Blickpunkt Ausgabe 2-2011 - DJV Baden-Württemberg
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E D I TO R I A L<br />
Feiern im Gegenwind<br />
Am 2. Juli können und wollen wir<br />
das 25-jährige Jubiläum unseres<br />
<strong>DJV</strong>-Landesverbandes <strong>Baden</strong>-<br />
<strong>Württemberg</strong> feiern, mit einer offiziellen<br />
Feierstunde in der Filderhalle in Leinfelden-Echterdingen<br />
und mit einer<br />
gemütlichen Party rund um die Geschäftsstelle<br />
des <strong>DJV</strong> im Herdweg 63.<br />
Doch wir werden dies tun in schweren<br />
Zeiten, denn wir befinden uns in einer<br />
Tarifauseinandersetzung und zwar für die<br />
Tageszeitungsredakteure. In diesem Tarifkonflikt<br />
wird entscheidend sein, wie groß<br />
unser Durchhaltevermögen ist und wie<br />
diszipliniert wir die Auseinandersetzung<br />
führen. Das Ergebnis wird grundlegende<br />
Bedeutung für den Stellenwert<br />
des Berufsstandes Tageszeitungsredakteur<br />
haben und damit auch, ganz automatisch,<br />
für die freien Journalisten an<br />
Tageszeitungen.<br />
Ich erinnere mich noch an die Zeit vor<br />
25 Jahren, damals Jungredakteur an einer<br />
Lokalzeitung, für die ich heute noch arbeite<br />
– damals organisiert beim SWJV,<br />
dem Südwestdeutschen Journalistenverband.<br />
Vor einem grundlegenden Gewerkschaftstag<br />
hatte man die Mitglieder<br />
befragt, ob man denn künftig Mitglied<br />
der IG Medien sein wolle. Das Ergebnis<br />
der Umfrage zeigte eine deutliche<br />
Mehrheit gegen den Zusammenschluss.<br />
Doch die Delegierten entschieden sich<br />
mehrheitlich anders, was schließlich zur<br />
Geburtsstunde des <strong>DJV</strong> <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
führte. Auch ich wechselte damals<br />
ohne Zögern in den neu gegründeten<br />
Landesverband.<br />
Etwas wild war er schon immer der Südwesten,<br />
grundsätzlich demokratisch und<br />
liberal ausgerichtet und das beweist sich<br />
auch wieder in diesen Tagen. Die Kolleginnen<br />
und Kollegen gehen für ihre<br />
Rechte, für den Erhalt ihres Tarifvertrages<br />
und für ihr Berufsbild auf die Straße. Wir<br />
4 <strong>DJV</strong> <strong>Blickpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
wehren uns gegen ein Dumping von<br />
Gehalt und gegen die Verschlechterung<br />
der Arbeitsbedingungen, die wir einmal<br />
erstritten haben. Dieser Tarif allerdings<br />
wurde in den vergangenen zehn Jahren<br />
scheibchenweise angefressen: immer<br />
noch ein bisschen weniger Geld, Urlaub<br />
oder Berufsjahresstaffel. Aber was die Verleger<br />
jetzt fordern ist keine „Reform der<br />
Tarifverträge“, sondern eine Frechheit<br />
unserer Arbeit gegenüber. Nach wie vor<br />
erwirtschaften deutsche Tageszeitungsverlage,<br />
oder besser Konzerne, Renditen<br />
zwischen fünf und zehn Prozent,<br />
einige noch mehr. Uns dann aber zu<br />
erzählen, wir müssten an unserem<br />
Einkommen sparen, um die notleidenden<br />
und verarmten Verlage zu stützen,<br />
ist lächerlich.<br />
Es ist schon sehr traurig zu sehen, dass<br />
auf eine künftige, gut ausgebildete<br />
Generation in den Verlagen kein Wert<br />
mehr gelegt wird und die jungen Menschen<br />
für „‘n Appel und ‘n Ei“ arbeiten<br />
sollen, bei mehr Wochenstunden und<br />
weniger Urlaub. Kein vernünftiger und<br />
gut ausgebildeter Akademiker wird sich<br />
mehr bereit erklären, unter diesen<br />
Bedingungen diesen Beruf auszuüben.<br />
Wir sehen ja jetzt schon deutlich, dass<br />
durch Personalreduzierung Urlaub und<br />
Krankheit nicht mehr abgedeckt sind,<br />
geschweige denn solche sozialen Errungenschaften<br />
wie Elternzeit.<br />
Deshalb gilt es zu kämpfen für den Erhalt<br />
eines „Journalismus, der mehr wert<br />
ist“, und wir haben damit in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
schon sehr gut begonnen. Mehr<br />
denn je sind die Kolleginnen und Kollegen<br />
bereit, sich zu wehren und sich nicht<br />
einfach einen Ring durch die Nase ziehen<br />
zu lassen. Selbst beim Schwarzwälder<br />
Boten in Oberndorf standen erstmals<br />
nach 175 Jahren über 200 Kolleginnen<br />
und Kollegen vor dem Verlagsgebäude<br />
und protestierten für ihre Rechte und<br />
einen fairen Tarifvertrag. So müssen wir<br />
weiter machen, den Schwung beibehalten<br />
und dabei doch alle mitnehmen, die<br />
noch keine Fahrt aufgenommen haben.<br />
Niemand soll abgehängt werden. Denn<br />
diesmal geht es um unser aller Zukunft<br />
bei den Tageszeitungen.<br />
Und Fahrt aufgenommen hat auch<br />
das politische Geschehen in <strong>Baden</strong>-<br />
<strong>Württemberg</strong>. Nach 57 Jahren CDU-<br />
Vormacht hat es einen Politikwechsel<br />
gegeben hin zu Grün-Rot. Dinge sind in<br />
Fluss geraten, Mehrheiten haben sich verschoben,<br />
der demographische Wandel<br />
macht sich bemerkbar und wir dürfen<br />
gespannt sein, welche anderen Entwicklungen<br />
daraus erwachsen.<br />
In diesem Sinne wollen wir ein<br />
Jubiläum begehen, uns unserer Stärken<br />
bewusst sein, unverzagt und mutig in<br />
die Zukunft schauen. Kämpfen wir<br />
weiter gemeinsam für das, was uns mehr<br />
wert ist.<br />
Thomas Godawa<br />
1. Landesvorsitzender<br />
<strong>DJV</strong> <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>