Acta Laurentiana - von Jörg Dittmer
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III. Geschichten und Legenden um Heinrich, Laurentius und einen Kelch<br />
1. Kaiser Heinrich der Heilige und der Kelch<br />
Der vorher erwähnte und noch oft zu erwähnende Diener Gottes hatte einen<br />
goldenen Kelch zur Ehre Gottes und zum Gedächtnis des heiligen Märtyrers<br />
Laurentius der Kirche in Merseburg gestiftet. Daher wurde ihm, wie man glaubt,<br />
durch dessen besonderen Beistand vor Gott geholfen, und er wurde noch in der<br />
Stunde seines Todes befreit. Alle Verehrung und Bewunderung aber verdient die<br />
Tatsache, daß zu eben dieser Stunde der Kelch in sicherem Gewahrsam unter<br />
Verschluß gehalten wurde und doch nichtsdestoweniger das äußerlich sichtbare<br />
Zeichen der vorher genannten Beschädigung erhalten hat.<br />
Was wir nun <strong>von</strong> eben diesem Kelch durch den Bericht frommer Männer<br />
wahrheitsgemäß gehört haben, das haben wir der Mühe für wert befunden, es<br />
dem Gedenken künftiger Zeiten anzuvertrauen. Als nämlich der vorher erwähnte<br />
Bekenner Christi Heinrich zur Ordnung seiner Regierungsgeschäfte nach<br />
Merseburg kam, geschah es, daß er eines Tages am Altar des heiligen Laurentius<br />
sehr aufmerksam die Messe hörte. Als sie beendet war, wollte er, wie er es<br />
immer zu tun pflegte, die Vergebung der Sünden durch den Kelch zu sich<br />
nehmen; aber weil ein wichtiges Regierungsgeschäft, das der heilige Mann sich<br />
vorgenommen hatte, dazwischenkam, konnte es zu dieser Zeit nicht geschehen.<br />
Und so bat er den herbeigerufenen Kirchendiener, den Kelch mit dem<br />
Abendmahlswein an einen reinen Ort zurückzustellen und ihn mit aller Sorgfalt<br />
zu verwahren, bis er selbst wieder frei sei <strong>von</strong> Amtsgeschäften und eine<br />
passende Zeit und einen passenden Ort gefunden habe, um ihn zu sich zu<br />
nehmen.<br />
Da jedoch die Zahl der Streitsachen und seiner Entscheide immer mehr zunahm,<br />
kam er damals den ganzen Tag über nicht zur Ruhe und konnte sich nicht<br />
freimachen. Am folgenden Tag aber betrat er nach der Matutin mit einigen<br />
seiner Sekretäre heimlich den Dom und flehte längere Zeit mit gebeugten Knien<br />
und überströmenden Tränen zu Gott, und dann ließ er den Kirchendiener<br />
herbeirufen und gab ihm den Auftrag, den Kelch mit dem Abendmahlswein<br />
herbeizubringen. Und als dieser herbeigebracht und enthüllt worden war, fanden<br />
sie, daß jener erlösende Abendmahlswein in die Gestalt echten Blutes<br />
verwandelt war. Dieses wundersame Ereignis wurde bald allen bekannt, die