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Grundlagentexte aus der Aufbauphase 2008/2009

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meistern sind. Es steht außer Zweifel, dass bürgerschaftliches<br />

Engagement vor allem deswegen notwendig<br />

ist, damit ein hohes Maß an Lebensqualität<br />

in den Heimen aufrechterhalten und weiter<br />

entwickelt werden kann. Bürgerschaftlich Engagierte<br />

stellen mit ihrer eigenen Logik ein wichtiges<br />

Korrektiv gegenüber <strong>der</strong> Eigenlogik <strong>der</strong> Profis<br />

(Mediziner, Pflegende, Sozialarbeiter, an<strong>der</strong>e therapeutische<br />

Gruppen) dar. Es ist genau dieser Mix,<br />

<strong>der</strong> letztlich eine Perspektive zur Bewältigung <strong>der</strong><br />

anstehenden Pflege-, Betreuungs- und Versorgungsfragen<br />

bieten kann – und genau deshalb ist<br />

auch BELA III notwendig und wichtig.<br />

Dies setzt vor<strong>aus</strong>, dass eine faire Kooperation zwischen<br />

allen Beteiligten ermöglicht wird, und hier<br />

sind beson<strong>der</strong>s zwei Aspekte von Bedeutung. In<br />

einem ersten Schritt werden einige Grundlagen einer<br />

fairen Kooperation angesprochen und dabei<br />

auf das Modell des amerikanischen Philosophen<br />

John Rawls Bezug genommen. In einem zweiten<br />

Schritt werden einige empirische Befunde dargelegt,<br />

die illustrieren, welche Fallstricke bei <strong>der</strong> fairen<br />

Kooperation zu beachten sind.<br />

FAIRE KOOPERATION ALS<br />

GRUNDLAGE DER ZUSAMMEN-<br />

ARBEIT ZWISCHEN<br />

BESCHÄFTIGTEN<br />

UND ENGAGIERTEN<br />

Hintergrund ist ein Wi<strong>der</strong>spruch, auf den Bettmer<br />

(<strong>2008</strong>) hingewiesen hat: Einerseits erhoffen sich<br />

die Heime einen sogenannten Mehrwert durch die<br />

bürgerschaftlich Engagierten, und zwar indem sie<br />

diese in ihre Organisation, ihren Alltag und ihre<br />

Routinen integrieren. An<strong>der</strong>erseits besteht seitens<br />

<strong>der</strong> bürgerschaftlich Engagierten <strong>der</strong> Anspruch<br />

auf Selbstbestimmung, Mitwirkung, Mitgestaltung.<br />

Man muss also danach fragen, wie eine Zusammenarbeit<br />

von Heim, Professionellen und bürgerschaftlich<br />

Engagierten gestaltet werden kann –<br />

ohne dass die zuletzt genannte Gruppe allzu<br />

forsch in die Arbeitslogik <strong>der</strong> Heime „eingebunden“<br />

wird.<br />

Eine für beide Seiten „faire Kooperation“, von <strong>der</strong><br />

alle Seiten profitieren, ist demnach in Aushandlungsprozessen<br />

zu erarbeiten. Ein entsprechendes<br />

Modell dafür kann man <strong>der</strong> „Theorie <strong>der</strong> Gerechtigkeit“<br />

von John Rawls (1975) entnehmen. Er<br />

geht davon <strong>aus</strong>, dass sich alle Beteiligten grundsätzlich<br />

auf etwas Neues, Gemeinsames einstellen<br />

müssen, damit die Zusammenarbeit gelingt. Eigene<br />

Denkweisen und Handlungen müssen in Frage<br />

gestellt werden, eine Distanz zur eigenen professionellen<br />

Haltung – und damit die Einsicht in <strong>der</strong>en<br />

Bedingtheit und Relativität – sind erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Sonst kann Zusammenarbeit in multi- bzw. interdisziplinärer<br />

Hinsicht nicht gelingen. Rawls hat folgende<br />

Kriterien aufgestellt, denen ein „faires System<br />

<strong>der</strong> Kooperation“ genügen muss 5 :<br />

Es „wird von öffentlich anerkannten Regeln<br />

und Verfahren geleitet, die von den Beteiligten akzeptiert<br />

und von diesen als angemessene Regeln<br />

für ihr Handeln betrachtet werden.“<br />

„Faire Bedingungen <strong>der</strong> Kooperation konkretisieren<br />

eine Vorstellung von Reziprozität: alle, die<br />

sich beteiligen und ihren Beitrag leisten, so wie es<br />

die Regeln und Verfahren for<strong>der</strong>n, müssen nach<br />

Maßgabe einer geeigneten Vergleichsbasis in angemessener<br />

Weise davon profitieren.“<br />

„Die Idee sozialer Kooperation setzt eine Vorstellung<br />

davon vor<strong>aus</strong>, was für jeden Teilnehmer<br />

rationalerweise vorteilhaft o<strong>der</strong> gut ist. Die Vorstellung<br />

des Guten konkretisiert, was die an <strong>der</strong><br />

Kooperation Beteiligten - seien es nun Individuen,<br />

Familien, Vereinigungen o<strong>der</strong> sogar Regierungen<br />

von Völkern – zu erreichen versuchen, wenn das<br />

System von ihrem eigenen Standpunkt <strong>aus</strong> betrachtet<br />

wird.“<br />

Mit diesem pragmatischen Ansatz möchte Rawls<br />

zeigen, dass es denkbar und möglich ist, in <strong>der</strong><br />

Kooperation zu einem tragfähigen, „übergreifenden<br />

Konsens“ zu gelangen, ohne – und das ist<br />

entscheidend – die eigenen Überzeugungen und<br />

Handlungsziele aufzugeben. Rawls hat keinen absoluten<br />

Wahrheitsanspruch im Blick. Sein Ziel ist<br />

es vielmehr das Bewusstsein dafür zu schärfen,<br />

dass Bürger ihre individuellen Interessen besser<br />

verfolgen können, wenn sie Kooperationen eingehen.<br />

Vor<strong>aus</strong>setzung hierbei ist laut Rawls, „eine<br />

Konzeption des Guten zu entwickeln, zu revidieren,<br />

rational zu verfolgen“ 6 . Wechselseitige Anerkennung<br />

ist also zwingend und ermöglicht dann<br />

eine „faire Kooperation“, die nicht nur <strong>aus</strong> <strong>der</strong><br />

Perspektive <strong>der</strong> eigenen Disziplin, Eigeninteressen<br />

etc. definiert wird.<br />

VORAUSSETZUNGEN VON<br />

LÖSUNGSANSÄTZEN – EIN BLICK<br />

IN DIE FORSCHUNG<br />

Empirisch wird das Thema Kooperation (und <strong>der</strong>en<br />

Fallstricke) sowohl in <strong>der</strong> Pädagogik, in <strong>der</strong> Soziologie,<br />

in <strong>der</strong> Psychologie und in an<strong>der</strong>en Disziplinen<br />

untersucht. Interessant sind vor allem die<br />

Ergebnisse und Einschätzungen <strong>der</strong> Kollegin Ulrike<br />

Höhmann, die vor einigen Jahren eine wichtige<br />

Studie 7 zu <strong>der</strong> anstehenden Thematik durchgeführt<br />

hat. Inhaltlich ging es um eine „kooperative<br />

Qualitätsentwicklung“ im Gesundheitswesen und<br />

zwar unter Beteiligung von Kommunen, Kliniken,<br />

ambulanten Diensten, H<strong>aus</strong>ärzten und Angehörigen.<br />

Konkret stand die Entwicklung und Arbeitsweise<br />

einer Pflegekonferenz im Vor<strong>der</strong>grund, die<br />

u.a. das Entlassungsmanagement und die nachstationäre<br />

Behandlung und Versorgung von Alterspatienten<br />

verbessern wollte. Höhmann hat<br />

aufgrund ihrer Erkenntnisse in diesem Projekt Vorschläge<br />

erarbeitet, wie eine Zusammenarbeit und<br />

faire Kooperation zwischen den Beteiligten gelingen<br />

kann. Die Ergebnisse lassen sich auch auf die<br />

Zusammenarbeit zwischen Beschäftigen und Engagierten<br />

im Heim beziehen.<br />

Folgende Aspekte sind von Bedeutung:<br />

1) Es muss inhaltlich über die Frage <strong>der</strong> Lebensqualität<br />

und <strong>der</strong> dafür als notwendig erachteten<br />

Merkmale ein Dialog zwischen den Beteiligten geführt<br />

werden. Dies bedeutet auch, dass eine entsprechende<br />

Debatte von unten geför<strong>der</strong>t, angeregt,<br />

und unterstützt wird – unverzichtbar ist dabei<br />

die Einbindung von bürgerschaftlich<br />

Engagierten in alle Prozesse und Fragestellungen.<br />

2) Der systematische Aufbau von berufs- und<br />

einrichtungsübergreifenden Kooperationsverfahren,<br />

die institutionalisiert und verbindlich geregelt<br />

sind, ist ein weiterer „Meilenstein“. Nicht nur inhaltliche<br />

Absprachen sind notwendig, son<strong>der</strong>n<br />

auch Verfahren (und Regeln), welche die Verbindlichkeit<br />

<strong>der</strong> Absprachen sicherstellen. Dabei geht<br />

es auch um die Bereitschaft zu modellhaftem Lernen<br />

und Kompetenzerwerb, um so genannte „kooperative<br />

Selbstqualifizierungsprozesse“ 8 . Ausgehend<br />

vom wechselseitigen Kennenlernen <strong>der</strong><br />

Denkweisen des jeweils an<strong>der</strong>en sollen Kommunikations-<br />

und Aust<strong>aus</strong>chprozesse geför<strong>der</strong>t und die<br />

Zusammenarbeit auf feste Grundlagen gestellt<br />

werden. Die wichtigste dabei ist die gegenseitige<br />

Wertschätzung und Anerkennung.<br />

3) Dies gelingt nicht von heute auf morgen.<br />

Und die Unterstützung durch eine neutrale, fachlich<br />

akzeptierte (externe) Mo<strong>der</strong>ation kann hilfreich<br />

sein, damit die „Macht- und Interessenasymmetrie<br />

<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> in vertrauensbildende Dialoge<br />

kanalisiert“ 9 werden kann.<br />

Die Grundmerkmale von Lösungsansätzen hat Ulrike<br />

Höhmann auf drei Ebenen skizziert: auf <strong>der</strong><br />

Ebene <strong>der</strong> Region (Kommunen, Landkreise), <strong>der</strong><br />

Ebene des Managements <strong>der</strong> Einrichtungen sowie<br />

<strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Berufsgruppen.<br />

Zentrale Vor<strong>aus</strong>setzungen auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Regionen<br />

ist beispielsweise die Bereitschaft zur För<strong>der</strong>ung<br />

langfristiger berufs- und einrichtungs-<br />

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