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Norbert Bachleitner "Übersetzungsfabriken". Das deutsche ... - OPUS

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Übertragungen, die auf ihnen aufbauten und daher billiger seien, wirtschaftlich gestört<br />

würden.<br />

Denn welchem Schriftsteller der sich seiner Aufgabe gewachsen weiß, einer Aufgabe die<br />

ohnedies im voraus bedingt, daß alle Autoreneitelkeit sich dem Gefühle fremder Ueberlegenheit<br />

und dem Wunsche unterordne nützen zu können, einer Aufgabe deren gediegenste Lösung an<br />

Geld und Ruhm schlechter lohnt als ein Roman oder eine Reisebeschreibung fünfter Classe -<br />

welchem Schriftsteller wird es einfallen, Nachdenken, Studium, vielleicht Talente die ihn als<br />

Originalschriftsteller zu Ruhm und Lohn berechtigten, an eine solche Aufgabe zu setzen, wenn<br />

schon wenige Wochen nach dem Erscheinen seiner mühsamen Arbeit ein Anderer sie einer<br />

sogenannten neuen Uebersetzung zum Grunde legen, ohne Kampf mit fix und fertig besiegten<br />

Schwierigkeiten durch etliche Phrasenveränderungen dem Vorwurfe des Stehlens entschlüpfen,<br />

wol gar durch Abhülfe unvermeidlicher Versehen oder hier und da durch den Gebrauch eines<br />

glücklichern Wortes den Ruf gewinnen kann das Buch das er ausgeschrieben verbessert zu<br />

haben? [...] Angenommen aber es fänden sich Uebersetzer die vor solchen Nachtheilen nicht<br />

zurückwichen, wo werden wir Verleger finden bereit das Risico der Herausgabe einer ersten<br />

Uebersetzung eines wichtigen Werks zu unternehmen, sie einer competenten Hand<br />

anzuvertrauen und im Verhältnis zu bezahlen? 120<br />

Nur die Autorisation kann also - bei entsprechend sorgfältiger und gewissenhafter<br />

Veranstaltung der Übersetzung - der Qualität zum Durchbruch verhelfen. Gegen ein<br />

anderes Argument, nämlich, daß die Übersetzung nicht wie der Nachdruck behandelt<br />

werden könne, wird die auch durch die Übersetzung eintretende vermögensrechtliche<br />

Beeinträchtigung des Originalautors ins Treffen geführt. Ihm sei die Entscheidung zu<br />

überlassen, ob eine oder mehrere Übersetzungen veranstaltet werden sollen; aus seiner<br />

Sicht müsse die Übersetzung dem Nachdruck gleichgestellt werden.<br />

Wie nahe verwandt übrigens diese Fabrik=Uebersetzungs=Thätigkeit mit der<br />

Nachdrucks=Industrie ist, geht schon aus dem Umstand hervor, daß die alten Sitze dieser<br />

Industrie - Wien, Pesth und Stuttgart - jetzt auch die hauptsächlichsten Uebersetzungs=Fabriken<br />

besitzen. Wir können daher dem Wunsche des Reviewers in der Deutschen Vierteljahrsschrift<br />

1855, Nr.70, daß der <strong>deutsche</strong> Bund seine Nachdrucks=Gesetzgebung bald durch das Verbot<br />

unbefugter Uebersetzungen ergänzen möge, nur beistimmen. Es scheint eine gesetzliche<br />

Bestimmung dieser Art und die damit zusammenhängende Ergänzung der Verträge mit dem<br />

Auslande um so nothwendiger, als, wie die Sachen jetzt liegen, in der Folge der bestehenden<br />

internationalen Verträge, Preußen z.B. dem englischen Autor einen Schutz gegen die von ihm<br />

nicht autorisierte Uebersetzung gewährt, England dagegen zwar dem französischen, belgischen<br />

oder hamburgischen Angehörigen, nicht aber auch dem Preußen, einen solchen Schutz<br />

angedeihen läßt. 121<br />

Die Argumente für die Autorisation setzten sich letztlich durch; ab den sechziger Jahren<br />

erschienen fast ausschließlich autorisierte Übersetzungen, auch wenn verbindliche<br />

gesetzliche Regelungen noch weitgehend fehlten. Eine universale Regulierung des<br />

internationalen literarischen Verkehrs wurde erst in der Berner Konvention von 1886 und<br />

in zahlreichen zwischenstaatlichen Einzelabkommen aus dieser Zeit, z.B. mit Frankreich<br />

1883, mit Großbritannien 1886 (nun für das gesamte Reich) und mit den USA 1892,<br />

erzielt. Damit war auch dem Schlagwort von der Übersetzungsfabrik endgültig der Boden<br />

entzogen.

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