Gemeinsame Sorge – geteilte Verantwortung - Vamv
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24 Was braucht das Kind? Anforderungen an das <strong>Sorge</strong>recht aus interdisziplinärer Sicht<br />
konflikthaft verbunden. Diesen Eltern<br />
gelingt es nicht, die Gestaltung der gemeinsamen<br />
Elternschaft auf einem friedlichen<br />
Wege umzusetzen, es entstehen immer wieder<br />
Situationen, bei denen sie keinen guten<br />
Konsens finden können, der ihnen ein<br />
gemeinsames Handeln ermöglichen würde.<br />
Solche anhaltenden Coparenting-Konflikte<br />
zwischen den Eltern sind ein bedeutsamer<br />
Stressfaktor nicht nur für die Eltern,<br />
sondern auch für die Kinder aller Altersstufen.<br />
Man könnte zwar annehmen, dass kleinere<br />
Kinder diese Konflikte nicht wahrnehmen.<br />
Inzwischen wissen wir jedoch, dass sogar<br />
Säug linge <strong>–</strong> zumindest, wenn Konflikte in<br />
ihrer Anwesenheit ausgetragen werden, <strong>–</strong><br />
sehr sensibel reagieren. Jugendliche nehmen<br />
verschiedene Arten von Nuancen in den Konflikten<br />
wahr und haben manchmal schon<br />
bessere Strategien, sich davon zu distanzieren.<br />
Oftmals sind sie jedoch noch sehr involviert.<br />
Auf jeden Fall sagt uns die Forschung, dass Coparentingkonflikte<br />
das Risiko für emotionale<br />
Belastungen der Kinder und für Verhaltensauffälligkeiten,<br />
aber auch für soziale Probleme<br />
mit Gleichaltrigen und last but not least auch<br />
für schulische Schwierigkeiten erhöhen.<br />
Betrachtet man, wie die Besonderheiten<br />
von Trennungs- und Scheidungskindern in<br />
unterschiedlichen Phasen der Scheidungsforschung<br />
eingeschätzt wurden, so lässt sich<br />
durchaus eine zunehmende Sensibilität für<br />
diese Art von Thematisierung verzeichnen.<br />
Ursprünglich wurde über Scheidungskinder<br />
als Scheidungswaisen diskutiert, hier stand<br />
die Abwesenheit des anderen Elternteils sehr<br />
im Vordergrund. Nachdem zunehmend klar<br />
wurde, dass der andere Elternteil nicht zwingend<br />
verschwindet, sondern sich auch nach<br />
einer Trennung in die Betreuung und Erziehung<br />
der Kinder einbringen kann, trat der<br />
Gedanke an binukleare Familiensysteme in<br />
den Vordergrund, also zwei familiale Bezugssysteme<br />
der Kinder, die jeweils einen eigenen<br />
Kristallisationspunkt des Familienlebens<br />
darstellen. Hierbei wurde deutlich, dass es auf<br />
die Balance und Offenheit der verschiedenen<br />
Bezugswelten ankommt, zwischen denen<br />
die Kinder hin und her wandern müssen.<br />
Auch heute gilt sicherlich für eine Vielzahl<br />
der Scheidungskinder, dass sie verschiedene<br />
Welten ausbalancieren müssen. Forschungsbefunde<br />
haben zudem ergeben, dass Kindern<br />
bei dieser Ausbalancierung durchaus eine<br />
beträchtliche Kompetenz abverlangt wird<br />
und dass sie oftmals frühreif und vernünftig<br />
agieren müssen. Zudem müssen sie auch im<br />
Alltag früh <strong>Verantwortung</strong> übernehmen.<br />
Insofern wurde auch betont, dass Scheidungskinder<br />
mitunter als „kleinen Erwachsene“<br />
frühzeitig den Schonraum der Kindheit<br />
verlassen und schon vorzeitig in die Pflicht<br />
genommen werden.<br />
In aktueller Forschung liegt der Fokus vermehrt<br />
auf den Belastungen von Scheidungskindern,<br />
die aus fortgesetzten Streitigkeiten<br />
und gerichtlichen Auseinandersetzungen der<br />
Eltern resultieren. In diesen Kontexten scheinen<br />
Scheidungskinder mitunter wie „Kriegskinder“<br />
in feindselige Auseinandersetzungen<br />
und Grabenkämpfe verwickelt zu werden,<br />
die sich über lange Jahre hinziehen können.<br />
Dieses Thema möchte ich nachher gesondert<br />
aufgreifen.<br />
Betrachtet man <strong>–</strong> anhand internationaler<br />
Daten <strong>–</strong> wie es Scheidungskindern im Vergleich<br />
zu Kindern in Kernfamilien geht, muss<br />
man zunächst festhalten, dass trotz der größeren<br />
Verbreitung von Trennung und Scheidung<br />
und der damit geringeren Stigmatisierung<br />
von Scheidungskindern die negativen<br />
Effekte nicht unbedingt geringer geworden<br />
sind. Zunächst sah es ja im Verlauf der Zeit<br />
zwischen den 1950er und 1980er Jahren so<br />
aus, als sei eine Trennung und Scheidung der<br />
Eltern für die betroffenen Kinder zunehmend<br />
weniger zum Belastungsfaktor geworden. Dies<br />
hatte zumindest eine umfangreiche Meta-<br />
Analyse aus den USA nahe gelegt, die Amato<br />
und Keith 1991 vorgelegt hatten. Allerdings<br />
zeigten neuere Daten aus den 1990er Jahren,<br />
dass sich diese Entwicklung nicht fortgesetzt<br />
hat. In den neunziger Jahren ist es nicht<br />
zu einer weiteren Entlastung gekommen,<br />
sondern durchaus zu einer Verstärkung von<br />
Problemen. Dies kann darauf zurückgeführt