Blickpunkt Ausgabe 2-2011 - DJV Baden-Württemberg
Blickpunkt Ausgabe 2-2011 - DJV Baden-Württemberg
Blickpunkt Ausgabe 2-2011 - DJV Baden-Württemberg
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
C O P Y & PA S T E<br />
Focus-Artikel aufbaut. Das überzeugte den<br />
Ressortleiter, der daraufhin ein Honorar<br />
an die beiden Buch-Autoren zahlte.<br />
Das Internet vergisst nichts<br />
Das Internet wächst seit 1993 beständig<br />
an, denn es vergisst nichts, auch nicht<br />
alte Artikel aus Zeitungen von<br />
vorgestern. Daher reicht es auch nicht<br />
aus, für eine Reportage einfach verschiedene<br />
Tweets von dort Anwesenden<br />
zu protokollieren, um den Eindruck zu<br />
erwecken, man sei dabei gewesen. Wer<br />
trotzdem denkt „es merkt ja keiner“,<br />
der glaubt insgeheim „es liest ja sowieso<br />
keiner“. Wer so denkt und glaubt, hat<br />
den Journalismus aufgegeben; Erstes<br />
Symptom: er unterschätzt die Leserinnen<br />
und Leser.<br />
Das leichte Recherchieren im Internet<br />
ist daher Segen und Fluch zugleich.<br />
Segen, weil es noch nie zuvor so einfach<br />
war, an Informationen zu kommen, aber<br />
auch Fluch, weil es noch nie so verlockend<br />
war, sich einfach zu bedienen. Vorher<br />
hieß abschreiben: abtippen. Und da abschreiben<br />
noch echte Handarbeit war,<br />
war es gleichzeitig auch Kopfarbeit. Wer<br />
Wort für Wort abtippt, kommt um das<br />
Lesen nicht herum – und merkt auch<br />
eher, was er da gerade tut. Wer nur<br />
Textabschnitte mit dem Cursor markiert,<br />
kopiert und dann in ein eigenes Dokument<br />
einfügt, hat im Zweifelsfall gar<br />
nicht wirklich mitgekriegt, was er über-<br />
<strong>Blickpunkt</strong> Titelseite <strong>Ausgabe</strong> 1/2004<br />
mit dem Freiburger Münster<br />
8 <strong>DJV</strong> <strong>Blickpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
nommen hat oder vergessen, dass er überhaupt<br />
etwas übernommen hat. Im<br />
schlimmsten Fall hat er das Urheberrecht<br />
verletzt. Doch das gilt natürlich<br />
nicht nur für Texte.<br />
Die Gratwanderung zwischen<br />
Inspiration und Reproduktion<br />
Fotografen etwa können sich sehr wohl<br />
von anderen Fotos, Arrangements und<br />
Motiven inspirieren lassen, um ein<br />
eigenes Werk herzustellen. Doch gibt es<br />
hier deutliche Grenzen. Manche <strong>Blickpunkt</strong>leser<br />
werden sich an den Fall erinnern,<br />
als der Freiburger Rechtsanwalt Dr.<br />
jur. Albrecht Götz von Olenhusen einen<br />
Freiburger Fotografen verteidigte, dessen<br />
Fotografie des Freiburger Münsters<br />
nachgestellt worden war. Das Landgericht<br />
Mannheim hatte zu entscheiden,<br />
ob es sich bei einer nachgestellten<br />
Fotografie für einen Kalender um eine<br />
abhängige Bearbeitung der Vorlage des<br />
Freiburger Fotografen Raach oder um<br />
ein Werk handelt, das in freier Benutzung<br />
entstanden ist (s. Kasten Urheberrechtsgesetz).<br />
In zweiter Instanz entschied das<br />
Gericht: „In der Fotografie des Klägers<br />
finden sich hinreichende schöpferische<br />
Elemente. Hervorzuheben ist dabei der<br />
gezielte Einsatz von Gegenlicht, der dazu<br />
führt, dass bildbestimmende Komponenten<br />
der Fotografie – nämlich die Türme<br />
des Freiburger Münsters, der hintere Teil<br />
des Karlsstegs und die auf dem Steg<br />
befindlichen Personen – nur silhouettenhaft<br />
erscheinen.( …) Die von den<br />
Beklagten verwendete Fotografie ist eine<br />
unfreie Bearbeitung gem. § 23 UrhG des<br />
Lichtbildwerkes des Klägers und keine<br />
freie Benutzung i.S.d. § 24 UrhG.(…)<br />
Dem Kläger steht gegen die Beklagten<br />
aus § 97 Abs. 1 UrhG ein bezifferter<br />
Schadensersatz in Höhe von 2.042,40<br />
Euro zu.“<br />
Das unzitierte Zitat<br />
Moment mal, ist es denn aber auch<br />
wichtig, zu wem genau ein Politiker sich<br />
geäußert hat? Die Meinungen darüber<br />
gehen auseinander. Der ehemalige dpa-<br />
Mitarbeiter Wolf Günthner aus Waiblingen<br />
war jedenfalls immer wieder verwundert,<br />
wenn er etwa ein geglättetes und mit<br />
dem ehemaligen baden-württembergischen<br />
Ministerpräsidenten Oettinger<br />
abgestimmtes Zitat wortgleich bei einem<br />
Kollegen las. Hatte Oettinger die Formulierung<br />
so gut gefallen, dass er sie<br />
beim nächsten Journalisten gleich vom<br />
Blatt abgelesen hat? War der kleine Satz<br />
„sagte er der dpa“ beim Layout aus<br />
Platzmangel gestrichen worden? Oder<br />
hatte der Kollege einfach nur<br />
abgeschrieben?<br />
Dienstleistung<br />
Agenturmeldung<br />
Günthner forschte nicht wegen eines<br />
abgeschriebenen Zitats nach. Aus seiner<br />
Zeit als dpa-Redakteur von 1984 bis 2006<br />
war er sowieso ganz andere Fälle gewöhnt.<br />
Da hatten etwa Kollegen einen<br />
Bericht über die Preisentwicklung in der<br />
Spitzengastronomie und sogar ein Interview<br />
im Wortlaut übernommen und einfach<br />
den eigenen Namen darüber gesetzt.<br />
Von seiner Nachfrage bei den Kollegen<br />
berichtet Günthner: „Sie reagierten mit<br />
Unverständnis, fast aggressiv, und rechtfertigten<br />
sich, das sei doch ein Agentur-<br />
Artikel und die Zeitung schließlich<br />
Kunde. Ein Kollege sagte, er habe seinen<br />
Namen verwenden müssen, da bei dieser<br />
Rubrik immer sein eigener Name darüber<br />
stehe.“<br />
Der Pressesprecher der dpa, Christian<br />
Röwekamp, vorher selbst 13 Jahre Redakteur<br />
der Deutschen Presse-Agentur,<br />
antwortet auf unsere Nachfrage diplomatisch:<br />
„Wir freuen uns, wenn die<br />
Autorenschaft der dpa ausgewiesen wird.<br />
Aber wir betrachten uns auch einfach als<br />
Dienstleister für die Medien.“ Und in<br />
Absprache mit dem baden-württembergischen<br />
dpa-Landesbüroleiter Matthias<br />
Röder ergänzt er: „Wenn das Kürzel dpa<br />
mal nicht auftaucht, ist es für uns nicht<br />
dramatisch. Es ist dann aber schön, wenn<br />
ein etwaiger dpa-Anteil an Geschichten<br />
den dpa-Kollegen bewusst ist.“ Doch insgesamt<br />
betrachten laut Röwekamp die<br />
dpa Kollegen es auch einfach als Erfolg,<br />
wenn sie gut gedruckt werden, wenn etwa<br />
die eigene Arbeit als Teil eines größeren<br />
Aufmachers erscheint. Diese abwägende<br />
Haltung ist nicht ganz unverständlich.<br />
Schließlich sind die Verlage Kunden<br />
der dpa und sollen es auch bleiben,<br />
da möchte man nicht die Arbeitsatmosphäre<br />
vergiften. Wenn dagegen ein<br />
Autorenname durch einen anderen<br />
Namen ersetzt wird, sei das auch für die<br />
dpa urheberrechtlich relevant.