Gemeinsame Sorge – geteilte Verantwortung - Vamv
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Das <strong>Sorge</strong>recht als Motor der Gleichstellungspolitik? Alltagspraxis als Maßstab des Kindeswohls!<br />
Prof. Dr. Salgo:<br />
Ja gut, man wollte den Vätern entgegenkommen.<br />
Vielleicht wollte man auch die<br />
Sache nicht so lange in der Schwebe lassen,<br />
das ist ja eigentlich im Interesse aller Beteiligten.<br />
Es wird sicherlich so sein, dass wir<br />
in so einer wichtigen Frage wie dem <strong>Sorge</strong>recht<br />
über die sechs Wochen Frist streiten<br />
werden, auch wenn man natürlich eine<br />
Zeitdimension braucht.<br />
Inge Michels:<br />
Ich meinte eigentlich weniger die Zeitdimension,<br />
sondern dass gar nicht mehr aktiv<br />
geprüft, die Eltern nicht angehört werden<br />
sollen, sondern dass man sagt: Wird ein<br />
Antrag gestellt und keiner sagt nein, dann<br />
ist es o.k.<br />
Prof. Dr. Salgo:<br />
Der Referentenentwurf wird so, wie er<br />
heute bekannt ist, nicht im Bundesgesetzblatt<br />
stehen. Denn er gibt ganz bewährte<br />
und ganz wichtige Grundsätze frei. Der<br />
Vorrang des Kindeswohls wird aufgegeben,<br />
an Schweigen werden Vermutungen angeknüpft,<br />
die nicht haltbar sind, es gibt keine<br />
persönliche Anhörung der Eltern.<br />
Der Entwurf ist nicht überall ein gelungener<br />
Kompromiss. Manche haben‘s<br />
vielleicht gar nicht gemerkt, das Ex-Lege-<br />
Modell, also ein Automatismus, wurde doch<br />
eingeschmuggelt, zumindest in den Fällen,<br />
in denen Mütter schweigen. Dafür könnten<br />
sie aber gute Gründe haben. Wenn Eltern<br />
heute Konflikte haben, das ist ein Grundprinzip<br />
des Familienverfahrensrechts,<br />
schicken wir sie in Beratungsschleifen.<br />
Darauf wird verzichtet, wie auch auf die<br />
bewährten Erfahrungen des Jugendamtes.<br />
Das kann eigentlich alles gar nicht sein!<br />
Formal hat das Justizministerium einen<br />
Automatismus aufgegeben, durch Elemente<br />
im Verfahren dann hinterrücks aber wieder<br />
eingeführt. Deshalb glaube ich, dass<br />
hier noch ein großer Nachbesserungsbedarf<br />
besteht: Die Elternanhörung im Konfliktfall<br />
ist nicht verzichtbar. Wir müssen an der<br />
Amtsermittlung festhalten, d.h. auch an<br />
der Elternanhörung, um die Gründe für ein<br />
Schweigen zu ermitteln. Manchmal sind<br />
Eltern nicht des Schreibens fähig, nicht der<br />
Artikulation fähig, es gibt viele Gründe.<br />
Manche sprechen von einer Privilegierung<br />
der Mütter. Aber haben wir eine<br />
Privilegierung der Mütter? Sie sind mit den<br />
Kindern schwanger, sie erziehen die Kinder,<br />
sie haben die ganze Last mit den Kindern,<br />
sind die privilegiert? Ein Problem ist die<br />
Sechs-Wochen-Frist. Die Mütter tragen die<br />
Lasten des Alltags, und sie können darüber<br />
hinaus in dieser Zeit noch mit vielen anderen<br />
Geschichten belastet sein. Diese Frist ist<br />
nachbesserungsbedürftig.<br />
Noch ein Punkt: Wenn wir die gemeinsame<br />
elterliche <strong>Sorge</strong> von Eltern sehen, die nie<br />
zusammengelebt haben, wird es wichtig sein,<br />
dass die Person, die das Kind betreut, handlungsfähig<br />
ist. D.h. dass sie erst mal auch ein<br />
Entscheidungsrecht in Angelegenheiten von<br />
erheblicher Bedeutung hat, wie das in Großbritannien<br />
etwa bei der gemeinsamen <strong>Sorge</strong><br />
der Fall ist: Wenn der andere Elternteil nicht<br />
mit Entscheidungen einverstanden<br />
ist, kann er diese bei Gericht korrigieren<br />
lassen. Wer das Kind betreut und die Last im<br />
Alltag trägt, weiß im Regelfall wahrscheinlich<br />
besser, was gut für das Kind ist. Gegen<br />
Willkür muss es selbstverständlich die<br />
Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung<br />
geben. Das wären alles Punkte, bei denen<br />
ich dringenden Nachbesserungsbedarf sehe.<br />
Inge Michels:<br />
Edith Schwab, Sie haben vorhin schon zum<br />
Mikro gegriffen, wollten sie vielleicht noch<br />
was zu Privilegien sagen?<br />
Edith Schwab:<br />
Ja, ich musste vorhin lachen, als ich von<br />
dem Mütterprivileg gehört habe. Ich werde<br />
jetzt nicht biologistisch werden, aber es ist<br />
in der Tat ein Unterschied, ob ich ein Kind<br />
zeuge oder ob ich ein Kind austrage. Weswegen<br />
ich auch gelacht habe, obwohl ich es<br />
gar nicht witzig finde, ist dass diese <strong>–</strong>