Sommer - Rudolf Steiner Schule Zürcher Oberland
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Betrachtung zu Johanni<br />
Es ist Sonnwendzeit. Das «<strong>Sommer</strong>spiel» (von Frau Marguerite Lobeck) auf den Bühnen<br />
vieler <strong>Steiner</strong>schulen gibt einen Blick frei in die Welten all der Wesen, von den<br />
Gnomen zu den Sylphen, die die Naturdinge erst zu Lebendigem machen. Der Vorhang<br />
vor dem rätselvollen Schein der «normalen» Natur da draußen wird für einmal<br />
weggezogen. Und für einmal empfinden, ahnen, erleben wir – mehr als dass wir verstehen.<br />
Wie in einem tiefer liegenden, weniger prompt zugänglichen Bewusstseins-<br />
oder Seelenraum verfolgen wir, was sich da abspielt.<br />
Der Vorhang geht dann wieder zu. Der Schulsaal, die Welt um uns und in uns erscheinen<br />
wieder «normal»: Wir verstehen, begreifen wieder hauptsächlich. Im gewohnten,<br />
gleichsam höher liegenden Raum der Seele, des Bewusstseins, spielt sich ab,<br />
worüber wir nachdenken, uns Vorstellungen machen, samt Fragen, Ärgerlichem, Erfreulichem.<br />
Und wenn ich nun vor diesen wie jenen Raum auch einen Vorhang ziehe oder gleichsam<br />
die Tür zu beiden Bewusstseinsräumen hinter mir zumache und mich umwende?<br />
Komme ich da in «nichts», ins Dunkle; oder in noch einen Raum? – Das ist die<br />
Frage.<br />
Also eine Frage soll mich weiterbringen. Damit, wenn auch abrupt, sei der Blick auf<br />
ein ganz anderes Sujet gelenkt – nämlich um weiter zu fragen: Wer fragt denn? Wer<br />
denkt nach, macht sich Vorstellungen darüber, erinnert sich – etwa an das hier, was<br />
er oder sie liest? – Wo finde ich diesen «Wer» wie auch das, womit er arbeitet, wie<br />
schon gesagt, mit: fragen, (nach)denken, sich etwas vorstellen, sich erinnern, erleben<br />
... Es sind dies die Mittel, mit denen ich gewohnte Inhalte in den beiden ersten<br />
Bewusstseinsräumen, alles zu Erlebende und zu Begreifende, erkunde und handhabe.<br />
Weil diese Mittel und Handhabungen so etwas ganz anderes als gewohnte Inhalte<br />
sind, komme ich in einen dritten Bewusstseinsraum, wenn ich sie zu fassen versuche.<br />
Sie sind insofern etwas erstaunlich anderes, als ich sie immer zuerst selbst<br />
herstellen oder in Gang setzen muss, damit sie überhaupt da sind! Und dann kann<br />
ich sie auch näher erforschen wollen – zum Beispiel fragen: Wie funktioniert denn<br />
das: erleben, denken, sich erinnern? Oder als ein Ich handeln? Oder aus Freiheit?<br />
Die Sonnwendzeit heißt auch Johannizeit; benannt nach Johannes dem Täufer.<br />
«Wendet euren Sinn!», dazu ruft er die Menschen seiner Zeit wie auch die Menschheit<br />
der Zukunft auf. Heute könnte sein Aufruf sein: Versucht zu erfassen, aus eigenem<br />
Antrieb, jenen dritten Bewusstseinsraum! Nicht in ein Dunkel kommt ihr hinter<br />
der Tür zur «normalen» Welt.<br />
Peter Urbscheit<br />
Gelesen…<br />
Lob der <strong>Schule</strong><br />
Sieben Perspektiven für Schüler, Lehrer und Eltern<br />
von Joachim Bauer erschienen bei Hoffmann und Campe<br />
Joachim Bauer ist ein anerkannter Forscher im neurobiologischen und psychologischen<br />
Bereich und tätig in der Lehrerbildung. Er beschreibt in seinem Buch aktuelle<br />
neurowissenschaftliche Forschungsergebnisse und stellt dar, wie man sie für den<br />
pädagogischen Alltag fruchtbar machen kann. Sein Buch ist die Reaktion auf den<br />
lauter werdenden Ruf nach mehr Disziplin.(Siehe dazu Bernhard Bueb: Lob der Disziplin).<br />
Er stellt dar, auf welchem Nährboden Liebe zum Leben, Motivation und die<br />
Lust zu lernen, wachsen können. Grundvoraussetzungen für eine gelingende <strong>Schule</strong><br />
sind Motivation, kooperatives Verhalten und Beziehungsgestaltung, und die sind<br />
auch neurobiologisch verankert.<br />
Es fehlt uns nicht an entwicklungspsychologischem Wissen, Standards und didaktischen<br />
Kenntnissen, und trotzdem gibt es viele Schulabgänger ohne Schulabschluss<br />
und viele Jugendliche, die für eine weiterführende Ausbildung untauglich sind. Heute<br />
wachsen vor allem in den sog. bildungsfernen Schichten immer mehr Jugendliche<br />
in einer Stimmung von Aussichtslosigkeit, Zynismus, Verachtung und Gewalt heran<br />
und nehmen in der Schulzeit nichts von dem mit, was sie fit fürs Leben macht. Die<br />
wichtigste Voraussetzung für Bildung, findet der Autor, sind konstruktive, das Lernen<br />
fördernde Beziehungen. Heute sind (in Deutschland) 58 Prozent der Schüler gesundheitlich<br />
nicht fit, über 15 Prozent leiden an harten psychischen Störungen, und das<br />
Gewaltproblem nimmt massiv zu. Die meisten Schüler erscheinen ohne Frühstück in<br />
der <strong>Schule</strong> und sollen dann noch erfolgreich unterrichtet werden.<br />
Er beschreibt, dass jeder Mensch jenen neurobiologischen Grundregeln unterworfen<br />
ist, dass alles schulische Lehren und Lernen eingebettet ist in ein interaktives und<br />
dialogisches Beziehungsgeschehen.<br />
Er stellt dar, welche neurobiologischen Botenstoffe den menschlichen Motivationssystemen<br />
zugrunde liegen und wie sie aktiviert werden können. Das Gehirn verwandelt<br />
seelische Eindrücke in biologische Reize. Wertschätzung und Anerkennung, die<br />
Menschen in zuverlässigen, persönlichen Beziehungen erhalten, beflügeln die Motivation.<br />
Bleibt das Bedürfnis nach Bedeutsamkeit ungestillt, treten psychische Störungen<br />
auf, oder der Körper sucht sich Ersatzreize, die die Motivationssysteme quasi<br />
korrumpieren, um doch an die notwendigen Botenstoffe zu kommen. Diese Ersatzreize<br />
haben den Nachteil, dass sie zwar Botenstoffe freisetzen, aber im realen Leben<br />
zu Apathie führen und Suchtpotenzial in sich tragen. Er erwähnt brsonders, dass<br />
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