II - CCA Monatsblatt
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Titel Titel<br />
Der Kakaoanbau wurde in Bolivien im Rahmen der Siedlungsprojekte<br />
tropischer Waldregionen des Chapare und desAlto Beni in den 1960er Jahre<br />
stark gefördert. Hierzu wurden Hochertragssorten aus Zentralamerika und<br />
Ecuador eingeführt. Obwohl Bolivien nachweislich eines der Genzentren<br />
von Amazonaskakao ist, wurde den einheimischen Kakaosorten kaum<br />
Beachtung geschenkt, da deren Früchte und Samen etwas kleiner sind<br />
als die der hochgezüchteten modernen Sorten. Im Alto Beni findet man<br />
lediglich bei den Ureinwohnern der Region - den Mosetenes - noch Reste<br />
von nativen Kakaobäumen.<br />
Was ist nun das besondere am bolivianischen Amazonaskakao?<br />
Der Schokoladenmarkt hat während der letzten 15 Jahre zunehmend<br />
Hochqualitätsprodukte entwickelt, für die spezielle Kakaosorten aus<br />
unterschiedlichen Anbauregionen benötigt werden. Der Amazonaskakao,<br />
der sich durch ein sehr feines Aroma und geringen Gehalt an Bitterstoffen<br />
auszeichnet, ist dadurch in den Blickpunkt der Chocolatiers gerückt.<br />
Im Gegensatz zu den eingeführten Kakaosorten, deren Ernte von April<br />
bis Oktober reicht, wird der Amazonaskakao zwischen Januar und April<br />
geerntet. Ab Mai, bedingt durch kühlere Temperaturen und einer hohen<br />
relativen Luftfeuchtigkeit, treten massive Probleme mit verschiedenen<br />
Pilzkrankheiten sowie Schadinsekten auf, die vor allem die Kakaofrüchte<br />
befallen und zu großen Ernteverlusten führen. Das heißt, dass der<br />
einheimische Kakao bereits geerntet ist, wenn die Probleme bei den<br />
eingeführtenSortengeradeerstbeginnen.Trotzweitverbreiteterorganischer<br />
Anbaumethoden im Alto Beni konnten viele dieser Anbauprobleme bisher<br />
nicht befriedigend gelöst werden.<br />
2011 wurde im Rahmen eines Forschungsprojektes im Alto Beni<br />
damit begonnen, Wildkakaopflanzungen in der Region zu untersuchen,<br />
um Pflanzenmaterial für den experimentellen Anbau zu selektieren. Die<br />
Produktivität einer von Mosetenes vor über 50 Jahren angelegten Pflanzung<br />
war beeindruckend. Über 400 Kakaofrüchte pro Baum an den bis zu über<br />
neun Meter hohen Bäumen wurden gezählt. Moderne Sorten kommen<br />
trotz intensiver Pflege (und Einsatz von Agrarchemie) kaum über 60 bis<br />
80 Früchte pro Baum und dies auch nur während einiger weniger Jahre.<br />
Die einzige Pflegemaßnahme, die die untersuchte Pflanzung erfährt, ist<br />
das Mähen der Krautschicht vor der Ernte. Der Nachteil kleinerer Früchte<br />
und Samen des Amazonaskakaos wird kompensiert durch hohe Erträge,<br />
geringeren Pflegeaufwand, bessere Qualität und das Aufrechterhalten<br />
eines intakten Waldsystems. Und dies ohne Berücksichtigung der sehr<br />
viel höheren Preise, die für diesen Kakao bezahlt werden. Dazu können<br />
noch eine Vielzahl an Orangenbäumen, nativen Früchten sowie Bananen<br />
in diese Systeme integriert werden.<br />
Ausblick<br />
Die Vernichtung großer Teile der tropischen Regenwälder ermöglicht heute<br />
nicht mehr, neue Waldgebiete für den Kakaoanbau zu roden. Dies führt<br />
dazu, dass der Kakaoanbau durch eine nicht nachhaltige Produktionsweise<br />
weltweit in eine tiefe Krise geraten ist, ausgelöst durch den Befall von<br />
Krankheiten, Schädlingen sowie abnehmender Bodenfruchtbarkeit. Auch<br />
der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel sowie Düngemittel konnte<br />
bisher keine Abhilfe all dieser Probleme schaffen.<br />
Durch das Experimentieren mit alternativen Anbaumethoden<br />
verschiedener Institutionen im Alto Beni während der letzten 25 Jahre<br />
konnten Wege aufgezeigt werden, wie eine dauerhafte und hochproduktive<br />
Kakaoproduktion (sowie anderer landwirtschaftlicher Kulturen) ohne<br />
jeglichen Einsatz von chemischen Hilfsmitteln möglich ist. Die mittlerweile<br />
über 15jährige Erfahrung im Anbau von dynamischen Agroforstsystemen<br />
in der Region hat gezeigt, dass landwirtschaftliche Produktion in tropischen<br />
Waldregionen auch ohne deren Zerstörung möglich ist. Im Falle des<br />
Kakaoanbaus muss man sich nur die natürlichen Ökosysteme anschauen,<br />
in denen der Kakao natürlicherweise wächst, und versuchen diese zu<br />
verstehen. Vereinfacht beschrieben bedeutet das:<br />
• Anbau unter möglichst naturnahen Bedingungen, also Kakao<br />
im unteren Stockwerk des Waldes, Obstbäume im mittleren<br />
Bereich und im oberen Stockwerk hochwachsende Bäume,<br />
die zumeist auch zu den Edelholzarten gehören.<br />
• Je höher die Artenvielfalt ist, desto stabiler ist das gesamte<br />
System.<br />
• Die natürliche Dynamik des Auenwaldes (Sturm,<br />
Überschwemmungen) wird durch Auslichten und durch<br />
Beschneiden der Schattenbäume simuliert.<br />
• Das dadurch anfallende Astmaterial reichert den Boden<br />
mit organischem Material an, welches wiederum durch<br />
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<strong>Monatsblatt</strong> 2/2012 <strong>Monatsblatt</strong> 2/2012<br />
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Boliviens Schokoladenseiten