Sommer - Rudolf Steiner Schule Zürcher Oberland
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Jan<br />
Man merkt den Unterschied, ob ein Theaterprojekt freiwillig oder obligatorisch ist.<br />
Bei den obligatorischen gibt es eben Schüler, die abklemmen. Beim freiwilligen Theater<br />
nicht.<br />
Fabian<br />
Wenn du freiwillig ein Lehrstück machst, wo zum Beispiel Themen wie Humanismus<br />
oder Integration wichtig sind, dann kann es schon sein, dass du ein wenig aufblühen<br />
kannst. Aber darum geht es nicht nur auf einer Bühne. Die Schülerinnen und Schüler<br />
müssen verstehen, was das Stück mit ihnen zu tun hat. Das kann aber nicht passieren,<br />
wenn ihnen von den Erwachsenen vermittelt wird, dass die Stücke eh schon was<br />
Besseres als ihr Horizont sind, weil sie so hoch, so ehrenwert, so hehr sind. Wenn<br />
man die Jugendlichen so behandelt, als müssten sie sich erst dort hinauf entwickeln,<br />
ist das Quatsch. Wir müssen sie dazu bringen, dass sie was von sich zeigen wollen.<br />
Klar, ich habe damals so genannte soziale Erfahrungen gemacht, habe ein Bühnenbild<br />
gebaut, musste mit der Zicke von nebenan klarkommen, mit der «blöden Kuh»,<br />
die die tolle Rolle spielen durfte. Damit musste ich leben. Das war ja nicht so wahnsinnig<br />
schwer, das musste ich mit meinen Geschwistern auch schaffen, seit ich denken<br />
kann.<br />
Sind die heutigen Jugendlichen anders als früher?<br />
Kristian<br />
Einige Leute finden, dass die Jugendlichen früher «besser» waren als heute, verantwortungsbewusster,<br />
initiativer. Ich denke nicht, dass dem so ist. Wir sehen es anders,<br />
weil wir älter geworden sind. Als ich in der 6. Klasse war, waren die 12.-Klässler<br />
mit der «Chinesischen Mauer» für mich der Wahnsinn. Nach der <strong>Schule</strong> dachte ich<br />
beim Besuch eines 12.-Klass-Theaters: «Die sind ja recht jung, noch Kinder!» Nun<br />
führe ich selber Regie und sehe, dass vieles sehr ähnlich abläuft. Ausser, dass ich<br />
auf einmal Lehrer bin und mit ganzer Kraft versuche, ein Theaterstück so gut wie<br />
möglich auf die Bühne zu bringen. Unsere Sicht verändert sich, aber nicht die Jugendlichen.<br />
Während meiner Schulzeit waren die 12.-Klass-Theater recht moralisch und weltverbessernd.<br />
Die Schüler fanden es gut, mit erhobenem Zeigefinger am Bühnenrand zu<br />
stehen und zu sagen: Die Welt ist schlecht, sie wird untergehen, wenn wir nicht sofort<br />
etwas dagegen unternehmen. Da finde ich, muss man als Regisseur aufpassen, dass<br />
man nicht auch noch in diese Kerbe haut.<br />
Habt ihr das Gefühl, dass ihr als <strong>Steiner</strong>schüler etwas Besonderes seid?<br />
Fabian<br />
Die <strong>Steiner</strong>schule ist etwas Normales, etwas sogar Elitäres, aber etwas sehr Vorteilhaftes<br />
in dieser Welt. Diese <strong>Schule</strong> bietet eine gute Ausbildung, und sie ist relevant<br />
und existiert in dieser Welt. Ich empfand und empfinde die Vielfalt an Stoffen und<br />
Fächern als Stärke. Ihre Überheblichkeit und manche wertkonservative Tendenzen<br />
waren hingegen einengend. Statt Mickymouse zu verurteilen, hätte ich lieber gelernt,<br />
Comics und deren Hintergründe zu beurteilen. Ich bin rausgekommen aus der<br />
<strong>Steiner</strong>schule und habe gedacht: «Oh mein Gott!» und musste mich oft umpolen. Es<br />
gab bei mir ziemlich viele Brüche. Wäre ich aus einer anderen <strong>Schule</strong> gekommen, in<br />
einer anderen Konstellation, wäre das aber wahrscheinlich auch so gewesen.<br />
Jan<br />
Es gibt selten eine <strong>Schule</strong>, wo man seit dem Kindergarten während der ganzen<br />
Schulzeit dieselben Mitschüler hat. Dadurch entstehen Freundschaften, die sehr lange<br />
andauern. Das hat mich geprägt.<br />
Fabian<br />
Vielleicht war ich wohlbehütet. Es kotzt mich oft an, dass ich so soft, dass ich so<br />
verdreht, so ideologisch war. Diese Eigenschaften musste ich immer wieder kaputt<br />
machen. Dadurch wurde ich ein wahnsinniger Tunichtgut. Ich war einerseits so geliebt<br />
und wohlbehütet und verwöhnt, und andererseits hörte ich diese lustigen Dogmen,<br />
wie «Man springt nicht über den Bühnenrand im grossen Saal». Dieser ganze<br />
Quatsch, und dennoch toll, grossartig! Das waren ja nur Menschen, die versuchten,<br />
mir was zu vermitteln. Hinter jeder Ideologie, hinter jeder Liebe, hinter jeder gut gewollten<br />
Tat steht eine abgrundtiefe Fratze, und ich als Künstler muss das natürlich<br />
immer hinterfragen. Aber letztendlich ist der einzelne Lehrer entscheidend. Wenn du<br />
als Kind spürst, wie er sich um dich bemüht, ist das wertvoll, egal, ob er von dir auch<br />
manchmal etwas verlangt, das du nicht magst.<br />
Fabian Krüger und Kristian Trafelet<br />
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