Dr. Robert Geiger - Lehrstuhl für Pädagogik - TU München
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3 Theoretische Grundlagen 35<br />
In Teilen finden in der vorliegenden Arbeit alle drei genannten Funktionen von Beispielen<br />
Anwendung. Zum ersten wecken sowohl das erste, einfachere Lösungsbeispiel sowie das<br />
komplexe Lösungsbeispiel der zweiten Aufgabe die Neugier der Lernenden. Die Beispiele aus<br />
der beruflichen Praxis bezeugen darüber hinaus die hohe Relevanz der zu erarbeitenden Lerninhalte.<br />
Zum zweiten analysieren die Schüler die beiden Lösungsbeispiele mit Hilfe der Erschließungsfragen<br />
und finden bzw. bestätigen die gefragten Begriffe und Schemata selbständig.<br />
Zum dritten werden die Prinzipien und Prozeduren der Schrittkettenprogrammierung -<br />
dem Lerninhalt des untersuchten Unterrichts - durch die konkreten Anwendungsbeispiele illustriert.<br />
In den vorliegend untersuchten Lernprozessen handelt es sich zentral um den Erwerb zu erlernender<br />
Schemata, mit Hilfe derer SPS-Schrittketten programmiert werden. Nach Stark (1999,<br />
S. 20) können Lösungsbeispiele die Induktion von zu erlernenden Schemata fördern. Dabei ist<br />
gemeint, dass Lösungsbeispiele „die Struktur eines abstrakten Konzeptes veranschaulichen“<br />
können. Somit bieten sie „Lernenden die Möglichkeit, allgemeine Prinzipien aus einer gut<br />
strukturierten Lösung zu extrahieren“ (ebd. S. 20).<br />
Eine weitere Funktion von Lösungsbeispielen besteht in der „Prozeduralisierung von Fertigkeiten“<br />
(Anderson, Farrel, Sauers 1984, zit. nach Stark 1999, S. 20, Hervorhebung im Original).<br />
Demnach können geeignete Beispiele „als Modelle zur Extraktion oder zur Übernahme<br />
von Prozeduren dienen“ (ebd., S. 20). Eine Ähnlichkeit zwischen dem gewählten Beispiel und<br />
der zu lösenden Aufgabe erleichtert die Prozeduralisierung. Der Vorteil gegenüber einem<br />
klassischen, systematikorientiert aufgebauten Lehrtext besteht hierbei darin, dass die Überführung<br />
in eine Prozedur hier schon erbracht ist. Der Prozeduralisierungsprozess ist direkt. Die<br />
gefundene Prozedur kann sofort zur Problemlösung eingesetzt werden. Das Wissen des systematikorientiert<br />
aufgebauten Lehrtextes muss dazu erst in eine Prozedur überführt werden<br />
(vgl. ebd., S. 20).<br />
Als eine Erklärung <strong>für</strong> die Effektivität des Lernens mit Hilfe von Lösungsbeispielen dient in<br />
letzter Zeit bevorzugt die Cognitive Load Theorie (vgl. Sweller, VanMerrienboer, Paas 1998<br />
und VanMerrienboer, Kirschner, Kester 2003). Nach dieser Theorie besteht ein Zusammenhang<br />
zwischen dem Umgang mit Kapazitätsbeschränkungen des menschlichen Informationsverarbeitungssystems<br />
und der Leistungsfähigkeit beim anfänglichen Erwerb kognitiver Fähigkeiten.<br />
Im Zentrum der Theorie steht die Kapazitätsbeschränkung der einzelnen Bereiche<br />
des Arbeitsgedächtnisses. Laut Sweller (1988) resultiert die kognitive Belastung bei Lernprozessen<br />
aus der Menge an Informationen, die <strong>für</strong> kognitive Vorgänge bei der Bearbeitung von<br />
Aufgabenstellungen bereit gehalten werden müssen sowie aus den <strong>für</strong> die Bearbeitung der<br />
Aufgaben erforderlichen Prozessen selbst. Aus der genannten Kapazitätsbeschränktheit ergeben<br />
sich Probleme, wenn mehr Informationen in die Verarbeitungsprozesse einbezogen werden<br />
müssen als da<strong>für</strong> notwendige Kapazitäten verfügbar sind. Als Konsequenz dieses Defizits<br />
steigt die Fehlerwahrscheinlichkeit drastisch an. Sweller, VanMerrienboer und Paas (1998,<br />
zitiert nach Renkl 2003, S. 94f.) unterscheiden drei unterschiedliche Formen von Cognitive<br />
Load: Intrinsic Load bestimmt sich über die Komplexität des Lernmaterials und kann somit<br />
nicht ohne weitere Maßnahmen durch instruktionale Intervention verändert werden. Extraneous<br />
Load bezeichnet die Belastung, die durch die Verarbeitung von Informationen entsteht,<br />
die nicht unmittelbar dem Wissenserwerb dienen. Derartige Belastungen, wie z.B. das Umrechnen<br />
von Größen in Berechnungsaufgaben zur technischen Mechanik, sind durch die instruktionale<br />
Gestaltung der Lernsituation bedingt und können demnach auch instruktional<br />
verändert werden. Germane Load beschreibt die kognitive Belastung aus den Lernprozessen<br />
selbst. Ziel der Gestaltung von Lehr-Lern-Situationen muss es daher sein, die Verarbeitungs-