Gemeinsame Sorge – geteilte Verantwortung - Vamv
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Was braucht das Kind? Anforderungen an das <strong>Sorge</strong>recht aus interdisziplinärer Sicht<br />
streitfreie und sachliche Kommunikation<br />
mit dem anderen Elternteil für die eigene<br />
Gesundheit, aber vor allem auch für die<br />
Kinder wäre. Oftmals bleibt man sozusagen<br />
auf der Unzufriedenheit und auf dem Ärger<br />
und den Ressentiments gegenüber dem<br />
anderen Elternteil sitzen. Wenn sich dieser<br />
dann endlich dialogbereit und versöhnlich<br />
zeigt und damit eine gewisse „Schwäche“<br />
einräumt, sind meist die Ressentiments noch<br />
so hoch, dass es zu einem „Gegenschlag“<br />
kommt, d.h. die geringere Kampfbereitschaft<br />
des anderen wird strategisch genutzt.<br />
Dies führt dann zu dauerhaft völlig verfeindeten<br />
Beziehungen.<br />
Das sind Dinge, die das Coparenting, also<br />
die elterliche Kooperation in der Erziehung,<br />
nach Trennung und Scheidung erschweren<br />
und belasten. Vor allem für Männer ist<br />
eine juristische Strittigkeit etwas, was ihre<br />
Kooperation in der Erziehung stark unterminiert.<br />
Für Frauen scheinen es eher die<br />
eskalierenden Konflikte in der alltäglichen<br />
Kommunikation zu sein, die sich negativ auf<br />
die Kooperation mit dem anderen Elternteil<br />
auswirkt. Unabhängig davon erschweren<br />
bei beiden Geschlechtern feindselige<br />
Zuschreibungen bzw. Attributionen die Kooperation<br />
in der elterlichen Rolle sehr stark.<br />
Damit ist die Zuweisung von Schuld und<br />
bösen Absichten an den anderen gemeint,<br />
die mitunter in Unterstellungen mitschwingen,<br />
etwa wenn man insgeheim denkt<br />
„Der/die andere will mir Böses, er/sie ist<br />
darauf aus, mich zu verletzen und fertig zu<br />
machen“ oder auch „Der/die andere ist so<br />
ein mieser Charakter und wird sowieso nie<br />
anders können“. Wenn solche Zuschreibungen<br />
im Raum stehen, sind dysfunktionale<br />
Konflikte vorprogrammiert. Sie schlagen<br />
sich dann in juristischer Strittigkeit und in<br />
eskalierenden Konflikten nieder und haben<br />
einen ganz eigenständigen Einfluss darauf,<br />
ob die Eltern in der Elternrolle kooperieren<br />
können oder nicht. Deshalb sind negative,<br />
feindselige Attributionen enorm bedeutsam.<br />
Leider sind solche Einstellungen gegenüber<br />
dem anderen Elternteil auch am schwierigsten<br />
durch Interventionen zu verändern.<br />
Ich habe nun mehrfach konstatiert, dass<br />
Elternkonflikte für Kinder schädlich sind,<br />
dies bestätigt auch unsere eigene Forschung.<br />
Welche Erklärungsfaktoren werden in<br />
diesem Zusammenhang diskutiert? Zum<br />
einen wird das ungünstige Rollenvorbild<br />
angeführt. Eltern machen den Kindern vor,<br />
wie man miteinander nicht gut streitet,<br />
und Kinder übernehmen diese dysfunktionalen<br />
Verhaltensweisen auch in ihrem<br />
eigenen Streitverhalten, etwa gegenüber<br />
Gleichaltrigen. Für diese Hypothese spricht<br />
beispielsweise der Befund, dass Kinder aus<br />
solchen Streitehen auch eher sozial aggressive<br />
Kinder sind. Es lässt sich aber auch noch<br />
ein zweiter Erklärungsversuch heranziehen,<br />
für welchen wir sogar noch mehr Evidenz<br />
finden: die emotionale Verunsicherung.<br />
In strittigen und konflikthaften Partnerschaften<br />
oder Ex-Partnerschaften finden<br />
sich sehr häufig auch ängstliche, depressive<br />
Kinder mit körperlichen Beschwerden. Dies<br />
deutet darauf hin, dass diese Kinder vieles<br />
eher auf der körperlichen Ebene austragen,<br />
ohne selbst nach außen hin aggressiv auffällig<br />
zu werden. Dies ist gut in Einklang<br />
mit der Hypothese der emotionalen Verunsicherung<br />
zu bringen: Diese Kinder verlieren<br />
ihr Nest sowie die Nestwärme, im Vergleich<br />
zu Kindern, deren Eltern zusammen<br />
für die Kinder sorgen und deren Rolle als<br />
Paar nur marginal sichtbar ist. Die Hauptaufmerksamkeit<br />
der Kinder sollte sich ja<br />
nicht auf das Wohl der Eltern richten müssen,<br />
sondern darf durchaus Eigeninteressen<br />
der Kinder verfolgen: Sind meine Eltern für<br />
mich da? Geben sie mir einen geschützten<br />
Rahmen? Dieser geschützte Rahmen ist<br />
natürlich äußerst fragil, wenn Eltern dauernd<br />
Krieg miteinander führen.<br />
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