Blickpunkt Ausgabe 2-2011 - DJV Baden-Württemberg
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C O P Y & PA S T E<br />
Am Computer „nachgelebte“<br />
Reportagen<br />
Was die Badische Zeitung mit ihrer bis<br />
dahin geschätzten Mitarbeiterin erleben<br />
musste – just zu einem Zeitpunkt, als<br />
man mit angemessenem Entsetzen über<br />
die plagiierte Doktorarbeit des damaligen<br />
Verteidigungsministers berichtete – kann<br />
nicht mehr einem Irrtum zugeschrieben<br />
werden. Wie inzwischen online ausführlich<br />
dokumentiert, hat sich die Journalistin<br />
in mehreren Fällen bereichert,<br />
sie hat jahrelang kopiert, zusammengestückelt<br />
und abgeschrieben, darunter<br />
auch Reportagen aus Leitmedien.<br />
Genauso wie zu Guttenberg wollte sie<br />
nicht zitieren, sondern Urheberin sein.<br />
Dem Deutschlandfunk sagte Thomas<br />
Hauser, Chefredakteur der Badischen<br />
Zeitung: „Es ist schon so eine Geschichte,<br />
wo man merkt, dass so eine schleichende<br />
Enthemmung in einem längerfristigen<br />
Prozess stattgefunden hat. Es ist sicher<br />
auch so, dass dann auch der wachsende<br />
Druck in den Redaktionen mitspielt, dass<br />
dieser Zwang, manchmal halt auch Dinge<br />
schnell machen zu sollen, solche Dinge<br />
begünstigen kann.“<br />
Der ungewohnte Tonfall<br />
bringt es ans Licht<br />
So schrieb zum Beispiel der damalige<br />
Chefredakteur der Pforzheimer Zeitung<br />
in der Jubiläumsausgabe 2009 aus der<br />
Berliner Zeitung ab (immerhin auch aus<br />
deren Jubiläumsausgabe aus dem Jahr<br />
2005). Der Plagiator fand den melancholisch<br />
weisen Brief an den<br />
geheimnisvollen Leser aus dem Jahr 2005<br />
so gelungen, dass er nur minimale Änderungen<br />
vornahm. Doch der Berliner<br />
Artikel war online veröffentlicht. Und er<br />
war so eigen, dass man ihn leicht wiedererkannte.<br />
Irgendjemandem war ein unge-<br />
6 <strong>DJV</strong> <strong>Blickpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
Die Texte der Anderen<br />
Wollte man die Sünden im journalistischen Alltag nach Schwere des Delikts sortieren, so steht eine vergessene Quelle für ein<br />
Zitat am untersten Ende der Skala. Das Plagiat eines ganzen Artikels steht am anderen Ende, beim Tabu.<br />
Dazwischen liegt der weite Horizont von Kunstgriff bis Schwindel, von Blendwerk bis Irreführung, von Zeitdruck bis Arglist.<br />
Aber wo verläuft die Grenze? Abschreiben ist heute einfacher denn je, ergibt aber auch immer weniger Sinn. Man kann sowieso<br />
fast alles online nachlesen. Umso wichtiger, es sein zu lassen. Eine Positionsbestimmung – und ein Plädoyer fürs Selbermachen.<br />
v o n S u s a n n M a t h i s<br />
wohnter Tonfall oder eine außergewöhnliche<br />
Wortwahl aufgefallen. Bei solchen<br />
Symptomen fangen auch die seit Guttenberg<br />
bekannt gewordenen Plagiate-Jäger<br />
an, zu recherchieren. Mit dem Internet ist<br />
dann ein Betrug nachzuweisen. In der<br />
Berliner Pforzheimer Zeitung stand: „Es<br />
sind aufwäendige technische Methoden<br />
entwickelt worden, um herauszufinden,<br />
Dr. Susann Mathis<br />
ist freie Journalistin<br />
und im Redaktionsteam<br />
des <strong>Blickpunkt</strong>.<br />
was den Leser wie lange interessiert. Man<br />
schaut möglichst repräsentativ ausgewählten<br />
Leserexemplaren Leser-Exemplaren<br />
über die Schulter und protokolliert<br />
genau, was sie lesen, welchen Text sie<br />
zu lesen beginnen, wann sie aus dem Text<br />
wieder aussteigen und welchen Text sie<br />
bis zu Ende lesen. Die Testleser bekommen<br />
einen elektronischen Stift in die<br />
Hand, mit dem sie bequem angeben können,<br />
welche Teile der Zeitung sie bis zu<br />
welcher Zeile gelesen haben. Die Informationen<br />
werden dann in die Redaktion<br />
gesendet, wo das Leseverhalten minutiös<br />
ausgewertet wird. Allerdings sind<br />
diese „Einschaltquoten“ interpretationsbedürftig<br />
wie Gleichnisse des Herrn<br />
manche Gleichnisse aus der Bibel.“<br />
Dubiose Verlage initiieren<br />
zum Plagiieren<br />
„Das ist kein Kavaliersdelikt, das man<br />
einfach durch Zeitdruck entschuldigen<br />
kann. Beim Plagiat handelt es sich ganz<br />
einfach um Diebstahl“, sagt Peter<br />
Welchering. Der freie Journalist aus<br />
Stuttgart bringt seit Mai <strong>2011</strong>, gemeinsam<br />
mit anderen freien Kolleginnen und<br />
Kollegen, die Zeitschrift Digital heraus.<br />
Nach seiner Erfahrung handelt es sich<br />
bei Plagiaten in den wenigsten Fällen um<br />
die Journalisten selbst, die die Initiative<br />
ergreifen. Viel häufiger sind es dubiose<br />
Verlage, die von ihren Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern verlangen, für eine<br />
günstige Produktion doch mal auf schon<br />
fertiges Material zuzugreifen.<br />
Noch dazu ist dieses Material immer<br />
leichter zu bekommen: Seitdem immer<br />
mehr, auch öffentlich-rechtliche, Sender<br />
Fotos und Mitschnitte online zur Verfügung<br />
stellen, können ganze Dateien,<br />
jpgs und mp3s, einfach heruntergeladen<br />
werden. Sich zu wehren, ist mühsam und<br />
zuweilen kostspielig. Welchering<br />
beschreibt den Aufwand: „Wird ein Journalist<br />
plagiiert, so ist er wirtschaftlich<br />
geschädigt und muss zivilrechtlich gegen<br />
den Verlag vorgehen. Zunächst bittet<br />
man den Verlag, dieses Vorgehen zu unterlassen,<br />
und wenn er darauf nicht<br />
reagiert, heißt der nächste Schritt “einstweilige<br />
Verfügung“. Hier fangen die<br />
Kosten an. Die Gegenseite wird versuchen,<br />
den Streitwert hochzutreiben,<br />
das wiederum treibt die Gerichtsgebühren<br />
nach oben. Gleichzeitig muss<br />
man das Plagiat nachweisen, das heißt die<br />
eigenen Bilddateien mit Wasserzeichen<br />
und das vom Plagiator publizierte<br />
Material, die eigenen Texte und die vom<br />
Plagiator veröffentlichten – belegt z.B.<br />
durch screenshots mit Prüfnummer –<br />
beim Gericht hinterlegen.“ Welchering<br />
hat das durchgezogen, das zeitraubende<br />
Verfahren endete mit einem Vergleich.<br />
Trotzdem rät er: „Kollegen sollten unbedingt<br />
verfolgen, ob und wie und von<br />
wem sie plagiiert werden.“ Er selber publiziert<br />
seine Fotos und Audios mit einem<br />
digitalen Wasserzeichen, wenn das technisch<br />
funktioniert, um das Plagiat zu erschweren<br />
und empfiehlt das auch allen