Norbert Bachleitner "Übersetzungsfabriken". Das deutsche ... - OPUS
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und konnte erst 1826 erscheinen, sicher nicht zur besonderen Freude des Verlegers.<br />
Scotts epische Breite verursachte Immermann zunehmend "ästhetischen Ekel":<br />
Übrigens ist die ganze Arbeit ein opus infaustum, sie macht mich hypochondrisch wenn ich<br />
daran denke, sie war mir vom Buchhändler aufgedrungen, ich habe mit dem größten<br />
Widerwillen daran geschrieben, und will froh seyn, wenn davon im Publico gar nicht geredet<br />
wird. - Mir ist der ganze Walter Scott dadurch verleidet, der sonst recht brave Sachen macht. 52<br />
Immermann sah seine eigene Arbeit durch das Übersetzen beeinträchtigt; die Scott-<br />
Übersetzung, das "Geschäft", verdrängte die "Musen" in die Nebenstunden.<br />
Was mich betrifft, so kann ich Ihnen leider nicht viel Neues von geistiger Fruchtbarkeit in den<br />
letzten 9 Monaten erzählen. Außer einem Bande des Ivanhoe, welchen ich übersetze, habe ich<br />
nichts gemacht, ich blicke in poetischer Hinsicht rückwärts in eine gänzliche Leere. Die Musen<br />
sind eigensinnige Wesen, sie theilen nicht mit andern Göttern, auch soll man sie zu hoch halten,<br />
als daß man sich erkühnte, ihnen in den sogenannten geschäftsfreyen Nebenstunden, ihre Gunst<br />
abzudringen. 53<br />
Als "Robot" empfand auch Eduard von Bauernfeld die Übersetzungsarbeit, die er für die<br />
Wiener Shakespeare-Ausgabe von 1825 lieferte. Unter der Überschrift "Shakespeare als<br />
Nahrungsquelle" berichtet er in seinen Memoiren Aus Alt= und Neu=Wien, wie er und<br />
seine Freunde während der Studienjahre ihre Finanzen durch Nachhilfe und Übersetzen<br />
aufbesserten.<br />
Im Mai 1824 hatten Anschlagzettel der Wiener Shakespeareausgabe an allen Straßenecken<br />
geprangt, und die Namen von unbekannten Studenten und angehenden Literaten dem des<br />
größten Dichters aller Zeiten beigesetzt, mochte wohl manchem, der die Ankündigung las, fast<br />
wie Ironie erscheinen. Aber daran dachten wir kaum in unserer Übersetzerwut! Elf Stücke waren<br />
in neuen metrischen Übersetzungen zu liefern; auf mein Teil kamen : "Die beiden Edelleute von<br />
Verona", "Heinrich VIII.", "Troilus und Cressida", "<strong>Das</strong> Lustspiel der Irrungen", ein paar Akte<br />
von "Antonius und Kleopatra", dazu später noch die Gedichte. Der Rest wurde unter literarische<br />
Freunde wie Hermannsthal, Andreas Schumacher und andere verteilt. Wir Übersetzer, wie auch<br />
Moritz Schwind, der die Vignetten zu zeichnen hatte, standen völlig im Solde Trentsenskis und<br />
erhielten jeden Samstag unsere Wochengage, gleich den übrigen Arbeitern der lithographischen<br />
Anstalt. [...] Von der Übersetzungsrobot, die mir längst in der Seele zuwider geworden, war ich<br />
endlich im Laufe des Jahres 1825 befreit [...]. 54<br />
Bauernfeld befürchtete durch seine intensive Beschäftigung mit Shakespeare<br />
Interferenzen mit dem eigenen Schreiben. Mit bemerkenswertem Selbstbewußtsein<br />
notiert der 23-jährige in seinem Tagebuch: "Meine Poesie schläft, ist vielleicht todt. Die<br />
Shakespeare=Uebersetzung hat mich auf einen falschen Weg gebracht. Aber<br />
shakespearisch schreib' ich nicht mehr, so viel ist gewiß, und wenn ich nicht<br />
Bauernfeldisch lerne, so mag Alles der Teufel holen!" 55 Besonders die zuletzt in Angriff<br />
genommenen "verwünschten" Shakespeare-Gedichte sind ihm eine Last und er überträgt<br />
Venus und Adonis und die Sonette an einen Mitarbeiter, den oppositionellen Schriftsteller<br />
und Journalisten Andreas Schumacher. 56