Blickpunkt Ausgabe 2-2011 - DJV Baden-Württemberg
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A<br />
uf der Mitgliederversammlung des<br />
<strong>DJV</strong>-Kreisverbands Ludwigsburg<br />
war Jan Mönikes, Ludwigsburger Anwalt<br />
und Verteidiger von Jörg Tauss, eingeladen,<br />
um über den feinen Unterschied<br />
zwischen dem „Bericht über einen Verdacht“<br />
und die „Öffentlichkeitsarbeit für<br />
eine Verdächtigung“ zu referieren. Im<br />
Anschluss antwortete er auf die Fragen<br />
der Journalistinnen und Journalisten und<br />
stand für ein Interview zur Verfügung.<br />
Die Fragen stellte Verena Mayer.<br />
<strong>DJV</strong> Ludwigsburg: Herr<br />
Mönikes, Sie verdienen Ihr<br />
Geld mit Mandanten, die sich<br />
gegen ihre Darstellung in den<br />
Medien wehren. Sind Journalisten<br />
Ihre liebsten Feinde?<br />
Jan Mönikes: Nein, meine<br />
Arbeit richtet sich nicht<br />
gegen Journalisten. Es geht bei<br />
meiner Tätigkeit lediglich<br />
darum, die Verbreitung von<br />
rechtswidrigen, falschen und<br />
schädlichen Falschmeldungen<br />
zu verhindern, die die Persönlichkeitsrechte<br />
meiner<br />
Mandanten beschädigen. Da<br />
solche Meldungen weder im<br />
Interesse des Betroffenen, aber<br />
auch nicht der Allgemeinheit stehen,<br />
können sie auch nicht im Interesse eines<br />
verantwortlichen Journalismus stehen.<br />
Daher sind die Kriterien, an<br />
denen am Ende die Gerichte ihre<br />
Entscheidungen fällen, meist identisch<br />
mit den Regeln journalistischer Sorgfalt,<br />
wie sie beispielsweise der Deutsche<br />
Presserat kodifiziert hat.<br />
<strong>DJV</strong> Ludwigsburg: Das Internet verändert<br />
die Arbeit von Journalisten rasant<br />
und in teilweise unvorstellbarer Weise.<br />
Gilt das auch für Ihre Arbeit?<br />
Jan Mönikes: Ja, denn durch das Internet<br />
„versendet“ sich nichts mehr. Früher war<br />
es den Betroffenen möglich, bei problematischen<br />
Veröffentlichungen einfach<br />
erst einmal ruhig zu bleiben und<br />
abzuwarten, ob denn ein falscher Bericht<br />
überhaupt Schaden verursacht. Blieb es<br />
einige Tage ruhig, wusste man, dass es<br />
nicht nötig ist, dagegen vorzugehen.<br />
Heute aber bleibt nahezu jede Nachricht<br />
im „digitalen Gedächtnis“ und verschwindet<br />
auch nach Jahren nicht aus<br />
dem Internet. Durch die Suchmaschinen<br />
tauchen selbst krasse Falschmeldungen<br />
immer wieder auf, als wären sie erst gerade<br />
veröffentlicht und werden damit<br />
auch für einen Journalisten bei seiner<br />
Recherche wieder aktuell. Daher muss<br />
der Betroffene sich im Internet schon bei<br />
potentiell schädlichen Falschmeldungen<br />
proaktiv um Korrektur oder Löschung<br />
bemühen. Und wenn das nicht klappt,<br />
dann muss viel öfter als früher der Anwalt<br />
ran. Der hat heute aber nicht nur mit den<br />
Profis in den Redaktionen zu kämpfen,<br />
sondern auch mit Bloggern oder ganz<br />
eigenen, international strukturierten,<br />
Angeboten wie Wikipedia. Das erzeugt<br />
erheblichen Beratungsbedarf – doch<br />
davon leben Anwälte schließlich.<br />
<strong>DJV</strong> Ludwigsburg: Sie können also<br />
nicht arbeitslos werden. Wie sieht Ihre<br />
Prognose für unseren Job aus?<br />
Jan Mönikes: Journalisten müssen ihre<br />
Arbeitsweise verändern, wenn sie mit der<br />
neuen Konkurrenz zurechtkommen<br />
A U S D E N K R E I S E N<br />
Kachelmann, Tauss und die Rolle der Journalisten<br />
K r e i s v e r b a n d D J V Lu d w i g s b u r g<br />
Rechtsanwalt Jan Mönikes, der Verteidiger von Jörg Tauss, antwortet vor<br />
dem Gerichtsgebäude auf Journalistenfragen. Foto: Rolf Schmitt<br />
wollen: Mehr kluge Analyse und exklusive<br />
Recherche, weniger die Verarbeitung<br />
des Materials von Nachrichtenagenturen<br />
oder die Verbreitung von Pressemitteilungen.<br />
Das ist meiner Meinung nach besonders<br />
eine Chance gerade für lokale Formate.<br />
Auch Lokalzeitungen sollten sich<br />
daher meines Erachtens darum bemühen,<br />
Abonnenten für qualitativ<br />
hochwertigen Journalismus im Internet<br />
zu gewinnen. Wie immer, wenn Monopole<br />
aufbrechen und man sich im<br />
Wettbewerb beweisen muss, sind damit<br />
für jeden Einzelnen neue<br />
Chancen und Herausforderungen<br />
verbunden.<br />
<strong>DJV</strong> Ludwigsburg: Sie haben<br />
Jörg Tauss verteidigt, der<br />
wegen des Besitzes kinderpornographischer<br />
Fotos angeklagt<br />
– und verurteilt – worden<br />
ist. Aus Ihrer Sicht hätten<br />
Medien darüber erst am Ende<br />
des Prozesses berichten dürfen,<br />
oder?<br />
Jan Mönikes: Die meisten<br />
Prozessberichterstatter haben<br />
sich im Falle Jörg Tauss redlich<br />
bemüht, fair und abgewogen<br />
zu berichten. Denn die meisten<br />
Journalisten bekamen von Anfang<br />
an das Gefühl, dass sie hier in einer<br />
offensichtlichen Weise regelrecht mit Informationen<br />
aus den laufenden Ermittlungen<br />
„gefüttert“ wurden. Die Presse<br />
reagierte sehr kritisch darauf, dass interessierte<br />
Kreise damit eine Vorverurteilung<br />
befördern wollten. Das aber darf es aus<br />
meiner Sicht nicht geben. Denn aus<br />
gutem Grund ist ein Ermittlungsverfahren<br />
bei uns kein öffentliches Verfahren,<br />
erst der Prozess soll unter den Augen<br />
der Öffentlichkeit stattfinden. Dieser<br />
Fall ist daher ein Beispiel dafür, warum die<br />
Öffentlichkeitsarbeit der Justiz anderen<br />
Regeln unterliegen sollte, als die Pressearbeit<br />
eines Unternehmens. Ein Journalist<br />
soll meines Erachtens auch in Zukunft<br />
über einen Verdacht berichten dürfen, die<br />
Staatsanwaltschaft aber nicht mehr jede<br />
Verdächtigung befördern dürfen.<br />
<strong>DJV</strong> <strong>Blickpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong> 25