Dr. Robert Geiger - Lehrstuhl für Pädagogik - TU München
Dr. Robert Geiger - Lehrstuhl für Pädagogik - TU München
Dr. Robert Geiger - Lehrstuhl für Pädagogik - TU München
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
2 Aktueller Forschungsstand und Forschungsfragen<br />
Das nachfolgende Kapitel gibt einen Überblick über die aktuelle empirische Forschungslage<br />
zu handlungsorientiertem Lernen in der beruflichen Bildung. Nach einer Darstellung des Bezugsfeldes<br />
der vorliegenden Forschungsarbeit und einer allgemeinen Betrachtung werden<br />
relevante empirische Forschungsarbeiten aus dem gewerblich-technischen Bereich sowie aus<br />
dem Berufsfeld „Wirtschaft und Verwaltung“ vorgestellt. Dieser Bestandsaufnahme folgt eine<br />
Darstellung des Forschungsinteresses und der Forschungsfragen.<br />
2.1 Bezugsfeld<br />
Die von der Kultusministerkonferenz in den Handreichungen zur Erarbeitung von Rahmenlehrplänen<br />
geforderte Handlungsorientierung des Unterrichts (KMK 2000, S. 10) ist eine Umsetzungsform<br />
der moderaten konstruktivistischen Auffassung über die Gestaltung von Lehr-<br />
Lern-Arrangements. Diese Auffassung kann zurzeit als leitende Idee <strong>für</strong> modernen beruflichen<br />
Unterricht bezeichnet werden. Der Begriff „konstruktivistisch“ ist hierbei im Sinne eines<br />
Unterrichtsgestaltungskonzeptes und nicht paradigmatisch zu interpretieren (vgl. Kapitel 3.1).<br />
„Wissenserwerb wird hier vor allem im Zusammenhang mit dem situierten Lernen und den<br />
mit diesem verbundenen instruktionalen Ansätzen diskutiert“ (Gerstenmaier, Mandl 2000, S.<br />
5). Aus gemäßigter konstruktivistischer Sicht ist es „weder möglich noch sinnvoll, allein auf<br />
aktive Konstruktionsleistungen der Lernenden zu vertrauen; man kann Lernenden aber auch<br />
nicht ständig fertige Wissenssysteme nach feststehenden Regeln vermitteln. [...] Im Sinne<br />
einer pragmatischen Perspektive lässt sich als Ziel eine Balance zwischen expliziter Instruktion<br />
durch Lehrende und konstruktiver Aktivität der Lernenden“ formulieren (Reinmann-<br />
Rothmeier, Mandl 1997, S. 376f.).<br />
Die Suche nach der richtigen Balance zwischen Instruktion und Konstruktion beschreibt<br />
prägnant eines der aktuellen Probleme der Berufspädagogik sowie der vorliegenden Arbeit.<br />
Entsprechend findet sich in Kapitel 3.1 eine ausführlichere Erörterung der relevanten Hintergründe<br />
und Zusammenhänge. Weitere Bezüge zur vorliegenden Arbeit ergeben sich aus der<br />
gegenwärtigen Diskussion der Fragen nach dem Verwendungsbezug schulischen Wissens, der<br />
Gefahren einer Vernachlässigung von inhaltlichem Wissen und der Aufgaben der Berufsschule<br />
gegenüber betrieblichen Lernorten. Diese Bezüge werden im Folgenden näher erläutert.<br />
Handlungssicheres Definieren und Lösen von komplexen beruflichen Problemen erfordert ein<br />
Professionswissen (siehe Pätzold 2000, S. 80). Dieses setzt sich als Strukturwissen aus deklarativen,<br />
prozeduralen und konditionalen Wissensbestandteilen zusammen. „Professionswissen<br />
wird einerseits erworben durch eine wissenstheoretische Ausbildung und andererseits durch<br />
das Erlernen der berufsüblichen Routinen, Deutungsmuster, Handlungsschemata durch die<br />
Arbeit im Beruf“ (ebd.). Aktuell wird von der beruflichen Bildung vermehrt gefordert, Kompetenzentwicklung<br />
solle sich inhaltlich stärker an einem bestimmten Verwendungsbedarf orientieren.<br />
Beurteilungskriterium <strong>für</strong> die Wissens- oder Kompetenzqualität ist hierbei, inwieweit<br />
ein konkreter Verwendungsbedarf tatsächlich gedeckt wird (siehe Heid 2000, S. 33).<br />
Eine Überbetonung dieser Verwendungsorientierung birgt jedoch die Gefahr, „dass die wohl<br />
nur in der fachlichen Systematik begründete Diskursivität des Wissens von einer rezeptnahen<br />
Kasuistik verdrängt [...] und damit zugleich die Transferqualität generierten Wissens [...] sowie<br />
die ‚Marktposition’ bzw. die Autonomie, Flexibilität und Mobilität des (Un-)Wissenden<br />
bzw. des (In-)Kompetenten beeinträchtigt wird“ (ebd. S. 35, Hervorhebungen im Original).<br />
13