Gemeinsame Sorge – geteilte Verantwortung - Vamv
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60<br />
Fazit<br />
<strong>Gemeinsame</strong> <strong>Sorge</strong> <strong>–</strong> <strong>geteilte</strong> <strong>Verantwortung</strong>?<br />
An dem Gesetzesentwurf zur Neuregelung<br />
des <strong>Sorge</strong>rechts nicht miteinander verheirateter<br />
Eltern besteht erheblicher Nachbesserungsbedarf.<br />
Daran haben die Vorträge,<br />
Arbeitsgruppen und Diskussionen der<br />
Fachtagung keinen Zweifel gelassen. Gerade<br />
bei Konfliktkonstellationen, um die es de<br />
facto geht, ist es fraglich, wie ein schriftliches<br />
Verfahren ohne Einzelfallprüfung<br />
dem Kindeswohl entsprechen kann. Es ist<br />
zu bezweifeln, dass das seitens des Justizministeriums<br />
vorgeschlagene Verfahren verfassungsrechtlichen<br />
Standards entspricht.<br />
Bei der engagierten Podiumsdiskussion<br />
wurde klar, wie intensiv zwischen und<br />
auch innerhalb der politischen Fraktionen<br />
um eine Lösung gerungen wurde. Denn<br />
die Vorstellungen liegen zwischen Automatismus<br />
und Antragsmodell weit auseinander.<br />
Nichtsdestotrotz wurde auch<br />
deutlich, dass dieser Kraftakt noch kein<br />
Ende gefunden haben kann, da er bisher zu<br />
keinem guten Kompromiss geführt ist.<br />
Nachbesserungsbedarf bei der<br />
Neureglung<br />
Die geplante Neuregelung ist vom Grundsatz<br />
her ein Antragsmodell, was zu begrüßen<br />
ist, da der Gesetzgeber damit dem<br />
Umstand Rechnung trägt, dass Kinder in<br />
sehr unterschiedliche Lebensverhältnisse<br />
geboren werden, denen ein Automatismus<br />
nicht gerecht werden kann. Durch die Hintertür<br />
führt das Verfahren dennoch einen<br />
Automatismus ein, der zwar nicht an die<br />
Vaterschaftsfeststellung, aber an den Antrag<br />
des Vaters bei Familiengericht geknüpft ist.<br />
Das geplante vereinfachte Verfahren ohne<br />
Kindeswohlprüfung führt zu massiven<br />
Bedenken, inwieweit das Kindeswohl noch<br />
gesichert ist. Insbesondere<br />
• ein schriftliches Verfahren ohne Anhörung<br />
der Eltern und des Jugendamtes,<br />
• der Verzicht auf eine Einzelfallprüfung,<br />
• das Aufheben des Amtsermittlungsgrundsatzes,<br />
• Rechtsfolgen, die aus einem Schweigen<br />
resultieren und auf Vermutungen<br />
basieren,<br />
• die Einführung eines gesetzlichen<br />
Leitbildes<br />
• sowie eine Frist zur Stellungnahme, die<br />
in den gesetzlichen Mutterschutz fällt<br />
werden der hohen Bedeutung, die jeglicher<br />
Entscheidung zum <strong>Sorge</strong>recht zukommt,<br />
nicht gerecht. Das vereinfachte Verfahren<br />
stellt nicht sicher, dass eine gerichtliche<br />
Entscheidung getroffen wird, die dem Wohl<br />
des Kindes entspricht. Der wesentliche<br />
Grundsatz kindschaftsrechtlicher Verfahren,<br />
das Kindeswohl zum Entscheidungsmaßstab<br />
zu machen, wird aufgegeben.<br />
Eine fundierte Einzelfallentscheidung<br />
im regulären familienrechtlichen Verfahren<br />
ist unerlässlich. Mit § 155 FamFG besteht<br />
bereits die Möglichkeit eines beschleunigten<br />
Verfahrens; es ist nicht ersichtlich, warum<br />
dieses nicht zur Anwendung kommen soll.<br />
<strong>Gemeinsame</strong> <strong>Sorge</strong> positiv, aber nicht<br />
um jeden Preis<br />
Seit 1998 geben immer mehr Eltern eine<br />
gemeinsame <strong>Sorge</strong>erklärung ab, das ist eine<br />
positive Entwicklung. Die gemeinsame<br />
<strong>Sorge</strong> erklärung ist eine bewusste Entscheidung<br />
dafür, gemeinsam <strong>Verantwortung</strong> für<br />
ein Kind zu übernehmen zu wollen, sich<br />
Rechte und Pflichten zu teilen und gemeinsam<br />
zu bewältigen. Die gemeinsame <strong>Sorge</strong>erklärung<br />
ist <strong>–</strong> nur auf das Kind bezogen <strong>–</strong><br />
das Äquivalent zu der bewussten Entscheidung<br />
für gegenseitige <strong>Verantwortung</strong>sübernahme<br />
<strong>–</strong> die sich auch auf Kinder bezieht <strong>–</strong>,<br />
die andere Paare durch eine Eheschließung<br />
bekunden.