Gemeinsame Sorge – geteilte Verantwortung - Vamv
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Das <strong>Sorge</strong>recht als Motor der Gleichstellungspolitik? Alltagspraxis als Maßstab des Kindeswohls!<br />
Inge Michels:<br />
Dankeschön! Wir haben ja heute schon viel<br />
von der Wissenschaft gehört. Deshalb<br />
würde ich gerne versuchen, einen Perspektivwechsel<br />
einzuleiten. Ich wüsste ganz gerne,<br />
wie die Diskussion in Ihren Parteien zu dem<br />
Thema geführt wurde. Wie kam es vor dem<br />
Hintergrund, dass verschiedene Modelle<br />
im Raum standen, zu diesem Referentenentwurf?<br />
Ich würde Sie bitten, sich darauf<br />
einzulassen uns zu erzählen, wie man in der<br />
Politik darüber diskutiert hat und wie man<br />
zu dem Referentenentwurf gekommen ist,<br />
Herr Silberhorn.<br />
Thomas Silberhorn:<br />
Wir hatten in der Koalition sehr unterschiedliche<br />
Vorstellungen, wie man den<br />
Urteilen des Europäischen Gerichtshofs<br />
für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts<br />
nachkommen will. Es gab auf<br />
der einen Seite Überlegungen, das gemeinsame<br />
elterliche <strong>Sorge</strong>recht kraft Gesetzes<br />
festzuschreiben für Vater und Mutter. Das<br />
war die Vorstellung der FDP. Und es gab auf<br />
der anderen Seite die sehr weitreichende<br />
Überlegung in der Union, es möglichst beim<br />
bisherigen Zustand zu belassen, im Grundsatz<br />
beim alleinigen <strong>Sorge</strong>recht der Mutter,<br />
aber gleichzeitig dem Vater die Möglichkeit<br />
zu geben, auch ohne oder gegen die Mutter<br />
eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen.<br />
Diese beiden Vorstellungen gehen<br />
sehr weit auseinander. Wir mussten einen<br />
Kompromiss finden, der Klarheit schafft.<br />
Die Kompromisslösung sieht vor, dass zunächst<br />
die Mutter das alleinige <strong>Sorge</strong>recht<br />
behält, dann aber der Vater das gemeinsame<br />
<strong>Sorge</strong>recht beantragen kann, sofern beide<br />
Elternteile sich nicht einig sind und nicht<br />
eine gemeinsame <strong>Sorge</strong>erklärung abgeben.<br />
Wir regeln also nur den Konfliktfall, der<br />
letztlich dann mit Jugendamt und Gericht<br />
entschieden werden muss. Die Gegenposition<br />
<strong>–</strong> die bereits mit Anerkennung der<br />
Vaterschaft das gemeinsame <strong>Sorge</strong>recht<br />
haben wollte <strong>–</strong> würde bedeuten, dass vor<br />
Feststellung der Vaterschaft zunächst das<br />
alleinige <strong>Sorge</strong>recht bei der Mutter liegen<br />
würde. Für uns in der Union war es wichtig<br />
zu verhindern, dass es zu einem mehrfachen<br />
Wechsel im <strong>Sorge</strong>recht kommt: Dass<br />
es also erst die Mutter hat, dann mit der<br />
Feststellung der Vaterschaft auch der Vater.<br />
Dann, wenn es streitig wird, geht es vor<br />
Gericht um die alleinige <strong>Sorge</strong>, so dass wir<br />
innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit ganz<br />
unterschiedliche <strong>Sorge</strong>berechtigte haben.<br />
Das ist mit dem Entwurf, auf den wir uns<br />
verständigt haben, ausgeschlossen. Es bleibt<br />
bei dem Modell der alleinigen <strong>Sorge</strong> der<br />
Mutter von Anfang an und der Möglichkeit<br />
des Vaters, in vergleichsweise kurzer Frist<br />
eine zügige Entscheidung herbeizuführen.<br />
Über die Frist kann man sich streiten.<br />
Kern des Kompromisses ist: Wenn man<br />
einerseits die Mütter dadurch privilegiert,<br />
dass sie das alleinige <strong>Sorge</strong>recht von Anfang<br />
an haben, soll diese Privilegierung dadurch<br />
kompensiert werden, dass die Väter relativ<br />
zügig zu einer Entscheidung über das gemeinsame<br />
<strong>Sorge</strong>recht kommen können,<br />
egal wie die Entscheidung dann am Ende<br />
ausfällt. Das war die Linie der Kompromissfindung.<br />
Inge Michels:<br />
Vielen Dank erst mal, dass Sie uns den Einblick<br />
in diese Diskussion ermöglicht haben.<br />
Ich wüsste ich auch sehr gerne von Ihnen,<br />
wie die Diskussion in der SPD abgelaufen<br />
ist, Frau Steffen?