Kugel.<br />
Die französische Forschergruppe löst sich auf<br />
Damit sind die Vermessungsarbeiten im Frühjahr 1743 abgeschlossen und die<br />
zentrale Aufgabe, die den Forschern von der französischen Akademie mit auf<br />
den Weg gegeben worden war, ist erfüllt. Trotzdem vergehen zum Teil noch<br />
Jahre, bis die überlebenden Expeditionsteilnehmer nach Europa zurückkehren.<br />
Was hat sich in den Folgejahren ereignet ?<br />
Der Leiter der Gruppe, Louis Godin, verdingt sich als Professor für Astronomie<br />
an der Universität in Lima und kehrt 1751 nach Spanien zurück, wo er eine<br />
Anstellung als Mathematiklehrer in Cádiz annimmt. Pierre Bouguer reist über<br />
den Camino Real nach Bogotá, danach den Magdalenenstrom abwärts nach<br />
Cartagena und segelt von dort nach Frankreich, wo er 1744 eintrifft. Zwei<br />
Mitglieder der Forschergruppe sehen die Heimat nicht wieder, sie ereilt der Tod<br />
fast auf die gleiche unglückliche Weise. Der mitgereiste Uhrmacher stürzt bei<br />
der Reparatur der Uhr im Turm der Kathedrale von Quito vom Gerüst und bei<br />
dem Techniker, der sich als Architekt verdingt hatte, bricht das Baugerüst an<br />
einer Kirchenfassade zusammen und er stürzt in die Tiefe.<br />
Der neben Dr. Jean Seniergues zweite Arzt der Expedition ist Joseph de<br />
Jussieu. Er geht von Anfang an seiner Neigung als Naturalist und Botaniker<br />
nach und durchstreift, nur von einem Diener begleitet mit Mula oder Kanu<br />
über Wochen und Monate die Nebelwälder am Ostabhang der Anden und<br />
sammelt Pflanzen, Käfer und Vogelbälge. Nur selten gesellt er sich zu dem<br />
Rest der Forschergruppe oben in den Höhen der Vulkane. Im Jahr 1748, drei<br />
Jahre nach Abschluss der Vermessungsarbeiten, verlässt er Quito und gedenkt<br />
über Brasilien nach Frankreich zurückzukehren. Im Süden von Peru erfährt de<br />
Jussieu von dem Leiden der Indios, die im Rahmen der Mita für die Bergwerke<br />
von Potosí ausgehoben werden. Nun schlägt sein Herz als Arzt und über den<br />
Titicacasee reist er an den Cerro Rico, wobei dieser Bericht über die Vermessung<br />
der Erde in Peru doch noch einen Bezug zu Bolivien bekommt. Vier Jahre<br />
lang betreut er ärztlich die für die Minen von Potosí verpflichteten Indios;<br />
bei den unmenschlichen Arbeitsbedingungen damals unter Tage eine für die<br />
Gesamtheit der Minenarbeiter sicher nur begrenzte Hilfe. Schwer krank kehrt<br />
de Jussieu nach Lima zurück und erfährt, dass seine gesamten in vielen, vielen<br />
Jahren gesammelten botanischen und zoologischen Sammlungen sowie sein<br />
umfangreiches Manuskriptmaterial verloren gegangen ist. So hat ihn das gleiche<br />
29<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Serie<br />
Schicksal ereilt wie etwa 60 Jahre später den böhmischen Naturalisten Thaddäus<br />
Haenke, dem sein gesamter sehr umfangreicher naturwissenschaftlicher<br />
Nachlass durch die Wirren der Unabhängigkeit von Bolivien in Cochabamba<br />
verloren gegangen ist (siehe <strong>Monatsblatt</strong> 03/03). De Jussieu hat den Verlust<br />
seiner Sammlungen nicht verkraftet, er wird geisteskrank und kommt bis zu<br />
seinem Lebensende nicht wieder in den Besitz seiner geistigen Kräfte. Erst im<br />
Jahre 1771 kehrt er nach Frankreich zurück.<br />
Jean Godin des Odonais, ein Vetter des Expeditionsleiters Louis Godin, ist<br />
als Messkettenträger nach Südamerika mitgereist. Er heiratet 1741 Isabel,<br />
die erst dreizehnjährige Tochter von Pedro Manuel de Grandmaison, einem<br />
gutsituierten Kreolen französischer Abkunft, Besitzer einer großen Estanzia am<br />
Fuße des Chimborasso bei Riobamba. Über das tragische Schicksal der Familie<br />
am oberen Amazonas, dem nur das Ehepaar Godin und der Vater entrinnen<br />
sowie über die Rückreise von Charles de La Condamine mit der geographischen<br />
Erkundung des Amazonasstromes wird in einer dritten und letzten Fortsetzung<br />
der Vermessung der Erde in Peru im nächsten <strong>Monatsblatt</strong> berichtet werden.<br />
Christian Neumann-Redlin<br />
Cochabamba<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
30
Serie<br />
„Alle Jahre wieder ......“<br />
Advents- und Weihnachtsbräuche in Deutschland<br />
Alle Jahre wieder kommt die Advents- und Weihnachtszeit, ob hier in Bolivien<br />
oder in Deutschland. Doch was wissen wir noch von den Ursprüngen und<br />
von der Herkunft mancher Bräuche. In einer Zeit der Berieselung in den<br />
Geschäften, die schon viele Wochen vor der Adventszeit beginnt und in einer<br />
Zeit der Überflutung mit Geschenken geht das Wissen über die Advents- und<br />
Weihnachtsbräuche, auch in Deutschland unter. Deshalb möchte ich in dieser<br />
Ausgabe einige Bräuche und deren Hintergründe vorstellen.<br />
Die Lichter im christlichen Brauchtum am Adventskranz und Weihnachtsbaum<br />
sind zwar heute eine Selbstverständlichkeit, ihre Tradition reicht aber bei<br />
weitem nicht so weit zurück, wie viele heute vermuten. Weihnachtsbäume in<br />
Privathäusern gab es zwar in Einzelfällen schon im 16. Jahrhundert, allgemeine<br />
Verbreitung fanden sie aber erst im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts.<br />
Der Adventskranz<br />
Er dürfte der bekannteste Adventsbrauch sein, obwohl er der weitaus jüngste<br />
ist, wenigstens soweit es sich um die jetzige Form des gewundenen Kranzes mit<br />
den vier Kerzen und den roten, beziehungsweise violetten Bändern handelt. Den<br />
ersten Adventskranz gestaltete 1839 in Hamburg der evangelische Theologe und<br />
Erzieher Johann Hinrich Wichern. Also zunächst nur im norddeutschen Raum,<br />
aber erst ab 1930, auch in Süddeutschland und Österreich wurde der Kranz<br />
mit den vier Kerzen eingeführt. So sah man gerade erst vor genau 80 Jahren<br />
in München den ersten Adventskranz in einer Kirche. Bald hingen sie in allen<br />
Häusern. Unter dem Adventskranz wurden mit den Kindern die Adventslieder<br />
gesungen, Geschichten vorgelesen oder erzählt. Vielleicht können Sie sich noch<br />
daran erinnern, wenn Ihre Eltern im dunklen Zimmer die 1. Kerze anzündeten<br />
und Sie als kleines Kind diese ausblasen durften. Der Adventskranz als Symbol<br />
für den Kreislauf des Lebens, durchdringt mit seinen Lichtern die immer<br />
dunkleren Tage und verdeutlicht für die Christen mit der Geburt des Heilands<br />
den Sieg über die Finsternis. Die vier Kerzen deuten die vier Adventswochen<br />
an und sollen auch auf das jahrtausende Warten des jüdischen Volkes auf dem<br />
Erlöser erinnern.<br />
31<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Serie<br />
Barbarazweige<br />
Ein inzwischen in Deutschland etwas vergessener Brauch ist, dass am<br />
Barbaratag, dem 4. Dezember Obstbaumzweige geschnitten und ins Wasser<br />
gestellt werden. Sie sollen pünklich zum Weihnachtsfest erblühen und gelten als<br />
Zeichen dafür, dass die Natur nicht tot ist, sondern nur schläft. Neben Holunder-<br />
und Apfelzweigen werden heute vor allem Kirschzweige geschnitten. Im 19.<br />
Jahrhundert hatte man ganze Bäume zum Treiben gebracht und diese wurden<br />
an Weihnachten geschmückt. Somit waren sie die Vorläufer unserer heutigen<br />
Weihnachtsbäume.<br />
Ein Spaziergang im Obstgarten am Barbaratag, ohne anschließend den Schnee<br />
abschütteln zu müssen, ist sogar eine Garantie für weiße Weihnachten, wie eine<br />
alte Wetterregel unterstreicht: „Geht Sankt Barbara im Klee, kommt´s Christkind<br />
dann im tiefen Schnee!“<br />
St. Nikolaus<br />
Besonders für die Kinder ist St. Nikolaus, am 6.Dezember ein ganz besonderer<br />
Tag und dieser Brauch ist auch heute noch überall beliebt. Er ist zu einer<br />
unsterblichen Figur geworden, die jedes Jahr mit rotem Umhang, Mütze, weißem<br />
Bart und goldenem Stab Häuser und Wohnungen besucht und die Schuhe der<br />
Kinder mit Nüssen und Süßigkeiten füllt oder die Geschenke direkt überbringt.<br />
Der Nikolaus kam allerdings früher in rustikaler Kleidung. Auf einem Bild<br />
von 1809 trug er Kniebundhose und einen großen Hut mit breiter Krempe. Der<br />
echte Nikolaus, Bischof von Myra, einer Hafenstadt in Kleinasien, die heute zur<br />
Türkei gehört, lebte dort im 4. Jahrhundert. Die Verehrung des Bischofs breitete<br />
sich über ganz Europa aus und er wurde zur Symbolfigur des Retters der Armen<br />
und Notleidenden, der Kranken und Schwachen, der Großen und der Kleinen.<br />
Es müssen Erwachsene gewesen sein, die irgendwann auf die Idee gekommen<br />
sind, dem guten Nikolaus einen furchteinflößenden Begleiter an die Seite zu<br />
stellen. So ungefähr ab der Mitte des 17. Jahrhunderts kommt der Nikolaus<br />
nämlich nicht mehr allein, sondern mit Knecht Ruprecht zu den Kindern. Der<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
32
Serie<br />
verkündet in einem 1663 erschienenen Weihnachtsspiel mit folgenden Worten,<br />
was Sache ist: „Ich bin der alte böse Mann, der alle Kinder fressen kann.“<br />
Die Negativgestalt an der Seite von Nikolaus hat viele Namen. Ob Ruprecht,<br />
Zemper, Krampus oder Wubartl, es sind allesamt Angstmacher. Trotzdem steht<br />
auch heute noch der gute Nikolaus im Vordergrund und die Kinder lernen im<br />
Kindergarten, in der Schule oder zu hause die alten bekannten Gedichte und<br />
dazu zwei Beispiele:<br />
„O du guter Nikolaus<br />
mit dem Bart und Besen,<br />
leer’ dein Säcklein bei uns aus!<br />
Wir sind brav gewesen.“<br />
„Holler, boller Rumpelsack<br />
Niklas trägt sie huckepack,<br />
Weihnachtsnüsse gelb und braun,<br />
runzlich – punzlich anzuschaun.“<br />
Ursprünglich war der Nikolaustag auch der Tag der Weihnachtsbescherung.<br />
Diese wurde dann, seit etwas 100 Jahren auf den Weihnachtstag verlegt und die<br />
Geschenke brachte von nun an das Christkind.<br />
Doch leider vermischen sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr die Figuren<br />
vom Nikolaus und vom sogenannten Weihnachtsmann. Die Figur des Santa<br />
Claus (der Name des Nikolaus in England und in den Vereinigten Staaten)<br />
wurde in England erst „entdeckt“ und ist besonders auch in den USA verbreitet<br />
und von dort kam sie wieder nach Deutschland. Dieser Weihnachtsmann ist ab<br />
November, vor allem in den Kaufhäusern und in den deutschen Fußgängerzonen<br />
zu sehen. Ebenso ist in den letzten zwei Jahrzehnten eine weitere Mode aus den<br />
USA nach Europa übergeschwappt und so erstrahlen von Jahr zu Jahr immer<br />
mehr, von innen leuchtende Nikoläuse oder Rentierherden mit Leuchtschläuchen<br />
die Vorgärten, Balkone und Giebelfronten, bereits zur Vorweihnachtszeit in<br />
hellem Lichterglanz.<br />
Der Weihnachtsbaum<br />
Die Entwicklung des Weihnachtsbaumes hatte keinen eindeutigen Anfang. Es<br />
soll 1611 in Schlesien der erste kerzengeschmückte Tannenbaum im Schloß der<br />
Herzogin Dorothea Sybille von Schlesien gestanden haben. Jedenfalls trat er<br />
im 19. Jahrhundert von Deutschland ausgehend seinen Siegeszug um die Welt<br />
an. Den kerzengeschmückten Fichten- oder Tannenbaum soll 1806 in Bayern<br />
Kurfürst Maximilian <strong>IV</strong>. eingeführt haben. Nach Verdrängen der Obstbäume<br />
33<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Serie<br />
setzte sich der Nadelbaum in den nächsten Jahrzehnten immer mehr durch. Die<br />
Bäume trugen allerdings noch keine Lichter, es hingen lediglich Zuckerstücke,<br />
Äpfel und mit Mehl angeweißte Nüsse daran. Erst um 1870 kam der Glasschmuck<br />
aus Thüringen hinzu. Das Lametta aus Zinnfolien geschnitten, ist seit Beginn<br />
des 20 Jahrhundert bekannt. In dieser Zeit kommt auch das Engelshaar auf und<br />
die Silber- und Goldketten.<br />
Der Weihnachtsbaum blieb zunächst in den Häusern und Kirchen. Vor fast<br />
100 Jahren leuchtete 1912 der erste, mit elektrischen Kerzen bestrahlte<br />
Weihnachtsbaum auf dem Madison-Square von New York und 1924 regte in<br />
Weimar ein Straßenweihnachtsbaum zu weiteren in Deutschland an. Heute<br />
finden wir in jeder Stadt und in jeden noch so kleinen Ort, auf dem Markt- oder<br />
Dorfplatz, einen großen Weihnachtsbaum.<br />
Der größte Weihnachtsbaum steht jedes Jahr vor dem Rockefeller Center in New York – natürlich!<br />
Auch steht heute unter dem Weihnachtsbaum fast immer eine Weihnachtskrippe. Wesentlich älter<br />
ist dagegen diese Tradition, vor allem in Franken. Die Jesuiten sollen bereits vor 400 Jahren die<br />
ersten Krippen in und um Bamberg aufgestellt haben.<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
34
Serie<br />
Die Weihnachtszeit im Nationalsozialismus<br />
Die Weihnachtszeit und ihre Bräuche wurde in Deutschland in der Zeit des<br />
Nationalsozialismus allerdings arg missbraucht und erlebten somit auch ihre<br />
Schattenseiten. Reich illustriert und oft mehrere hundert Seiten lang, enthielten<br />
die im Jahr 1939 neu gedruckten Weihnachtsbücher viele Märchen, Gedichte,<br />
Lieder, Geschichten und Rezepte. Dazwischen hatten allerdings die Herausgeber<br />
geschickt Sachtexte eingefügt, die zum Beispiel von den germanischen<br />
Wurzeln des Weihnachtsfestes handelten oder Vorschläge für „artgerechtes<br />
Brauchtum in der Vorweihnachtszeit“ machten. Mit großer Konsequenz<br />
wurden alle christlichen Elemente des Weihnachtsfestes gestrichen und durch<br />
nationalsozialistisches Gedankengut ersetzt. Aus dem Christkind wurde das<br />
„Lichtkind“ und Maria wurde als „das Urbild der deutschen Frau“ gepriesen.<br />
Die Weihnachtslieder aus den kirchlichen Gesangbüchern tauchten nun unter<br />
Beibehaltung der bekannten Melodien, aber mit neuen Texten versehen, auf.<br />
Gleichzeitig erschienen Weihnachtslieder, die „den neuen Geist atmeten,“ diese<br />
wurden speziell in den Schulen und bei den Nazi-Weihnachtsfeiern gesungen.<br />
Alledings bestanden die Ehefrauen zu Hause aber darauf, vor dem Christbaum<br />
in der Stube die christlichen Weihnachtslieder zu singen. Auch hätte man in den<br />
folgenden Kriegsjahren, draußen an der Front oder im Lazarett am Heiligen<br />
Abend viel lieber „Stille Nacht, heilige Nacht“ gesungen, denn das hätte dem<br />
Soldaten „mehr Kraft zum Durchhalten“ gegeben. Soviel zu diesem dunklen<br />
Kapitel.<br />
Noch eine Anmerkung zum wohl bekanntesten Weihnachtslied auf der Welt<br />
„Stille Nacht, heilige Nacht.“ Am Heiligabend 1818 führten der Arnsdorfer<br />
Dorfschullehrer und Organist Franz Xaver Gruber und der Hilfspfarrer Joseph<br />
Mohr in der Kirche St. Nikolaus in Oberndorf bei Salzburg in Österreich<br />
dieses Lied erstmals auf. Aber erst im Jahre 1832 wurde dieses mit anderen<br />
Tiroler Liedern in Leipzig vorführt. Dort gewann vor allem diese Melodie die<br />
Aufmerksamkeit der Zuhörer. Von dort aus trat es seinen Siegeszug durch die<br />
deutschen Länder und später um die ganze Welt an. Heute gibt es Übersetzungen<br />
in mehr als 300 Sprachen.<br />
35<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Serie<br />
Und wie erleben wir heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, die Weihnachtszeit<br />
und ihre Bräuche in Deutschland. Leider stehen immer mehr gestresste Eltern,<br />
mit von Geschenken überhäuften Kindern, vor dem Weihnachtsbaum. Durch<br />
die wochenlange Berieselung haben die Menschen schon die Weihnachtszeit<br />
überdrüssig, bevor sie mit dem Weihnachtsfest beginnt. Doch es gibt auch<br />
Lichtblicke und so gelingt es auch viele junge Familien, wieder andere<br />
Schwerpunkte in dem Vordergrund zustellen – mehr Zeit und Muße für die<br />
Kinder und sich selbst in der Advents- und Weihnachszeit zu haben. Nach dem<br />
Motto: „Weniger ist mehr!“ – in diesem Sinne eine Frohe Weihnachtszeit!<br />
Andreas Motschmann<br />
Gedicht<br />
Als ich ein Kind noch gewesen<br />
das ist schon lange her,<br />
da war Weihnachten noch ein Erlebnis,<br />
ein Märchen und noch vieles mehr.<br />
Es gab nur kleine Geschenke,<br />
denn wir waren nicht reich,<br />
doch die bescheidenen Gaben,<br />
kamen dem Paradiese gleich.<br />
Da gab es Äpfel und Nüsse,<br />
mitunter auch ein paar Schuh<br />
und wenn die Kasse es erlaubte ein kleines Püppchen noch dazu.<br />
Wie war doch das Kinderherz selig<br />
Für all diese herrliche Pracht<br />
und es war ein heimliches Raunen um die Stille heilige Nacht.<br />
Aus dem schönsten der christlichen Feste<br />
hat der Mensch einen Jahrmarkt gemacht,<br />
er wünscht sich vom Besten das Beste<br />
und vergisst dabei den Sinn der Heiligen Nacht.<br />
Karl Tischler<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
36
Wer.Wie.Was.<br />
Serie<br />
Ein nahes Ausflugsziel für Paceños: der Yachtclub in<br />
Huatajata<br />
Auf halbem Weg nach Copacabana kommt man am Yachtclub Boliviano (YCB)<br />
vorbei, der früher viele Mitglieder aus der deutschen Kolonie hatte. Schon<br />
bei der Gründung vor über 60 Jahren waren sie dabei. Damals stellten sie die<br />
meisten Segler, während die Bolivianer Motorboote vorzogen.<br />
Heute ist der Club mit 45 Mitgliedern recht international ausgerichtet, um die<br />
10 Segelyachten liegen im Hafen, wohl doppelt so viele Motorboote und etliche<br />
kleine Segler wie Optimist und ähnliche, sowie Paddelboote, Kanus und Kajaks,<br />
die meist von den Mitgliedern fast kostenlos benutzt werden können.<br />
Mehrmals im Jahr werden gemeinsame Ausfahrten organisiert, als Tagesfahrten<br />
in die nähere Umgebung oder übers Wochenende zur Sonneninsel, Copacabana<br />
oder sogar bis Puno. Ende Oktober 2010 ist wieder die Sonneninsel angesagt.<br />
Die Segelboote organisieren Regatten, meist mit den Schulbooten der Marine<br />
zusammen. Auch werden Regatten der lokalen Segler ausgerufen.<br />
Das Restaurant serviert am Wochenende gute Forellengerichte, Cebiche, Steaks<br />
und vieles mehr, wobei auch Gäste willkommen sind.<br />
Der Club bietet zwei Möglichkeiten Mitglied zu werden: als festes Mitglied,<br />
was 2000$ Eintrittsgebühr kostet und 235Bs pro Monat. Für das eigene Boot<br />
zahlt man Bs24/Fuß Bootslänge. Wer sich nur für begrenzte Zeit in Bolivien<br />
aufhält, ist für Bs 250/Monat (Plan „Socio Amigo“) dabei. Mehr information<br />
beim Clubsekretär Jorge Arandia [jorgearandiaa@yahoo.es].<br />
37<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Serie<br />
Während der Regatta, vor dem Hafen am 17.10.2010<br />
Fertigmachen zur Segelbootregatta<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
38
Kultur<br />
Una experiencia inolvidable…<br />
Jose Andres Navarro Silberstein, Schüler der 9. Klasse des Colegio<br />
Aleman, ist vielen Lesern sicher von früheren Konzerten bekannt.<br />
Im April diesen Jahres konnte er zuletzt mit einem von 400 begeisterten<br />
Zuschauern frenetisch aufgenommenen Konzert 2400 Dollar für einen guten<br />
Zweck einspielen.<br />
Jose spielt seit seinem 4. Lebensjahr Klavier, nimmt seitdem regelmäßig<br />
Unterricht. Nach eigener Aussage gehören harte Arbeit, d.h. täglich 2 Stunden<br />
Übung, am Wochenende 4 Stunden täglich und eine totale Begeisterung für<br />
Musik dazu, um so erfolgreich spielen zu können.<br />
Im September hatte Jose Andres die Gelegenheit, als einer von weltweit 15<br />
jugendlichen Pianisten an einem Wettbewerb der „Crane School of Music“ in<br />
den USA teilzunehmen.<br />
Im folgenden Bericht beschreibt Jose Andres seine Erfahrungen und Erlebnisse<br />
während seines Aufenthaltes in den USA.<br />
Frank Schwanbeck<br />
Entre el 10 y 12 de septiembre, tuve la gran oportunidad de participar en<br />
“The Julia Crane Internacional Piano Competition” (5ª Versión), una de las<br />
competencias más importantes en Estados Unidos, en SUNY Potsdam, N.Y.<br />
“The Crane School of Music”, la escuela en la que se llevó a cabo el concurso,<br />
tiene una larga historia de excelencia y tradición en la educación musical y el<br />
rendimiento; y, es una “All-SteinwaySchool”.<br />
Como todos los aspirantes, envié una grabación en un CD con tres piezas de<br />
diferentes estilos. De un gran número de solicitantes nacionales e internacionales,<br />
logré clasificar al concurso, al cual solo quince pianistas entre 14 y 18 años<br />
fueron aceptados para competir en éste gran evento. Tuve el privilegio de no solo<br />
ser uno de los más jóvenes del concurso, sino también el único latinoamericano.<br />
Al igual que los demás participantes, todos artistas realizamos en la ronda<br />
preliminar una audición de 12 minutos con fragmentos de exigentes piezas<br />
musicales de memoria, sin partituras y ante un exigente y selecto jurado, que<br />
evaluó tanto la variedad, originalidad y dificultad de sus programas, así como<br />
nuestra habilidad técnica.<br />
En ese fin de semana disfruté del fabuloso festival, el cual nos ofreció a todos<br />
los participantes variadas actividades con afamados pianistas, pedagogos y<br />
39<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Kultur<br />
profesores de renombre internacional. Esta fue una gran ocasión para hacer<br />
nuevas amistades y excepcionales músicos de diversas nacionalidades. Sin duda<br />
alguna, fue la experiencia más maravillosa, intensa y enriquecedora de toda mi<br />
vida.<br />
Consciente de que éste es el primero de mis logros internacionales y el mayor<br />
impulso para continuar trabajando en lo que más me apasiona desde que era<br />
niño, aseguro que cuando se construyen sueños que se hacen realidad, hay que<br />
seguir soñando y apuntando a lo más grande.<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
40<br />
José Andrés Navarro Silberstein<br />
S1A<br />
Colegio Alemán, Mariscal Braun
Kultur<br />
4. 4. Konzert von Felix Raffel<br />
Junger Künstler liefert interessante und abwechslungsreiche<br />
Darstellung<br />
Zu einem interessanten und abwechslungsreichen Benefizkonzert kam es am<br />
01.10.2010 in der Deutschen Schule. Unter dem Titel „Classic meets film music“<br />
versuchte der junge Pianist und Filmkomponist Felix Raffel mit Unterstützung<br />
der Deutschen Botschaft, dem Deutschen Kulturverein und natürlich dem<br />
„Colégio Alemán Mariscal Braun“ die beiden Gebiete Klassik und Filmmusik<br />
miteinander zu verknüpfen. Die Einnahmen des Konzerts sollten an das<br />
Sozialwerk „Arco Iris“ gehen, das laut dem Gründer und Vorsitzenden Pater<br />
Josef Neuenhofer, der im Augenblick in Deutschland auf „119 Veranstaltungen“<br />
und Vorträgen versucht Unterstützung zu finden, auf „jede Spende angewiesen<br />
ist.“<br />
Ungewöhnlich an der Vorführung war schon die Umgebung. Während die<br />
drei vorausgegangenen Konzerte Raffels im Foyer der Deutschen Schule<br />
stattfanden, wurde die vierte, total ausverkaufte Darbietung auf die Bühne der<br />
Turnhalle verlegt, zu der sich die 130 Zuhörer durch nur einen etwas engen<br />
Aufgang hinauf zwängen mussten. Der zweite Zugang war nämlich durch die<br />
etwas aufwendigen elektronischen Steuer- und Technikanlagen versperrt, die für<br />
die Vorstellung notwendig waren.<br />
Als Einstieg wurde ein kurzer Dokumentarfilm gezeigt, in der aus der Perspektive<br />
eines Kindes die durch Ignoranz begründete, negativ verlaufende Zukunft der<br />
Menschheit gezeigt wird. Zu dem witzigen und sozialkritischen Spot „Jugend<br />
denkt Um.Welt“ hat Felix Raffel die Musik geschrieben. Sie kam im Juli 2010<br />
in der spanischen „Ciudad de Ubeda“ bei den diesjährigen Jerry Goldsmith-Awards,<br />
einem der weltweit wichtigsten Wettbewerbe für Nachwuchs-Filmkomponisten,<br />
in der Kategorie „Beste Musik für einen Werbespot“ in die Endausscheidung<br />
der letzten fünf Beiträge.<br />
Felix Raffel begann sein eigentliches Konzert mit Ludwig van Beethovens<br />
Klaviersonate Nr. 21 in C-Dur op. 53, auch bekannt als Waldstein-Sonate, die<br />
als eine der wichtigsten und bekanntesten Klaviersonaten aus Beethovens<br />
mittlerer Schaffensperiode gilt. Dem jungen Pianisten standen wegen anderer<br />
dringender Termine nur fünf Tage zur Verfügung, um sich wieder mit dem Werk<br />
vertraut zu machen, das er letztmalig vor einigen Jahren live gespielt hatte. Trotz<br />
dieser kurzen Vorbereitungs- und Einspielzeit wurde das schwierige Werk, so<br />
die Reaktion eines professionellen Kritikers, „hervorragend von Felix Raffel<br />
auf dem Flügel interpretiert.“ Konzentriert und gewandt meisterte Raffel auch<br />
41<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Kultur<br />
die schwierigsten Passagen. Und ihm gelang es virtuos und meisterhaft, die<br />
verschiedenen Stimmungen der drei Sätze der konzentrierten Zuhörerschaft zu<br />
vermitteln. Begeisterter und langanhaltender Applaus war die Belohnung für<br />
den Künstler.<br />
Im zweiten Teil präsentierte der junge Pianist, der vor einigen Jahren sein<br />
Klavierstudium in Hannover mit der Bestnote abgeschlossen hat, ein Medley<br />
von 15 bekannten Filmmelodien, die er zum Teil ohne Übergang miteinander<br />
verknüpft hatte. Um diesen Programmpunkt auch für die Zuhörer spannend<br />
und interessant zu machen, ließ er Lösungszettel verteilen, auf denen die Titel<br />
eingetragen werden konnten, die die Zuhörer erkannt hatten. Diejenigen mit<br />
den meisten richtigen Lösungen konnten zwei Kinogutscheine gewinnen. Es<br />
war interessant zu beobachten, wie aus Erwachsenen wieder Schüler wurden<br />
und mit allen Mitteln, also auch mit Nachbarschaftshilfe und Abschreiben,<br />
versucht wurde, an die richtigen Lösungen zu kommen. Immerhin schafften<br />
es 2 Schüler der Deutschen Schule in „Gruppen- oder Teamarbeit“ 11 richtige<br />
Titel zu benennen.<br />
Nach der Pause improvisierte Felix Raffel live zu einem Film, in dem<br />
verschiedene, langsam wechselnde und ineinander übergehende Farben gezeigt<br />
wurden und bei dem er versuchte die jeweiligen Stimmungen wiederzugeben.<br />
Die z.T. freien Improvisationen, die der Filmkompositionsstudent auf dem<br />
Klavier nach teilweise vorgegebenen Strukturen -es war das einzige Mal am<br />
Abend, das er Noten benutzte- gemäß der wechselnden Farben spielte, ließ<br />
viele der Zuschauer perplex zurück. Sie stellten sich und dem Komponisten<br />
anschließend die Frage, wie sich aus einem malerischen Motiv Kompositionen<br />
kreieren lassen und dabei noch frei improvisiert werden kann.<br />
Überraschend und für einige Zuschauer schockierend war dann der letzte Teil des<br />
Abends. Gezeigt wurde der Film „The Boy who wouldn’t kill“, für dessen Musik<br />
Felix Raffel im Juli den diesjährigen Jerry Goldsmith-Preis in der Sparte Kurzfilm<br />
verliehen bekam. Der etwa 30minütige Film zeigt eine Miniaturgesellschaft<br />
nach einem Atomkrieg, in der die Regeln des Zusammenlebens nicht mehr<br />
funktionieren und in der es nur noch um das reine Überleben geht. Einige<br />
Zuschauer waren nicht darauf vorbereitet, dass dabei eben auch brutale Szenen<br />
vorkommen konnten, die musikalisch unterlegt werden mussten. Felix Raffel<br />
zeigte in seinen Einführungsworten, welche ungeheuren Privilegien mit dem<br />
Filmkompositionsstudium verknüpft sind, konnte er doch bei einigen Szenen<br />
mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg tagelang im Studio spielen,<br />
um die einzelnen Szenen musikalisch zu untermalen. Auch in diesem Teil<br />
wurde sehr deutlich, wie der junge Filmkomponist, der sich im Augenblick in<br />
Potsdam – Babelsberg auf sein Examen vorbereitet, wandelnde Stimmungen<br />
und Emotionen musikalisch ausdrücken kann, gab es doch stetige Wechsel von<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
42
Kultur<br />
einfühlsamer und sanfter Gitarrenmusik zu monströsen Orchesterpassagen, die<br />
im Stil an die Musik Enrico Morricones erinnerten.<br />
Der sehr abwechslungsreiche und interessante Abend wurde durch eine<br />
Zugabe abgeschlossen, zu der sich Felix Raffel nach eigenen Angaben spontan<br />
entschlossen hatte, nachdem er die bei einigen Zuschauern etwas bedrückte<br />
Stimmung sah.<br />
Die Chopin-Etüde op. 10 Nr. 5 in Ges Dur zeigte dann einmal mehr die<br />
Virtuosität des jungen Künstlers und gab ihm den verdienten langandauernden<br />
Beifall für seine Leistung, von der einige Zuschauer meinten, dass es die bisher<br />
überzeugendste und beste war.<br />
Schlussendlich muss auch noch das große soziale Engagement genannt werden,<br />
das Felix Raffel zeigt. Denn auch dieses Mal, wie in den vorausgegangenen<br />
Konzerten, kam der ganze Erlös einer sozialen Institution in Bolivien zugute,<br />
in diesem Jahr der „Fundación Arco Iris“. Das Konzert spülte etwa 6.600,-<br />
Bolivianos in die Kassen der Stiftung zugunsten ihrer Heim- und Straßenkinder.<br />
Für eine Rieseninstitution wie Arco Iris ist dies vielleicht ein geringer Betrag,<br />
aber immerhin etwas, denn, wie am Anfang im Zitat von Pater Neuenhofer<br />
erwähnt, seine Stiftung ist auf jede Hilfe angewiesen.<br />
David Quispe<br />
43<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Kultur<br />
Presentación de los libros “Ururi und die Strassenkinder”<br />
(alemán) y “Ururi et les enfants de la rue” (francés)<br />
15. Feria Internacional del Libro 2010<br />
Con la presencia del Embajador de Alemania, Sr. Philipp Schauer, y de su<br />
distinguida esposa Benita, se realizó la presentación de la novela “Ururi y los sin<br />
chapa” de la escritora Gladys Dávalos Arze en francés y alemán, el 22 de agosto<br />
pasado en la Feria Internacional del Libro de La Paz.<br />
La Editorial “Elebeté”, una editorial pequeña, aún “en construcción”, con una<br />
propuesta editorial innovadora, hecha con gran esfuerzo, se dedicará de aquí<br />
en adelante a traducir obras selectas de la literatura boliviana contemporánea,<br />
con el objetivo de darla a conocer en el exterior, siendo este el comienzo de una<br />
misión a largo plazo.<br />
Según Dávalos, “el tema de la traducción literaria ha sido completamente<br />
descuidado hasta ahora en Bolivia, siendo así que existe literatura que podriamos<br />
llamar “de exportación”, aunque a primera vista no lo parezca. Hablamos de una<br />
literatura interesante que, sin duda, llama la atención en países europeos y en<br />
EE.UU. por la temática diversa y distinta que en general aborda. Es un desafío<br />
grande, pero necesario. Ya era, ya es hora de traducir la literatura boliviana,<br />
algo importante y fundamental para darle un lugar en el mundo a las letras<br />
bolivianas”.<br />
Gladys Dávalos Arze, responsable de “Elebeté”, comenta: “Fueron los mismos<br />
extranjeros los que demandaron leer las obras en su idioma materno, en este<br />
caso, en alemán, inglés y francés. De ahí nació la idea de traducir, elemento<br />
esencial para lograr que la literatura de un país exista más allá de sus fronteras.<br />
Esto ocurrió más o menos en 2005 y en 2007 la idea fue tomando forma de<br />
proyecto y ahora es una realidad”.<br />
Entre los meses de noviembre del año pasado y febrero de este año se tradujeron<br />
5 libros, que multiplicados por 3 idiomas y vistos desde la perspectiva de<br />
la Cámara del Libro, son 15. Desde un comienzo se convirtió en un trabajo<br />
compartido a nivel internacional: mientras Aurore Taillandier traducía en<br />
Paris, Marie Mendoza traducía en Achocalla y Herbert Schweikert traducía en<br />
Heidelberg. Gabriela Keseberg traducía en Bruselas y Heike Sell trabajaba en<br />
Achumani. En tanto que Virginia Garlitz traducía desde Plymouth en EE.UU.,<br />
Astrid Wind colaboraba con la revisión de algunas de las traducciones. Todo este<br />
trabajo estuvo bajo la coordinación, supervisión y revisión de Gladys Dávalos<br />
Arze.<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
44
Kultur<br />
“No todos los libros han podido ser publicados con la rapidez con la que fueron<br />
traducidos. El milagro hubiera sido que los 15 fueran presentados ahora. Sin<br />
embargo, poco a poco saldrán las obras, con preferencia las de literatura escrita<br />
por mujeres y la literatura infanto-juvenil”, añadió Gladys Dávalos Arze. “La<br />
Editorial considera justo destacar el trabajo de las escritoras. Desde fines del<br />
siglo pasado, la literatura escrita por mujeres ha ido aumentando, tanto en<br />
cantidad como calidad y merece un impulso”, complementó con entusiasmo.<br />
“En lo que se refiere a la literatura infantil boliviana, ésta se defiende sola porque<br />
ofrece tópicos distintos, interesantes y provocativos para los niños de Europa<br />
y EE.UUU, algo que sirve para ampliar sus conocimientos, su panorama y<br />
visión del mundo, sin olvidar el tema del entretenimiento, pero sin la consabida<br />
violencia. A la literatura hay que entenderla también como conocimiento y la<br />
traducción de temas bolivianos significa abrirle puertas al lector a un mundo que<br />
antes no conocía”, finalizó.<br />
La autora de la novela traducida, Gladys Dávalos Arze, agradeció a dos de las<br />
traductoras que estuvieron presentes la noche del 22 de agosto:<br />
Dávalos Arze conoció a Marie Mendoza, de nacionalidad francesa, en su calidad<br />
de bibliotecaria del colegio Franco Boliviano. Ella no dejaba que la escritora<br />
pasara de largo y siempre la invitaba a visitar “su” bien equipada biblioteca, a la<br />
que se encargó de añadir sus libros. Cuando se le habló del proyecto, hace más o<br />
menos un año, Marie se entusiasmó muchísimo, lo cual fue de gran incentivo para<br />
el proyecto. Lo anécdotico fue que cuando se le pidió que tradujera “Ururi...”,<br />
ella dijo: ”Ya lo he traducido hace algún tiempo. Sabía que esto ocurriría, de un<br />
modo u otro”.<br />
En cuanto a Heike Sell, la escritora se refirió en los siguientes términos:<br />
“A Heike Sell, de nacionalidad alemana, la conozco desde que llegó a Bolivia a<br />
trabajar en el Colegio Alemán, hace cinco años. Desde un comienzo, Heike se<br />
perfiló como una colega especial. No sólo es una gran bailarina, experta en fox<br />
trot, cha cha cha y tango (junto a su hijo Tino), sino que perfeccionó el castellano<br />
en clases intensivas con rapidez; no quería que se le hable en alemán y, lo más<br />
llamativo, se interesó por la cultura boliviana y trató de integrarse. En una de sus<br />
incursiones en el mundo cultural paceño, vino a visitar la Casa Museo de Cecilio<br />
Guzmán de Rojas. Ahí vio por primera vez mis libros y quedó algo frustrada por<br />
no poder leer “Ururi y los sin chapa” en alemán. “Mi castellano aún no alcanza<br />
para leerla ahora”. “Entonces”, le dije, “hay sólo dos opciones: o perfeccionas<br />
el castellano o traduces el libro más adelante”. No pensé que ella iba a tomar en<br />
serio lo que dije, pero he ahí que, hizo las dos cosas: llegó a adquirir un dominio<br />
impresionante del castellano y tradujo el libro. Le tomó algún tiempo hacerlo,<br />
pero si tomamos en cuenta que todo esto ha sido hecho al margen del ajetreo<br />
laboral bastante exigente, robándole tiempo al tiempo, es un gran logro. Uno<br />
45<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Kultur<br />
cuando ve el libro listo, no se imagina siquiera la enorme cantidad de trabajo que<br />
hay detrás. Hoy no me queda más que felicitarla de todo corazón, no solamente<br />
por su empeño, sino también por su generosidad”. Y, dirigiéndose especialmente<br />
a Heike, concluyó: “Tal como te prometí, el libro está siendo presentado cuatro<br />
meses antes de tu retorno a Alemania. Heike, eres una persona admirable. Para<br />
tí, toda mi gratitud y cariño”.<br />
La escritora agradeció además a la concurrencia por su presencia a la presentación<br />
de las traducciones de esta novela sobre la vida dura y descarnada de los niños<br />
de la calle de La Paz, a quienes está dedicado el libro.<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
46
Kultur<br />
HERTA MÜLLER,UNA NOBEL DE LITERATURA EN<br />
BOL<strong>IV</strong>IA<br />
Extracto de una conferencia celebrada en la Feria Internacional<br />
del Libro, en la que la autora Gladys Dávalos Arze cuenta la<br />
visita de la narradora al país, publicado el domingo 29 de<br />
agosto de 2010 en “Página SIETE”.<br />
Semblanza de la escritora alemana<br />
En noviembre de 1999 la escritora alemana Herta Müller fue invitada por el<br />
Instituto Goethe y el PEN Internacional para visitar La Paz y Cochabamba,<br />
donde habló de sus libros con el público en general y sostuvo reuniones más<br />
íntimas, con autores bolivianos.<br />
Fue un encuentro inolvidable. Aparte de representar al PEN Internacional, como<br />
Presidenta de la Filial Boliviana, también realicé la traducción y la interpretación<br />
simultánea del encuentro, en el que ninguno de los presentes podía imaginar<br />
entonces que estaba sentado al lado o al frente de un futuro Premio Nobel de<br />
Literatura.<br />
En La Paz, el encuentro oficial se llevó a cabo en el Instituto Goethe y el objetivo<br />
central era hablar del libro “La piel del zorro”. Sin embargo, era difícil, sino<br />
imposible, evitar debatir sobre la por entonces aún fresca dictadura en Rumania,<br />
donde nació Müller. Y, sobre todo, porque el libro trata fundamentalmente este<br />
tema, pero de manera poética y metafórica, que es lo que engancha de inmediato<br />
al lector.<br />
La novela es el retrato de una ciudad triste y desamparada de Rumania en las<br />
postrimerías de la era dictatorial de Nicolai Ceausescu, en la que se suceden<br />
una serie de hechos en diversos escenarios sombríos como hospitales,<br />
fábricas, cuarteles y bares. Los personajes se ven continuamente amenazados<br />
y perseguidos por el zorro, que no es otra cosa que la “Securitate” o la policía<br />
que controla hasta la respiración de sus ciudadanos, todos sospechosos de<br />
algo, generalmente de conspiración contra el estado totalitario. Lo interesante<br />
es que también figura el personaje de la oveja que, como supondrán, es aquel<br />
ciudadano sin carácter, el seguidor sin raciocinio del régimen, el denunciante.<br />
Todo esto podría apuntar a una suerte de fábula casi de tinte infantil. No lo es.<br />
Es una trama cruel, sórdida, nada placentera, dolorosa en la que se muestra de lo<br />
que son capaces los regímenes dictatoriales. Decía que, a pesar de haber sido el<br />
encuentro literario, fue difícil sustraerse ante esta realidad y Herta contó de viva<br />
voz hechos ocurridos a ella y a su familia, que nos dejaron en un silencio largo<br />
y respetuoso al enterarnos de los abusos a los derechos humanos del régimen<br />
47<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Kultur<br />
de Ceausescu. Hubiéramos querido comentar, argumentar, discutir con ella,<br />
pero ante la viva evidencia de alguien maltratado y echado de su país, sólo por<br />
pertenecer a una minoría, quedamos impresionados y no atinamos a decir nada.<br />
De alguna manera también mostramos cierta impotencia y nos limitamos en<br />
gran parte a escuchar. Todo esto nos indicó, en cierta forma, que Herta también<br />
escribía desde lo personal. Muchos de los hechos monstruosos contados en éste<br />
y otros libros, le han ocurrido o a ella y a su familia o a sus vecinos y amigos.<br />
La parte informal del encuentro fue algo más tarde, más o menos unas dos<br />
horas después, en las que abandonamos las instalaciones del Instituto Goethe<br />
e invitamos a Herta a un café cercano. Ahí, en medio de pastelillos y humintas<br />
- no recuerdo si ella tomó té o café - conversamos de manera algo más<br />
distendida, pero no del todo. Recuerdo a una Herta Müller aún bastante rígida,<br />
a la cual era difícil sacar una sonrisa y desviarla del tema. De alguna manera,<br />
continuamos enterándonos de los horrores de la dictadura en Rumania. No lo<br />
intentamos siquiera, es decir, sacarla de su rol de escritora militante, luchadora y<br />
comprometida con los derechos humanos en su país de nacimiento.<br />
“LA PATRIA ES EL LENGUAJE”<br />
Decía que Herta Müller fue echada de Rumania por pertenecer a una minoría.<br />
Sus padres eran alemanes, más concretamente emigrantes suabos: “Los suabos<br />
llegaron a la región denominada Banato hace más de trescientos años. Su<br />
lengua, un dialecto del alemán, es una más de las que se hablan en la zona<br />
multiétnica habitada por bávaros, suabos, palatinos, croatas, armenios, búlgaros<br />
y eslovacos. Esa parte del mundo es un ejemplo de la diversidad que caracteriza<br />
a Europa Media. Herta Müller nació en esa parte de Rumania y, desde muy<br />
pequeña, escribió en alemán y en rumano. Siempre dio testimonio de su horror<br />
por la dictadura de Ceaucescu. Mucho se ha hablado de su pertenencia al país<br />
natal, aunque su lenguaje sea el alemán. “Digamos que Herta es una rumana<br />
que representa a la poderosa variedad social y lingüística de Europa Media.<br />
Es, en fin, una ciudadana del país de la literatura”. Este es un comentario de la<br />
prensa española, pero ella misma afirma que la “patria es el lenguaje”, aparte<br />
que los alemanes lo han asumido siempre así. Personalmente considero a Herta<br />
Müller como a alguien que por casualidad nació en otro lugar de la tierra, pero<br />
que ella es alemana y no sólo por el lenguaje. Según mis averiguaciones, ella<br />
empezó a escribir algo en rumano a partir de sus quince años. Antes escribió y<br />
habló sólo alemán. Hasta ahora ella asegura no poder escribir en rumano, que<br />
le falta vocabulario y que sin las palabras, pues no se puede escribir. Por otra<br />
parte, considero a Herta también “muy alemana” en cuanto al estilo o, tal vez<br />
mejor dicho, a la forma de escribir. Si pensamos en García Márquez, su estilo<br />
podría ser comparado como el vaivén de una brisa tibia de palabras arropadas<br />
en una hamaca, en cambio, el estilo de Müller es como el salto de unos dados<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
48
Kultur<br />
fríos cayendo las gradas de un edificio gris con un ruido sordo y seco. Ya algún<br />
lector o lectora observó que sus oraciones son, no sólo cortas, sino cortantes,<br />
tajantes y, lo que más llama la atención: no utiliza conectores de ninguna clase.<br />
Sus textos no llegan a ser los que se escribe para un guión para una película, pero<br />
falta poco para que lo sean.<br />
Biografia de Herta Müller<br />
Nació el 17 de agosto de 1953 en Nitzkydorf en Rumania. Vive desde 1987 en<br />
Berlin, Alemania. Su padre fue miembro de la SS. El y su madre, al parecer,<br />
trabajaban en el campo en Rumania, a donde emigraron junto con gran cantidad<br />
de suabos: “Sólo mi madre era campesina”, apunta en la pág. 42, de su libro<br />
“La bestia del corazón”. Herta Müller hace figurar al padre en sus obras como<br />
alcohólico. Uno puede imaginarse que su propio padre bebía en demasía,<br />
probablemente para olvidar su pasado nazi. En cuanto a las recriminaciones<br />
sobre el pasado nazi de su padre, es necesario mencionar que Müller nunca ha<br />
negado este hecho, es más, en la obra “La bestia del corazón” ella escribe en la<br />
página 137: “¿Acaso alguien puede escoger a su padre?”<br />
Herta estudió Filología Germánica y Románica en la Universidad de Timisoara<br />
y más adelante se vio obligada a abandonar Rumania por defender los derechos<br />
de la minoría alemana.<br />
Ha escrito varios libros: “Der Teufel sitzt im Spiegel”, “Der Koenig verneigt<br />
sich und toetet”; algunos están traducidos al español, como “El hombre es un<br />
gran faisán en el mundo”, “La piel del zorro”, “La bestia del corazón” y, el más<br />
reciente, “Atemschaukel” (“Vaivén del miedo”). La parte más novedosa son sus<br />
poemas, habilidad que sólo dio a conocer después de obtener el Premio Nobel<br />
de Literatura.<br />
A Herta Müller le gusta ser una figura pública. Recibe premios. Da conferencias.<br />
Da charlas, firma libros. Concede entrevistas, una de las principales ha sido la<br />
del popular “sofá azul” y deja que la fotografíen. Se viste de negro total y ahora<br />
lleva el pelo extremadamente corto, pero a lo largo de su vida ha cambiado de<br />
color de cabello y de tamaño innumerables veces.<br />
La obra de Müller<br />
No hay variedad de temas en la obra de Herta. Su obsesión por escribir sobre la<br />
situación de las minorías en las dictaduras socialista-comunistas no es tan fácil<br />
de entender, sobre todo, porque en la vida real ella se casó con uno de los altos<br />
líderes del partido comunista en Rumania. Pero los seres humanos somos de por<br />
sí contradictorios. Más adelante se divorció de él y tengo entendido que ahora<br />
vive sola y no tiene hijos.<br />
49<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Kultur<br />
Tiene la fama de ser una maestra en prosa lírica o poética. Esta fama es justificada,<br />
porque en todos sus libros utiliza metáforas bellas y enigmáticas. Por ejemplo:<br />
”Cada persona tiene un amigo en cada pedacito de nube”; “contempló el día<br />
vacío”; “el suelo chirriaba al ritmo de la desesperanza”.<br />
La ficción de Müller es real, si vale el término, pero al mismo tiempo leyendo no<br />
parece tan real, parece bastante ficticia. Refleja el miedo y la incertidumbre, pero<br />
también la esperanza. Dibuja un mundo de terror, de muerte y de impotencia<br />
frente al estado totalitario comunista en el que el individuo, sus deseos<br />
personales, sus sueños o su felicidad no interesan o importan muy poco o nada,<br />
pero todo dentro de una metáfora larga y un contexto lleno de claves y símbolos<br />
intrigantes.<br />
Pienso que ella busca algo más que su interés personal. Su obra implica un<br />
intento de abrir caminos también a otras minorías en el mundo que podrían ser<br />
injustamente maltratadas; se me ocurre pensar en este momento por ejemplo en<br />
los mejicanos en EE.UU. Desde ese punto de vista, considero que la índole de<br />
los temas puede ser transferible, aunque no se trate del mismo sistema político<br />
imperante. Como sea, sus libros denotan la interpretación de una realidad viva<br />
(¿o muerta?), que no puede, no deja indiferente a nadie.<br />
En suma, lo que más impresiona en términos literarios, esto es independientemente<br />
de la temática algo obsesiva, son las formas estéticas originales que ella utiliza, en<br />
el sentido de escribir un libro como un largo poema, lleno de belleza metafórica.<br />
(Esta conferencia fue auspiciada por el Instituto Goethe de La Paz y organizada<br />
por su bibliotecaria Angelines Mendoza)<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
50
Reise<br />
Guayaramerin<br />
Ein Ausflugsziel für Touristen, die schon alles haben<br />
Guayaramerin liegt in Bolivien oben rechts im Beni am Rio Mamoré. Fährt man<br />
über diesen Fluß, dann ist man schon in Brasilien. Von Riberalta sind es noch<br />
90 Kilometer nord-nordostwärts bis zu dem Vierzigtausend-Einwohnerdorf,<br />
dessen Lage nicht anders als tropisch zu beschreiben ist. Der Ort lebt von den<br />
Brasilianern, die am Wochenende herüberkommen, um all das zu kaufen, was<br />
es bei ihnen zu Hause auch gibt, nur hier eben wesentlich günstiger. Neben<br />
dem Konsum-Tourismus erblühte neuerdings auch eine Art Medizin-Tourismus:<br />
Es wird gerne die Arbeit der kubanischen Ärzte und ihrer Augen-Kampagne<br />
in Anspruch genommen. Daher kehrt so mancher von seinem Ausflug nach<br />
Bolivien mit einer Augenbinde zurück. In Wirklichkeit sogar ziemlich viele.<br />
Neben diesen beiden Touristenströmen braucht der Ort keinen anderen,<br />
zumindest nicht die typischen Gucker und Frager und Ausruher. Zum Ausruhen<br />
gibt es auch wenig - Unterkünfte ja, aber kein Hotel, wegen dem sich die Anreise<br />
extra lohnen würde. Die vormals attraktive Anlage am See Itauba Eco Resort ist<br />
inzwischen ganzjährig ausgebucht – von Brasilianern natürlich.<br />
Zum Gucken und Fragen gäbe es zwar eine ganze Menge, doch man findet<br />
nicht so richtig die Infrastruktur für Touren und Exkursionen, von Museen oder<br />
informativen Bildbänden und Broschüren ganz zu schweigen.<br />
Für uns war Guayaramerin vor allem wegen der Cachuela Esperanza, dem<br />
Kautschuk-Dorf interessant. Dort, wo am Anfang des vorigen Jahrhundert der<br />
sagenumwobene Kautschukbaron Nicolas Suárez eine Stadt aus dem Nichts<br />
gebaut hat – die nun wieder ins Nichts zurückgesunken ist. Das wollten wir uns<br />
gerne anschauen und riefen nach einem Taxi. Und dieses war ein Glücksgriff.<br />
Sowohl das Auto, das nämlich eine Klimaanlage hatte, als auch der Fahrer,<br />
ein ehemaliger Lehrer, der viel wusste und in allen Lebenslagen wunderbar<br />
hilfsbereit war.<br />
Auf der Fahrt dorthin sahen wir Nahaufnahmen und Details des Elends, das<br />
wir die Wochen vorher in dicken Rauchschwaden nach La Paz heraufziehen<br />
sahen, wenn nämlich mitten im Urwald kein Wald mehr da ist. Angeblich ist<br />
das in Brasilien nicht mehr so an der Tagesordnung, seit es hohe Geldstrafen<br />
und Wiederaufforstungsauflagen gibt. Aber in Brasilien kann man ja auch keine<br />
geklauten Autos mehr verkaufen. Dafür gibt es extra eine Straße weit entfernt<br />
von der normalen Route, auf der die Wagen nach Bolivien gebracht werden.<br />
„Wo sollen wir die geklauten Autors denn sonst verkaufen, geht ja fast nur noch<br />
in Bolivien!!“ hörten wir es klagen und hätten vor lauter Mitleid fast mitgeweint.<br />
Welche Dimensionen das Geschäft haben muss sieht man daran, dass auf ein<br />
51<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Reise<br />
Auto mit Nummernschild im Umkreis der Grenze mindestens 15 ohne kommen.<br />
Nun aber endlich zum großen Highlight, der Cachuela Esperanza: Das<br />
Eindrucksvollste ist wohl immer noch ihre Lage an Río Beni, der jetzt, in der<br />
Trockenzeit wunderbare runde Sandsteinfelsen zeigt, die sonst unter Wasser<br />
versteckt sind. Ein flacher und beeindruckender Felsrücken zieht sich durch das<br />
ganze Dorf – sogar die Kirche steht darauf. Es muss einmal wirklich hübsch<br />
gewesen sein mit Parks und Cafés, sogar ein Theater gibt es dort, in dem jetzt<br />
die Fledermäuse wohnen. Die verlassene Villa der Familie Suárez liegt ein<br />
wenig außerhalb und wurde bis vor kurzem gemieden – natürlich spukt es dort–<br />
erst seit ein einigen Wochen behausen ein paar Dorfbewohner einen Teil der<br />
Zimmer, verbreiten das übliche Durcheinander aus Müll und Kleintieren und<br />
freuen sich offensichtlich darüber, dass sie jetzt nicht mehr so früh aufstehen<br />
müssen wie damals unter dem strengen Kautschuk-Regime.<br />
Das immer noch hübsche Kirchlein mit einigen erschöpften Touristen<br />
Was ist denn wohl mit den ganzen Bäumen passiert? Angeblich stehen sie<br />
noch zu Tausenden unversehrt da. Mit ein wenig Fragerei finden wir vier<br />
davon. Und tatsächlich: Der Gummi rinnt aus der Rinde, wie wir das früher in<br />
der Schule gelernt haben. Die Kinder popeln sich eifrig ihre hausgemachten<br />
Kaugummis zusammen und träumen schon von riesigen blubbernden<br />
Kaugummi-Fabriken. Doch angeblich stehen schon die Japaner vor der Tür mit<br />
großen Investitionsplänen.<br />
Ob sie nun kommen oder nicht, Guayaramerin scheint nicht gerade auf sie<br />
zu warten. Zum Wochenende türmen sie wieder Bettwäsche und Geschirr in<br />
die Schaufenster für die Brasilianer – wer sonst noch kommt oder geht gehört<br />
wahrhaftig nicht zu ihren Sorgen.<br />
Kontakt und Infos:<br />
Hotel San Carlos: 591 855 855 3555 Calle 6 de agosto 347<br />
Itauba Eco Resort: 8553514<br />
Juan Raúl Huayhua (Fremdenfüher und Fahrer): 77845152<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
52<br />
Franziska Sörgel
Reise<br />
Cayara und Huata – Wohnen mit Stil<br />
Bolivien wartet immer wieder mit Überraschungen und unvermuteten Schätzen<br />
auf – auch im Hotelsektor. Wer Richtung Potosí und Sucre unterwegs ist und<br />
nicht unbedingt direkt in der Stadt wohnen will, dem seien die beiden folgenden<br />
Unterkünfte wärmstens empfohlen.<br />
Cayara – Hacienda und Museum<br />
22 Kilometer von Potosí entfernt (15 Kilometer Richtung Oruro, dann 7<br />
Kilometer Richtung Nordwesten) liegt die Hacienda Cayara. Sie wurde<br />
Mitte des 16. Jahrhunderts fast gleichzeitig mit Potosí und zum Zweck der<br />
Lebensmittelversorgung der Stadt gegründet, eine Aufgabe, der sie durch die<br />
Produktion von Käse und anderen Milchprodukten immer noch nachkommt. Vor<br />
etwa 100 Jahren wechselte die Hacienda von den Marquisen von Otavi in den<br />
Besitz der schottisch-französischen-englischen Familie Aitken-Soux-Leighton,<br />
die sie bis heute mit Umsicht, Sorgfalt und Liebe zum Detail pflegt, ihre Schätze<br />
bewahrt und Teile zu einem Hostal der besonderen Art umgewandelt hat. Mit<br />
Stolz zeigen die Eigentümer Rüstungen aus der Zeit der Konquistadoren,<br />
Säbel aus dem bolivianischen Unabhängigkeitskampf und nicht zuletzt die<br />
umfangreiche Bibliothek. Am Abend sitzt der Gast in seinem Sessel vor dem<br />
knisternden Kaminfeuer und fühlt sich wie ein kleiner Fürst.<br />
Cayara Hostal, www.cayara.com.bo/hostal/index.html<br />
Preisbeispiel pro Person (September 2010): Übernachtung mit Frühstück 25<br />
USD, Abendessen 7 USD.<br />
Kontakt: Juan Jorge Aitken, mindaj@supernet.com.bo, oder Maria Luisa<br />
Serrano, oficinapotosi@yahoo.com<br />
Huata – Wohnen im Präsidentensitz<br />
Gleich außerhalb von Sucre, ganze zehn Kilometer vom Stadtzentrum entfernt,<br />
liegen im Huata-Tal mehrere Landsitze. Einer davon gehörte einst dem<br />
bolivianischen Präsidenten Manuel Belzu, der von 1848 bis 1855 amtierte und<br />
von hier auch regierte, denn der Regierungssitz war damals dort, wo sich der<br />
Präsident aufhielt. Später kamen schlechtere Zeiten für Dorf und Landsitz. Das<br />
Dorf fiel Überschwemmungen zum Opfer, denen die etwas höher gelegene<br />
Präsidentenresidenz zwar entging, dafür aber zeitweise zum Ziegenstall verkam.<br />
Bis sich das deutsche Ehepaar Hans Jürgen und Gisa Petersen der Sache annahm.<br />
Heute ist kaum mehr vorstellbar, in welchem Zustand die Gebäude einst gewesen<br />
sein müssen. Wenn man jetzt im renovierten und gepflegten Landsitz die Gärten<br />
53<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Reise<br />
und das Essen (aus eigener Produktion), Spaziergänge, Schwimmbecken und<br />
vor allen Dingen die Ruhe genießt, überkommt einen nicht gerade die Lust zu<br />
regieren. Eher noch einfach ein paar Tage länger bleiben zu dürfen.<br />
HuataPreisbeispiel pro Person (September 2010): Übernachtung mit<br />
Halbpension 30 USD, Vollpension 35 USD. Kontakt: Hans Jürgen Petersen,<br />
hjuergenp@hotmail.com, oder Gisa Petersen, gisa.petersen@gmx.net<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
54
Aktuell<br />
Hotel Tipp<br />
Das Hotel Aranjuez in Cochabamba<br />
Eigentlich hatten wir ja eine Reservierung fürs Hotel Anteus. Als wir dann aber<br />
ankamen hieß es, sie hätten keinen Platz, da eine Delegation gekommen sei.<br />
Wozu reserviert man dann? Wir waren einigermaßen sauer.<br />
Doch dann fanden wir das Hotel Aranjuez, gleich um die Ecke in der Calle<br />
Buenos Aires No.563. Gut mit 69 US$ fürs Doppelzimmer ist es schon um<br />
einiges teurer als das Anteus, aber das ist es wirklich wert.<br />
Es ist ganz im spanischen Stil gehalten mit blau gemusterten Kacheln, Ziergittern<br />
und Brunnen. Es gibt verschiedene Gärten und einige große Terrassen, von wo<br />
aus man den Blick über die Stadt bis hin zu den kahlen Bergen und über die<br />
Baumwipfel des nahen Palacio Portales schweifen lassen kann. Der romantisch<br />
unter hohen Bäumen gelegene Pool ist temperiert, sehr angenehm in der kühleren<br />
Jahreszeit.<br />
Wenn man in einem den Gärten bei sehr dezenter, klassischer Hintergrundmusik<br />
bei einer Tasse Kaffee entspannt kann man völlig vergessen, dass man im<br />
trockenen, staubigen Cochabamba ist.<br />
Ein gutes Buffetfrühstück – die Eier werden nach Wunsch frisch zubereitet- und<br />
freundliches, kompetentes Personal tragen ebenfalls zum Wohlbefinden bei.<br />
Autostellplätze gibt es direkt vor dem Hotel.<br />
Reservierungen: 424 1935, 428 0076 (77, 78 oder 79)<br />
55<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Aktuell<br />
Premiere in Bolivien: DW-AKADEMIE und DED fördern<br />
gemeinsam Qualitätsjournalismus<br />
Die Medien in Bolivien sind gespalten: Fast jede Zeitung, jeder Radiosender<br />
und jedes Fernsehprogramm ordnet sich einer politischen Kraft zu – und<br />
treibt die politische Konfrontation an. Meinung und Information werden<br />
in der Berichterstattung kaum getrennt. Medienexperten sprechen von<br />
einer Krise des Journalismus. Deswegen ist der Wunsch nach einer<br />
professionellen und praxisnahen Journalistenausbildung im Land groß.<br />
Die DW-AKADEMIE – das Ausbildungszentrum der Deutschen Welle - und<br />
der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) kooperieren in Bolivien erstmals<br />
in einem langfristigen Projekt: Gemeinsam soll der Journalismus im Land<br />
gestärkt werden.<br />
“Unser Land braucht große und gute Journalisten”, sagt Karen Longaric, die<br />
Direktorin der Universidad Andina Simón Bolívar (UASB) in La Paz: “Wir<br />
sind sehr glücklich mit diesem Projekt, denn die Wirkung dieser Kooperation<br />
wird lange anhalten.” Longaric hofft auf eine Verbesserung der journalistischen<br />
Qualität im Land. Die Universität der Andengemeinschaft konnte für das Projekt<br />
als Partner gewonnen werden.<br />
Unterstützung von Sendern und Universitäten<br />
Die Universitäten des Landes werden dabei unterstützt, die Ausbildung der<br />
Journalisten praxisnah zu gestalten. Die direkte Arbeit der DW-AKADEMIE<br />
mit Sendern wird verstärkt. Vor allem lokale Radio- und Fernsehsender sollen<br />
dabei unterstützt werden, ihrem Publikum relevante Informationen verständlich<br />
zu vermitteln.<br />
Beratungen in Sendern, eine Trainingsreihe zu Wirtschaftsberichterstattung<br />
oder Umweltthemen – die Förderung der journalistischen Qualität kann viele<br />
Formen haben. “Immer unter dem Motto: Praxis, Praxis, Praxis”, sagt Gerda<br />
Meuer, die Direktorin der DW-AKADEMIE: “Wir wollen professionalisieren<br />
und keine Vorträge halten.”<br />
Journalismus stärken, bedeutet Demokratie fördern<br />
“Um die Demokratie zu stärken, ist der Journalismus zentral”, sagt Hans<br />
Schoeneberger, ehemaliger Landesdirektor des DED in Bolivien, der die Stelle<br />
angestoßen und eingeweiht hat. Die Kooperation mit der DW-AKADEMIE<br />
ist für ihn ein idealer Zusammenschluss: “Wir kombinieren die Stärken<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
56
Aktuell<br />
beider Organisationen.” Der DED arbeitet gemeinsam mit seinen lokalen<br />
Partnerorganisationen seit mehr als 40 Jahren vor Ort in Bolivien. Die DW-<br />
AKADEMIE bringt ihre Mittel und Kompetenz in der internationalen<br />
Medienentwicklung ein und hat nun erstmals langfristig eine Fachkraft vor Ort<br />
in Lateinamerika.<br />
Peter Deselaers rechts im Bild bei der Einweihung des Projektes<br />
“Das ist unsere Zukunft”, sagt Gerda Meuer, die Direktorin der DW-<br />
AKADEMIE: “Wir setzen unseren Weg fort uns stärker in langfristigen<br />
Projekten der Medienentwicklung gemeinsam mit anderen Organisationen der<br />
deutschen Entwicklungspolitik zu engagieren.”<br />
Künftig zeigt die DW-AKADEMIE in Bolivien dauerhaft Präsenz. Der<br />
Journalist und Trainer der DW-AKADEMIE, Peter Deselaers, wird von seinem<br />
Büro in der Anden-Universität in La Paz als DED-Entwicklungshelfer die<br />
Arbeit koordinieren. Dadurch kann er die Sender und Universitäten nachhaltig<br />
begleiten. Für spezielle Trainings und Beratungen werden zusätzliche Experten<br />
der DW-AKADEMIE nach Bolivien reisen.<br />
Große Hoffnung bei Medienexperten und Journalisten in Bolivien<br />
“Wir haben große Hoffnungen, dass wir mit dem Projekt dazu beitragen können,<br />
den bolivianischen Journalismus aus der Krise zu führen”, sagt Erick Torrico,<br />
der akademische Leiter der Kommunikationswissenschaften an der Anden-<br />
Universität. Auch Vertreter von Journalistenverbänden und Medienhäusern<br />
hatten sich immer wieder praxisnahe Fortbildung und Beratung von den<br />
deutschen Partnern gewünscht.<br />
57<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Aktuell<br />
Radioberatung in San Ignacio de Velasco, bei dem Radiosender Juan XXIII<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
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Peter Deselaers/DW-Akademie
Leute<br />
Die Abschiedsfahrt von Manuel Lins und Barbara Günther<br />
„Ein feiner Zug“<br />
Am Ende des Jahres fährt der Zug für Barbara Günther und Manuel Lins ab.<br />
Der Deutschen Schule in La Paz und Bolivien nach 8 Jahren auf Wiedersehen zu<br />
sagen wird den beiden schwer fallen, denn in dieser Zeit haben sie Landschaft,<br />
Kultur, Land und Leute intensiv kennen gelernt und viele Freundschaften<br />
geknüpft. Die vielen <strong>Monatsblatt</strong>berichte geben nur einen kleinen Ausschnitt<br />
von dem wieder, was Manuel und Barbara in Bolivien erlebt haben. Ein feiner<br />
Zug war es von den beiden Freunde und Kollegen zu einer Abschiedsfahrt<br />
einzuladen.<br />
Was kann man mit über 100 Personen am besten unternehmen?<br />
Für Erwachsene und Kinder, wanderfreudige und fußfaule zu Beginn der<br />
Regenzeit einen hochwertigen Ausflug zu planen ist fast unmöglich. Wenn jedoch<br />
zwei Organisationstalente und Ortskundige eine Idee verwirklichen möchten,<br />
dann sind tolle Erlebnisse garantiert. So auch bei dieser Abschiedsfahrt.<br />
Manuel und Barbara haben einfach einen ganzen Zug gemietet und uns an einem<br />
sonnigen Oktoberwochenende einen schönen Landstrich zwischen La Paz und<br />
dem Titicacasee gezeigt. Moment mal, mit dem Zug zum Titicacasee, geht das<br />
überhaupt? Und ob! Der „Tren turistíco“ fährt jeweils den zweiten Sonntag im<br />
Monat von El Alto über Viacha und Tiahuanaco nach Guaqui, einem kleinen<br />
Hafenort am Titicacasee. Unglaublich aber wahr. Wer diese Zugfahrt ebenfalls<br />
unternehmen möchte, findet am Ende dieses Artikels praktische Informationen<br />
dazu.<br />
Pünktlich um 9:00 Uhr ertönte das Abfahrtssignal der Lokomotive und los<br />
ging die Fahrt zum Titicacasee. Alle 136 Lins-Günther-Gäste hatten in den<br />
geräumigen Wagons Platz gefunden und betrachteten die langsam vorbeiziehende<br />
Landschaft. Für Abwechselung war natürlich auch gesorgt. Eine bolivianischdeutsche<br />
Musik-Combo erheiterte die Zuggäste und animierte zum Mitsingen:<br />
„Ya va partir el tren caballero,<br />
Ya va partir el tren,<br />
Y si no subo yo, mi amor se llevará,<br />
Vamonos a la playa a orillas del mar,<br />
Se va en ese tren se va”....<br />
Sandwiches, wahlweise mit Ei, Käse oder Schinken, wurden vom Zugpersonal<br />
verteilt (natürlich hatte jeder ein von Manuel personalisiertes Sandwichticket<br />
erhalten), dazu gab es Tee, Kaffee oder Kakao und wer es ganz gemütlich haben<br />
wollte, war im Speisewagen zu finden. Die gemächliche Geschwindigkeit des<br />
Zuges forderte einen ambitionierten Witzbold dazu heraus aus dem Zug zu<br />
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Leute<br />
springen, neben diesem herzulaufen und den Insassen von außen zuzuwinken.<br />
Nach einer Minute konnten wir diesen Sportler gesund und außer Atem wieder<br />
im Zug begrüßen. Nach etwa 3 Stunden Fahrzeit erreichten wir den Hafenort<br />
Guaqui und hier erwarteten uns weitere Höhepunkte.<br />
Ein Zugmuseum konnten wir bestaunen. Von außen nicht gerade schick aber<br />
von innen offenbart dieses Zugdepot wahre Ausstellungsperlen.<br />
Manuel und die Lokomotive<br />
Alte Loks und elektrische Triebwagen sind dort zu besichtigen. Zwei der<br />
Triebwagen sind mit alten Holzbänken ausgestattet und wenn man auf diesen<br />
Platz nimmt fühlt man sich um einige Jahre zurückversetzt. Dieses Gefühl<br />
hatten auch Filmemacher, denn diese Triebwagen wurden im Jahre 2007 für den<br />
bolivianschen Film „Los Andes no creen en Dios“ ausgeliehen. Und wer schon<br />
immer DIE Illimani besteigen wollte, der bekam in diesem Museum die<br />
Die Illimani<br />
Nach diesen Eindrücken hätte die Rückfahrt beginnen können aber Manuel und<br />
Barbara hatten noch einen weiteren Trumpf auszuspielen, denn sie hatten für uns<br />
noch eine mehrstündige Bootsfahrt organisiert. In Guaqui gingen wir an Bord<br />
des Schiffes „Buque multipropósito“ und diesmal konnten wir die Landschaft<br />
vom Oberdeck oder sogar von der Kapitänsbrücke aus genießen.<br />
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Leute<br />
Barbara an Bord<br />
Zahlreiche Entenarten und Tauchvögel konnten wir beobachten. Eine wirkliche<br />
Überraschung waren aber die Flamingos, die wir im seichten Schilfwasser<br />
ausmachen konnten. Flamingos am Titicacasee, wer hätte das gedacht. Da<br />
Seeluft hungrig macht, wurde auch an das Mittagessen gedacht. In dem großen<br />
Speisesaal wurde uns die „Forelle a la Titicacasee“ serviert, einfach lecker.<br />
Zurück in Guaqui, fuhren wir wieder mit dem Zug in Richtung La Paz. Das<br />
Saya-Bierfass wurde angestochen und das Kuchenbuffet war eröffnet. Gut<br />
gelaunt, voll bepackt mit vielen Eindrücken, mit bolivianischen und deutschen<br />
Liedern in den Ohren und auf den Lippen ging dieser Tag zu Ende.<br />
Liebe Barbara und lieber Manuel, im Namen all eurer Freunde und Kollegen<br />
bedanken wir uns ganz herzlich für diesen außergewöhnlich schönen Tag.<br />
Viele eurer Freunde werdet ihr in Deutschland oder hier in Bolivien in naher<br />
oder ferner Zukunft wiedersehen und dann werdet ihr bestimmt von dieser<br />
besonderen Abschiedsfahrt erzählen.<br />
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Praktische Informationen<br />
ZUG<br />
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Leute<br />
Der „Tren turistíco“ fährt jeweils den zweiten Sonntag im Monat von El Alto<br />
(Calle 8, Zona Santiago I, zwischen Regimiento Ingavi und Avenida Arica) über<br />
Viacha und Tiahuanaco nach Guaqui und zurück. Auf dem Hinweg macht der<br />
Zug einen zweistündigen Stopp in Tiahuanaco.<br />
Fahrplan: El Alto ab 8:00<br />
Tiahuanaco an 10:35<br />
Tiahuanaco ab 12:35<br />
Guaqui an 13:20<br />
Guaqui ab 15:00<br />
El Alto an 18:20<br />
Fahrkarten kann man in Sopocachi bei der Eisenbahngesellschaft FCA, F.<br />
Guachalla No. 494 esq. Sánchez Lima, kaufen (Tel. 2419770, 2419763).<br />
Für Sonder- und Gruppenfahrten bei Cynthia Aramayo, caramayo@fca.com.bo,<br />
nachfragen.<br />
Weitere Informationen auch unter www.fca.com.bo.<br />
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SCHIFF<br />
Leute<br />
Foto: Buque multipropósito<br />
Das „Buque multipropósito“ liegt normalerweise im Hafen von Guaqui. Mit<br />
dem „Tren turistíco“ lässt sich eine kleine Rundfahrt über den See verbinden.<br />
Für längere Fahrten verfügt das Schiff auch über Kabinen.<br />
Kontakt: Armada Boliviana, Avenida Michel, Tercer Piso, Següencoma.<br />
Zuständig ist Teniente Juan Carlos Espinoza, Tel. 72006922, melpatric@<br />
hotmail.com<br />
Text: Patrick Hartwigt<br />
Praktische Informationen: Manuel Lins<br />
Fotos: Patrick Hartwigt, Susanne Preiss, Franziska Sörgel, Henning Hinsch<br />
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<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
Leute<br />
Kein Abschiedsartikel<br />
Ja, und dann wollte ich mich hinsetzen und einen Abschiedsartikel schreiben.<br />
Mir ist dann auch sogleich ein ebenso passendes wie originelles Bild von<br />
lachenden und weinenden Augen eingefallen. Aber dann konnte ich mich nicht<br />
einigen, ob es nun je ein lachendes und weinendes Auge ist oder je zwei oder<br />
irgendetwas dazwischen. So musste also dieser Ansatz aufgegeben werden.<br />
Als nächstes fiel mir das wunderschöne Abschiedslied „Gute Nacht, Freunde“<br />
ein. Weiter als bis zur Zeile „was ich noch zu sagen hätte, dauert eine Zigarette“<br />
kam ich nicht. Die Zigarette eines passionierten Nichtrauchers kann ziemlich<br />
lange dauern, und das wollte ich Ihnen dann doch nicht zumuten.<br />
Danach saß ich eine Weile recht ratlos herum.<br />
Die Rettung nahte in Gestalt eines anderen Liedes, das da heißt „Niemals geht<br />
man so ganz“. Nun ja, wenn das wahr ist, dass man niemals so ganz geht, dann<br />
braucht man wohl auch niemals so ganz einen Abschiedsartikel schreiben. Und<br />
so lasse ich es denn.<br />
Stattdessen gibt’s Reste. Genau, Sie wissen schon, wie diese Sachen, die Sie im<br />
Kochtopf und im Kühlschrank finden und die Sie einfach zu schade zum Wegwerfen<br />
finden. Manchmal kann man daraus ganz originelle Menüs kombinieren,<br />
manchmal ist der Geschmack eher eigenartig, und notfalls kann man es immer<br />
noch dem Hund geben.<br />
Wenn Ihnen meine Reste also zu abgestanden, zu aufgewärmt oder zu geschmacklos<br />
erscheinen, dürfen Sie sie gerne zurückgehen lassen und was anderes<br />
lesen.<br />
Manuel Lins<br />
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Leute<br />
Lieber <strong>CCA</strong>, liebe <strong>Monatsblatt</strong>-Leser,<br />
ich möchte mich an dieser Stelle besonders bedanken für das Vertrauen des<br />
<strong>CCA</strong>, der mir und uns allen in all den Jahren völlig freie Hand bei Auswahl und<br />
Gestaltung der Themen gelassen hat, die wir für berichtenswert hielten. Und bei<br />
den Lesern für die Geduld bei der Lektüre meiner Artikel. Mir hat die Arbeit<br />
jedenfalls sehr viel Spaß gemacht!<br />
Nicht unerwähnt lassen möchte ich aber auch, dass das <strong>Monatsblatt</strong> mehr als<br />
von den redaktionell geplanten Beiträgen durch die spontanen Beobachtungen<br />
und Einsendungen lebt, die uns zum Glück reichlich erreichen.<br />
Also: Frisch ran an die Feder und viel Spaß beim Schreiben!<br />
Dies wünscht Ihnen mit einem herzlichen Abschiedsgruß,<br />
Ihre Franziska Sörgel<br />
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<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
Leute<br />
Über mein Studium in Bolivien<br />
Seit Anfang des Jahres 2010 studiere ich, Annika Stahl (21) für zwei Semester an<br />
der Universidad NUR in Santa Cruz, Bolivien. Ursprüngliche stamme ich aus dem<br />
mittelhessischen Marburg und studiere in Deutschland Betriebswirtschaftslehre<br />
an der Provadis School of International Management and Technology in<br />
Frankfurt am Main, einer privaten Hochschule, die im Rahmen des CHE-<br />
Hochschulrankings immer wieder in der Spitzenkategorie mitzählt. Wie der Name<br />
der Hochschule bereits vermuten lässt handelt es sich bei meinem Studiengang<br />
um akadademische Ausbildung unter internationalen Gesichtspunkten. Dies<br />
führte mich auch zu der Entscheidung zwei Auslandssemester in mein Studium<br />
einzubauen, denn wie kann man Internationalität und Globalisierung besser<br />
verstehen als durch direkte Auslandserfahrung.<br />
Die Entscheidung Bolivien als Austauschland zu wählen, ist für mich<br />
aufgrund einiger Faktoren relativ einfach gewesen. Zum einen wollte ich<br />
meine Sprachkenntnisse in Spanisch vor allem in Sachen Wirtschaftstermini<br />
ausbauen, um später einmal die Möglichkeit zu haben, meine Sprachkenntnisse<br />
in das Berufsleben einzubauen. Zum anderen hatte ich die Möglichkeit,<br />
einige Universitäten noch in der Planungsperiode meines Auslandsstudiums<br />
direkt kennenzulernen und mich für diejenige zu entscheiden, die am besten<br />
meinen persönlichen Anforderungen und den Anforderungen meiner deutschen<br />
Universität entspricht. Außerdem wollte ich neben allem Akademischen<br />
Lebenserfahrung in einem Land sammeln, das so kontrovers und einmalig ist<br />
und noch dazu so anders als meine Heimat Deutschland ist. Da ich bereits zum<br />
Schüleraustausch in Santa Cruz war und so einige Ferien in Bolivien verbracht<br />
habe, kannte ich mich bereits gut in diesem Land aus. Deswegen konnte ich mir<br />
relativ sicher sein, hier all die Dinge lernen und erleben zu können, die ich mir<br />
von meinen Auslandssemestern erhoffte.<br />
Der Beginn meiner Auslandssemester war durch einige bürokratische<br />
Hürden gespickt. Das Schwierigste war wohl, den Damen und Herren des<br />
Immatrikulationamts beizubringen, dass ich meine Geburtsturkunde der<br />
Universität nicht im Original zur Verfügung stellen konnte, da man in Deutschland<br />
– im Unterschied zu Bolivien – nicht beliebig viele Geburtsurkunden ausgestellt<br />
bekommt. Dies zu erklären und Einsicht zu erreichen hat mich circa sechs Monate<br />
gekostet. Ebenso kompliziert war die Anrechnung meiner Studienleistungen aus<br />
Deutschland, um mich in Vorlesungen einschreiben zu können, die nicht dem<br />
ersten Semester entstammten.<br />
Damit meine in Bolivien erbrachten Leistungen komplett angerechnet werden<br />
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Leute<br />
können, gab mir meine deutsche Universität die Vorschrift, jeweils gleichwertige<br />
Veranstaltungen zu denen des dritten und vierten Semesters zu besuchen. Da der<br />
Aufbau des Studiums und deren Inhalte an der Universität NUR etwas anders<br />
strukturiert sind als an der Provadis besuche ich derzeit Vorlesung vom zweiten<br />
bis zum letzten, dem zehnten Semester.<br />
Während das erste und zweite Semester meinem Empfinden nach eher als<br />
Einführung in die Betriebswirtschaft zu betrachten war, kann ich nach nun fast<br />
4 abgeschlossenen Semestern sagen, dass ich die wichtigen Grundkonzepte<br />
der BWL sicher beherrsche und ich einen fundierten Überblick über die<br />
Funktionsbereiche der Wissenschaft besitze. Nun habe ich vor allem das<br />
Bedürfnis, das Erlente im Berufsalltag anzuwenden und noch mehr Detailwissen<br />
anzuhäufen.<br />
Ich denke, der große Unterschied zwischen Studium in Deutschland und Studium<br />
in Bolivien besteht darin, dass das Studium hier sehr praktisch orientiert ist.<br />
Meine Dozenten legten bisher alle großen Wert darauf uns Studenten auf das<br />
tatsächliche Berufsleben vorzubereiten und uns die richtigen Werkzeuge zur<br />
Verfügung zu stellen, um ohne große Probleme in den Arbeitsmarkt eintreten<br />
zu können. Die enge Verknüpfung mit der Praxis wird unter anderem dadurch<br />
erreicht, dass pro Vorlesung normalerweise mindestens eine Facharbeit<br />
angefertigt werden muss, die ein reales Beispiel aus der Wirtschaft heranzieht.<br />
Im Rahmen dessen müssen Prozesse und Strukturen einer realen Firma unter<br />
den Gesichtspunkten des Gelernten analysiert werden. Durch unterschiedliche<br />
Aufgabenstellung kann man natürlich nicht jedesmal den gleichen Betrieb<br />
wählen, was den Vorteil mit sich bringt, dass man viele sehr unterschiedliche<br />
Industrien, deren Firmen und Funktionsbereiche kennenlernen kann und die<br />
Möglichkeit hat den ein oder anderen Kontakt zu knüpfen.<br />
Im Fazit lässt sich sagen, dass mein Studium in Bolivien ein voller Erfolg<br />
ist. Ich habe fachlich viel hinzugelernt, neue Leidenschaften entdeckt und<br />
zukünftige interessante Arbeitsfelder kennenlernen können. Diesbezüglich<br />
muss ich vor allem meinem Dozenten für Finanzmathematik dafür danken,<br />
dass er mir Vertrauen in meine mathematischen Fähigkeiten einflößte.<br />
Aufgrunddessen konnte ich mich von einer zu Schulzeiten eher mittelmäßigen<br />
Mathemathikschülerin in eine Studentin verwandeln, die mittlerweile anderen<br />
Studenten als Tutor behilflich ist. Seit meinem Studienaufenthalt in Bolivien ist<br />
in mir ungeheures Interesse für diesen Aspekt der BWL geweckt worden, von<br />
dem ich vorher dachte, dass dies nicht meine größte Stärke sein würde.<br />
Mein Aufenthalt in Santa Cruz hat mich geprägt und meinen Charakter<br />
weiterentwickelt. Er half mir mich zu orientieren und festzustellen was ich von<br />
meiner (näheren) Zukunft erwarte, welche Werte mir wichtig sind und worauf<br />
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Leute<br />
ich im Grunde verzichten kann. Diese und viele andere sind meine Argumente,<br />
wenn ich eine Erklärung auf das Standardkommentar abgeben muss: „Warum<br />
studierst du denn bitte in einem Dritteweltland? Die Bildung ist in solchen<br />
Ländern doch total schlecht.“<br />
Santa Cruz de la Sierra, 14.10.2010<br />
Für weitergehende Fragen zu meinem Studium oder persönlichen Laufbahn<br />
können Sie mich gerne per E-mail kontaktieren: annika.stahl@arcor.de<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
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Leute<br />
Markus Sterr: neuer Landesdirektor des DED in La Paz<br />
Sehr gerne nehme ich die Gelegenheit wahr, mich Ihnen vorzustellen. Als<br />
Nachfolger von Hans Schoeneberger habe ich ab dem 1. September mit Freude<br />
die Aufgaben als Landesdirektor des DED im „Casa de la Cooperación Alemana“<br />
in San Miguel übernommen.<br />
Zur Mitte des Monats August bin ich zusammen mit meiner Frau Ute eingereist<br />
und der so herzliche Empfang von vielen Seiten hat uns regelrecht überwältigt.<br />
Wir freuen uns beide sehr auf den Aufenthalt in diesem so vielversprechenden<br />
Land. Bolivien in seinen Zeiten politischer und sozialer Veränderungen intensiv<br />
und nicht zuletzt durch die Arbeit des DED durchaus „nah dran“ erleben zu<br />
können erscheint uns schon jetzt ein besonderer Abschnitt in privater und<br />
beruflicher Hinsicht zu werden.<br />
Sechs Jahre habe ich in Bonn in der Zentrale des DED gearbeitet.<br />
Entwicklungszusammenarbeit habe ich dort eher als konzeptionellen Diskurs,<br />
Planung von Prozessen und „Schärfung von Profilen“ wahrgenommen. Um<br />
wieder Einblick in die Realität und vorangeschrittener Veränderungen zu<br />
erhalten war die Zeit reif geworden für einen erneuten Auslandsaufenthalt mit<br />
„Erfahrungen aus erster Hand“.<br />
Meine „Karriere“ beim DED habe ich 1989 begonnen, als ich als<br />
Entwicklungshelfer in meinem Erstberuf als Schreiner nach Ghana ging. Sehr<br />
schnell habe ich in dieser Zeit gemerkt, dass die Zusammenarbeit in Teams<br />
und das Entwickeln und Umsetzen von Ideen zur Verbesserung sozialer und<br />
wirtschaftlicher Gegebenheiten sinnvoller und für mich persönlich erfüllender<br />
war als die bloße Technik der Holzverarbeitung.<br />
Die positiven Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit und für andere Menschen<br />
mündeten in dem Wunsch nach einer beruflichen Neuausrichtung. Mit der<br />
Weiterbildung zum Betriebswirt und einem MBA-Zusatzstudium in England<br />
habe ich mir diesen Wunsch erfüllt. Mit Ausnahme dieser Ausbildungszeiten<br />
ist der DED nunmehr seit mehr als 20 Jahren mein einziger Arbeitgeber. In den<br />
Jahren 1994 bis 2002 war ich für den DED in Ecuador tätig. 2004 nahm mich<br />
die DED-Zentrale in Bonn für das Programm „Entwicklungspartnerschaften<br />
mit der Wirtschaft“ und später für die Leitung der Gruppe „Wirtschafts- und<br />
Beschäftigungsförderung“ unter Vertrag.<br />
In dieser Zeit war ich auch Mitglied des Betriebsrates und habe in dieser Funktion<br />
die ersten Schritte in Richtung Fusion von DED, GTZ und InWEnt erlebt.<br />
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<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Leute<br />
Schritte, die den zukünftigen Bürotag hier in La Paz maßgeblich beeinflussen<br />
werden. „Veränderung“ scheint die Losung für den Aufenthalt in diesem Land.<br />
Privat sind meine Frau und ich in einem für unsere Begriffe „Traumland“<br />
angekommen. Alle Elemente geschichtlicher, kultureller und auch<br />
landlandschaftlicher Prägung tragen zu einer einmaligen Vielseitigkeit bei, die<br />
uns immer faszinierte. Wir wünschen uns, diese Vielseitigkeit durch Reisen in<br />
Bolivien wenigstens in Ansätzen erschließen zu können. Gern auch zu Fuß,<br />
um dem in Bonn vernachlässigten Bergsteigen wieder öfter nachkommen zu<br />
können und meist auch mit der Kamera um den Hals…<br />
Die neue Bleibe in Calacoto wird gerade eingerichtet, so dass auch meine<br />
Kinder (17 & 19), die in Ecuador leben, und weitere Gäste bald gesellige Zeiten<br />
bei einem Glas Wein und gutem Essen erleben können.<br />
In diesem Sinne, mit herzlichen Grüßen,<br />
Markus Sterr<br />
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Schule<br />
Deutsche Schule La Paz vor 50 Jahren<br />
Aufzeichnungen von Johannes Lein<br />
Vorbemerkung von Matthias Strecker: Manche unserer Leser werden sich an<br />
das Ehepaar Lein erinnern (Johannes Lein und Gertraud, im folgenden Text<br />
„Traude“ genannt), das Ende der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts als Lehrer<br />
an die Deutsche Schule nach Oruro kam, später dort eine zweite Amtszeit hatte<br />
und ab 1959 an der Deutschen Schule La Paz arbeitete. Leins hervorragende<br />
Schwarz-Weiß-Fotos wurden in einer Reihe von Ausstellungen in Bolivien,<br />
Deutschland und den USA gezeigt; M. Strecker, G. Aranibar und F. Taboada<br />
veröffentlichten sie in einem großen Bildband. Im Nachlass von J. Lein fanden<br />
sich Briefe und Berichte, die er an seine Mutter und Freunde in Deutschland<br />
schickte. Hier eine kleine Kostprobe. Die Leser mögen überlegen, inwieweit<br />
die geschilderten Zustände des Jahres 1959 noch auf die Realität der Schule<br />
heute zutreffen. Ein wesentlicher Unterschied ist jedenfalls in den Gebäuden<br />
vorhanden. Während man in der alten Schule in Sopocachi viele Treppen zu<br />
steigen hatte, werden die Lehrer in Achumani eher zu Langstreckenläufern.<br />
Schlacht im Klassenzimmer<br />
Ich brauche für Kulissen Holzleisten. Der Vater eines Schülers meiner Klasse<br />
hat eine Holzhandlung mit Sägewerk. Ich will dem Schüler die Bestellung mit<br />
den Maßen mitgeben und nähere mich mit dem Zettel meinem Klassenzimmer.<br />
Kleine Pause, nur zum Lehrerwechsel. Ohrenbetäubender Lärm. Heiße Luft<br />
kommt aus dem Klassenzimmer, mit ihr die Spanisch-Lehrerin, ihre einzige<br />
Waffe, ein 30 cm langes Lineal, verzweifelt schwingend. Aus den leeren<br />
Augenhöhlen starrt das Grauen. Ihr Trauerkleid ist arg bestäubt. Um sie herum<br />
drängt, schreit und gestikuliert es von erröteten, erregten und schwitzenden<br />
Viertelstarken-Körpern. Sie kommt also aus einer Mühle, sollte gerade in den<br />
Trichter gesteckt werden, die Ärmste. Wilhelm Busch hätte seine Freude an<br />
diesem Bild gehabt, ich auch, wenn ich nicht der Klassenlehrer wäre. Schon stehe<br />
ich im Zimmer, ein kreidestaubgeschwängerter Schwamm beendet neben mir<br />
seinen Flug, der Lärm schwillt ab und verliert sich in markanten Rufen einiger<br />
unter den Bänken, die meine Gegenwart nicht ahnen und an eine Kampfpause<br />
denken. Ich sage lange nichts und lasse mir auch nichts sagen. Stille wie nach<br />
einem Bombenangriff. Ein grauer heißer Dunst schwelt über den Kämpfern und<br />
Amazonen. „Setzen! Fenster auf! Altmann, komme sofort mit mir!“ Der blonde<br />
Lausbub folgt mir auf den Fersen.<br />
Auf dem Gang bleibe ich stehen, bewege meinen Zettel und schaue ihm in<br />
die Leberblümchenaugen. „Ich war es nicht allein. Andere haben viel straffer<br />
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<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Schule<br />
geschossen, ich habe bloß so daneben, an die Tafel, der Imaña und Silvestri<br />
waren viel näher, die hatten immer Volltreffer... Ich hab auch nicht geschrien,<br />
ich dachte schon, es könnte jemand kommen... Ich hab auch nicht gepfiffen,<br />
ich kann jetzt gar nicht richtig, weil ich doch Mandelentzündung hatte... Die<br />
Barbara, die hinter mir sitzt, die hat toll gepfiffen, und...“ In fünf Sekunden<br />
hatte ich mehr erfahren als ich wollte. „Ich wollte dir nur diesen Zettel mit den<br />
Maßen für deinen Vater mitgeben; ich hatte es in der ersten Stunde vergessen.<br />
Es eilt nicht so sehr, aber bis zum Wochenende möchte ich die Leisten haben.<br />
Grüß schön!“ Der Junge wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Mit<br />
seinen blonden Locken und hochrotem Gesicht sah er aus wie ein Engel, der<br />
aus Versehen an die Tür zur Hölle geklopft hat. In seiner Verlegenheit und<br />
Überraschung gab er mir die Hand und machte eine tiefe Verbeugung. Das<br />
hatte er in den sechs Montane unserer Bekanntschaft noch nie getan. „Fort!“ Er<br />
entfleuchte in ein Klassenzimmer, das einer Totenkammer glich. Die Biologie-<br />
Lehrerin hatte bestimmt eine leichte, staubfreie Stunde.<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
Kleister oder ... ?<br />
14.15 Uhr. Es klingelt zum Unterrichtsbeginn. Werken. Ich gebe dieses Fach<br />
zum ersten Male in den 24 Jahren meiner Lehrerpraxis. Nicht einfach, besonders,<br />
wenn Werkraum, Schülerzahl und Werkzeuge alles andere als ideal sind. Aber<br />
die Schüler sind begeistert und laut dabei, beim Werken fehlt keiner, auch wenn<br />
er am Vormittag krank war. Ich habe meinen weißen Mantel an, in der Hand<br />
eine Konservendose mit Mehlkleister, noch halbwarm, denn Traude hat ihn<br />
eben zu Hause kochen müssen. Bis zum Werkraum müssen wir noch 92 Stufen<br />
hochsteigen. Jeder will die Büchse tragen, einer nur hat die Ehre und das Glück.<br />
Als das Kleben endlich losgehen soll und ich nach der Büchse schaue, ist sie<br />
fast leer. „Wo ist der Kleister?“ Schweigen. Verschmitzte Blicke. Erröten. Dann<br />
bricht es los aus neiderfüllten Kehlen: „Der und der und der – das sind nämlich<br />
gute Freunde –, die haben immer gekostet und geleckt, und nun haben wir nichts<br />
mehr zum Kleben!“ Soll man da schimpfen und strafen mit den Söhnen von<br />
Ärzten, Rechtsanwälten und Offizieren, für die der Mehlkleister aus dem Hause<br />
Lein eine Götterspeise war?<br />
Theaterstück mit Kahlköpfen<br />
27. November 1959. Wir hatten in diesem Jahre fünf Schlussfeieren mit<br />
Darbietungen und Prämienverteilung: Kindergarten, 1.-3. Schuljahr, 4.-6.<br />
Schuljahr, 7.-9. Schuljahr und 10.-12. Schuljahr. Da viele Schuljahre drei bis<br />
vier Parallelklassen haben, kann man sich den Rummel vorstellen. Bei vier<br />
Feiern hatte ich einen besonderen Auftrag. Bei der vierten hatte man mir die<br />
Gesamtgestaltung zudiktiert. Um etwas Besonderes zu bieten, entschloss ich<br />
72
Schule<br />
mich für ein kurzes lustiges Theaterstück mit einem Dutzend Kinder meiner<br />
Quarta. Ich musste es selbst verfassen, zum Einstudieren blieben mir drei Tage.<br />
Geschrieben habe ich es zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens, im Bett.<br />
„Wer kennt uns?“ war der Titel.<br />
Der Inhalt hatte einen wohl in der ganzen Welt einmaligen Anlass: Einen<br />
Tag vor Begin der schriftlichen Schlussprüfungen, die in allen Fächern eine<br />
Woche lang mit Prüfungskommissionen aus anderen Schulen durchgeführt<br />
werden, erschienen drei Buben meiner Klasse mit kahlgeschorenen Schädeln,<br />
am nächsten Tag waren es sieben und am dritten Tag 12. Die Kerle waren<br />
kaum wiederzuerkennen. Warum hatten sie das getan? Einige Lehrer hatten<br />
ihnen gedroht, dass sie wegen ihr Faulenzerei und Flegeleien während des<br />
ganzen Schuljahres im Examen hochgenommen würden. Und dieses Wort<br />
„Hochnehmen“ umschreibt man in der spanischen Sprache mit „die Haare<br />
ziehen oder wegnehmen“. Die Buben waren nicht dumm und machten daraus<br />
diesen Witz, dass sie sich die Haare selbst wegrasierten. Sie sahen alle aus wie<br />
Yul Brynner. Wo die Eltern diese Maßnahme nicht erlaubten, schnitten sie sich<br />
solche Stufen in ihren Haarschopf oder schnitten ganze Haarbüschel heraus, dass<br />
sie schließlich doch zum Friseur gehen durften. Ich finde es gehört mehr Mut<br />
dazu, mit 13 Jahren ohne Haare als mit einer kunstvollen Frisur herumzulaufen.<br />
Ich hatte ein gewisses Verständnis für den Witz, der Direktor und andere<br />
Kollegen aber nicht. Mit meinem Stück rettete ich die Ehre meiner Buben.<br />
Der Einakter wurde zu einem großen Erfolg, der selbst den gestrengen Herrn<br />
Direktor zu Lob und Anerkennung veranlasste. Meine Kahlköpfe spielten so<br />
frisch und frech und sicher, dass sie in 15 Minuten die gefeierten Stars der<br />
Schule wurden. Die Eltern waren plötzlich sehr stolz auf ihr Kinder. Ich auch,<br />
und es fiel mir am nächsten Tag bei der Ausgabe der Zensurenhefte besonders<br />
schwer, ihnen mitteilen zu müssen, dass ich höchstwahrscheinlich nicht weiter<br />
ihr Klassenlehrer sein werde und dass 10 von den 44 Kindern der Klasse nicht<br />
versetzt werden. Das hat aber nichts mit der „Glatzenaktion“ zu tun. Man<br />
braucht mich wieder für harte Nüsse.<br />
73<br />
Johannes Lein<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Queridos Bachilleres,<br />
Estimados Padres de Familia,<br />
Estimados Invitados:<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
Schule<br />
Abi - Rede<br />
Esta noche mi última tarea como jefa de curso, o casí ex-jefa del curso S4A, es<br />
dirigir la palabra a todos Ustedes. Pero mis primeras palabras quisiera dirigirlas<br />
exclusivamente a los padres de familia y por eso hablo en castellano.<br />
Queridos padres de familia:<br />
Les felicito por sus hijos y su graduación al fin de una formación alemana, y en<br />
ese sentido única, en La Paz.<br />
¡Felicidades!<br />
Lamentablemente la nota va a decidir sobre una plaza en la universidad o una<br />
beca. Pero no deberíamos olvidar que ellos necesitan una personalidad fuerte<br />
para lograr sus objetivos y los deseos de ellos mismos, y no de Ustedes como<br />
padres. Y cada uno de los hijos de Ustedes es una persona única con una<br />
determinada personalidad.<br />
Muchisimas gracias a los colegas de la primaria por acompañar a sus hijos en su<br />
primera etapa con un cariño muy grande, con una paciencia impresionante y con<br />
una tranquilidad que, a mi, me falta. Gracias a muchos colegas de la secundaria<br />
por ayudarme a formar el curso en la última etapa del colegio.<br />
Pero mi agradecimiento dirijo especialmente a Ustedes como padres,<br />
Por la educación en la casa.<br />
Por el apoyo del colegio (a pesar de que hubieron quejas).<br />
Y por el apoyo a mi persona como jefa de curso en particular.<br />
En estos tres años he visto a sus hijos crecer y desarollar. Cada uno de ellos<br />
no solamente tiene una nota, sino cada uno conoce sus fuerzas y también sus<br />
debilidades, las cuales considero que son las más importantes y que ellos<br />
aprendieron a manejarlas.<br />
Los bachilleres tienen conocimientos generales y bien grandes, pero además<br />
saben disfrutar los pequeños placeres de la vida<br />
74
Schule<br />
Actividades fuera del colegio.<br />
Las amanecidas.<br />
El primer gran amor.<br />
La reconciliación después de una pelea con los amigos, etc.<br />
Han comenzado a entender la palabra “amistad”. El mérito es también suyo.<br />
Ustedes no tienen ningún motivo para estar desilusionados por un promedio que<br />
no coincide con los sueños de Ustedes. Estoy convencida de que cada uno de sus<br />
hijos encontrará su camino propio y adecuado a corto y a largo plazo. Ustedes<br />
pueden estar muy orgullosos en este momento de que sus hijos sean bachilleres<br />
alemanes.<br />
Queridos papás,<br />
¡Felicidades!<br />
Disculpenme si ahora voy a dirigir la palabra a los bachilleres en alemán. Por lo<br />
cual Ustedes deberían sentirse orgullosos también, ya que ellos son capaces de<br />
cambiar de un idioma a otro con facilidad.<br />
Liebe Abiturientinnen, liebe Abiturienten,<br />
meine liebe Klasse S4A,<br />
Der deutsche Philosoph, Dichter und Philologe Friedrich Nietzsche, der<br />
übrigens im August des Jahres 1900 in Weimar! starb, sagte einmal: „Man<br />
belohnt seine Lehrerin schlecht, wenn man immer ihr Schüler bleibt.“ Darum<br />
müsst Ihr Euch nun verabschieden, von der Schule, von Euren Lehrern, von<br />
Euren Klassenkameraden, von Eurem Klassenraum ..... Aber auch ich muss und<br />
möchte mich von Euch an dieser Stelle offiziell verabschieden.<br />
Ich kann Euch sagen, es war verdammt ungemütlich mit Euch. Vor drei Jahren<br />
hatte ich eine Klasse geerbt, die dem männlichen Charme meines Vorgängers<br />
verfallen war, ganz besonders die Mädchen. Dem konnte ich natürlich nichts<br />
entgegensetzen und musste mir ständig anhören: Herr Quaiser hat das aber so<br />
gemacht; bei Herrn Quaiser war das aber anders; Herr Quaiser hat gesagt ... –<br />
Dennoch sollten wir an dieser Stelle gemeinsam sagen: Danke, Florian Quaiser<br />
für Deine Arbeit und Dein Engagement! - Schließlich habt Ihr letzten Endes doch<br />
erkannt, dass es sich auch nach der Quaiser-Ära durchaus lohnt, noch weiterhin<br />
den Unterricht zu besuchen und wie sich später herausstellen sollte, je nach<br />
Tagesform und Begeisterung zum Unterrichtsfach in Quantität und Qualität ganz<br />
unterschiedlich. Eure Köpfe wurden vollgestopft mit irgendwelchen Formeln<br />
wie z.B. die: Ableitung mal stehen lassen plus stehen lassen mal Ableitung<br />
?! (oder so ähnlich), mit hochwissenschaftlichen Vererbungstheorien, mit<br />
philosophischem Geschwafel und nicht zu vergessen, mit bedeutenden Werken<br />
englischsprachiger, spanischsprachiger und nicht<br />
75<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Schule<br />
zuletzt deutscher Literatur, bei denen Eure Lehrer der Meinung waren: Die muss<br />
man mal gelesen haben! Machen wir noch ein letztes Mal die Probe: Ihr werdet<br />
nachts aus Eurem schönsten Traum gerissen und gefragt: Wer war Goethe? Und<br />
Ihr könnt spontan antworten: ..... (gerappt: Goethe war ein Dichter, Goethe war<br />
ein Philosoph, ...). Da kann man nur hoffen, dass die Schule kein Alptraum war<br />
und ihr mit ein bisschen Abstand gern auf Eure Schulzeit zurückschauen werdet.<br />
Ich habe versucht, Euch mehr als nur Goethes Werke nahezubringen und<br />
bedanke mich auch bei meiner Kollegin Ligia D’Andrea für die Unterstützung<br />
in Sachen „Liebeskunde“.<br />
Allerdings gab es auch eine gewisse Lernresistenz einiger von euch, vor<br />
allem in Sachen Pünktlichkeit, wobei recht beachtlich ist, wie konsequent und<br />
ausdauernd Ihr dies über die drei letzten Schuljahre hinweg durchgehalten habt.<br />
Das war für uns Lehrer eine echte Herausforderung! So manches Mal habe ich<br />
Euch verteidigt, auch wenn andere meinten, Ihr hättet es nicht verdient. Aber<br />
heute kann ich mit gutem Gewissen sagen, Ihr habt es verdient. Denn was ich<br />
an Euch am meisten mag, ist, dass Ihr streitbarer und aufmüpfiger geworden<br />
seid. Ihr seid selbstbewusster geworden. Nutzt all diese Eigenschaften klug und<br />
geht Eurer Wege. Auf diesen Wegen darf man stolpern, hinfallen, liegen bleiben<br />
oder sogar umkehren und zweifeln, denn es gibt viele Wege und Straßen, die<br />
zum Ziel führen. Ihr solltet niemals Lust, Neugier und Mut verlieren, neue und<br />
unbekannte Wege zu betreten. Kommt aber wieder rechtzeitig zurück, damit Ihr<br />
pünktlich seid, denn wir sind verabredet: Am 10. Mai 2035. Bis dahin<br />
Macht’s gut und ¡Hasta luego!<br />
Eure Heike Sell<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
76
Schule<br />
� EX-ISFPD, Jette Sell , brandaktuell aus Oxford,<br />
England<br />
Ein weiteres Beispiel für erfolgreiche ISFPD-Studenten:<br />
kürzere Studienzeiten →→→ billigeres Studium →→→ schneller im<br />
Beruf<br />
77<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Schule<br />
E-learning an der Deutschen Berufsschule La Paz<br />
Googeln, Wikipedia, You tube, Facebook – alles Begriffe, die für Schüler im<br />
Internetzeitalter nicht mehr wegzudenken sind und die auch nicht spurlos an den<br />
Lehrern vorbeigehen sollten.<br />
12 Kolleginnen und Kollegen aus den Deutschen Berufsschulen in Südamerika<br />
trafen sich vom 25.10. – 27.10. 2010 zu einer überregionalen Fortbildung in<br />
der Deutschen Berufsschule La Paz, um sich mit dem Thema „E-Learning<br />
an kaufmännischen Schulen“ auseinander zu setzen und die Möglichkeiten<br />
auszuloten, wie man „virtuelle Klassenzimmer“ auf elektronische Plattformen<br />
sinnvoll für den Unterricht einsetzen kann.<br />
Doch bevor es montags los ging, konnten die Lehrer sonntags , soweit sie<br />
nicht der Höhe Tribut zollten, bei einer Stadtrundfahrt einen ersten Eindruck<br />
von La Paz gewinnen. Der dabei positiv gewonnene Eindruck wurde dann in<br />
der Deutschen Berufsschule montags getoppt. Beindruckt von der herrlichen<br />
Lage der Schule kamen die Lehrer aus dem Staunen nicht mehr heraus, als sie<br />
die Ausstattung der Schule sahen. Helle, klimatisierten Klassenräumen digitale<br />
Tafeln, Laptops und ein Computerraum mit 20 Arbeitsplätzen, ausgestattet mit<br />
der neuesten Soft- und Hardware.<br />
Nach einer Einführung zum Thema durch den Leiter der Berufsschule La Paz,<br />
Jürgen Winkel, stand für den den restlichen Tag das Arbeiten in einem sogenannten<br />
„virtuellen Klassenzimmer“, basierend auf den Internetplattformen lo-net und<br />
Moodle auf dem Programm. Abends lud die Deutsche Kulturgemeinschaft<br />
sowie die Schulgemeinschaft zum Empfang ein.<br />
Der Dienstag stand ganz im Zeichen der praktischen Ausbildung der Deutschen<br />
Berufsschule La Paz. So konnten die Kollegen das Vorzeigeunternehmen<br />
Drogeria Inti unter der sachkundigen Führung von Christian Schilling und<br />
Friedrich K. Ohnes besichtigen. Einem Kurzbesuch zum Titicaca-See folgte<br />
dann ein Besuch der Deutsch –Bolivianischen Außenhandelskammer (AHK),<br />
wobei in einer regen Diskussion die unterschiedliche Zusammenarbeit<br />
zwischen den Partnern der dualen Ausbildung (AHK, Berufsschule und<br />
Unternehmen) in den einzelnen Ländern (Sao Paulo, Buenos Aires, Santiago,<br />
Lima und Quito) angesprochen wurde. Mit einem Abendessen beim Leiter der<br />
Wirtschaftsabteilung der Deutschen Botschaft , Andreas Schröder, klang der<br />
Dienstag aus.<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
78
Schule<br />
Mittwochs standen wieder unter Anleitung von Kollegen der Deutschen<br />
Berufsschule La Paz, Manuel Lins und Roberto Salgado, die Arbeit mit Moodle<br />
und Joomla, - einem Programm zur Gestaltung von Webpages - , sowie der<br />
Einsatz der digitalen Tafel im Unterricht auf dem Programm. Neben den<br />
dazu gewonnen Erkenntnissen vereinbarten die Teilnehmer auf einer Moodle<br />
Plattform in Sao Paulo Unterrichtsthemen, länderübergreifend für alle<br />
Studenten, aber auch länderspezifische Hausauf-gaben und Projekte – gerade<br />
wenn die Studenten in den Unternehmen arbeiten- zugänglich zu machen.<br />
Die Teilnehmer der Fortbildung machten deutlich, dass die von der Deutschen<br />
Berufsschule La Paz angestoßene Thematik „E-learning“ auf der Agenda der<br />
Deutschen Berufsschulen in Südamerika ganz vorne steht und deshalb das<br />
Thema schon im Mai 2011 in einer Folgeveranstaltung in Lima vertieft werden<br />
soll.<br />
Jürgen Winkel<br />
Leiter der Deutschen Berufsschule La Paz<br />
79<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
Veranstaltulgen<br />
Weltuntergang 2012<br />
Ein Veranstaltungshinweis<br />
2012 geht also die Welt unter. Die Maya und neuerdings auch ein paar andere für<br />
Apokalypsen zuständige Stellen haben das gesagt. Das ist gut zu wissen, weil<br />
man sich darauf einstellen kann. Das Datum steht noch nicht genau fest, aber die<br />
Planungen laufen auf den 21. oder den 23. Dezember hinaus. Praktischerweise<br />
entgeht man dadurch dem Vorweihnachtsstress. Es lohnt sich dann nicht mehr,<br />
große Vorräte anzulegen, und gute, lange gereifte Rotweine sollte man beizeiten<br />
konsumiert haben, es wäre ja schade darum. Der eine oder die andere mag sich<br />
noch zu einem lange überfälligen Seitensprung hinreißen lassen, denn wenn<br />
die Welt in Stücke fliegt, ist es ja nicht so schlimm, wenn kurz vorher noch<br />
die Beziehung in die Brüche geht. Wer nicht an den Weltuntergang glaubt,<br />
kann unmittelbar vor dem ultimativen Ladenschluss vermutlich noch einige<br />
hübsche Schnäppchen auf dem Immobilienmarkt ergattern. Davon, den alten<br />
Widersacher noch eben zu ermorden, raten wir hingegen ab. Ist sowieso sinnlos,<br />
und man geht mit einem schlechten Gewissen in die Apokalypse. Das wäre wie<br />
ungewaschen Weihnachten feiern. Nein, nein!<br />
Weltuntergangsverweigerer wie ich haben die Angewohnheit, hinsichtlich<br />
Veranstaltungen wie dieser dumme Fragen zu stellen. Dabei geht es weniger<br />
darum, woher die Maya das alles gewusst haben sollen, denn auf solche Fragen<br />
bekommt man von Weltuntergangsanhängern nur verschwurbelte Antworten der<br />
Art, dass sie eben in einer ganz anderen Beziehung zum Kosmos gestanden<br />
haben als ich. Vielmehr habe ich die Neigung, dem an die Wand gemalten Teufel<br />
die Grundierung zu entziehen.<br />
Der Maya-Kalender ende, so heißt es, mit dem 21.12.2012, und das<br />
bedeute, dass dann auch die Welt ende. So ganz überzeugend finde ich diese<br />
Argumentation nicht. Mein Sparkassenkalender z.B. endet am 31.12.2011, aber<br />
bisher fand ich das nicht Indiz genug davon auszugehen, dass es den 1.1.2012<br />
nicht mehr geben wird. Vielleicht hatten die Maya einfach keinen Platz mehr<br />
auf ihrem Kalender. Ich meine, irgendwann muss ja mal Schluss sein. Aber<br />
die ganz grundsätzliche dumme Frage ist: Wie kommt man genau auf das<br />
Jahr 2012? Die Hochkultur der Maya, in der ihr hochkomplizierter Kalender<br />
entwickelt wurde, wird ca. auf die Zeit von 700 v.C. bis 900 n.C. datiert. Seit<br />
dem gab es zig Kalenderreformen, ja immer wieder liest man sogar davon, dass<br />
ganze Jahrhunderte, in denen historisch gesehen erstaunlich wenig passierte,<br />
tatsächlich erfunden und unserer Zeitrechnung einfach hinzugefügt worden<br />
seien. In jedem Fall ist eins sicher: Wir leben nicht im Jahr 2010 nach Christi<br />
Geburt. Mit anderen Worten: Das Jahr 2012 ist gar nicht das Jahr 2012, es heißt<br />
80
Veranstaltulgen<br />
nur so. Wie aber berechnet man dann einen Weltuntergang, der vor Tausenden<br />
von Jahren vorhergesagt wurde? Und wie haben die Maya ihre Prophezeiung<br />
formuliert? Etwa mit sybillinischen Äußerungen à la „67 Jahre nach dem Ende<br />
eines großen Krieges“? Ja, wenn sie klar und deutlich gesagt hätten: „zwei Jahre<br />
nach der ersten Fußballweltmeisterschaft auf afrikanischem Boden“! Mit kurzen<br />
Fußnoten zur Erklärung der Begriffe „Fußball“ und „Afrika“.<br />
Aber nein, in Wirklichkeit haben die Maya keineswegs das Ende irgendeiner Welt<br />
vorhergesagt, sondern nur das Ende eines Umlaufs des Präzessionszyklus. Da<br />
sich danach sowieso alles wieder von vorne wiederholt, astronomisch gesehen,<br />
braucht man den Kalender nicht mehr fortzuführen. Das stimmt zwar auch nicht,<br />
denn ein Präzessionszyklus dauert fast 26.000 Jahre, und der Maya-Kalender<br />
begann erst am 1. August 3114 v.C., umfasst also nur gut 5.000 Jahre, aber was<br />
soll’s? Trotzdem können Sie auf www.weltuntergang-2012.de, einer Webseite,<br />
die nicht so dumm ist wie sie klingt, darüber abstimmen, ob der Weltuntergang<br />
stattfindet oder nicht. Zuletzt war eine knappe Mehrheit dagegen. Wir wischen<br />
uns den Schweiß von der Stirn.<br />
Deutlich kruder ist da doch die Seite www.esoterium.de. Dort heißt es: „In der<br />
Prophezeiung der Maya, wird die Sonne in ihrer Polarisation am 22. Dezember<br />
2012 einer Wandlung unterziehen, nach dem ein synchronisierender Lichtstrahl<br />
vom Zentrum der Galaxie gesandt wird; dieser Lichtstrahl wird einen<br />
gigantischen lodernden Strahlenpunkt senden, welcher Zerstörungen mittels<br />
planetarer Umwälzungen hervorbringen kann.“<br />
Wir zweifeln keine Sekunde lang, dass gigantische lodernde Strahlenpunkte<br />
ziemlich üble Zerstörungen hervorrufen können. Uns reicht ja schon ein<br />
vergleichsweise kleines Feuerzeug, um uns die Finger zu verbrennen, und das<br />
tut auch ganz schön weh. Was esoterium vergisst zu erwähnen: Nachdem die<br />
Jungs im Zentrum der Galaxis ihren Lichtstrahl losgeschickt haben, vergehen<br />
noch einmal ungefähr 32.600 Jahre, bis er bei unserer Sonne angekommen ist,<br />
denn die Galaxis ist doch einigermaßen groß. Was esoterium ebenfalls vergisst<br />
zu erwähnen: Im Zentrum der Galaxis soll sich nach der gängigen kosmischen<br />
Theorie ein schwarzes Loch befinden, und diesen Biestern ist ungefähr alles<br />
zuzutrauen außer dem Aussenden von Lichtstrahlen. Wir wischen uns abermals<br />
den Schweiß von der Stirn. Noch dazu, da esoterium uns beruhigt, dass die<br />
Maya gar nichts von Weltuntergang gesagt haben, sondern nur von einem<br />
Wandlungsprozess.<br />
Die ziemlich gut recherchierte Seite www.scienceblogs.de zitiert Übersetzungen<br />
von Maya-Inschriften, berichtet von genervten zeitgenössischen Mayas und stellt<br />
zum Schluss unmissverständlich klar: „Also: es gibt keinerlei wissenschaftliche<br />
Grundlage für einen Weltuntergang im Jahr 2012. Geschichten über Planet X,<br />
81<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Veranstaltulgen<br />
Nibiru, Planetenkonstellationen, etc haben nichts mit der Realität zu tun. Und<br />
sogar die `Prophezeiung´ selbst existiert nicht. Die Maya haben für das Jahr<br />
2012 keinen Weltuntergang vorhergesehen!“<br />
Aber die Bibel hat! Laut www.spiritlight.de war es sogar Gott höchstpersönlich,<br />
der in die Offenbarung – natürlich verschlüsselt, denn ER spielt halt gern –<br />
das Datum reingesetzt hat. Die Sache ist ziemlich verzwickt, und man muss<br />
sich mit Würfeln und ganz vielen Zwölfen herumschlagen, aber wenn man<br />
dem biblischen Text hinreichend zurechtbiegt (und das tut man), dann springt<br />
einem der 21.12.2012 nur so ins Auge. Oder er wird einem mit geradezu<br />
alttestamentarischer Gewalt ins Auge geschleudert. Der Autor geht so in seiner<br />
Zahlenmystik auf, dass er sogar davon fasziniert ist, als Summe der sechs Seiten<br />
eines Würfels genauso 21 zu erhalten, wie wenn er erst die gegenüberliegenden<br />
Seiten und dann noch einmal deren Summen addiert, ein Phänomen, das<br />
Mathematikern unter den Namen Kommutativgesetz und Assoziativgesetz<br />
bereits seit längerem bekannt ist.<br />
Nun denn, fassen wir zusammen. Die Maya haben nicht den Weltuntergang<br />
prophezeit, und die Bibel hat auch nicht, da können die Geisterlichter sagen,<br />
was sie wollen. Mit Überraschung musste ich feststellen, dass die Maya<br />
aber tatsächlich den 21.12.2012 gemeint hatten (nur nicht speziell für die<br />
Apokalypse, sondern einfach so). Sie nehmen Bezug auf Konstellationen von<br />
Himmelskörpern, und über die Sonnenfinsternis vom 11.8.1999 kann man<br />
tatsächlich auf das ominöse Datum kommen. Nur ist es überhaupt nicht ominös.<br />
Es findet sich auch nur auf einer einzigen, noch dazu nur rudimentär erhaltenen<br />
Inschrift, in der dem Datum nicht einmal eine besondere Bedeutung beigemessen<br />
wird. Vielleicht war’s ja auch einfach nur so dahingemeißelt.<br />
Apocalypse now? Ach was! Der Weltuntergang fällt aus. Schon wieder!<br />
Verkaufen Sie Ihre Immobilien nicht voreilig und unter Wert, und auch die Sache<br />
mit dem Seitensprung sollten Sie sich noch einmal gut überlegen. Nicht, dass<br />
Sie dann am 22.12.2012 mit zerknirschtem Gesicht Entschuldigungen stammeln<br />
à la „Schatz, es tut mir so leid, aber weißt Du, ich dachte halt, die Welt geht<br />
unter“, Ausreden, die erfahrungsgemäß überhaupt nicht gut ankommen.<br />
Sollte sich aber apokalypsemäßig wider Erwarten doch noch etwas tun, wird<br />
das <strong>Monatsblatt</strong> in der Ausgabe 1/2013 ausführlich über den Event berichten,<br />
selbstverständlich mit ein paar spektakulären Farbfotos.<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
82<br />
Manuel Lins
Veranstaltulgen<br />
Mitteilungen der Evangelisch – Lutherischen Gemeinde<br />
Deutscher Sprache in Bolivien (IELHA)<br />
Terminplan IELHA Oktober bis Dezember 2010<br />
Sonntag, 14.11.<br />
10 Uhr ökumenische Andacht zum Volkstrauertag<br />
auf dem deutschen Friedhof und 11 Uhr auf dem<br />
jüdischen Friedhof<br />
Donnerstag, 25.11. 16 Uhr Recreación im Pfarrhaus<br />
Sonntag, 28.11. 10.30 Uhr Gottesdienst<br />
Sonntag, 12.12. 10.30 Uhr Adventsgottesdienst und Adventsbasar<br />
Donnerstag, 16.12. 16 Uhr Recreación im Pfarrhaus<br />
Freitag, 24.12.<br />
Weihnachtsgottesdienst, voraussichtlich mit<br />
Krippenspiel<br />
Freitag, 31.12. 19 Uhr Jahresschluss-Gottesdienst<br />
Gemeindepräsidentin: Caroline Sölle de Hilari Tel. 2411885<br />
Pastor: Claus von Criegern Tel. 2414645<br />
Martin-Luther-Kirche Tel. 2419619<br />
Anschrift: Sánchez Lima esq. Rosendo Gutiérrez<br />
Postfach: Casilla 2851, La Paz<br />
83<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Veranstaltulgen<br />
Mitteilungen der Katholischen Kirchengemeinde<br />
deutscher Sprache<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
Messe 13.11.2010, 19.00 Uhr<br />
Christmette 24.12.2010, 18.00 Uhr<br />
Termine der Gottesdienste in der Kapelle der Schwestern Calle<br />
Fernando Guachalla, Ecke 6 de Agosto<br />
Veranstaltungen<br />
Mitteilung der atheistischen Gemeinde: Bis auf weiteres keine<br />
Gottesdienste geplant.<br />
84
VORTRAG/WORKSHOP<br />
Veranstaltulgen<br />
„La PAZ es CaPAZ -<br />
La Paz öffnet sich für Menschen mit Behinderungen“<br />
Um auf die Situation von Menschen mit<br />
Behinderungen in Bolivien aufmerksam<br />
zu machen bietet das Goethe-Institut im<br />
November zahlreiche Veranstaltungen<br />
zu dem Thema „ La PAZ es caPAZ<br />
- La Paz öffnet sich für Menschen<br />
mit Behinderungen“ an. Vom 10.<br />
bis 30. November haben Interessierte<br />
die Möglichkeit im MUSEF eine Führung durch die Ausstellung „Dialog<br />
in der Dunkelheit“ zu machen. In völlig abgedunkelten Räumen werden<br />
Alttagssituationen wie ein Marktbesuch oder ein Spaziergang durch die Straßen<br />
zum fast unüberwindbaren Hindernis, wenn wir uns nicht - wie gewohnt - auf<br />
unser Augenlicht verlassen können. Blinde Menschen sind täglich mit diesen<br />
Problemen konfrontiert.<br />
Neben der Ausstellung veranstalten die<br />
deutschen Künstlerinnen Sylvia Schwarz<br />
und Alexandra Schauwienold vom 15. bis<br />
20. November ein Theater-Workshop für<br />
Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung<br />
oder ihrer psychischen Erkrankung wenige<br />
Möglichkeiten haben, ihre künstlerischen<br />
Fähigkeiten in die Gesellschaft<br />
einzubringen. Die Präsentation der Ergebnisse findet am 22. November im<br />
MUSEF statt.<br />
Den 27. November widmen wir Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen<br />
sind. Auf der Plaza Avaroa wird es an diesem Tag eine Messe mit zahlreichen<br />
Informationen für und über Menschen mit Behinderungen geben. Zusätzlich<br />
begrüßen wir an diesem Tag Prominente aus Politik, Kultur und Medien, um an<br />
unserer Aktion „Der Rollstuhl – eine Herausforderung im Alltag“ teilzunehmen.<br />
Bei dieser Aktion sollen die Teilnehmenden einen Parcours aus alltäglichen<br />
Situationen, wie einem Bankbesuch oder dem Einkauf im Supermarkt im<br />
Rollstuhl bewältigen, um zu realisieren, welche Schwierigkeiten die Struktur<br />
der Stadt Menschen mit Behinderungen bereitet.<br />
85<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Workshop<br />
„Wir malen und basteln ein Buch“<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
Veranstaltulgen<br />
Am 9. November um 17:30 Uhr wird die deutsche<br />
Kinder- und Jugendbuchautorin Birte Müller eine<br />
Lesung in deutscher Sprache in der Lutheranischen<br />
Kirche geben, zu der wir unser junges Publikum herzlich<br />
einladen. Zudem organisiert das Goethe-Institut vom 05.<br />
– 10. November einen Bilderbuchworkshop, in dem<br />
Kinder ihr eigenes Buch malen und basteln können.<br />
1973 in Hamburg geboren, studierte Birte Müller<br />
Buchillustration und Malerei an der Fachhochschule<br />
für Gestaltung in Hamburg und verbrachte Auslandssemester in Mexiko und<br />
Bolivien<br />
Ihre Abschlussarbeit wurde 2002 mit dem ersten Preis für die beste Diplomarbeit<br />
des Jahres augezeichnet und erschien 2003 als Buch mit dem Titel „Auf<br />
Wiedersehen, Oma“, welches auch in der Bibliothek des Goethe-Instituts La<br />
Paz zu finden ist.<br />
Die Geschichte handelt von einem Mädchen aus den Anden, deren Großmutter<br />
gestorben ist und beschreibt das Leben in einem Dorf in Bolivien.<br />
Seit 1999 arbeitet Birte Müller als freie Illustratorin in Hamburg. Sie veranstaltet<br />
regelmäßig Workshops und Lesungen für Kinder in der ganzen Welt, darunter<br />
bereits mehrfach in Spanien, Mexiko und auch in Bolivien.<br />
Von Birte Müller sind mehrere Bilderbücher und illustrierte Bücher erschienen,<br />
unter anderem „Was macht der Bär den ganzen Tag?“ (2004) und „Inga zieht<br />
sich an“ (2007). In Spanien erschien zuletzt 2007 das Bilderbuch „El diente, el<br />
calcetín y el perro astronauta“ mit einem Text von Antonio Lozano.<br />
MUSIK<br />
Konzert des Pianisten Alexander Schimpf<br />
”Vielleicht gibt es sie ja noch, die Tonkünstler<br />
jüngerer Generation, die ihr Publikum ihrem<br />
musikalischen Talent und nicht außermusikalischen,<br />
boulevardtauglichen<br />
Sensationen verdanken. Alexander Schimpf,<br />
der dieses Jahr den Wiener Beethoven-<br />
Klavierwettbewerb gewonnen hat, könnte<br />
einer dieser künftigen Helden eines reformbedürftigen<br />
Klassikbetriebs werden…”<br />
So schrieb die Süddeutsche Zeitung nach einem Klavierabend des Pianisten<br />
86
Veranstaltulgen<br />
im Kleinen Saal des Münchner Gasteigs. Seit seinen Erfolgen im Deutschen<br />
Musikwettbewerb 2008 und im Internationalen Beethoven-Wettbewerb<br />
Wien 2009 hat sich Alexander Schimpf einen Namen als vielversprechender<br />
Musiker der jungen Generation gemacht und konzertiert mit zunehmender<br />
Regelmäßigkeit im In- und Ausland.<br />
Geboren 1981 in Göttingen, erhielt der Pianist seine Ausbildung als Schüler<br />
bei Wolfgang Manz in Hannover, später an der Musikhochschule Dresden bei<br />
Winfried Apel sowie bei Bernd Glemser in Würzburg. Weitere wesentliche<br />
Anregungen erhielt er von der französischen Pianistin Cécile Ousset. Am<br />
02. Dezember präsentiert das Goethe-Institut einen Klavierabend mit<br />
Alexander Schimpf. Der Ort wird noch bekannt gegeben.<br />
MUSIK<br />
Ausstellung „Entzaubert“ von Wolfram Hahn<br />
Im Vorfeld des Kinderfilmfestivals Kolibri, das vom<br />
01. – 15. November in La Paz statt findet, zeigt das<br />
Goethe-Institut La Paz vom 26.10. – 10.11.2010 die<br />
Ausstellung „Entzaubert“ von Wolfram Hahn in der<br />
Cinemateca Boliviana.<br />
Traurige, ernsthafte Blicke, eingefrorene Mimik. Die<br />
von Wolfram Hahn porträtierten Kinder wirken leblos<br />
wie Puppen, wie Körper ohne Geist und Regung. Ihr<br />
erstarrter Blick geht nach unten, fokussiert etwas im<br />
Raum, das sich dem Betrachter nicht erschließt. In welcher Situation werden die<br />
Kinder gezeigt? Was veranlasst sie, sich wie gebannt auf einen fixen Punkt zu<br />
konzentrieren und dabei dennoch so unbeteiligt zu bleiben? Die Kinder blicken<br />
dem Betrachter nicht entgegen, bleiben ihm gegenüber passiv und verwehren<br />
dadurch eine direkte Beziehung. Sie selbst sind sich dessen scheinbar nicht<br />
bewusst, sind zu sehr abgelenkt, um sich ihrer Inszenierung gewahr zu werden.<br />
Es ist der Fernseher, der die Kinder so intensiv und magisch in seinen Bann<br />
zieht. Die sensiblen Fotografien von Wolfram Hahn verblüffen vor allem,<br />
weil der Betrachter durch die dargestellte Situation unangenehm berührt<br />
wird. Er ist konfrontiert mit Kindern, denen ihr typisch kindliches Äußeres<br />
abhanden gekommen ist. In ihrer Konzentration, körperlichen Inaktivität und<br />
Verschlossenheit der Umgebung gegenüber scheinen sie sich aller kindlichen<br />
Attribute wie Spontaneität, Agilität, Naivität etc. entledigt zu haben. Sie gleichen<br />
vielmehr jungen Erwachsenen, die sich mit äußerster Ernsthaftigkeit auf die<br />
visuellen Botschaften konzentrieren. Der Fernseher entzaubert ihnen die Welt.<br />
„Es ist für die elektronischen Medien unmöglich, irgendwelche Geheimnisse zu<br />
bewahren. Ohne Geheimnisse aber kann es so etwas wie Kindheit nicht geben“.<br />
(Neil Postman)<br />
87<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
KINO<br />
Europäisches Filmfestival<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
Veranstaltulgen<br />
Im Rahmen des Europäischen Filmfestivals<br />
vom 11.-25.11.10 präsentiert das Goethe-<br />
Institut in der Cinemateca Boliviana vier<br />
ausgewählte deutsche Filme.<br />
In „Emmas Glück“ (Sven Taddicken) trifft<br />
der todkranke Max auf die eigenwillige<br />
Schweinezüchterin Emma und lernt das wahre Glück neu kennen. Die Welt<br />
erklärt hierzu: „Taddickens Film schleppt das unabwendbare schwere Ende<br />
im Gepäck und strebt trotzdem nach leichtfüßigem Gang, sucht die Balance<br />
zwischen Albernheit und Komik, will Weinerliches meiden und wünscht sich<br />
doch einen Kloß in des Zuschauers Hals.“<br />
Der Film „Krabat“ (Marco Kreuzpaintner) erzählt die Geschichte des<br />
Waisenjungen Krabat, der sich aus einer dunklen Schattenwelt zu befreien<br />
versucht und vor dem Tod flieht. 2008 erhielt der Film den Bayerischen<br />
Filmpreis in der Kategorie „Kinder- und Jugendfilmpreis“.<br />
2009 wurde der Film „Soul Kitchen“ (Fatih Akin) bei den Filmfestspielen von<br />
Venedig mit dem Silbernen Löwen für den „Großen Preis der Jury“ ausgezeichnet.<br />
In dem Film geht es um Familie und Freunde, um Liebe, Vertrauen und Loyalität<br />
– und um den Kampf um die Heimat als einen Ort, den es in einer zunehmend<br />
unberechenbaren Welt zu schützen gilt.<br />
Das Drama „Vier Minuten“ (Chris Kraus) handelt von der spannenden<br />
Beziehung zwischen einer alten Klavierlehrerin und einer jungen Frau.<br />
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt zu dem mit insgesamt 46<br />
internationalen Auszeichnungen geehrten Film: „Die Geschichte zwischen<br />
der alten Klavierlehrerin und ihrer widerspenstigen Schülerin im Gefängnis<br />
entwickelt eine beträchtliche emotionale Wucht, die in einem furiosen Finale<br />
gipfelt und sich vor allem den großartigen Hauptdarstellerinnen Monica<br />
Bleibtreu und Hannah Herzsprung verdankt.“<br />
Mehr Informationen finden Sie auf der Homepage des Europäischen<br />
Filmfestivals: http://cineeuropeo.boliviadomains.com/<br />
88
Veranstaltulgen<br />
Kulturagenda November – Dezember 2010<br />
Datum Veranstaltung KünstlerIn Ort<br />
26.10.- -<br />
10.11.10<br />
Eintritt frei<br />
10. – 30.11.10<br />
Mo. – So.:<br />
10:00 – 12:00<br />
Mo. – Fr.:<br />
16:00 – 18:00<br />
Eintritt frei<br />
Fotoausstellung:<br />
„Entzaubert”<br />
Im Rahmen des<br />
Kinderfilmfestival<br />
“Kolibri”<br />
Ausstellung:<br />
„Dialog in der<br />
Dunkelheit“<br />
Eine interaktive<br />
Ausstellung mit<br />
Führung.<br />
I. Ausstellungen<br />
Im Rahmen von<br />
„LaPAZ es caPAZ“<br />
89<br />
Wolfram Hahn<br />
Verschiedene<br />
Cinemateca<br />
Boliviana, C.<br />
Oscar Soria<br />
esq. Rosendo<br />
Gutiérrez<br />
MUSEF,<br />
C. Ingavi<br />
916, esq.<br />
Jenaro<br />
Sanjinés<br />
Bitte beachten Sie, dass Änderungen im Programmablauf auftreten können.<br />
Genaue Informationen entnehmen Sie bitte unserer Homepage http://www.<br />
goethe.de/lapaz<br />
05. - 10.11.10<br />
Eintritt frei<br />
09.11.10<br />
17:30 Uhr<br />
Eintritt frei<br />
II. Vorträge/ Workshops/Seminare<br />
Bilderbuchworkshop:<br />
„Wir malen und basteln<br />
ein Buch“<br />
Lesung mit der<br />
Kinderbuchautorin<br />
Birte Müller (in<br />
deutscher Sprache)<br />
Birte Müller<br />
Birte Müller<br />
Stadtbibliothek,<br />
Plaza del<br />
Estudiante<br />
Lutheranische<br />
Kirche,<br />
C. Sánchez<br />
Lima<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
15. - 20.11.10<br />
22.11.10<br />
Eintritt frei<br />
19.11.10<br />
Eintritt frei<br />
25.11.10<br />
18.00 – 21.00<br />
Uhr<br />
Eintritt frei<br />
27.11.10<br />
10:00 -12.00<br />
Uhr<br />
Eintritt frei<br />
29.11.10<br />
Eintritt frei<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
Theater-Workshop<br />
für Personen mit<br />
Behinderungen<br />
Präsentation der<br />
Ergebnisse<br />
Im Rahmen von<br />
„LaPAZ es caPAZ“<br />
Veranstaltulgen<br />
„Stadtklima -<br />
Quartiersmanagement“<br />
Anmeldung:<br />
Goethe-Institut:<br />
Tel.:2431916<br />
Vortragsreihe: „Die<br />
Rechte von Menschen<br />
mit Behinderungen“<br />
Im Rahmen von<br />
„LaPAZ es caPAZ“<br />
Aktion: „Der Rollstuhl<br />
– eine Herausforderung<br />
im Alltag“<br />
Im Rahmen von<br />
„LaPAZ es caPAZ“<br />
„Bremer LeseLust“:<br />
Ein Vortrag zum Thema<br />
Leseförderung<br />
90<br />
Sylvia<br />
Schwarz und<br />
Alexandra<br />
chauwienold<br />
Kai Reichert<br />
(D),<br />
Sérgio Póvoa<br />
Pires (Bras.)<br />
und Matthias<br />
Nabholz<br />
(CH)<br />
Sylvia<br />
Schwarz und<br />
Alexandra<br />
chauwienold<br />
sowie<br />
bolivianische<br />
Experten<br />
MUSEF,<br />
C. Ingavi 916,<br />
esq. Jenaro<br />
Sanjinés<br />
(Anmeldung<br />
erforderlich)<br />
Centro de<br />
Eventos<br />
Auditorium,<br />
C. Fernando<br />
Guachalla 421<br />
MUSEF,<br />
C. Ingavi 916,<br />
esq. Jenaro<br />
Sanjinés<br />
N.N. Plaza Avaroa<br />
Ulrike<br />
Hoevelmann N.N.<br />
Bitte beachten Sie, dass Änderungen im Programmablauf auftreten können.<br />
Genaue Informationen entnehmen Sie bitte unserer Homepage http://www.<br />
goethe.de/lapaz<br />
III. Musik
02.12.10<br />
19.00 Uhr<br />
Eintritt frei<br />
Klaviertkonzert:<br />
Robert Schumann<br />
und Frédéric<br />
Chopin<br />
Veranstaltulgen<br />
Alexander Schimpf N.N.<br />
Bitte beachten Sie, dass Änderungen im Programmablauf auftreten können.<br />
Genaue Informationen entnehmen Sie bitte unserer Homepage http://www.<br />
goethe.de/lapaz<br />
01.-15.11.10<br />
05.11.10<br />
19:15 Uhr<br />
Eintritt: 10 Bs.<br />
11.-25.11.10<br />
Eintritt: 10 Bs.<br />
27. und<br />
28.11.10<br />
Eintritt frei<br />
Deutscher<br />
Beitrag zum<br />
Kinderfilmfestival<br />
„Kolibri“<br />
<strong>IV</strong>. KINO<br />
Eröffnung der<br />
November-Filmreihe:<br />
„Entdeckungen und<br />
Begegnungen“ mit<br />
anschließender<br />
Diskussion mit dem<br />
Regisseur<br />
Europäisches<br />
Filmfestival<br />
Filmreihe zum<br />
Thema „Menschen<br />
mit Behinderungen“<br />
im Rahmen von<br />
„LaPAZ es caPAZ“<br />
91<br />
Filme von Prix<br />
Jeunesse<br />
Rainer Simon<br />
Filmbeiträge:<br />
Emmas Glück,<br />
Krabat,<br />
Soul Kitchen,<br />
Vier Minuten<br />
Filmbeiträge:<br />
Jenseits der Stille,<br />
Touch the Sound,<br />
Einladung zum<br />
Tanz, Der andere<br />
Körper<br />
Cinemateca<br />
Boliviana,<br />
C. Oscar<br />
Soria esq.<br />
Rosendo<br />
Gutiérrez<br />
Cinemateca<br />
Boliviana,<br />
C. Oscar<br />
Soria esq.<br />
Rosendo<br />
Gutiérrez<br />
Cinemateca<br />
Boliviana,<br />
C. Oscar<br />
Soria esq.<br />
Rosendo<br />
Gutiérrez<br />
Cinemateca<br />
Boliviana,<br />
C. Oscar<br />
Soria esq.<br />
Rosendo<br />
Gutiérrez<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Veranstaltulgen<br />
Außerdem: Viernes de cine alemán/Freitag des deutschen Kinos.<br />
Jeden Monat präsentieren wir eine Filmreihe mit wechselnden<br />
thematischen Schwerpunkten. Im November geht es um das Thema<br />
„Entdeckungen und Begegnungen“. Diese Filmreihe wird am 05.<br />
November von dem deutschen Regisseur Rainer Simon eröffnet (19:15<br />
Uhr, Cinemateca Boliviana, C. Oscar Soria esq. Rosendo Gutiérrez, 10<br />
Bs, Schüler des Goethe-Instituts 2x1). Im Dezember richtet sich unsere<br />
Filmreihe an Kinder und Jugendliche.<br />
Mehr Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen auf der Homepage des<br />
Goethe-Instituts http://www.goethe.de/lapaz<br />
„Ups, davon habe ich nichts gewusst…“<br />
„Schade, das sehe ich erst heute“<br />
„Was? Schon vorbei?“<br />
Damit so etwas nicht mehr vorkommt, abonnieren sie unseren Newsletter:<br />
Informationen.<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
Wenn Sie sich für unseren Newsletter interessieren,<br />
in dem wir regelmäßig über unsere kulturellen<br />
Aktivitäten informieren, dann schicken Sie bitte<br />
Ihren Namen und Emailadresse an: cultura@lapaz.<br />
goethe.org mit dem Betreff Newsletter abonnieren.<br />
Sie erhalten dann automatisch wöchentlich unsere<br />
92
Veranstaltulgen<br />
93<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
Mischmasch<br />
Ein Kälteabenteuer:<br />
Mitternachtsschwimmen im Titicacasee<br />
Im Tierreich gibt es die verrücktesten Überlebensstrategien. So überlebt der<br />
nordamerikanische Waldfrosch Rana sylvatica frostige Minustemperaturen<br />
indem er einfach zu Eis erstarrt. Damit sich im Zellgewebe keine<br />
lebensbedrohlichen Eiskristalle bilden reichert diese Froschart das Blut mit<br />
einem körpereigenen Frostschutzmittel an. Dieses Frostschutzmittel besteht aus<br />
Glycerin und Glucose. Ist die Winterzeit vorbei und wenn sich die Temperaturen<br />
wieder erhöhen kommt der Stoffwechsel wieder in Gang und der Waldfrosch<br />
hüpft wieder fröhlich herum.<br />
Auch hier auf dem südamerikanischen Kontinent ist die Winterzeit hy vorbei<br />
und zwei Individuen der Spezies Homo Sapiens sind nach einem Kälteabenteuer<br />
wieder aufgetaut und können nun davon berichten:<br />
„Wir sind doch verrückt, noch können wir umkehren!“<br />
Dies dachten wir am 23. Juni während der Nachtfahrt nach Tiquina. In der<br />
Dunkelheit flackerten viele Feuer auf dem Altiplano, ganze Felder und Berghänge<br />
waren vom nebligen Rauch überzogen. Es ist ein bolivianischer Brauch in der<br />
kältesten Nacht des Jahres den eisigen Temperaturen etwas entgegenzusetzen.<br />
Aus diesem kalten Grund wärmen sich viele Bolivianer in der „Noche de San<br />
Juan“ an großen Lagerfeuern, trinken heiße Getränke und es werden Hotdogs<br />
gegessen.<br />
Anstatt sich ebenfalls an einem Lagerfeuer zu wärmen, zogen es zwei<br />
Kälteabenteurer vor pünktlich um 24:00 Uhr die Engstelle am Titicacasee<br />
„Estrecho de Tiquina“ schwimmend zu durchqueren. Unter der Leitung des<br />
bolivianischen Sportministeriums wird seit 3 Jahren dieser mitternächtliche<br />
Schwimmwettkampf ausgetragen. So waren wir nicht die einzigen, die den<br />
kalten Temperaturen trotzten. Die Überlebensstrategien der Schwimmer<br />
unterschieden sich von der des Waldfrosches. Einige Schwimmer waren mit<br />
einem Neoprenanzug bekleidet, andere cremten sich mit rotem Autowachs von<br />
Kopf bis Fuß ein und wir bevorzugten einfach unsere Badehose und schmierten<br />
uns mehr aus psychologischen Gründen mit etwas Vaseline ein.<br />
94
Mischmasch<br />
Foto: Vor dem Start – Außentemperatur -2°C<br />
Kurz nach Mitternacht bei – 2 C° Außentemperatur und einer Wassertemperatur<br />
von 11°C viel der Startschuss. Mit 30 weiteren enthusiastischen Schwimmern<br />
„sprangen“ wir in die Fluten des Titicacasees. Aus Sicherheitsgründen wurden<br />
wir von Tauchern und Booten der bolivianischen Marine begleitet. Bei<br />
sternklarer Nacht näherten wir uns brustschwimmend und mit dem Kopf über<br />
Wasser langsam dem blinkende Leuchtturmlicht auf der anderen Uferseite. An<br />
Kraulschwimmen war gar nicht zu denken, denn bei der kalten Wassertemperatur<br />
stellte sich automatisch eine sehr schnelle Atmung ein. Nach etwas über<br />
zwanzig Minuten erreichten wir nicht mit Glycerin aber mit viel Adrenalin<br />
im Blut überglücklich und zitternd das Ufer von San Pedro de Tiquina. Von<br />
der bolivianischen Marine wurden wir sofort in Wolldecken gewickelt, ich<br />
wurde von meiner Frau wärmstens umarmt und zu den heißen Duschen des<br />
Marinestützpunktes geführt.<br />
Foto: Im Ziel<br />
Der Erstplazierte durchquerte die 914 Meter breite Engstelle in 11 Minuten.<br />
Unglaublich. Mit der doppelten Zeit waren die beiden einzigen ausländischen<br />
95<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Mischmasch<br />
Teilnehmer „los rubios“ aber auch sehr zufrieden. Auf der Plaza von San Pedro de<br />
Tiquina fand um 2 Uhr morgens noch die Siegerehrung statt. Ingo Müller erhielt<br />
den dritten Platz und erhielt für diese Leistung einen Pokal, Patrick Hartwigt<br />
kam 3 Minuten später ins Ziel und begnügte sich mit einer Urkunde, einem Hot<br />
Dog und mit Té co Té. Ein Dank geht an dieser Stelle an die Organisatoren, dem<br />
Departameto de Deporte und der bolivianischen Marine, die diesen Wettkampf<br />
sehr gut vorbereitet und durchgeführt haben.<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
Foto: Die Glücklichen<br />
Tipps für Nachahmer:<br />
• Zwei bis drei Wochen vor dem 23 Juni informiert das Sportministerium<br />
über diesen Wettkampf.<br />
• Im Stadion Hernando Síles muss man vorher einen medizinischen<br />
Check absolvieren, danach erhält man einen Erlaubnisschein und kann<br />
an dem Wettkampf teilnehmen.<br />
• Vorbereitung: Im Club Alemán kann man gut im Außenbecken<br />
trainieren.<br />
• Nach dem Schwimmen nicht heiß duschen! Schüttelfrostgefahr!<br />
Text und Fotos: Patrick Hartwigt<br />
96
Mischmasch<br />
Demnächst erhältlich:<br />
Manuel Lins<br />
Die <strong>Monatsblatt</strong>-Artikel 2003-2010<br />
232 Seiten mit vielen Abbildungen<br />
Schmuckausgabe mit Lesebändchen<br />
Einband wahlweise Schweinsleder oder Sackleinen<br />
NT-Verlag, La Paz 2010<br />
120 Bolivianos<br />
Bezug über den Online-Shop des <strong>Monatsblatt</strong>es<br />
www.cca-monatsblatt.org/shop<br />
97<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
Mischmasch<br />
Wider den Handy-Wahn<br />
Vorsicht, das hier ist eine Polemik. Nicht, dass man nachher sage, ich habe<br />
Sie nicht gewarnt. Ausgewogene Berichterstattung werden Sie hier vergeblich<br />
suchen. Stattdessen wird hier gegen Handys, Celulares, Mobiltelefone<br />
geschrieben, brutal, frontal und schonungslos. Wenn Sie das nicht verkraften,<br />
sollten Sie schnell weiterblättern. Oder telefonieren gehen.<br />
So, jetzt sind wir unter uns. Willkommen im Handy-Hass-Artikel!<br />
Sie werden hier nichts lesen davon, wie wichtig und nützlich ein Mobiltelefon<br />
ist, wenn man sich in der Stadt treffen will. Stattdessen werden Sie über Idioten<br />
lesen, die gleich nach dem Einsteigen in ein Trufi zum Handy greifen, um<br />
wemauchimmer mitzuteilen, dass sie gerade in ein Trufi gestiegen sind. Und bis<br />
zum Erreichen des Zielortes das Wemauchimmer ständig auf dem Laufenden<br />
halten, wo sie sich gerade befinden auf dem ach so gefährlichen Trip.<br />
Sie werden auch nichts lesen über die Menschen, denen ein Handy nach einem<br />
Unfall oder einer Panne auf nächtlicher Landstraße Unannehmlichkeiten erspart<br />
oder gar das Leben gerettet hat. Stattdessen werden Sie von den doppelt so<br />
vielen Menschen lesen, die bei Unfällen, die durch unaufmerksame, handytelefonierende<br />
Autofahrer verursacht wurden, ums Leben kamen.<br />
Und Sie werden lesen über Hunderte von Millionen von Euro, die Jahr für Jahr<br />
allein in Deutschland für Handyschalen und Klingeltöne ausgegeben wurden,<br />
deren beliebtesten einer einst auf den schönen Namen „Furz Drei“ hörte. Kurz,<br />
dies ist ein Artikel über Dementia Celularis, den handyinduzierten Schwachsinn.<br />
Es gibt den medizinischen Verdacht, dass Handybenutzung das Gehirn<br />
schädigen kann. Ich bin mir dessen sicher. Man muss Handybenutzer nur einmal<br />
beobachten. Wie sonst ist es zu erklären, dass an und für sich vernunftbegabte,<br />
durchaus sympathische Menschen sich vollkommen bescheuert verhalten,<br />
sobald ihr Gerät klingelt oder zappelt? Leute mobiltelefonieren mit leicht<br />
gesenkter Stimme, aber ansonsten völlig ungeniert in Kirchen und Konzerten.<br />
Während einer Prüfung klingelt das Celular des Prüfers, und statt dass es ihm<br />
peinlich ist, nimmt der Prüfer den Anruf entgegen. Da rührt sich das Handy<br />
eines Vortragenden bei einer Fortbildung, und es schaltet es keineswegs aus und<br />
entschuldigt sich bei den Zuhörern, nein, er telefoniert. Achtung, Vortragender!<br />
Beim letzten Mal war ich dermaßen baff über Deine Missachtung, dass ich<br />
stumm geblieben bin. Nächstes Mal gehe ich, wenn Du nicht eine sehr gute<br />
Entschuldigung vorbringen kannst. Wenn Du Deinen Zuhörern nicht mehr<br />
98
Mischmasch<br />
Respekt entgegenbringst, kann das, was Du mir erzählen willst, nicht wirklich<br />
wichtig sein.<br />
Alle diese Beispiele sind keineswegs frei erfunden, sondern ich habe sie selbst<br />
erlebt. Dass ich noch nie einen Pfarrer während der Wandlung telefonieren sah,<br />
liegt vermutlich daran, dass ich so selten in die Kirche gehe.<br />
Bei der Dementia Celularis handelt es sich nicht um eine Geisteskrankheit im<br />
eigentlichen Sinne, sondern um eine Suchterkrankung, auch wenn die Symptome<br />
oft sehr ähnlich sind. Wenn sie früher einen Menschen sahen, der den Bürgersteig<br />
entlang geht und dabei unverständliches, zusammenhangloses Zeug vor sich<br />
brabbelt, dann war klar, dass es der etwas geistesgestörte Dorfdepp sein musste.<br />
Heute ist das nicht mehr so einfach. Es durchaus sein, dass der Mensch einfach<br />
nur telefoniert, mittels einer sogenannten Freisprecheinrichtung. Der Name der<br />
Einrichtung bedeutet allerdings nicht, dass er automatisch von jedem Verdacht<br />
der Geistesstörung freigesprochen ist. In den meisten Fällen ist es jedoch nur<br />
eine simple Sucht. So wie Raucher in Sitzungspausen ins Freie eilen, um sich<br />
eine Zigarette anzustecken, und Trinker in die Toilette flüchten, um mal eben<br />
einen Flachmann zu kippen, so verdrückt sich der Mobiltelefonjunkie in eine<br />
Ecke, um irgendjemanden anzurufen, egal wen. Das braucht er jetzt dringend,<br />
denn möglicherweise hatte er bereits seit Stunden keinen telefonischen Kontakt<br />
mehr zur Außenwelt. Ohne diesen ist er aber seiner eigenen (insbesondere<br />
gesellschaftlichen) Existenz nicht mehr sicher, was verständlicherweise zu<br />
großer Nervosität führen kann. Erst nach erfolgtem Anruf wird er ruhiger. An<br />
die Stelle des „Ich denke, also bin ich“ ist das „Ich telefoniere, also bin ich“<br />
getreten. Was den Vorteil hat, dass man nicht mehr denken muss.<br />
Gedacht wird sowieso nicht viel am Handy. Die Verbreitung des Gerätes hat<br />
nicht für mehr Kommunikation gesorgt; nur das Geschwätz hat zugenommen.<br />
Und noch mit einem weiteren Märchen gilt es aufzuräumen. Ein Mobiltelefon,<br />
so heißt es, sei sehr praktisch, ja unverzichtbar, um sich bei Verabredungen<br />
doch noch zu treffen, z.B. wenn man ein bisschen zu spät ist. Tatsächlich wäre<br />
die Nutzung zu diesem sinnreichen Zweck denkbar. In der Realität hingegen<br />
dient das Handy dazu, sich überhaupt keine Mühe mehr zu machen, bei<br />
Verabredungen auch nur annähernd pünktlich zu sein. Stattdessen ruft man den<br />
betreffenden Menschen an, um ihm zu sagen, dass man leider im Stau steckt,<br />
nun aber wirklich gleich da sein wird, höchstens fünf Minuten!, obwohl man in<br />
Wahrheit noch daheim und gerade im Begriff ist, vor Verlassen des Hauses noch<br />
eine erfrischende Dusche zu nehmen. Wenn Mensch dann doch irgendwann zu<br />
der Verabredung erscheint, ist Mitmensch vermutlich nicht da. Die Chancen<br />
stehen allerdings gut, dass er bei Anruf versichert, dass er ganz in der Nähe sei<br />
und in höchstens fünf Minuten da sein wird.<br />
99<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
Mischmasch<br />
Der Siegeszug des Handys war nicht aufzuhalten und nur schwer auszuhalten.<br />
Der Durchseuchungsgrad bei Jugendlichen liegt inzwischen bei weit über 90<br />
Prozent, der Verschuldungsgrad durch Handys nicht ganz so hoch. Aber wir<br />
arbeiten daran. Bei Jugendlichen im Alter von 13 bis 17 Jahren rangiert das<br />
Mobiltelefon schon auf Platz zwei der „Taschengeldfresser“, und oftmals ist die<br />
Handyrechnung das Einstiegstor in die Schuldenspirale. Sag nicht ich. Sagt die<br />
Bundesregierung.<br />
Irgendwann wird man dazu übergehen, Kinder bereits bei Geburt serienmäßig<br />
mit Mobiltelefonen auszustatten. Das ist praktisch, übersichtlich und dient der<br />
Sicherheit. Im Gegenzug wird man uns, die LSC („Los sin celular“), als exotische,<br />
bestaunenswerte und etwas unterentwickelte Subspezies des Menschen in einen<br />
telefonlosen Käfig sperren. Guck mal, der hat gar kein Handy, das sieht aber<br />
komisch aus! Schaut, es gibt sie noch! Richtig putzig, wie er da auf dem Sofa<br />
sitzt und liest und Tee trinkt ohne zu telefonieren! Sind ja nicht mehr viele, aber<br />
merkwürdigerweise haben es diese lebenden Fossilien geschafft, der natürlichen<br />
Auslese zu entgehen.<br />
Bis es jedoch so weit ist, werde ich zumindest manchmal, wenn auch nur<br />
telefonisch, das bleiben, was ich immer schon sein wollte: unerreichbar.<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
100<br />
Manuel Lins
Mischmasch<br />
Wichtiger Hinweis<br />
der Deutschen Botschaft:<br />
Alle Deutschen, die im Ausland leben, können sich im Rahmen eines passwortgeschützten<br />
online-Verfahrens bei der für sie zuständigen deutschen Auslandsvertretung<br />
in eine Deutschenliste gemäß § 6 Abs. 3 des deutschen Konsulargesetzes<br />
aufnehmen lassen.<br />
Bei der Eintragung in die Deutschenliste handelt es sich um eine freiwillige Maßnahme.<br />
Die Botschaft La Paz rät, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen,<br />
damit sie – falls erforderlich – in Krisen und sonstigen Ausnahmesituationen<br />
mit Deutschen schnell Verbindung aufnehmen kann. Darüberhinaus besteht die<br />
Möglichkeit, über die in der Liste zu hinterlegenden e-Mail-Adressen, z.B. auf<br />
anstehende Bundestagswahlen und Wahlen zum Europäischen Parlament hinzuweisen<br />
oder sonstige konsularische Hinweise zu übermitteln.<br />
Die Möglichkeit der online-Registrierung ersetzt die bisher manuell geführten<br />
Deutschenlisten der deutschen Auslandsvertretungen. Wir bitten Sie daher,<br />
sich über das Internet elektronisch zu registrieren, auch wenn Sie in der sog.<br />
Deutschenliste bereits eingetragen waren. Sie werden künftig automatisch in<br />
regelmäßigen Abständen aufgefordert werden, Ihre Angaben zu bestätigen bzw.<br />
zu aktualisieren. Damit sollen Vollständigkeit und Aktualität der Registrierungen<br />
sichergestellt werden. Bitte beantworten Sie die Ihnen automatisch zugehenden<br />
Aufforderungen deshalb im eigenen Interesse.<br />
101<br />
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010
<strong>Monatsblatt</strong> 4/2010<br />
Mischmasch<br />
102