New Spaces_09_DE
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
FOTOS: KILIAN BISHOP (LINKS), ROLAND HALBE/ARTUR (RECHTS UNTEN)<br />
Perfektion und Qualität<br />
Anders als herkömmliche Fliesen werden die Elemente von<br />
Meissen Architektur in der Manufaktur individuell<br />
aus Meissener Porzellan gefertigt. In der Qualitätskontrolle<br />
wird auf Perfektion bis ins kleinste Detail geachtet.<br />
Der Arbeitstag beginnt gut für Christian Kurtzke. Ein Mitarbeiter<br />
betritt den hohen, hellen Raum im obersten Geschoss der Porzellanmanufaktur<br />
Meissen und zeigt dem Geschäftsführer einen<br />
Prototyp des neuen Produkts. Der Mann hält auf fl achen Händen<br />
ein Tablett und geht mit vorsichtigen Schritten. Zunächst ist<br />
nicht zu erkennen, was er auf dem Tablett transportiert, ein fragiles<br />
Kunstwerk, ein Schmuckstück? Erst als der Mann näherkommt,<br />
wird klar, dass das „Tablett“ selbst das revolutionäre<br />
Produkt ist: eine fl ache Porzel lantafel in tiefweißer Farbe. Kurtzke<br />
nimmt die Kachel in die Hand, spürt die Oberfl äche und das<br />
Gewicht, prüft die Farbe im Licht und sagt: „Perfekt. Perfekt. Ein<br />
sehr schönes Off -White.“ Der Ex-Unternehmensberater klingt<br />
nun wie der Creative Director eines Fashion-Labels kurz vor den<br />
Modeschauen in Paris. Voller Enthusiasmus, Energie und<br />
Selbstvertrauen. Und das passt auch: Die Porzellankacheln, die<br />
neueste Kreation der Manufaktur Meissen, sollen ab 2011<br />
als Wandverkleidung zum unverzichtbaren Bestandteil moderner<br />
Innenarchitektur werden.<br />
Christian Kurtzke leitet das Unternehmen seit drei Jahren.<br />
Die Porzellanmanufaktur, 1710 von dem Alchemisten Johann<br />
Friedrich Böttger und Kurfürst August dem Starken gegründet,<br />
die lange Jahrhunderte den europäischen Porzellanmarkt dominiert<br />
hatte, befand sich damals in einer wirtschaftlich prekären<br />
Lage, hatte hohe Schulden und machte Verluste. Es war ein<br />
Himmelfahrtskommando. Aber Kurtzke zögerte keinen Moment,<br />
„es gibt in Europa neben Gaggenau wenige Marken mit einer<br />
vergleichbar langen Geschichte“. Sein Ziel: Die Marke Meissen,<br />
die vor allem mit Edelnippes und Porzellantellern mit Zwiebelmuster<br />
identifi ziert wurde, sollte sich aus dem Geschirrschrank<br />
und der Rokoko-Vitrine befreien und ins ganze Haus vordringen.<br />
Im Frühjahr 2011, zeitgleich mit dem Salone Internazionale<br />
del Mobile, dem Epizentrum der Designszene, eröff nete die<br />
Manufaktur in Mailand die „Villa Meissen“, ein edles Palais in<br />
unmittelbarer Nachbarschaft von Gucci, Louis Vuitton und Dior.<br />
Genau dort, fi ndet Kurtzke, gehört die Marke auch hin. Kurtzke<br />
hat die Abteilungen „Fine Art“, „Fine Living“ und „Meissen Archi-<br />
Thinking the Future III 31<br />
tektur“ gegründet, will in Zukunft vor allem mit limitierten Kunstwerken,<br />
Interieur und den Wandverkleidungen Geld verdienen<br />
– später soll das Portfolio durch Stoff e, Möbel und Teppiche<br />
ergänzt werden. Vorbild ist die französische Marke Hermès.<br />
Bislang scheint die Strategie aufzugehen: Die Firma verzeichnete<br />
2010 im Hochpreissegment Zuwächse bis zu 70 Prozent.<br />
Sylvester Stallone kaufte gleich drei kleine Mopsfi guren aus<br />
der Schmuckkollektion. Auf einer Auktion in London wurden mehr<br />
als 150 000 Euro für Vasen und Statuen gezahlt. Der Umsatz<br />
soll sich in den nächsten zehn Jahren verdoppeln.<br />
Christian Kurtzke steht jetzt im Architekturstudio der Manufaktur,<br />
blickt auf die historische Innenstadt von Meißen und<br />
ist sich sicher: Die Wandverkleidungen aus Porzellan, die hier in<br />
end los vielen Farben die Wände und Tische bedecken, werden<br />
ein großer Erfolg. Meissen beliefert bereits Luxushotels und<br />
hochwertige Designstudios. Das Porzellan wird in den Flagship-<br />
Stores der Uhrenmanufaktur Lange & Söhne eingesetzt und<br />
bald auch in den Showrooms von Gaggenau. „Die hohe Qualität<br />
und die lange Geschichte passen gut zu uns“, sagt Sven<br />
Schnee, Leiter von Gaggenau International, „gerade weil Meissen<br />
als Manufaktur in Losgröße 1 arbeitet und auf unsere speziellen<br />
Wünsche eingehen kann, ist das eine gute Partnerschaft.“<br />
Die Idee für Meissen Architektur kam Christian Kurtzke,<br />
als er das Dresdner Schloss besuchte und dort den berühmten<br />
„Fürstenzug“ besichtigte: ein riesiges Wandgemälde, das auf<br />
25 000 Porzellanelemente aufgetragen wurde. Die Oberfl äche hat<br />
seit mehr als hundert Jahren Witterung und Kriegsbrände beinahe<br />
unbeschadet unter freiem Himmel überstanden. Das fragile<br />
Porzellan erweist sich hier als hartes Material. Kurtzke sagte<br />
sich: „Das ist nicht nur ein Kunstwerk, das ist auch eine Technologie,<br />
für die es eine Nachfrage geben sollte.“ Porzellan hat<br />
Materialeigenschaften, die für Inneneinrichter und Architekten interessant<br />
sind. Anders als Industriefl iesen werden Porzellankacheln<br />
nicht trocken gepresst, sondern gegossen und sind deshalb<br />
auch ohne Glasur und Fugen kleber absolut wasserdicht.<br />
Porzellan ist zudem schadstoff frei und lebensmittelecht. Kurtzke<br />
sagt: „Es ist alte Handwerkskunst und trotzdem Greentech.“<br />
Stilvolles Ambiente<br />
Da die Meissener Porzellankacheln gegossen sind,<br />
eignen sie sich auch perfekt fürs Badezimmer.