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Das Volk: eine furchtbare Abstraktion (pdf) - Neoprene

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So bleibt es natürlich bei den höchst unterschiedlichen Chancen, Beschränkungen und<br />

Zumutungen, die das Gemeinwohl <strong>eine</strong>r kapitalistischen Gesellschaft deren diversen<br />

Abteilungen beschert. Die haben dementsprechend bei allem guten Willen höchst<br />

verschiedenartige Schwierigkeiten, sich mit ihrem prinzipiell anerkannten Geld-Materialismus<br />

in den allgemein verbindlichen Konsens über das marktwirtschaftliche ,bonum commune’<br />

einzuklinken, verbinden damit auch konträre und in der Mehrheit immer wieder enttäuschte<br />

Erwartungen, halten sich gegenseitig für Problemfälle oder sogar Feinde des allgem<strong>eine</strong>n<br />

Besten, so wie sie es interessiert verstehen.<br />

An derlei Gegensätzen beweist nun wiederum die demokratische Staatsverfassung ihre<br />

politische Produktivkraft. Sie erteilt allen Fraktionen der Klassengesellschaft − im Prinzip<br />

überhaupt jedem ihrer Bürger − die Lizenz, <strong>eine</strong> Partei zu gründen, in die Konkurrenz um die<br />

Staatsmacht einzusteigen und Korrekturen an der Handhabung des Gewaltmonopols zwecks<br />

passender Ausgestaltung der jeweiligen Geschäftsbedingungen resp. Lebensverhältnisse<br />

anzustreben; unter der einzigen, im Grunde selbstverständlichen und nicht weiter beschränkenden<br />

Bedingung, dass es bei der Wahrnehmung dieser Lizenz eben darum geht und nicht<br />

um systemgefährdende Eingriffe in die Freiheit, zu wählen und Geld zu verdienen. Dieses<br />

Angebot ergeht, wie gesagt, nicht bloß an die Protagonisten der herrschenden<br />

politökonomischen Interessen, sondern ebenso an die Vertreter der in Lohnabhängigkeit<br />

verstrickten Mehrheit des <strong>Volk</strong>es; und es wird auch allseits gerne wahrgenommen, von der<br />

Lobby der ,Besserverdienenden’ ebenso wie von den politischen Anwälten des ,einfachen<br />

<strong>Volk</strong>es’, die allesamt an den jeweils Regierenden einiges auszusetzen haben. Für die bessere<br />

Gesellschaft fällt das Gemeinwohl mit dem Wachstum ihres Privatvermögens zwar<br />

grundsätzlich zusammen; Friktionen können aber schon deswegen nicht ausbleiben, weil die<br />

herrschende Klasse ihrerseits aus konkurrierenden Fraktionen besteht, die beim Staat nie<br />

gleichermaßen auf ihre Kosten kommen; außerdem werden auch die Reichen zur Bestreitung<br />

der Unkosten ihrer Standortverwaltung herangezogen, was den Zweck ihres Reichtums, dessen<br />

Vermehrung, empfindlich stört. Da setzt es Kritik; und es finden sich allemal politische Interessenvertreter,<br />

die im Sinne ,der Wirtschaft’ Programme <strong>eine</strong>r effektiveren Staatsführung<br />

verfertigen, mit denen sie auch beim gar nicht so vermögenden Publikum Eindruck machen.<br />

Die politischen Vorkämpfer der lohnabhängigen Mehrheit haben erst recht viele Anlässe, aber<br />

auch viel damit zu tun, die mit dem Erfolg des Kapitalstandorts so schlecht zu vereinbarenden<br />

materiellen Bedürfnisse ihrer Klientel passend zurecht- und ins gem<strong>eine</strong> Wohl<br />

hineinzudefinieren: Aus den stereotypen Notlagen der ,kl<strong>eine</strong>n Leute' stellen sie <strong>eine</strong>n Katalog<br />

von Anträgen an die öffentliche Gewalt zusammen, proklamieren Rücksichtnahme auf die<br />

nationale Arbeitskraft als unerlässliche Bedingung für dauerhaften Wachstumserfolg und<br />

nehmen mit entsprechenden Herrschaftsprogrammen die Konkurrenz mit ihren ,bürgerlichen’<br />

Gegnern um den Beifall <strong>eine</strong>r Mehrheit für ihre Führungskompetenz auf.<br />

So werden die gegensätzlichen gesellschaftlichen Interessen politisiert, nämlich den<br />

politischen Notwendigkeiten <strong>eine</strong>r marktwirtschaftlich agierenden Staatsführung subsumiert;<br />

unvereinbare Standpunkte werden als Varianten des Gleichen: als verschiedene Lesarten der<br />

gemeinsamen ,nationalen Sache’ und konkurrierende Führungsangebote kommensurabel<br />

gemacht − mit durchaus gegensätzlichen Konsequenzen für die so auf <strong>eine</strong>n gemeinsamen<br />

Nenner gebrachten Klasseninteressen. Den „Schlechterverdienenden“ wird ihre systematische<br />

Schädigung als die bleibende Voraussetzung und unverrückbare Schranke aller Verbesserungen

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