Norbert Bachleitner "Übersetzungsfabriken". Das deutsche ... - OPUS
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Zwei=Groschen=Ausgaben, die eine unselige Concurrenz herbei führen! <strong>Das</strong> sind die<br />
Zwei=Groschen=Ausgaben, die Ursach wurden und sind der bittern Klagen der gebildeten<br />
Lesewelt und der Buchhändler=Gilde auf und außer der Messe! [...] <strong>Das</strong> sind die<br />
Zwei=Groschen=Ausgaben, die nicht wenig geeignet sind, Walter Scott's Genius in Deutschland<br />
in Verruf zu bringen, sobald man denselben nach ihnen zu beurtheilen sich übereilen ließe! <strong>Das</strong><br />
sind die Zwei=Groschen=Ausgaben, die Jean Paul's hier wohl zu wiederholenden Spruch: "Der<br />
Genius wird nur vom Genius gefasset, die edle Natur nur von ihres Gleichen!" verketzern. 38<br />
Die Replik ließ nicht lange auf sich warten. Der angegriffene Carl Weil zieht nun<br />
seinerseits die Verbesserungsvorschläge Bärmanns zu den bekrittelten Stellen in<br />
Woodstock ins Lächerliche, wirft ihm Konkurrenzneid vor und wittert eine vom Verlag<br />
Schumann lancierte Verunglimpfung der Franckh-Ausgabe. Tatsächlich hatte Bärmann<br />
recht deutlich und nicht allzu geschickt buchhändlerische Interessen durchblicken lassen.<br />
Er [Bärmann] behauptet die Buchhändlergilde (ja wohl!) auf und außer der Messe beklage sich<br />
bitterlich über die Concurrenz in der Uebersetzerwelt und über die spottwohlfeilen<br />
Zwei=Groschen=Ausgaben u.s.w. Daß sich z.B. die Hrn. Gebrüder Schumann bitterlich darüber<br />
beklagen, daß man lieber 2 als 4 Gr. zahlt, das glaube ich gern. Daß es eine ganze<br />
Uebersetzerwelt giebt, ist eine Entdeckung des Columbus=Bärmann, die mich höchlich erfreut;<br />
das muß eine trefliche Welt seyn, wo es nur Producenten und gar keine Consumenten gibt. Aber<br />
wehe uns beiden, armen Doctoren, wieviel Honorar bekommt man denn alsdann? Und was<br />
endlich die Spottwohlfeilheit betrifft, so muß man gestehn, daß die Ausgabe der Herren<br />
Gebrüder Schumann nur wohlfeil ist, denn den Spott hat Hr. Dr. und Mag. B. für sich in die<br />
Tasche geschoben. Doch genug für 2 Groschen! 39<br />
Der Wettlauf gegen die Zeit, in den die Übersetzer nicht zuletzt aufgrund der<br />
buchhändlerischen Konkurrenz verwickelt waren, wurde von den Kritikern als ein<br />
Hauptübel der Übersetzungspraxis angesehen. Die Buchhändler unterhielten<br />
Beziehungen zu den ausländischen, v.a. den englischen Verlagen und trachteten danach,<br />
die Übersetzung eines neuen Buches möglichst gleichzeitig mit dem Original, jedenfalls<br />
aber als erste auf dem <strong>deutsche</strong>n Markt herauszubringen.<br />
Welchen schändlichen Misbrauch treiben der <strong>deutsche</strong> Buchhandel und die <strong>deutsche</strong><br />
Uebersetzerinnung mit den trefflichen Romanen [Walter Scotts]! - Kaum ist einer da, so stehn<br />
ein, zwei, drei, vier Buchhändler mit honorirenden Hetzpeitschen und goldenen Stacheln hinter<br />
ihren allzeit fertigen Uebersetzern, und wer der schnellste ist, der wird am besten bezahlt, also<br />
der gewissenhafteste am schlechtesten. [...] Ein oder mehrere Buchhändler lassen sich von dem<br />
Verleger in Edinburg oder auch durch andere Vermittelung die einzelnen Bogen des Buches<br />
schicken, und nun muß der Patent=Uebersetzer gleich an die Arbeit gehn; Bogen für Bogen wird<br />
übersetzt, in die Druckerei geschickt, ohne sonderliche Correctur abgedruckt und gefalzt. Mit<br />
dem letzten Bogen geht das Buch dann in die Welt und ist auf diese Weise gewöhnlich früher<br />
unter uns, als das englische Original, das fester gebunden wird und einen weiteren Weg hat.<br />
Aber welche Uebersetzungen gibt das! - Wir erinnern nur an die charakteristische Haltung des<br />
Tons und Ausdrucks im Dialog der Scottschen Romane, die man erst bei wiederholter Lesung<br />
fassen und würdigen kann. Wo bleibt diese? - Und überhaupt, wie vielen Misverständnissen,<br />
Zweideutigkeiten, Verdrehungen ist der Bogenübersetzer ausgesetzt, ganz abgesehen von der<br />
Eile seiner Arbeit! 40