PErsPEktiVEn - SRH Zentralklinikum Suhl
PErsPEktiVEn - SRH Zentralklinikum Suhl
PErsPEktiVEn - SRH Zentralklinikum Suhl
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>PErsPEktiVEn</strong> 3/2010 | MEnschEn<br />
bEschützErin dEr klEinstEn<br />
schWesTer uLriKe uMsorGT FrühGeborene<br />
kommt ein kind zu früh zur welt, ist<br />
das für die ganze familie eine extreme<br />
belastungsprobe – auch wenn<br />
heute dank intensivmedizin und<br />
-pflege selbst kleinste „frühchen“<br />
überleben können. ulrike gutberlet,<br />
kinderkrankenschwester im srh zentralklinikum<br />
suhl, begleitet kinder<br />
und Eltern durch höhen und tiefen<br />
des langen stationären aufenthalts.<br />
Sarahs Haut ist empfindlich dünn, fast durchsichtig, ihr Körper<br />
klein und zerbrechlich. Als Decke für das 680 Gramm leichte<br />
Mädchen genügt ein Stofftaschentuch. Denn Sarah wurde viel<br />
zu früh geboren – in der 24. Schwangerschaftswoche. Seither<br />
versorgt die Intensivmedizin das Mädchen – wie lange, ist noch<br />
nicht absehbar.<br />
Während sie Sarah im Inkubator umbettet und die Sensoren<br />
umklebt, damit die Haut des Kindes darunter nicht wund<br />
wird, spricht Ulrike Gutberlet leise mit dem Mädchen, nennt<br />
es immer wieder beim Namen. Sarahs erste Erfahrungen seien<br />
wie die aller Frühgeborenen (s. Kasten S. 12) sehr schmerzhaft,<br />
erklärt die Kinderkrankenschwester. Schock und Stress könnten<br />
ihre spätere Entwicklung entscheidend beeinflussen. „Diese<br />
negativen Erfahrungen möchten wir durch Geborgenheit und<br />
sanfte, entwicklungsfördernde Pflege ausgleichen“, erklärt die<br />
40-Jährige. „Meine Kolleginnen und ich verstehen uns daher<br />
als ‚Anwälte der Kleinen‘: Für eine gewisse Zeit liegt ihre Zukunft<br />
in unseren Händen, und wir beschützen sie. Das danken<br />
uns die Kinder täglich – mit einem enormen Lebenswillen.“<br />
überlebenstraining pur<br />
Ulrike Gutberlet lebt mit ihrer Familie nur einen Katzensprung<br />
von ihrem Arbeitsplatz entfernt. Schon ihre Ausbildung hat<br />
die gebürtige <strong>Suhl</strong>erin im ortsansässigen Klinikum gemacht.<br />
Seit 1990 arbeitet sie auf der neonatologischen Intensivstation<br />
des Perinatalzentrums (s. Kasten S. 11) – und gehört dort inzwischen<br />
zu den erfahrensten Schwestern. Von ihrem Wissen<br />
profitieren ihre jüngeren Kolleginnen und die Kleinsten der<br />
Kleinen.<br />
Dennoch ist ihre tägliche Arbeit auch für sie stets eine Herausforderung.<br />
„Jedes Frühgeborene hat seine ganz eigenen<br />
Bedürfnisse, und je kleiner es ist, desto mehr Aufmerksamkeit<br />
und Fingerspitzengefühl braucht es“, erzählt sie. „In diesen<br />
so hilflos erscheinenden Kindern steckt jedoch eine Menge:<br />
Von Geburt an können sie fühlen, hören, sehen, schmecken,<br />
riechen und tasten. Sie verdienen auf jeden Fall von Anfang<br />
an unseren Respekt.“ Wie lange ein Frühgeborenes auf Stati-<br />
10 srh Magazin<br />
on bleibt, bestimmt es selbst. Bevor es nach Hause darf, muss<br />
es beherrschen, was sonst so selbstverständlich erscheint, wie<br />
eigenständig und stabil zu atmen, zu trinken und die Körpertemperatur<br />
zu halten. Bis zur Entlassung können Wochen<br />
oder Monate ins Land gehen – eine sehr intensive Zeit, wie<br />
Schwester Ulrike sagt. Noch nach Jahren erinnert sie sich an<br />
die Namen ihrer Schützlinge. „Mit der Zeit kenne ich jedes<br />
Kind genau, weiß, ob es weint, weil es Schmerzen oder Hunger<br />
hat oder weil es Aufmerksamkeit fordert“, erzählt sie. Und<br />
ihre kleinen Patienten halten sie ganz schön auf Trab: Sie<br />
wollen unter anderem gewaschen, gewogen, umgebettet und<br />
gefüttert werden. Darüber hinaus stehen für Ulrike Gutberlet<br />
Untersuchungen, Abholdienste und Einsätze im Kreißsaal an.<br />
In der Regel versorgt sie in ihrer Schicht drei Kinder. „Bei extrem<br />
kleinen Frühgeborenen ist jedoch eine Eins-zu-eins-Pflege<br />
erforderlich“, betont sie.<br />
Kein Arbeitstag ist gleich; Routine oder standardisierte<br />
Abläufe gibt es nicht. „Wir beobachten die Kinder und richten<br />
uns nach ihren individuellen Bedürfnissen, stimmen Pflege<br />
und Therapie auf ihren Schlaf-Wach-Rhythmus ab. Das vermeidet<br />
Reizüberflutung und unnötigen Stress“, erklärt die<br />
Kinderkrankenschwester, deren Arbeit sich in den vergangenen<br />
20 Jahren stark verändert hat. Wurde bis vor ein paar<br />
Jahren beispielsweise noch jedes extrem kleine Frühgeborene<br />
künstlich beatmet, beobachten Mediziner und Pflegekräfte<br />
heute zunächst, was ein Kind alleine schafft, bevor sie unterstützend<br />
eingreifen. Dazu muss das Team ein Gespür für jedes<br />
einzelne Frühgeborene entwickeln. „Inzwischen wissen wir<br />
aufgrund unserer Erfahrungen, dass diese Kinder nicht nur<br />
moderne Intensivmedizin benötigen“, betont Ulrike Gutberlet.<br />
„Von der ersten Minute an brauchen sie unter anderem eine<br />
Umgebung, die der im Mutterleib möglichst ähnlich ist, mit<br />
hoher Luftfeuchtigkeit, gleichmäßiger Wärme, Ruhe, Dunkelheit<br />
und räumlicher Begrenzung, aber auch Fürsorge, persönliche<br />
Ansprache – und vor allem die Liebe ihrer Eltern.“<br />
eltern im Ausnahmezustand<br />
Doch nicht nur auf die Frühgeborenen, auch auf die meist<br />
unvorbereiteten Eltern wirkt sich die vorzeitig beendete<br />
Schwangerschaft gravierend aus. Sie erschwert es ihnen, in<br />
ihre Elternrolle hineinzuwachsen. „Vor allem die Mütter leiden.<br />
Mutterfreuden wollen sich nicht einstellen, werden überschattet:<br />
Die Zerbrechlichkeit und Hilflosigkeit ihres Kindes verursachen<br />
ein Chaos in ihrem Gefühlsleben. Sie schwanken zwischen<br />
Angst, Wut, Liebe, Hoffnung, Sorge und Enttäuschung“,<br />
schildert Ulrike Gutberlet. „In dieser schwierigen Zeit<br />
brauchen auch sie die Unterstützung und Aufmerksamkeit<br />
der Pflegekräfte. Wir sind eine Art Bindeglied zwischen >