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Gemeinsame Sorge – geteilte Verantwortung - Vamv

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10<br />

Vortrag<br />

Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit<br />

Rechtsanwältin und Senatorin<br />

a.D., war Richterin in Hamburg<br />

von 1961 bis 1991. Von 1991<br />

bis 2001 Senatorin für Justiz in<br />

Hamburg (1991 bis Ende 1993),<br />

in Berlin (1994 bis Ende 1997)<br />

und wieder in Hamburg (1997<br />

bis 2001). Mitglied der Verfassungskommission<br />

von Bundestag<br />

und Bundesrat von 1992 bis<br />

1994. Bundesvorsitzende des<br />

Deutschen Juristinnenbundes<br />

von 1977 bis 1983, Vorsitzende<br />

diverser Kommission im<br />

Deutschen Juristinnenbund und<br />

im Deutschen Frauenrat. Seit<br />

2002 Rechtsanwältin in Berlin,<br />

spezialisiert auf Zivil-, Handels-<br />

und Gesellschaftsrecht, speziell<br />

auf Erb- und Familienrecht.<br />

Weiterentwicklung des <strong>Sorge</strong>rechts zur<br />

<strong>Sorge</strong>verantwortung. Rechte und Pflichten bei<br />

gemeinsamer <strong>Sorge</strong> in der Alltagspraxis<br />

Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit, Senatorin a. D., Rechtsanwältin, Berlin<br />

1. Elterliche <strong>Sorge</strong><br />

1.1 Einleitung<br />

Am 21.7.2010 1 hat bekanntlich das Bundesverfassungsgericht<br />

zwei Vorschriften des<br />

BGB, die sich auf die elterliche <strong>Sorge</strong> beziehen,<br />

für mit dem Grundgesetz unvereinbar<br />

und deshalb für verfassungswidrig erklärt.<br />

Es handelt sich um die §§ 1626a und 1672<br />

Abs. 1 BGB, die beide erst seit dem 1.7.1998<br />

gelten. Mit seiner Entscheidung hat das<br />

Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung<br />

des Europäischen Gerichtshofs für<br />

Menschenrechte (EuGHMR) vom 3.12.2009 2<br />

nachvollzogen. Dieses Gericht hatte entschieden,<br />

dass der grundsätzliche Ausschluss<br />

einer gerichtlichen Überprüfung<br />

der ursprünglichen Zuweisung der Alleinsorge<br />

an die Mutter im Hinblick auf den<br />

verfolgten Zweck, nämlich den Schutz des<br />

Wohls eines nichtehelichen Kindes, nicht<br />

verhältnismäßig sei. Der Europäische Gerichtshof<br />

für Menschenrechte kam deshalb<br />

zu dem Ergebnis, dass eine Verletzung von<br />

Art. 14 i.V.m. Art. 8 EMRK (Europäische<br />

Menschenrechtskonvention) vorliegt. Das<br />

Bundesverfassungsgericht war also nicht<br />

frei in seiner Entscheidung, sondern gehalten,<br />

dieser Vorgabe des Europäischen<br />

Gerichtshofs für Menschenrechte Rechnung<br />

zu tragen.<br />

Mit seiner Entscheidung hatte das Bundesverfassungsgericht<br />

zwei wichtige Neuerungen<br />

aus der Kindschaftsrechtsreform von<br />

1998 für verfassungswidrig erklärt: § 1626<br />

Abs. 1 Nr. 1 BGB, wonach bei einer nichtehelichen<br />

Geburt die Mutter alleinsorgeberechtigt<br />

wird, es sei denn, beide Eltern geben<br />

eine <strong>Sorge</strong>erklärung ab oder aber sie heiraten<br />

einander, und § 1672 Abs. 1 BGB, welche<br />

eine Alleinsorge des nichtehelichen Vaters<br />

bisher ohne Zustimmung der Mutter nicht<br />

zuließ. Gleichzeitig hatte das Bundesver-<br />

1 NJW 2010, 3008 = FamRZ 2010, 1403 m. Anm. Luthin.<br />

2 Zaunegger ./. Deutschland, FamRZ 2010, 103 m. Anm. Henrich u. Scherpe<br />

fassungsgericht bekanntlich eine Übergangsregelung<br />

(einstweilige Anordnung)<br />

geschaffen, indem es entschieden hatte,<br />

§ 1626a BGB sei bis zu einer gesetzlichen<br />

Neuregelung so anzuwenden, dass das<br />

Familiengericht den Eltern auf Antrag<br />

eines Elternteils die elterliche <strong>Sorge</strong> oder<br />

einen Teil der elterlichen <strong>Sorge</strong> gemeinsam<br />

überträgt, soweit zu erwarten ist, dass dies<br />

dem Kindeswohl entspricht. Darüber hinaus<br />

hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden,<br />

dass bis zum Inkrafttreten einer<br />

gesetzlichen Neuregelung § 1672 Abs. 1 BGB<br />

mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass das<br />

Familiengericht dem Vater auf Antrag eines<br />

Elternteils die elterliche <strong>Sorge</strong> oder einen<br />

Teil der elterlichen <strong>Sorge</strong> überträgt, soweit<br />

eine gemeinsame elterliche <strong>Sorge</strong> nicht in<br />

Betracht kommt und zu erwarten ist, dass<br />

dies dem Kindeswohl am besten entspricht.<br />

Die Zustimmung der Mutter ist seither<br />

nicht mehr Voraussetzung für die väterliche<br />

Allein sorge.<br />

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in<br />

seiner einstweiligen Anordnung jeweils<br />

klar für das Antragsmodell entschieden:<br />

Entweder muss ein Elternteil beantragen,<br />

dass ihm die gemeinsame <strong>Sorge</strong> eingeräumt<br />

wird oder aber er muss einen Antrag stellen,<br />

dass er die Alleinsorge erhält. Seit Juli 2010<br />

wird auch so verfahren, in der Zwischenzeit<br />

gibt es eine erhebliche Zahl von Gerichtsentscheidungen,<br />

die entsprechenden Anträgen<br />

von Vätern entweder stattgegeben<br />

oder sie zurückgewiesen haben.

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