Thesen - Deutscher Juristentag
Thesen - Deutscher Juristentag
Thesen - Deutscher Juristentag
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Thesen</strong> zum Wirtschaftsrecht<br />
Insbesondere der flexible, ganz auf die Verhältnisse der Gesellschaft und die Einschätzung des<br />
Aufsichtsrats abstellende Ansatz der Ziffer 5.4.2 S. 1 DCGK, der in ähnlicher Form in der<br />
Kommissionsempfehlung vom 15. Februar 2005 begegnet, ist starren Quoten schon deshalb<br />
überlegen, weil nur über einen flexiblen Ansatz dem Charakter der jeweiligen Gesellschaft<br />
Rechnung getragen werden kann. Zu erwägen ist die Aufnahme einer „de minimis“-Klausel<br />
in Ziffer 5.4.2 S. 1 DCGK, der zufolge nicht „signifikante“ Interessenkonflikte die Unabhängigkeit<br />
nicht berühren. Dringend geboten ist zudem die Ergänzung der Ziffer 5.4.2 DCGK<br />
um eine Empfehlung, wonach der Aufsichtsrat seine Einschätzung zur Unabhängigkeit seiner<br />
Mitglieder offenlegen soll.<br />
(16) Mit der Vorschrift des § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AktG hat der Gesetzgeber den Zielkonflikt<br />
zwischen Unabhängigkeit auf der einen und Sachverstand und Erfahrung auf der anderen Seite<br />
einseitig zugunsten des Unabhängigkeitspostulats aufgelöst. Als sachgerecht erscheint eine<br />
gesetzliche Regelung, die sich an dem erwähnten Fraktionsentwurf zum VorstAG orientiert<br />
und frühere Vorstandsmitglieder für die Dauer von zwei oder drei Jahren zwar vom Prüfungsausschuss<br />
sowie gegebenenfalls vom Vorsitz des Aufsichtsrats ausschließt, vom Aufsichtsrat als<br />
solchen hingegen allenfalls dann, wenn die Gesellschaft nicht über einen Prüfungsausschuss<br />
verfügt.<br />
(17) Auch unter Berücksichtigung von Fällen, in denen Aufsichtsratsmandate hauptberuflich<br />
wahrgenommen werden, erscheint es geboten, die Höchstzahl an Aufsichtsratsmandaten auf<br />
sechs herabzusetzen und sowohl den Aufsichtsratsvorsitz als auch den Vorsitz im Prüfungsausschuss<br />
doppelt in Anrechnung zu bringen.<br />
(17a) Die zunehmend wichtiger werdende Beratungsaufgabe des Aufsichtsrats und die Einbindung<br />
insbesondere des Aufsichtsratsvorsitzenden in strategische Fragen sprechen dafür, die<br />
Bestellungshindernisse des § 76 Abs. 3 S. 2, 3 AktG auf den Aufsichtsrat zu erstrecken.<br />
(18) Von über § 27 Abs. 3 MitbestG hinausgehenden gesetzlichen Pflichten zur Bildung von<br />
Aufsichtsratsausschüssen sollte auch künftig abgesehen werden. Zu empfehlen ist allerdings,<br />
dem Satzungsgeber die Befugnis einzuräumen, die Bildung – nicht dagegen: die Zusammensetzung<br />
– von Ausschüssen vorzuschreiben.<br />
(19) Die regelmäßige Evaluation durch externe Dritte sollte dem Aufsichtsrat nicht gesetzlich<br />
vorgeschrieben werden. Auch eine entsprechende Kodexempfehlung ist nicht zu befürworten;<br />
auch abgesehen davon, dass sie zumindest für die DAX-Gesellschaften de facto bindenden<br />
Charakter hätte, wiegen der bürokratische Aufwand, die Kosten und die Folgeprobleme<br />
(Unabhängigkeit, Sachkunde) durchaus schwer, so dass es künftig dem jeweiligen Aufsichtsrat<br />
überlassen werden sollte, ob und wie oft er eine Evaluation durchführt und ob er externen<br />
Sachverstand hinzuzieht.<br />
57