Norbert Bachleitner "Übersetzungsfabriken". Das deutsche ... - OPUS
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nicht, sondern er wiegt sie. Für ihn, wie für den Schriftsteller giebt es glückliche Stunden,<br />
welche Tage aufwiegen, und unfruchtbare Tage und Wochen, binnen welchen er, wenn er<br />
klug ist, sein Original ruhen läßt, um es nicht zu verderben." 28 Die hohe Kunst des<br />
Übersetzens verlangt neben Talent und Kenntnissen v.a. Zeit; die Inspiration läßt sich<br />
nicht zwingen, daher kann termingebundenes Übersetzen nur Stückwerk ergeben. Zudem<br />
hält sich jeder "feile Mietling, dem die Thaler seines Verlegers süsser klingen, wie das<br />
Saitenspiel des Phöbus" 29 für fähig zu übersetzen.<br />
Noch sind wir Deutschen nicht von dem närrischen Wahne zurückgekommen, daß Uebersetzen<br />
ein sehr leichtes Geschäft sey. <strong>Das</strong> Gegentheil ward von unsern besten Köpfen oft gesagt und<br />
bewiesen, aber wer kehrt sich daran? Hält sich nicht jeder Sudler (ich rede itzt nicht von Herrn<br />
Bahrdt,) der nichts Erträgliches aus sich selbst hervorbringen kann, zum Uebersetzer für gut<br />
genug? Von allen Classen der federführenden Legion ist diese wol die zahlreichste, aber die<br />
Uebersetzungen der Alten, welche wir neben die guten Uebersetzungen unsrer Nachbarn mit<br />
Ehren hinstellen können, lassen sich sehr bequem an den Fingern der einen Hand berechnen. 30<br />
Mit viel Pathos beschwört Hottinger sein Ideal des Übersetzers, der in der Muße der<br />
Nebenstunden seine der Antike kongenial nachempfundenen Übertragungen zu Papier<br />
bringt. Kein Verständnis kann er dabei dem zu ständiger Produktion gezwungenen<br />
"freien" Schriftsteller bzw. Übersetzer entgegenbringen. Bereits im 18. Jahrhundert<br />
waren aber die Mehrzahl der Übersetzer professionelle Autoren. 31 Nicolais und<br />
Hottingers Kritiken an der Übersetzungsfabrik, aber auch noch viele Stellungnahmen aus<br />
dem 19. Jahrhundert, sind - bei aller Berechtigung im Hinblick auf die Sorglosigkeit und<br />
die Schwächen vieler Übertragungen - zu einem Gutteil Reaktion der traditionellen<br />
Ästhetik und des traditionellen schriftstellerischen Berufsethos auf das Eindringen der<br />
Marktgesetze in das literarische Leben, das sich auf dem Gebiet der Übersetzung<br />
besonders gut studieren läßt.<br />
3. Der Wettlauf um die Übersetzung der Romane Walter Scotts<br />
Wie aus den oben zitierten Stellungnahmen zu ersehen ist, zeichneten sich die Tendenzen<br />
der späteren Entwicklung des Übersetzungswesens schon gegen Ende des 18.<br />
Jahrhunderts deutlich ab. Es fehlten nur noch die technischen Voraussetzungen für die<br />
massenhafte Buchproduktion und ein geeignetes breites Lesepublikum, um die<br />
Übersetzungsfabriken richtig anlaufen zu lassen. Diese Voraussetzungen waren nach dem<br />
wirtschaftlichen Rückschlag zur Zeit der Napoleonischen Kriege gegeben und führten zu<br />
der beschriebenen starken Expansion des Buchhandels und dem Aufschwung der<br />
Übersetzungstätigkeit. Ausgangspunkt der sich in den folgenden beiden Jahrzehnten<br />
überschlagenden Übersetzungswelle war der Siegeszug der Romane Walter Scotts in<br />
Deutschland ab der Mitte der zwanziger Jahre. Wilhelm Hauff spricht in seiner bereits<br />
zitierten Satire Die Bücher und die Lesewelt schon 1827 von 60 000 in Deutschland<br />
verbreiteten Exemplaren von Scottschen Werken. 32 <strong>Das</strong> Beispiel Scott führte den<br />
Verlegern vor, welche Geschäftserfolge mit geeigneter Übersetzungsliteratur zu erzielen<br />
waren; bei den späteren Erfolgsautoren - Cooper, Bulwer, Dickens und den