Acta Laurentiana - von Jörg Dittmer

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6. Papst Leo der Große: Predigt 85 1
Weil die Summe aller Tugenden, meine Hochgeliebten, und die ganze Fülle der
Gerechtigkeit aus jener Liebe hervorgeht, die Gott und dem Nächsten gilt, wird
man finden, daß diese Liebe bei niemandem höher emporragt und heller strahlt
als bei den seligsten Märtyrern, die unserem Herrn Jesus Christus, der für alle
Menschen gestorben ist, verwandt sind durch die Nachahmung seiner liebenden
Zuwendung wie auch durch die Vergleichbarkeit ihres Martyriums. Obwohl
man nämlich mit jener Liebe, durch die uns der Herr erlöst hat (Röm. 5, 8), das
gute Wirken irgendeines Menschen nicht auf eine Stufe stellen kann, weil es
eine Sache ist, als Mensch, der mit Notwendigkeit dem Tod verfallen ist, für
einen Gerechten zu sterben, eine andere Sache, für die Gottlosen in den Tod zu
gehen als jemand, dessen Wesen der Tod fremd ist, haben dennoch für alle
Menschen auch die Märtyrer viel bewirkt; von ihrer standhaften Kraft hat der
Herr, der sie ihnen schenkte, in der Weise Gebrauch gemacht, daß nach seinem
Willen die Todesstrafe und das Grauen des Kreuzestodes für keinen, der zu ihm
gehört, schrecklich ist, sondern daß er sie vielen als nachahmenswert erscheinen
ließ.
Wenn also kein Guter für sich alleine gut ist und wenn für keinen Weisen die
Weisheit nur mit ihm befreundet ist und wenn dies die Natur der wahren
Tugenden ist, daß sie viele von dem finsteren Irrglauben wegführt, der durch
deren Licht deutlich ist, dann ist zur Unterweisung für das Volk Gottes keine
Gestalt nützlicher als die der Märtyrer. Mag die Beredsamkeit gut brauchbar
sein beim Bitten, mag die Vernunft wirksam sein beim Raten - stärker als Worte
sind doch die Beispiele, und besser ist es, durch die Tat zu lehren als mit der
Stimme.
Wieviel Wirkung in dieser hervorragendsten Art der Lehre durch seine
ruhmreiche würdevolle Haltung der selige Märtyrer Laurentius entfalten kann,
durch dessen Leiden der heutige Tag erleuchtet ist, konnten auch seine
Verfolger spüren, als jene bewundernswerte geistige Kraft, die er ursprünglich
aus der Liebe Christi empfangen hatte, nicht nur selbst nicht nachgab, sondern
auch andere durch das Beispiel ihrer Leidensfähigkeit stärkte.
Als nämlich die Wut der heidnischen Gewalten gerade unter den auserlesensten
Gliedern Christi tobte und besonders diejenigen, die zum Priesterstand gehörten,
angriff, richtete sich der glühende Haß des gottlosen Verfolgers gegen den
Diakon Laurentius, welcher nicht allein durch den Dienst an den Sakramenten,