PDF-Datei des Aufsatzes - Bibliothek für Bildungsgeschichtliche ...
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Schulprogramme – Geschichte und Bedeutung 175<br />
hundert setzte jedoch bereits eine Differen zierung ein, die zunächst neben dem<br />
traditionellen Gelehrten, der als Poly histor gerade kein Spezialist auf einem<br />
Einzelgebiet war, den Fachwissen schaftler im heutigen Sinn entstehen ließ. So<br />
defi nierte Johann Christoph Adelung in seinem Grammatisch-kritischen Wörterbuch<br />
die Gelehrsamkeit als Gedächtniswissen, dem Wissenschaft als Verstan<strong>des</strong>wissen<br />
gegenüber stehe. 30 Mit dieser Unterscheidung war in der Folge<br />
auch eine Abstufung der Wertigkeit beider Formen der Wissensgene rierung<br />
verbunden, die zulasten der traditionellen Gelehrsamkeit ging. In der Allgemeinen<br />
Encyclopädie der Wissenschaften und Künste wird Gelehrsam keit als<br />
„Besitz solcher Kenntnisse [umschrieben], welche nur aus der Belehrung durch<br />
Andere geschöpft werden können, also das historische oder traditionelle Wissen<br />
und Erkennen, das ‚Wissen <strong>des</strong>sen, was Andere gewusst haben‘“. 31<br />
Der neue Typus <strong>des</strong> Wissenschaftlers setzt sich vom traditionellen Ge lehrten<br />
dadurch ab, dass er vorgefundenes Wissen nicht ungeprüft übernimmt, sondern<br />
kritische Maßstäbe ansetzt. 32 Mit der Aufklärung wurde die orthodoxe<br />
und machtgestützte Einheit der Ideen von Wahrheit und Gerechtigkeit aufgebrochen.<br />
Durch die Entwicklung der nationalstaatlichen, industriellen und<br />
säkularisierten Gesellschaften plurali sierten sich die Weltbilder und standen<br />
„heterodox im Kampf um Wissen und Wert“. 33 Die Durchsetzungsfähigkeit<br />
der Weltbilder war nun an die Erkenntnis neuer Wis sensbestände gebunden.<br />
Damit erlangte der Wissenschaftler einen zunehmen den Bedeutungsgewinn<br />
gegenüber dem Gelehrten im traditionellen Ver ständnis. „Der Gelehrte in der<br />
allgemeinen Bedeutung wurde durch den Wis senschaftler und Naturforscher<br />
[…] abge löst.“ 34<br />
Zentren der traditionellen Gelehrsamkeit waren bis Mitte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts<br />
Universitäten und höhere Schulen gleichermaßen, 35<br />
wissenschaftliche<br />
Forschung konzentrierte sich dagegen auf die Universitäten. Damit verbunden<br />
war ein allmählicher Ausschluss der Lehrer höherer Schulen aus der neuen<br />
30 Adelung, Johann Christoph: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen<br />
Mundart mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen.<br />
Th. 2: F–L. Wien: 1811, Sp. 530.<br />
31 Ersch, Johann Samuel; Gruber, Johann Gottfried (Hrsg.): Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften<br />
und Künste. Th. 56. Leipzig: 1853, S. 413.<br />
32 Vgl. Stichweh, Rudolf: Wissenschaft, Universität, Professionen. Frankfurt am Main: 1994,<br />
S. 57 f.<br />
33 Hübinger, Gangolf: Gelehrte, Politik und Öffentlichkeit. Eine Intellektuellengeschichte.<br />
Göttingen: 2006, S. 11.<br />
34 Häseler, Jens: Gelehrter. In: Enzyklopädie der Neuzeit. Bd. 4. Stuttgart: 2006, Sp. 395 – 397,<br />
hier Sp. 396.<br />
35 Vgl. Jeismann, Karl-Ernst: Zur Professionalisierung der Gymnasiallehrer im 19. Jahrhundert.<br />
In: Apel, Hans Jürgen (Hrsg.): Professionalisierung pädagogischer Berufe im historischen Prozeß.<br />
Bad Heilbrunn: 1999, S. 59 –79, hier S. 72.