Norbert Bachleitner "Übersetzungsfabriken". Das deutsche ... - OPUS
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Autoren und Verlegern, in den Besitz von Fahnen, Aushängebogen oder einer<br />
Manuskriptkopie des Originals zu gelangen, um die Konkurrenz auszubooten. 47 Der erste<br />
auf dem Markt zu sein, war nicht nur in geschäftlicher Hinsicht wünschenswert, sondern<br />
auch eine Verpflichtung dem Publikum gegenüber. Hinweise auf die Vorkehrungen, die<br />
ein rasches Erscheinen der Übersetzung ermöglichen sollten, fehlten daher auch selten in<br />
den Buchanzeigen und Subskriptionseinladungen. 48<br />
4. <strong>Das</strong> Übersetzen als lästige Lohnarbeit<br />
<strong>Das</strong> Image des Übersetzers, der unter diesen Bedingungen, v.a. unter solchem Zeitdruck,<br />
arbeiten mußte, war begreiflicherweise schlecht. Neben den zahlreichen allgemeinen und<br />
nur wenig variierten Schmähungen der Übersetzer durch die Kritiker finden sich<br />
gelegentlich genauere Einschätzungen des Kreises, aus dem sich die Übersetzer<br />
rekrutierten, nämlich aus erfolglosen Schriftstellern. In dem Dialog zwischen Satan und<br />
Icherzähler im 4. Kapitel des ersten Teils der Mitteilungen aus den Memoiren des Satan<br />
antwortet der Erzähler auf die Frage des Verführers "Sie sind Schriftsteller, lieber<br />
Doktor?":<br />
Wer pfuscht nicht heutzutage etwas in die Literatur? [...] Ich habe mich früher als Dichter<br />
versucht, aber ich sah bald genug ein, daß ich nicht für die Unsterblichkeit singe. Ich griff daher<br />
einige Töne tiefer und übersetzte unsterbliche Werke fremder Nationen fürs liebe <strong>deutsche</strong><br />
Publikum. 49<br />
Autoren, die schon einen gewissen Ruf erworben hatten oder sich jedenfalls zu<br />
eigenständiger schriftstellerischer Arbeit berufen fühlten, betrachteten das Übersetzen als<br />
lästige Verpflichtung und suchten nach geeigneten Mitarbeitern, denen sie einen Teil des<br />
Honorars abtraten. Den Kritikern blieb diese Vorgangsweise natürlich nicht verborgen.<br />
Ein Aufsatz im Magazin für die Literatur des Auslandes über französische<br />
Übersetzersünden, der aber mindestens ebenso auf die <strong>deutsche</strong>n Übersetzer gemünzt ist,<br />
nimmt auf diese Praxis Bezug:<br />
Man traut seinen Augen und Ohren nicht, wenn man hier und dort auf Böcke und Schnitzer<br />
stößt, die umso unerklärlicher sind, wenn der Uebersetzer sich sonst durchgängig der Sprache<br />
seines Originals kundig zeigt. Mehrenteils rührt dergleichen wohl von einer Methode des<br />
Uebersetzens her, die sehr im Schwange geht, aber unter aller Kritik schlecht ist: man läßt<br />
nämlich das Buch von Schreibern niedrigeren Ranges aus dem Groben arbeiten, sieht das<br />
Manuskript durch, setzt seinen Namen darunter und ist fertig. 50<br />
So schob Immermann die Anfang 1824 für Wundermann in Hamm übernommene<br />
Übersetzung des Ivanhoe vor sich her. Er versuchte die befreundete Gräfin Elisa von<br />
Ahlefeldt-Lützow für die Arbeit an der Übersetzung zu gewinnen, die er dann lediglich<br />
durchsehen und mit einem Vorwort versehen wollte. Die Zusammenarbeit mit der Gräfin<br />
kam aber nicht zustande - sie übersetzte nur das erste Kapitel - und Immermann machte<br />
sich zähneknirschend selbst an die Arbeit. 51 Die Übersetzung wurde im März 1825 fertig