29.09.2012 Aufrufe

Sommer - Rudolf Steiner Schule Zürcher Oberland

Sommer - Rudolf Steiner Schule Zürcher Oberland

Sommer - Rudolf Steiner Schule Zürcher Oberland

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Betrachtung zu Johanni<br />

Es ist Sonnwendzeit. Das «<strong>Sommer</strong>spiel» (von Frau Marguerite Lobeck) auf den Bühnen<br />

vieler <strong>Steiner</strong>schulen gibt einen Blick frei in die Welten all der Wesen, von den<br />

Gnomen zu den Sylphen, die die Naturdinge erst zu Lebendigem machen. Der Vorhang<br />

vor dem rätselvollen Schein der «normalen» Natur da draußen wird für einmal<br />

weggezogen. Und für einmal empfinden, ahnen, erleben wir – mehr als dass wir verstehen.<br />

Wie in einem tiefer liegenden, weniger prompt zugänglichen Bewusstseins-<br />

oder Seelenraum verfolgen wir, was sich da abspielt.<br />

Der Vorhang geht dann wieder zu. Der Schulsaal, die Welt um uns und in uns erscheinen<br />

wieder «normal»: Wir verstehen, begreifen wieder hauptsächlich. Im gewohnten,<br />

gleichsam höher liegenden Raum der Seele, des Bewusstseins, spielt sich ab,<br />

worüber wir nachdenken, uns Vorstellungen machen, samt Fragen, Ärgerlichem, Erfreulichem.<br />

Und wenn ich nun vor diesen wie jenen Raum auch einen Vorhang ziehe oder gleichsam<br />

die Tür zu beiden Bewusstseinsräumen hinter mir zumache und mich umwende?<br />

Komme ich da in «nichts», ins Dunkle; oder in noch einen Raum? – Das ist die<br />

Frage.<br />

Also eine Frage soll mich weiterbringen. Damit, wenn auch abrupt, sei der Blick auf<br />

ein ganz anderes Sujet gelenkt – nämlich um weiter zu fragen: Wer fragt denn? Wer<br />

denkt nach, macht sich Vorstellungen darüber, erinnert sich – etwa an das hier, was<br />

er oder sie liest? – Wo finde ich diesen «Wer» wie auch das, womit er arbeitet, wie<br />

schon gesagt, mit: fragen, (nach)denken, sich etwas vorstellen, sich erinnern, erleben<br />

... Es sind dies die Mittel, mit denen ich gewohnte Inhalte in den beiden ersten<br />

Bewusstseinsräumen, alles zu Erlebende und zu Begreifende, erkunde und handhabe.<br />

Weil diese Mittel und Handhabungen so etwas ganz anderes als gewohnte Inhalte<br />

sind, komme ich in einen dritten Bewusstseinsraum, wenn ich sie zu fassen versuche.<br />

Sie sind insofern etwas erstaunlich anderes, als ich sie immer zuerst selbst<br />

herstellen oder in Gang setzen muss, damit sie überhaupt da sind! Und dann kann<br />

ich sie auch näher erforschen wollen – zum Beispiel fragen: Wie funktioniert denn<br />

das: erleben, denken, sich erinnern? Oder als ein Ich handeln? Oder aus Freiheit?<br />

Die Sonnwendzeit heißt auch Johannizeit; benannt nach Johannes dem Täufer.<br />

«Wendet euren Sinn!», dazu ruft er die Menschen seiner Zeit wie auch die Menschheit<br />

der Zukunft auf. Heute könnte sein Aufruf sein: Versucht zu erfassen, aus eigenem<br />

Antrieb, jenen dritten Bewusstseinsraum! Nicht in ein Dunkel kommt ihr hinter<br />

der Tür zur «normalen» Welt.<br />

Peter Urbscheit<br />

Gelesen…<br />

Lob der <strong>Schule</strong><br />

Sieben Perspektiven für Schüler, Lehrer und Eltern<br />

von Joachim Bauer erschienen bei Hoffmann und Campe<br />

Joachim Bauer ist ein anerkannter Forscher im neurobiologischen und psychologischen<br />

Bereich und tätig in der Lehrerbildung. Er beschreibt in seinem Buch aktuelle<br />

neurowissenschaftliche Forschungsergebnisse und stellt dar, wie man sie für den<br />

pädagogischen Alltag fruchtbar machen kann. Sein Buch ist die Reaktion auf den<br />

lauter werdenden Ruf nach mehr Disziplin.(Siehe dazu Bernhard Bueb: Lob der Disziplin).<br />

Er stellt dar, auf welchem Nährboden Liebe zum Leben, Motivation und die<br />

Lust zu lernen, wachsen können. Grundvoraussetzungen für eine gelingende <strong>Schule</strong><br />

sind Motivation, kooperatives Verhalten und Beziehungsgestaltung, und die sind<br />

auch neurobiologisch verankert.<br />

Es fehlt uns nicht an entwicklungspsychologischem Wissen, Standards und didaktischen<br />

Kenntnissen, und trotzdem gibt es viele Schulabgänger ohne Schulabschluss<br />

und viele Jugendliche, die für eine weiterführende Ausbildung untauglich sind. Heute<br />

wachsen vor allem in den sog. bildungsfernen Schichten immer mehr Jugendliche<br />

in einer Stimmung von Aussichtslosigkeit, Zynismus, Verachtung und Gewalt heran<br />

und nehmen in der Schulzeit nichts von dem mit, was sie fit fürs Leben macht. Die<br />

wichtigste Voraussetzung für Bildung, findet der Autor, sind konstruktive, das Lernen<br />

fördernde Beziehungen. Heute sind (in Deutschland) 58 Prozent der Schüler gesundheitlich<br />

nicht fit, über 15 Prozent leiden an harten psychischen Störungen, und das<br />

Gewaltproblem nimmt massiv zu. Die meisten Schüler erscheinen ohne Frühstück in<br />

der <strong>Schule</strong> und sollen dann noch erfolgreich unterrichtet werden.<br />

Er beschreibt, dass jeder Mensch jenen neurobiologischen Grundregeln unterworfen<br />

ist, dass alles schulische Lehren und Lernen eingebettet ist in ein interaktives und<br />

dialogisches Beziehungsgeschehen.<br />

Er stellt dar, welche neurobiologischen Botenstoffe den menschlichen Motivationssystemen<br />

zugrunde liegen und wie sie aktiviert werden können. Das Gehirn verwandelt<br />

seelische Eindrücke in biologische Reize. Wertschätzung und Anerkennung, die<br />

Menschen in zuverlässigen, persönlichen Beziehungen erhalten, beflügeln die Motivation.<br />

Bleibt das Bedürfnis nach Bedeutsamkeit ungestillt, treten psychische Störungen<br />

auf, oder der Körper sucht sich Ersatzreize, die die Motivationssysteme quasi<br />

korrumpieren, um doch an die notwendigen Botenstoffe zu kommen. Diese Ersatzreize<br />

haben den Nachteil, dass sie zwar Botenstoffe freisetzen, aber im realen Leben<br />

zu Apathie führen und Suchtpotenzial in sich tragen. Er erwähnt brsonders, dass<br />

42 43

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!