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16 Die Bundeswehr Mai 2013<br />

Von Yann Bombeke<br />

Soldat und Behinderung – das passt doch<br />

nicht zusammen. Ein Soldat ist körperlich<br />

hundertprozentig fit. Das kann doch höchstens<br />

sein, wenn einer versehrt aus dem Einsatz<br />

zurückkehrt. Denkste! In der Bundeswehr leisten<br />

mehr als 950 behinderte und schwerbehinderte<br />

Soldatinnen und Soldaten ihren Dienst – und nur<br />

rund 50 von ihnen sind Einsatzgeschädigte. Eine<br />

vielleicht kleine Gruppe, gemessen an den rund<br />

9000 zivilen Arbeitnehmern und Beamten, die<br />

mit einer Behinderung für die Streitkräfte arbeiten.<br />

Aber es ist eine Gruppe, die dennoch Aufmerksamkeit<br />

verdient.<br />

Genau dafür setzt sich Stabsfeldwebel Thomas<br />

Reiner ein. Vor einigen Jahren traf den<br />

gelernten Personalfeldwebel das Schicksal: Die<br />

Im Blickpunkt: Soldat und Behinderung<br />

Weitermachen wie jeder Andere<br />

Ärzte diagnostizierten eine Multiple Sklerose.<br />

Kein Grund für Stabsfeldwebel Reiner, der Bundeswehr<br />

den Rücken zu kehren. „Ich bin gelernter<br />

Kaufmann und daher Schreibtischtäter. Ich<br />

kann jetzt vielleicht nicht mehr einen Zug durch<br />

das Gelände führen, aber in einer Stabsdienstverwendung<br />

bin ich hundertprozentig einsatzfähig“,<br />

sagt Reiner. Dabei hilft ihm an seinem Arbeitsplatz<br />

im Dezernat Betreuung und Fürsorge im<br />

Streitkräfteamt (SKA) eine besondere Arbeitsplatzausstattung:<br />

Ein spezielles Headset für das<br />

Telefon und eine Einhandtastatur ermöglichen<br />

Reiner trotz seiner linksseitigen Lähmung ein<br />

ganz normales Arbeiten. Zu seiner Dienststelle<br />

auf der Bonner Hardthöhe gelangt Reiner mit seinem<br />

eigenen Auto – kein Problem, dank eines<br />

behindertengerechten Umbaus mit einem Steuerknauf<br />

am Lenkrad und Automatikgetriebe. Die<br />

Kosten für den Umbau hat die Bundeswehr übernommen.<br />

„Das ist ganz wichtig für das Selbstwertgefühl:<br />

Weitermachen zu können, wie jeder<br />

anderer Mensch“, sagt Reiner, der auch Vertrauensperson<br />

der Schwerbehinderten beim SKA ist.<br />

„Der wichtigste Lehrgang in meiner Bundeswehrzeit“<br />

– Die Teilnehmer des zweiten<br />

Pilotseminars in Bad Münstereifel waren<br />

von dem neuen Hilfsangebot begeistert.<br />

Der Dienstgeber kann also einiges tun, um<br />

den schwerbehinderten Menschen in der Bundeswehr<br />

die Ausübung ihrer Tätigkeiten zu<br />

erleichtern. Nur: Viele wissen nicht genau, für<br />

welche Dinge die derzeit noch zuständige Wehrbereichsverwaltung<br />

die Kosten übernimmt und<br />

wie die Verfahren und Abläufe zu bewältigen<br />

sind, um an die Zuschüsse zu gelangen. Auch aus<br />

diesem Grund kam Stabsfeldwebel Reiner die<br />

Idee, ein Seminar auf die Beine zu stellen. Es<br />

geht ihm darum, Informationslücken zu<br />

schließen. „Ich habe festgestellt, dass der Bedarf<br />

da ist“, sagt er. Zunächst selbst, später gemeinsam<br />

mit seinem Dezernatsleiter, Oberstleutnant<br />

Axel Reiter, trug Reiner seine Ideen an den Amtschef<br />

SKA heran – und fand in Generalmajor<br />

Thomas Wollny wohlwollende Unterstützung<br />

für das Projekt. Nach folgenden Gesprächen mit<br />

den zuständigen ministeriellen Ebenen erhielt<br />

der Amtschef SKA den Auftrag, ein Konzept zu<br />

entwickeln.<br />

„Zunächst mussten wir den Bedarf ermitteln<br />

– wie viele Behinderte gibt es überhaupt in der<br />

Bundeswehr?“ sagt Oberstleutnant Reiter. Das<br />

gestaltet sich gar nicht so einfach: Aus Datenschutzgründen<br />

ist es nahezu unmöglich, an verlässliche<br />

Zahlen und Fakten von behinderten<br />

Menschen in der Bundeswehr zu gelangen. Es<br />

kann nur geschätzt werden, dass etwa 950 Soldatinnen<br />

und Soldaten mit einer Behinderung in<br />

den Streitkräften dienen. Es ist auch bekannt,<br />

dass es eine hohe Dunkelziffer gibt, da sich viele<br />

Soldatinnen und Soldaten nicht outen – sie<br />

befürchten Laufbahnnachteile. Auch aus diesem<br />

Grund wurde das Konzept auf die Beine gestellt<br />

und eine Reihe von fünf Pilotseminaren vom<br />

Ministerium genehmigt. Zwei wurden bereits<br />

durchgeführt, drei weitere sind für das laufende<br />

Jahr terminiert. Das nächste Seminar findet vom<br />

10. bis 14. Juni im Haus des Jugendrotkreuzes in<br />

Bad Münstereifel statt. Dieses Seminar war<br />

bereits wenige Tage nach der Ausschreibung ausgebucht.<br />

Die Adresse wurde durch das Bundeswehr-Sozialwerk<br />

bekannt und ist für das Vorha-<br />

Stabsfeldwebel<br />

Thomas Reiner am<br />

Steuer seines<br />

Autos, mit dem er<br />

täglich zu seinem<br />

Arbeitsplatz auf der<br />

Bonner Hardthöhe<br />

gelangt. Die Kosten<br />

für den behindertengerechten<br />

Umbau, dazu zählt<br />

ein spezieller<br />

Knauf am Lenkrad,<br />

hat die Bundeswehr<br />

übernommen.<br />

Stabsfeldwebel Thomas Reiner hat das Projekt „Soldat und Behinderung“ ins Leben gerufen. Mit<br />

Seminaren will der Stabsfeldwebel ein Hilfsangebot für die rund 950 Soldaten mit Behinderung,<br />

die in der Bundeswehr dienen, schaffen und Informationslücken schließen<br />

Oberstleutnant Axel Reiter (r.) am Arbeitsplatz<br />

von Stabsfeldwebel Thomas Reiner,<br />

der mit kleinen Hilfsmitteln ganz normal seine<br />

Arbeit verrichten kann.<br />

ben gut geeignet. „Es gibt dort ein Schwimmbad,<br />

eine Sporthalle und die Kosten halten sich im<br />

Rahmen“, sagt Oberstleutnant Reiter. Teilnehmen<br />

können pro Seminar 15 Behinderte mit<br />

Betreuung, etwa Rollstuhlfahrer mit ihrer<br />

Begleitperson, oder 30 ohne die Notwendigkeit<br />

einer Betreuung.<br />

„Den richtigen Nerv getroffen“<br />

Das Feedback der bisherigen Teilnehmer sei<br />

durch die Bank positiv, versichert Reiter: „Die<br />

Resonanz zeigt: Wir haben den richtigen Nerv<br />

getroffen!“ Jetzt müsse das Pilotprojekt nur noch<br />

institutionalisiert werden. „Es darf nicht an einzelnen<br />

Personen hängen“, sagt der Dezernatsleiter<br />

im SKA. Wie gut das Projekt von den Betroffenen<br />

aufgenommen wird, zeigt der Inhalt einer<br />

E-Mail, die Stabsfeldwebel Reiner nach dem<br />

zweiten Pilotseminar von einem Teilnehmer<br />

erhalten hat: „Das Seminar war sehr informativ<br />

und man kann das erworbene Wissen dienstlich<br />

wie auch privat verwenden. Somit hat es für<br />

mich den Wert des wichtigsten Lehrgangs in<br />

meiner Zeit bei der Bundeswehr erlangt.“ ■<br />

Unter thomasreiner@bundeswehr.org erhalten<br />

Sie weitere Informationen zum Projekt<br />

„Soldat und Behinderung“.

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