Sommer - Rudolf Steiner Schule Zürcher Oberland
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are, innere Bilder. Hingegen bringt man einmal eingedrungene, hässliche Fernsehszenen<br />
jahrelang nicht mehr aus der Erinnerung. Ich kann mich heute noch an solche<br />
Bilder erinnern – sie prägen scherenschnitthaft und eben unveränderlich das Innenleben.<br />
Meine Anliegen beim Aufbau und der Durchführung von Kindergarten-Puppenspielen<br />
sind die folgenden:<br />
• Mit allereinfachsten Mitteln die Bühne gestalten: auf einem Tisch, mit Tüchern die<br />
Landschaft andeuten, mit Ästen, Steinen, Naturmaterialien die Szenerie skizzieren<br />
• Die Püppchen sind schlicht gemacht, ohne Details, aus uni-farbenen Stoffen, mit<br />
Wolle und ohne charakterisierende Gesichter<br />
• Die Erzählsprache ist deutlich, aber interpretiert die einzelnen Charaktere nicht mit<br />
Stimmverstellungen<br />
• Ruhige Bewegungen, leicht angedeutete Gesten veranschaulichen das Geschehen<br />
• Auftakt und Abschluss des kleinen Theaters bildet immer Musik mit der Kinderharfe<br />
Das Allerwichtigste, das Ungewohnte aber ist, dass wir ein solches Puppenspiel jeden<br />
Tag aufführen, bis zu drei Wochen lang. Wie oft hört man von den Kindern: «Nomaal!»<br />
Diesem Bedürfnis nach vertiefenden, wiederholenden Wahrnehmungen<br />
kommen wir gerne nach. So können die Kinder bis hinein in die künstlerisch angebotene<br />
Sprache in die Handlung eintauchen. Sie verinnerlichen tief. Bald schon helfen<br />
einige mit bei Musik und Puppenführung.<br />
Schliesslich hört man dann im freien Spiel da und dort elegante Redewendungen,<br />
richtig angewandt, sieht Bewegungen, hört Lieder, die durch die Puppenspiele inspiriert<br />
sind. Auch werden ganze Theaterbühnen, Publikumsbestuhlungen und als Krönung<br />
ganze imitierte oder selbsterfundene Geschichten vorgeführt.<br />
Einmal hat uns ein Mädchen ganz alleine ein Minipuppenspiel vorgeführt:<br />
«Es isch emal e Muetter und es Chind gsy. Da isch ä Häx cho und hät s Chind packt<br />
und furt grüert. (die Puppe wird nach hinten über die Schulter geworfen).<br />
Dänn hät si d Muetter packt und furt grüert …. (auch über die Schulter geworfen,<br />
dann einen Blick nach hinten in den Raum geworfen und bedeutsam nach vorn ins<br />
Publikum mit den abschliessenden Worten:) ……und dänn sind s wider zäme gsy.»<br />
Dieses Mädchen hat die Grundweisheit einer jeden guten Geschichte für kleine Kinder<br />
treffend erfasst.<br />
Auch das ganz kleine Kind mag schon Theater. Bei den Vorkindergartenkindern sind<br />
hingegen vor allem Körperberührungsspiele, Finger- und Zehenversli angesagt. Sie<br />
sind schon kleine Geschichten und geben dem Kind die sehnlichst gewünschte objektive<br />
Körperberührung nebst Sprache und Bewegung. Sie sind frei von Erklärungen,<br />
Ermahnungen und Intellektuellem.<br />
In Mexiko haben wir sehr stark mediengeschädigte kleine Kinder kennen gelernt.<br />
Diese waren nicht mehr in der Lage, ein einfaches Puppenspiel zu ertragen. Wir<br />
mussten sie mit Fingerpüppchen und den dazugehörenden Fingerversen langsam<br />
aus ihrer Monsterwelt befreien, sie zurückführen in die eigene Innenwelt der fantasievollen,<br />
farbigen, eigens erschaffenen Fantasiewelt. Nach und nach konnten sie<br />
auch wieder spielen und nicht nur zerstörerisch kämpfend und schreiend im Raum<br />
herumrennen.<br />
Diese Kinder haben mir den Mut gemacht, weiter mit den winzigen Puppenspielen zu<br />
arbeiten, sie mit Freude jeden Tag neu leben zu lassen und immer noch dasselbe zu<br />
tun, das Alte, was immer wieder neu zu greifen ist.<br />
<strong>Sommer</strong>spiel 2006 von Marguerite Lobeck<br />
Beatrice Zimmermann<br />
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