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„Morgens kommen die Jogger und<br />
lesen ihre Zeitung. Andere bringen ihre<br />
Laptops mit und arbeiten. Abends<br />
sind wir ein Forum für künstlerischen<br />
und intellektuellen Austausch.“<br />
leichtem Aluminium, das wie eine silberne Wolke über dem Hyde Park schwebte,<br />
während Jean Nouvels scharlachrote Konstruktion aus Stahl, Plastik und Stoff 2010 in<br />
einem 45-Grad-Winkel dynamisch aus dem Boden wuchs.<br />
Der Schweizer Kunsthistoriker und Kurator Hans Ulrich Obrist, seit 2006 Kodirektor<br />
der Galerie, entwickelte für die Abendveranstaltungen „intellektuelle Experimente“<br />
wie einen Interview-Marathon: eine öff entliche Gesprächsreihe, die eine Verknüpfung<br />
von Vortrag, Diskussion und Performance erlaubt. Und den nicht minder populären<br />
„Sleep Over“: Besucher können im Pavillon gemeinsam mit Künstlern und Musikern die<br />
„psychedelischen Elemente der Schlafl osigkeit“ erforschen. In den Pavillons, erzählt<br />
Obrist gern, spiele sich stets ein abwechslungsreiches Schauspiel ab. „Morgens kommen<br />
die Jogger und lesen ihre Zeitung. Später treff en Besucher zum Lunch ein.<br />
Andere bringen ihre Laptops mit und arbeiten still vor sich hin. Abends sind wir ein<br />
Forum für künstlerischen und intellektuellen Austausch. Unsere Pavillons gehören<br />
im Sommer zu den am meisten genutzten Orten in London.“<br />
Im Herbst werden die Pavillons verkauft. „Vierzig Prozent unserer Kosten werden<br />
durch den Verkauf der Pavillons beglichen“, bestätigt die Galerie. Zaha Hadids<br />
Beitrag aus dem Jahr 2000 wurde von der Royal Shakespeare Company erworben und<br />
stand – bis er 2004 an einen Freizeitpark überging – als Sommerhaus für Lesungen<br />
und Workshops vor ihrem Theater in Stratford-upon-Avon. Spätere Konstruktionen<br />
schmücken die Gärten von Privatsammlern, deren Identität die Galerie nicht bekannt<br />
gibt. Man weiß nur, dass sich gleich drei Pavillons im Besitz eines einzigen Sammlers<br />
befi nden. Architektur wird so zum Sammelobjekt.<br />
Peter Zumthor ist das eher suspekt: „Gebauter Raum ist ein Gebrauchsgegenstand“,<br />
sagt er nüchtern. „Ein Dach über dem Kopf, damit es nicht reinregnet.“ Solch konsequente<br />
Bodenständigkeit hat den 1943 in Basel geborenen Schweizer, der seine berufliche<br />
Karriere als Möbelschreiner begann, zur Kultfi gur gemacht. Jedes seiner Projekte<br />
basiert auf Präzision der Details, handwerklicher Gründlichkeit, dem schlüssigen<br />
Zusammenwirken von Topografi e, Material, Form und Licht. „Es ist immer der Ort, der<br />
mich inspiriert“, sagt der vielfach ausgezeichnete Purist. „Wenn man einen guten<br />
Auftraggeber hat, dem wirklich daran gelegen ist, etwas Besonderes zu schaff en“, so<br />
Zumthor, „dann entsteht Architektur, die in einer sinnlichen Verbindung zum Leben steht<br />
und über Form und Konstruktion weit hinausgeht.“ Über sein eigenes Design, das<br />
ab Juli im Hyde Park stehen wird, gibt er nur dies preis: „Stellen Sie sich einen Buben<br />
vor, der sich seine Träume verwirklicht. Er schaut sich den Ort an, überlegt, was er<br />
braucht, und macht seine Sache so harmonisch wie möglich.“ ¤<br />
Weitere Informationen<br />
www.serpentinegallery.org<br />
Hans Ulrich Obrist<br />
Thinking the Future IV 57