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Acta Laurentiana - von Jörg Dittmer

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46<br />

Hölle hinunterzuführen. Der Engel, der zu seiner Bewachung bestimmt war, fing<br />

an, gegen uns zu reden: "Vergeblich seid ihr gekommen, denn er gehört mir!"<br />

Dem antworteten wir: "Siehe da ist das Buch, in dem alle öbeltaten, die er<br />

begangen hat, aufgeschrieben sind." Und der Engel: "Siehe da ist das Buch, in<br />

dem alles Gute, das er getan hat, geschrieben steht. Also sollen beide auf der<br />

Waage gewogen werden, und dann wollen wir den Ausgleich sehen!" Und so<br />

wurden beide Bücher auf der Waage gewogen. Das, in dem offensichtlich das<br />

Gute geschrieben war, hob sich nach oben, und das, in dem die Übel<br />

geschrieben standen, blieb unten. Wie laut war da das Geschrei, das wir, als<br />

wären wir die Sieger, jubelnd zum Himmel erhoben!<br />

Als wir uns aber noch freuten, siehe da kam plötzlich Laurentius dazu, jener<br />

vom Feuer verbrannte Mann, und er trug das Zeichen des Kreuzes in der<br />

Rechten und sagte: "Was ist das, was ich da sehe? Bisher ist das noch keine<br />

Gerechtigkeit!" Sobald er das gesagt hatte, zog er einen goldenen Kelch aus dem<br />

Bausch seines Gewandes und warf ihn so kraftvoll auf die Waagschale, die oben<br />

hing, daß einer <strong>von</strong> dessen Henkeln sofort sich löste und abgetrennt wurde; und<br />

die Waagschale sank daraufhin mit ihrem großen Gewicht und mit großer<br />

Geschwindigkeit ruckartig nach unten. Und so geschah es, daß die Waagschale,<br />

die zuerst durch das Gewicht des Bösen unten an der Erde hängen geblieben<br />

war, emporgehoben wurde, und daß jene, welche oben hing durch das geringe<br />

Gewicht der guten Taten, durch den dazugefügten Kelch nach unten<br />

hinabgezogen wurde. Danach hat jener Laurentius sofort mit ausgestreckter<br />

Hand die Seele des vorhergenannten Mannes aufgenommen und sie mit sich<br />

zurückgeführt. Als unser Anführer dies mit uns allen sah, verkehrte sich unsere<br />

große Freude plötzlich in große Traurigkeit, und wir gingen <strong>von</strong> da, wohin wir<br />

mit ihm gekommen waren, mit gewaltigem Gram und gewaltiger Trauer, in<br />

Schmach und Scham zurück und kehren nun heim zu unseren Wohnstätten in<br />

übergroßem Schmerz.<br />

Wenn du aber zögerst, meinen Worten Glauben zu schenken, so sende eilends<br />

deinen Diener in die Stadt, und er soll gewissenhafte Nachforschungen anstellen<br />

- dann wird er herausfinden, daß jener Mann zu dieser Stunde gestorben ist.<br />

Und damit man noch schneller erkennt, daß das, was ich gesagt habe, wahr ist,<br />

soll er zu der Kirche gehen, bei der er begraben wurde, und er soll zu den<br />

Geistlichen in deinem Namen sagen, daß sie ihm den goldenen Kelch zeigen,<br />

den er selbst, der jetzt tot ist, in eben dieser Kirche hatte aufstellen lassen. Wenn<br />

sie diesen zerbrochen vorfinden, werden sie zornig werden, und es wird einen<br />

großen Streit unter ihnen geben. Natürlich wird der eine den anderen im

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