Anhörung im Hessischen Landtag vom 11. Mai 2000 - Deutscher ...
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Hessischer <strong>Landtag</strong> – 13 – Flughafenanhörung – <strong>11.</strong>05.<strong>2000</strong><br />
Es war wohl jedem unvoreingenommenen Beteiligten<br />
von Anfang an klar, dass ein Ausbau des<br />
Frankfurter Flughafens neben wirtschaftlichen Vorteilen<br />
auch zusätzliche Belastungen für die Region<br />
mit sich bringen würde. Für diese einfache qualitative<br />
Erkenntnis war meines Erachtens kein Mediationsverfahren<br />
erforderlich.<br />
Einer der wesentlichen Teilaspekte der Mediation<br />
war jedoch, dass dabei die Gesamtthematik strukturiert<br />
und kontrovers diskutierte Probleme durch<br />
ausgewählte Fachleute und Wissenschaftler mittels<br />
Gutachten untersucht und quantifiziert wurden. Der<br />
unbestreitbare Vorteil dieser rationalen Vorgehensweise<br />
besteht darin, dass dadurch auf Zahlen gestützte<br />
und in der Methodik überprüfbare Ergebnisse<br />
vorliegen. Der Zugewinn an gesicherten Erkenntnissen<br />
ist deshalb gegenüber dem anderen<br />
Zustand erheblich.<br />
Zu den Wertschöpfungs-, Beschäftigungs- und<br />
Standorteffekten gab es drei Gutachten von renommierten<br />
Instituten und Wissenschaftlern:<br />
erstens eine Bewertung der Einkommens- und Beschäftigungseffekte<br />
des Flughafens Frankfurt am<br />
<strong>Mai</strong>n,<br />
zweitens einen europäischen Vergleich zur Bedeutung<br />
von Flughäfen für Struktur und Entwicklung<br />
der regionalen Wirtschaft,<br />
drittens: “Bedeutung des Flughafens Frankfurt als<br />
Standortfaktor für die regionale Wirtschaft”.<br />
Es ist eine gesicherte und allgemein akzeptierte<br />
Praxis bei wissenschaftlichen Arbeiten, dass solche<br />
Fragestellungen wie die hier vorliegenden auf der<br />
Basis der Modellierung von Szenarien behandelt<br />
werden und die Ergebnisse dann zeigen, was wäre,<br />
wenn dieser Modellfall einmal eintreten würde.<br />
Diese Vorgehensweise liefert somit keine punktgenaue<br />
Vorhersage für eine reale Zukunft – wäre<br />
Zukunft vorhersagbar, dann hätten wir sie nämlich<br />
heute schon –, zeigt aber mögliche Entwicklungen<br />
auf.<br />
Zur Erinnerung: Seitens der Mediation wurden die<br />
Szenarien “Ausbau mit voller Kapazität”,“Ausbau<br />
mit begrenzter Kapazität”,“Kapazitätsopt<strong>im</strong>ierung<br />
ohne Ausbau” und “Reduktion der Kapazität des<br />
Flughafens” unterstellt. Gegen diese pragmatische<br />
Auswahl aus mehreren denkbaren Szenarien ist aus<br />
meiner Sicht nichts Grundsätzliches einzuwenden,<br />
da sie die ganze Bandbreite der vorkommenden<br />
Möglichkeiten zwischen Engpassfreiheit und Reduktion<br />
des Luftverkehrs abdecken.<br />
Anders definierte Szenarien, die ebenfalls zwischen<br />
einem engpassfreien Vollausbau und einer Reduktion<br />
gegenüber heute liegen würden, würden Ergebnisse<br />
in gleicher Größenordnung zur Folge<br />
haben, es sei denn, man definiert sie als “Killerszenarien”.<br />
Während des Mediationsverfahrens war ich <strong>im</strong><br />
Auftrag der Mediatoren als Qualitätssicherer tätig.<br />
Aus meiner Sicht kann ich festhalten, dass die drei<br />
genannten Gutachten, insbesondere die beiden zu<br />
den Beschäftigungs- und Standorteffekten, den<br />
durch die Mediation vorgegebenen Qualitätskriterien<br />
vollauf genügen. Sie entsprechen dem heutigen<br />
Stand der Wissenschaft bzw. beschreiten teilweise<br />
sogar wissenschaftliches Neuland. Die verwendeten<br />
Daten stammen zum größten Teil aus offiziellen<br />
Quellen. Ihre Verwendung erfolgte in sachgemäßer<br />
Weise.<br />
Gegen die Gutachten und deren Ergebnisse gab und<br />
gibt es eine Reihe von Einlassungen. Es werden<br />
unter anderem Prämissen infrage gestellt, Ergebnisse<br />
von Befragungen hinsichtlich ihrer Repräsentativität<br />
angezweifelt, und gelegentlich wird die Schaffung<br />
und Sicherung von Arbeitsplätzen durch den<br />
Flughafen einfach bestritten. Hier stehen sich oftmals<br />
aus politischer Betroffenheit subjektive Überzeugungen<br />
und wissenschaftliche Arbeitsergebnisse<br />
in kontroverser und konfliktbehafteter Weise gegenüber.<br />
Überzeugungen allein sind jedoch kein<br />
hinreichender Ersatz für nüchternes Rechnen, wo<br />
<strong>im</strong>mer das möglich ist.<br />
Die Ergebnisse des Mediationsverfahrens sind<br />
Ihnen aus dem Abschlussbericht bekannt. Die potenziellen<br />
Arbeitsplatzdefizite der verschiedenen<br />
Szenarien, <strong>im</strong>mer gemessen an einem Ausbau ohne<br />
Kapazitätsbeschränkungen, bewegen sich zwischen<br />
min<strong>im</strong>al 46.000 be<strong>im</strong> Ausbau mit begrenzter Kapazität<br />
und max<strong>im</strong>al 249.000 Arbeitsplätzen bei einer<br />
Kapazitätsreduktion, je nachdem, ob man kompensatorische<br />
Einflüsse in Form von anderweitigen<br />
Beschäftigungsmöglichkeiten für die Betroffenen<br />
unterstellt oder nicht. Die gesamten Wertschöpfungsverluste<br />
können Größenordnungen bis zu<br />
zweistelliger Milliardenhöhe annehmen.<br />
Auch bei vorsichtiger Betrachtungsweise bleibt also<br />
ein genügend großes Potenzial wirtschaftlicher und<br />
beschäftigungsmäßiger Art übrig und erfordert bei<br />
allen Entscheidungsträgern den sorgfältigen und<br />
souveränen Umgang mit diesen Ergebnissen. Kritik<br />
an Nebensächlichem macht dabei keinen Sinn.<br />
Die Größenordnung der Defizite bei einem Nichtausbau<br />
lässt die Empfehlung der Mediatoren für<br />
einen Ausbau des Frankfurter Flughafens verständlich<br />
werden. Ein Beispiel: Jede Beräderung einer<br />
Boeing 747 oder eines Airbus der Deutschen Lufthansa<br />
erfordert für Cockpit- und Kabinenpersonal,<br />
Technik und Abfertigung ca. 200 direkt qualifizierte<br />
Arbeitsplätze. Die Deutsche Lufthansa hat<br />
derzeit 64 neue Flugzeuge bestellt, davon vier<br />
Boeing 747 und 23 A 340, die überwiegend von<br />
Frankfurt aus zum Einsatz kommen werden. Die<br />
Anzahl der Neubestellungen und das dazugehörige