Anhörung im Hessischen Landtag vom 11. Mai 2000 - Deutscher ...
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Hessischer <strong>Landtag</strong> – 15 – Flughafenanhörung – <strong>11.</strong>05.<strong>2000</strong><br />
der 1 Million Mark in einem Koffer bekommt und<br />
die ersten 500.000 Mark zählt und sagt: Die erste<br />
Hälfte hat gest<strong>im</strong>mt, jetzt wird die zweite Hälfte<br />
auch st<strong>im</strong>men.<br />
Die Gutachten sind damit nicht zu belasten. Die<br />
Gutachten – auch dazu habe ich mich <strong>im</strong>mer wieder<br />
geäußert – sind <strong>im</strong> Wesentlichen sehr ordentlich. Es<br />
liegt nicht allein an den Gutachten. Auch die Tatsache,<br />
dass die Mediatorengruppe vier Szenarien bei<br />
Gutachten einer Sorte, fünf andere Szenarien bei<br />
Gutachten anderer Sorte und bei weiteren Gutachten<br />
wieder andere Szenarien formuliert, ist nicht<br />
allein den Gutachten anzulasten.<br />
Aber mit dieser Art von unterschiedlichen Szenarien<br />
ein einheitliches Ergebnis zu basteln, ist so<br />
ohne weiteres nicht möglich. Dazu kommt – das<br />
kann man den Gutachten zurechnen –, dass die dort<br />
“Szenarien” genannten Ansätze keine Szenarien <strong>im</strong><br />
üblichen Sinn darstellen. In dem zusammenfassenden<br />
Bericht werden die Szenarien der Mediatorengruppe<br />
dargestellt mit ihren Rahmenbedingungen,<br />
ihren Konsequenzen und ihrem Zusammenhalt.<br />
Den Befragten in beiden maßgeblichen Untersuchungen<br />
ist lediglich eine Überschrift, ein Stichwort<br />
für ein Szenario vorgelegt worden, und das<br />
noch in einer durchaus missverständlichen Form.<br />
Also etwa: Aus der Anzahl der Flugbewegungen<br />
allein kann man die wirtschaftliche Abwicklung des<br />
Flughafens überhaupt nicht beurteilen. Ob das<br />
300.000 Cessnas oder 300.000 A3XX sind, ist ein<br />
durchaus unterschiedlicher Flugbetrieb. Das sind<br />
auch keine Kleinigkeiten. Niemand wird zwar von<br />
Cessnas allein ausgehen und niemand wird von<br />
A3XX allein ausgehen, aber 20 oder 30 % Unterschiedlichkeit<br />
bei den Einschätzungen müssen<br />
Folgen für das Ergebnis haben.<br />
Ein Beispiel will ich noch anführen. Ein Szenario<br />
hieß: Was passiert, wenn Frankfurt seine Stellung<br />
als erster Frachtplatz verliert? – Wie die Zahlen aus<br />
der neuesten Statistik zeigen, ist Frankfurt als Flughafen<br />
zwar in Europa an erster Stelle; als Platz <strong>im</strong><br />
Frachtbereich liegt Frankfurt aber eindeutig hinter<br />
London. Jetzt ist also zu fragen: Haben denn alle<br />
Befragten überhaupt diesen Sachverhalt gekannt?<br />
Wussten sie, dass sie einen hypothetischen Zustand<br />
beurteilen, der schon eingetreten ist oder dessen<br />
Eintreten jedenfalls nicht sehr von dem gegenwärtigen<br />
Zustand abweicht? Welche Definitionen sind<br />
hier zugrunde gelegt? Alles das ist unklar. Man<br />
weiß nicht, worauf die Befragten überhaupt geantwortet<br />
haben.<br />
Die Zeithorizonte wurden selbst in dem kürzeren<br />
Fall von den Befragten als zu lang empfunden:<br />
2010. Das gilt natürlich für 2015 noch mehr. Dann<br />
herzugehen und aus dem einen Gutachten den Zeitraum<br />
noch mehr oder weniger freihändig zu verlängern,<br />
dazu gehört Mut, aber dazu passt nicht der<br />
Anspruch an hohe Qualität.<br />
Bei den Einzeluntersuchungen sind Einwände bezüglich<br />
der Stichhaltigkeit der Belastbarkeit der<br />
abgeleiteten Ziffern trotz der von mir <strong>im</strong>mer wieder<br />
betonten hohen Arbeitsintensität und auch Sorgfalt<br />
der Gutachter nicht zu übersehen. In den Gutachten<br />
W1 und W2 ist es so, dass die Befragten <strong>im</strong> Wesentlichen<br />
nicht neutrale Personen, sondern interessierte<br />
Personen sind. Das ist ganz klar: Die Unternehmen<br />
auf dem Flugplatzgelände selbst haben ein<br />
Interesse an einer best<strong>im</strong>mten Entwicklung und<br />
können ihr persönliches, ihr wirtschaftliches Interesse<br />
einschätzen. Es ist normalerweise notwendig,<br />
diese aufgrund interessengebundener Ansätze geäußerten<br />
Urteile einer sachlichen Prüfung zu unterziehen,<br />
um die Objektivität sicherzustellen. Dieser<br />
Nachweis wurde nicht geführt. Die Möglichkeit<br />
strategischen Antwortverhaltens, wie das sehr vornehm<br />
ausgedrückt wird, kann hier also nicht ausgeschlossen<br />
werden. Damit ist das Ergebnis grundsätzlich<br />
zum Scheitern verurteilt. Dass man hinterdrein<br />
das Ganze noch mit Multiplikatoren multipliziert,<br />
ändert an dem zugrunde liegendenden Sachverhalt<br />
nichts. Ungültige Zahlen mit drei multipliziert<br />
bleiben ungültige Zahlen.<br />
Auch bezüglich der Multiplikatoren ist durchaus<br />
eine gewisse Vorsicht angemessen. Das Verfahren<br />
ist wirklich recht grob. Die wirtschaftsstrukturelle<br />
detaillierte fachliche Abhängigkeit wird nicht untersucht.<br />
Es wird einfach sektoral nach der Zurechnung<br />
in der Statistik vorgegangen, und dabei wird<br />
auch sehr leicht vergessen, dass fast alles nur modelliert<br />
ist und kaum Empirie dahinter steht. Auch<br />
da ist die Berichterstattung durch die Mediatoren<br />
häufig nicht so ganz klar. Empirisch gesichert ist,<br />
soweit ich weiß, eine Bundes-Input/Output-Tabelle<br />
und eine sehr viel längere Input/Output-Tabelle von<br />
Hessen. Alles andere ist unter Beiziehung einzelner<br />
wirtschaftlicher Sachverhalte Modellierung.<br />
Und dieses wird dann bis 2015, also über 18 Jahre,<br />
hochgezogen. Zwar werden sektoral unterschiedliche<br />
Rationalisierungsansätze eingezurrt; gleichze itig<br />
aber wird <strong>im</strong> Übrigen ein strukturkonservativer<br />
Ansatz gewählt. Das heißt, die strukturellen Verflechtungen<br />
zwischen den Wirtschaftssektoren werden<br />
schlicht strukturkonservativ über nahezu 20<br />
Jahre hochgezogen. Dies ist gerade <strong>im</strong> Luftverkehr<br />
eine offensichtlich sehr problematische Ansetzung.<br />
Präsident Klaus Peter Möller: Sie müssten zum<br />
Schluss kommen, Herr Schallaböck.<br />
Herr Dr. Karl Otto Schallaböck: Wie Sie auch für<br />
Hessen festgestellt haben, hat es Anfang der Neunzigerjahre<br />
einen Switch gegeben: Die Entwicklung<br />
von Luftverkehrsleistungen bei Personenkilometern<br />
in der Luft und Beschäftigtem <strong>im</strong> Luftfahrtbereich<br />
selbst bildet eine Schere aus. Die über ein Vierteljahrhundert<br />
nahezu konstante und richtige Aussage,<br />
dass für 1 Million Fluggäste bei Flughäfen und<br />
Fluggesellschaften 1.000 Beschäftigte vorhanden<br />
sind, ist inzwischen strikt falsch. Inzwischen sind es