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Gemeinsame Sorge – geteilte Verantwortung - Vamv

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22<br />

Prof. Dr. Sabine Walper<br />

Vortrag<br />

Forschungsdirektorin des DJI,<br />

ist Familienpsychologin und<br />

hat seit 2001 die Professur<br />

für Allgemeine Pädagogik<br />

und Bildungsforschung mit<br />

dem Schwerpunkt Jugendforschung<br />

an der LMU inne. Seit<br />

Februar 2012 hat sie die Stelle<br />

als Forschungsdirektorin am<br />

Deutschen Jugendinstitut übernommen.<br />

Sie forscht u.a. seit<br />

vielen Jahren über Kinder und<br />

Jugendliche in Trennungs- und<br />

Stieffamilien. 2010/2011 hat<br />

sie im Auftrag des Bundesministeriums<br />

der Justiz gemeinsam<br />

mit dem DJI das gemeinsame<br />

<strong>Sorge</strong>recht nicht miteinander<br />

verheirateter Eltern untersucht.<br />

Was braucht das Kind? Anforderungen an das<br />

<strong>Sorge</strong>recht aus interdisziplinärer Sicht*<br />

Prof. Dr. Sabine Walper, Forschungsdirektorin Deutsches Jugendinstitut<br />

Das Thema: „Was braucht das Kind?<br />

Anforderungen an das <strong>Sorge</strong>recht aus interdisziplinärer<br />

Sicht“, ist ein anspruchsvolles<br />

Thema. Schon allein die Frage „Was brauchen<br />

Kinder für eine gedeihliche Entwicklung?“<br />

ist alles andere als leicht zu<br />

beantworten. Will man trotzdem eine<br />

rasche, einfache Antwort, so gibt es einen<br />

Konsens aus erziehungswissenschaftlicher<br />

und psychologischer Forschung im Hinblick<br />

auf die Rolle der Familie: Fürsorgliche und<br />

einfühlsame Eltern, die gleichzeitig Orientierung<br />

geben und Wachstum fördern, sind<br />

das Entscheidende, was Kinder brauchen,<br />

um emotionale Sicherheit in ihrer Familie<br />

zu gewinnen, eine sichere Bindung zu ihren<br />

verlässlichen Bezugspersonen aufzubauen,<br />

ein positives Selbstbild zu entwickeln und<br />

die vielfältigen Herausforderungen im<br />

Kinder- und Jugendleben zuversichtlich<br />

anzugehen und möglichst erfolgreich zu<br />

meistern. Hierzu bedarf es neben der Liebe<br />

auch klarer Leitplanken, die sich im günstigen<br />

Fall nicht nur an den Idealen der<br />

Eltern, sondern auch an den Möglichkeiten<br />

der Kinder orientieren. Damit ist ein wichtiger<br />

Teil der Geschichte im Telegrammstil<br />

erzählt. Hier geht es jedoch um mehr.<br />

Als Erstes möchte ich in diesem Vortrag<br />

einschlägige Erkenntnisse aus der Scheidungsforschung<br />

ansprechen. Was ist gut,<br />

was ist schlecht für Kinder? Dabei werden<br />

wir auf einen Punkt kommen, der sich wie<br />

ein roter Faden durch meine Forschungsarbeiten<br />

und die zahlreicher anderer Kolleginnen<br />

und Kollegen zieht: Es geht um die<br />

Rolle von Konflikten zwischen den Eltern.<br />

Das ist ein zentrales Thema, wenn es um<br />

Fragen der <strong>Sorge</strong>rechtsregelung geht, weil<br />

jene Fälle, in denen <strong>Sorge</strong>rechtsfragen vor<br />

Gericht ausgefochten werden, konflikthaft<br />

und strittig sind. Dies sind jene Fälle, in<br />

denen die Kinder in aller Regel beträchtlich<br />

leiden. Aber auch intensive und unversöhn-<br />

liche Streitigkeiten, die nicht vor Gericht<br />

gebracht werden, sind für Kinder belastend.<br />

Das werde ich im ersten Teil der Befunde<br />

der Scheidungsforschung ansprechen. Hierzu<br />

stelle ich Ergebnisse aus einem Langzeitprojekt<br />

dar, welches ich mit den Kollegen<br />

Karl Lenz, Peter Noack sowie Klaus Schneewind<br />

mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

durchgeführt habe.<br />

Die zweite Frage richtet sich auf das <strong>Sorge</strong>recht,<br />

hier vor allem auf das gemeinsame<br />

<strong>Sorge</strong>recht nicht miteinander verheirateter<br />

Eltern. Ich möchte Ihnen hierzu eine Studie<br />

vorstellen, die wir im Auftrag des Bundesjustizministeriums<br />

durchgeführt haben 1 .<br />

Zentral ist in dieser Untersuchung die Frage<br />

nach der Elternkooperation und der Entscheidung<br />

für oder gegen das gemeinsame<br />

<strong>Sorge</strong>recht der Eltern von Kindern, deren<br />

Eltern bei Geburt des Kindes nicht miteinander<br />

verheiratet waren. Im Mittelpunkt<br />

stehen bei dieser Frage nichteheliche Lebensgemeinschaften,<br />

aber auch andere Konstellationen<br />

nicht miteinander verheirateter Eltern.<br />

Dazu liefere ich einige demographische<br />

Hintergrunddaten zur Verbreitung nichtehelicher<br />

Geburten und werde auch vorstellen,<br />

was wir in unserem Projekt herausgefunden<br />

haben. Hierbei ging es um die Fragen: Wer<br />

beantragt überhaupt das gemeinsame <strong>Sorge</strong>recht,<br />

welche Faktoren sind dafür ausschlaggebend<br />

und was können wir daraus für das<br />

Kindeswohl oder die mögliche Gefährdung<br />

des Kindeswohls schlussfolgern?<br />

1. Perspektiven der Scheidungsforschung<br />

Die Scheidungszahlen in Deutschland<br />

steigen stetig an. Betrachtet man die absoluten<br />

Zahlen sowie die Anzahl der betroffenen<br />

Kinder, so sind beide Zahlen zwar<br />

verhältnismäßig konstant geblieben. Setzt<br />

man jedoch die Anzahl der Scheidungen in<br />

Relation zur Anzahl der Heiratenden, ist ein<br />

markanter Anstieg zu beobachten. Dieses<br />

* Verschriftlichung des am 2. Juni 2012 mündlich gehaltenen Vortrags<br />

1 Jurczyk, K. & Walper, S. (Hrsg.). (2012). <strong>Gemeinsame</strong>s <strong>Sorge</strong>recht nicht miteinander verheirateter Eltern. Empirische<br />

Studien und juristische Expertisen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

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