Thesen - Deutscher Juristentag
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<strong>Thesen</strong> zum Sozialrecht<br />
(6) Die duale Krankenversicherungsordnung setzt dysfunktionale Anreize für Versicherer und<br />
Leistungserbringer:<br />
– Versicherer: Da sich der Systemwettwerb auf junge und gesunde Personen mit hohem<br />
Einkommen beschränkt (→ These 4), konzentrieren sich die wettbewerblichen Aktivitäten<br />
der Krankenkassen und der PKV-Unternehmen auf diesen attraktiven Personenkreis.<br />
Ein System, das gegen das soziale Risiko Krankheit versichert, sollte aber<br />
nicht als Wettbewerb um Gesunde, sondern um die Qualität und Wirtschaftlichkeit<br />
der Versorgung Kranker ausgestaltet sein.<br />
– Leistungserbringer: Unterschiedliche Vergütungssätze setzen vor allem in der ambulanten<br />
und stationären Krankenversorgung Anreize zur bevorzugten Behandlung von<br />
PKV-Versicherten. Sie motivieren zudem Ärzte zur Niederlassung in Gebieten mit<br />
einem hohen Anteil an Privatversicherten und sind damit ein Grund für die Ungleichheiten<br />
bei der ärztlichen Versorgungsdichte.<br />
(7) Die duale Krankenversicherungsordnung beinhaltet eine problematische Zweiteilung der<br />
leistungserbringungsrechtlichen Steuerung. Während in der GKV komplexe und entsprechend<br />
bürokratische Regulierungsmechanismen mit zum Teil zweifelhafter demokratischer Legitimation<br />
greifen, findet in der PKV eine eigenständige systematische Qualitätssicherung und<br />
Mengensteuerung praktisch nicht statt.<br />
III. Wege zu einer Therapie<br />
1. Rahmenbedingungen<br />
(8) Die duale Krankenversicherungsordnung ist verfassungsrechtlich nicht zwingend. Der<br />
Ge setz geber könnte sie, gestützt je nach Ausgestaltung auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 und/oder<br />
Nr. 12 GG, in ein monistisches Versicherungssystem überführen, muss aber einen möglichst<br />
scho nen den Ausgleich mit den Grundrechten der Versicherten und der privaten Krankenversiche<br />
rungs unternehmen herstellen.<br />
(9) Das größte Hindernis für eine Umformung der dualen Krankenversicherungsordnung ist<br />
das für wohlfahrtsstaatliche Reformprozesse typische Problem der Pfadabhängigkeit. Historisch<br />
gewachsene Institutionen und hochkomplexe Regelungsstrukturen entfalten Vertrauensschutz<br />
und ein Beharrungspotenzial, das sich auch gegen politisch-ökonomische Rationalitäten<br />
durchzusetzen vermag. Ein nachhaltiges Reformkonzept<br />
– darf nicht nur eine Kopie der bisherigen GKV sein, sondern muss auch deren Strukturen<br />
und Prinzipien kritisch hinterfragen und die Systemlogik der PKV berücksichtigen,<br />
– muss die systemischen Auswirkungen einer Aufhebung der dualen Krankenversicherungsordnung<br />
über das Versicherungsrecht hinaus berücksichtigen, und zwar na ment -<br />
lich auf das Leistungserbringungsrecht und andere Sozialversicherungszweige, und<br />
– muss sich den spezifischen Übergangsproblemen widmen und das verfassungsrechtlich<br />
geschützte Vertrauen der Bestandsversicherten und ihrer Unternehmen berück-<br />
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