Gegen Alle - Zahnärztekammer Niedersachsen
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GESUNDHEITSPOLITIK<br />
Fesseln abstreifen<br />
So wird aus unserem Gesundheitssystem ein Erfolgsmodell<br />
Dr. Bernhard<br />
Blohm<br />
Vor lauter Kritik an ungezählten<br />
Details der Gesundheitsreform<br />
ist der<br />
Blick fürs große Ganze<br />
komplett verloren gegangen.<br />
Dabei hat der erneute Versuch, die<br />
Kosten des Gesundheitswesens mit bürokratischen<br />
Regelungen zu dämpfen<br />
einen Kardinalfehler: Für die Politik ist<br />
Gesundheit ein reiner Kostenfaktor<br />
und folgerichtig schachert sie mit Interessenvertretern<br />
und Budgetverwaltern<br />
um (Kosten-)Dämpfer und -Deckel.<br />
Die Konsequenz dieses Feilschens<br />
ist, dass sich das deutsche Gesundheitswesen<br />
immer mehr davon entfernt,<br />
was es ökonomisch gesehen ist:<br />
ein Markt – und zwar ein gewaltig gro-<br />
146 · ZKN MIT TEILUNGEN · 3 | 2007<br />
FOTO: HSH NORDBANK AG<br />
Bernhard Blohm, Chefvolkswirt der HSH Nordbank, hat die<br />
Kostendämpfungspolitik im Gesundheitswesen scharf kritisiert.<br />
Das deutsche Gesundheitswesen entferne sich immer<br />
mehr davon, was es ökonomisch gesehen sei: ein Markt – und<br />
zwar ein gewaltig großer, schreibt Blohm in einem Gastbeitrag<br />
für die Tageszeitung »Die Welt«.<br />
ßer. Mit mehr als 4,2 Millionen Beschäftigten<br />
ist die Gesundheitsbranche der<br />
größte einzelwirtschaftliche Sektor in<br />
Deutschland, mehr als 13 Prozent des<br />
Bruttoinlandsprodukts werden dort<br />
erwirtschaftet. Es ist ein Markt mit<br />
enormem Wachstumspotenzial.<br />
Ärgerlich ist, dass wir dieses nicht<br />
nutzen. Denn die Kostendämpfungspolitik<br />
verhindert, dass der Bedarf über<br />
Wettbewerb und Marktpreise in tatsächliche<br />
Nachfrage transformiert<br />
wird. Stattdessen werden Versicherungsprämien<br />
an die Löhne gekoppelt<br />
und Preise für Gesundheitsleistungen<br />
festgesetzt. Folge: Jede Prämienerhöhung<br />
gefährdet über steigende Arbeitskosten<br />
Arbeitsplätze. Wir verschenken<br />
dadurch eine große Chance<br />
Wir steuern unser Gesundheitssystem falsch. Wenn die Politik<br />
einen steigenden Bedarf nach Gütern und Dienstleistungen zu<br />
kanalisieren oder zu deckeln versucht, gerät sie in eine<br />
Regulierungsfalle. Der Steuerungsmechanismus über Wettbewerb<br />
und Preise wird geschwächt. Die Regulierungen bewegen den<br />
Markt in Richtung Planwirtschaft.<br />
Augen zu und durch!<br />
auf Wachstum und Beschäftigung, und<br />
wir verschenken die große Chance auf<br />
ein effizienteres und besseres Gesundheitssystem,<br />
das wir uns auch wirklich<br />
leisten können.<br />
Auf einen Nenner gebracht: Wir<br />
steuern unser Gesundheitssystem<br />
falsch. Wenn die Politik einen steigenden<br />
Bedarf nach Gütern und Dienstleistungen<br />
zu kanalisieren oder zu deckeln<br />
versucht, gerät sie in eine Regulierungsfalle.<br />
Der Steuerungsmechanismus<br />
über Wettbewerb und Preise<br />
wird geschwächt. Die Regulierungen<br />
bewegen den Markt in Richtung Planwirtschaft.<br />
Das regulierte System arbeitet<br />
ineffizient und ist – volkswirtschaftlich<br />
gesehen – (zu) teuer. Geradezu<br />
absurd ist es, dass unter dieser Fehlsteuerung<br />
besonders die sozial<br />
Schwächeren doppelt leiden müssen:<br />
Ihre Beschäftigungschancen sind geringer<br />
und sie können dem System<br />
nicht entkommen.<br />
Man könnte das ändern. Man könnte<br />
aus dem deutschen Gesundheitssystem<br />
ein Erfolgsmodell machen von<br />
dem alle profitieren: die Anbieter von<br />
Gesundheitsleistungen ebenso wie die<br />
Versicherer und die Versicherten. Das<br />
aber verlangt einen gänzlich veränderten<br />
Blickwinkel auf unser Gesundheitssystem:<br />
Die Politik muss es als einen<br />
Markt begreifen und nicht als Kostenfaktor.