Gemeinsame Sorge – geteilte Verantwortung - Vamv
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44 <strong>Sorge</strong> von Eltern ohne Lebensgemeinschaft: Kriterien für eine Prognose aus Kindeswohlsicht<br />
bei begünstigenden Rechtsfolgen als Zustimmung.<br />
Für ein Schweigen können trotz<br />
der sechswöchigen Schonfrist eine Vielzahl<br />
von gewichtigen Gründen ursächlich sein:<br />
körperliche Verfassung, mangelnde Sprachkenntnisse<br />
und Artikulationsfähigkeit,<br />
häusliche Gewalt, Einschüchterung und Erpressung,<br />
illegaler Aufenthaltsstatus u. v. a.<br />
m. Selbst die Fachgerichte streiten bekanntlich<br />
über die Relevanz von Gründen, die für<br />
oder gegen die gemeinsame <strong>Sorge</strong> sprechen,<br />
wie kann von einem Elternteil erwartet<br />
werden, dass er (nur) solche Gründe vorzutragen<br />
im Stande sein muss, die gegen die<br />
gemeinsame <strong>Sorge</strong> sprechen können und<br />
den juristischen Relevanzkriterien entsprechen?<br />
Die materiell-rechtliche Vermutung,<br />
die an nichts anderem als ein Schweigen<br />
oder an mangelnden Rechtskenntnissen<br />
von juristischen Laien über juristische Relevanzkriterien<br />
anknüpft, ist nicht haltbar.<br />
Das bei Schweigen oder unterstellter Irrelevanz<br />
der Einwände in Gang kommende<br />
vereinfachte Verfahren kommt einer automatischen<br />
gemeinsamen elterlichen <strong>Sorge</strong><br />
kraft Gesetzes sehr nahe. Da das Konstrukt<br />
der gesetzlichen Vermutung nicht haltbar<br />
ist, lässt sich auch die Einschränkung<br />
des hier aus guten Gründen bestehenden<br />
Amtsermittlungsgrundsatzes nicht rechtfertigen.<br />
Dies gilt auch für den Verzicht auf<br />
die persönliche Anhörung der Eltern und<br />
auf die Beteiligung des Jugendamtes wie für<br />
den Verweis auf das schriftliche Verfahren:<br />
Ein Elternteil könnte massiv eingeschränkt<br />
sein, sich ohne Hilfe adäquat schriftlich<br />
zu äußern, umso mehr käme es gerade auf<br />
den persönlichen Eindruck im Rahmen der<br />
unverzichtbaren persönlichen Anhörung<br />
an, die u. U. in Abwesenheit des anderen<br />
Elternteils durchgeführt werden muss (vgl.<br />
§§ 128 Abs. 1 Satz 2, 157 Abs. 2 Satz 2 FamFG);<br />
zudem leuchtet überhaupt nicht ein, warum<br />
auf die Unterstützung durch eine Fachbehörde<br />
wie das Jugendamt, auf das Aufzeigen<br />
von Hilfsangeboten an die Eltern durch dieses<br />
und auf den Einsatz sämtlicher Instrumente<br />
des FamFG zur Erzielung von Einver-<br />
nehmen unter streitenden Eltern verzichtet<br />
werden kann. Staatliche Rechtsfürsorge wie<br />
Rechtsvorsorge zielen doch darauf, dass das<br />
Konfliktniveau möglichst gesenkt wird.<br />
Nicht in Vergessenheit geraten sollte: „Nach<br />
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts<br />
setzt die gemeinsame Ausübung<br />
der Elternverantwortung eine tragfähige soziale<br />
Beziehung zwischen den Eltern voraus,<br />
erfordert ein Mindestmaß an Übereinstimmung<br />
zwischen ihnen und hat sich nach<br />
dem Kindeswohl auszurichten“ (BVerfG v. 18.<br />
Dezember 2003, 1 BvR 1140/03, Rz 10).<br />
6. Faires Verfahren <strong>–</strong> für Väter und Mütter<br />
Wenn nicht miteinander verheiratete Eltern<br />
den Weg zur gemeinsamen elterlichen <strong>Sorge</strong><br />
über die <strong>Sorge</strong>erklärung nicht gefunden<br />
haben, dann könnte das an Informations defiziten,<br />
aber auch daran liegen, dass ein Eltern -<br />
teil diesen Weg nicht beschreiten kann oder<br />
will. Einem Informationsdefizit könnte<br />
über verschiedene Wege abgeholfen werden.<br />
Verfahrensrechtliche Voraus setzung für eine<br />
gerichtliche Entscheidung auf Antrag eines<br />
Elternteils könnte auch der Nachweis einer<br />
entsprechenden Beratung, die nicht zu einem<br />
Einvernehmen geführt hat, sein. Verweigert<br />
ein Elternteil die Teilnahme, so kämen<br />
entsprechende gerichtliche Auflagen in Be -<br />
tracht. Väter hätten die Chance, mütterlicherseits<br />
vor gebrachte, aber unbegründete<br />
Verweigerungshaltungen zu widerlegen und<br />
Mütter hätten die Chance mit ihren Ängsten<br />
und Einwänden gehört zu werden.<br />
Ergebnis<br />
Es bleibt zu hoffen, dass es nicht bei diesem<br />
Kompromiss des Regierungsentwurfs bleibt.<br />
In Wirklichkeit handelt es sich um eine<br />
Reprivatisierung vielfach erheblicher Konflikte<br />
und um ein Konzept des Ignorierens<br />
und Hinwegsehens über offensichtliche<br />
Konfliktspannungen und zudem um eine<br />
Preisgabe aller bewährten Konfliktlösungsmittel<br />
und -methoden, auf deren Einsatz<br />
gerade das moderne Sozial- und Familienverfahrensrecht<br />
setzt.