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Das Volk: eine furchtbare Abstraktion (pdf) - Neoprene

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heimischen Wirtschaft tauglich und nötig, wird es billiger gemacht, also ärmer; s<strong>eine</strong> Chance,<br />

der Verarmung zu entgehen, liegt umgekehrt ausschließlich in den Konkurrenzerfolgen, die sich<br />

aus s<strong>eine</strong>n preiswerten Arbeitsleistungen herauswirtschaften lassen. Der brutale sachliche Gehalt<br />

dieser Information tritt freilich zurück hinter dem offensiven Appell an den nationalen<br />

Dünkel: <strong>Das</strong> <strong>Volk</strong> wird daran erinnert, dass es sich doch seit jeher − inwiefern, ist eher<br />

gleichgültig: überhaupt und insgesamt − für besser hält als s<strong>eine</strong> mediokre Nachbarschaft, ganz<br />

zu schweigen von der ameisenhaften Bevölkerung ferner Länder, die bloß mit Masse<br />

imponieren können. Die zugemuteten Beschränkungen stacheln so das imperialistische<br />

Überlegenheitsgefühl an, das die demokratische Führung bei ihren Mitbürgern ganz<br />

selbstverständlich voraussetzt.<br />

Dieses Selbstbewusstsein findet ein noch viel schöneres Betätigungsfeld im Hinblick auf den<br />

großen Teil der Staatenwelt, der im globalen Vergleich der Kapitalstandorte definitiv zur<br />

minderwertigen bis hoffnungslosen Sorte zählt. Die maßgeblichen Nationen betätigen sich in<br />

dieser Richtung als zu jedem Eingriff befugte Aufsichtsmächte; die Souveränität der<br />

beaufsichtigten politischen Gebilde zählt für sie nichts. Den Zugriff, den sie für nötig halten,<br />

um kein ,Machtvakuum’ entstehen zu lassen − die Eingeborenen müssen schließlich unter<br />

Kontrolle bleiben − und um gegebenenfalls aus diesen Ländern an Ressourcen herauszuholen,<br />

was aus ihnen noch herauszuholen ist, verbuchen sie als Last, die sie sich genau einteilen. Ihren<br />

Völkern eröffnet sich damit der Blick auf <strong>eine</strong> Welt der Armut, an der nach neuesten<br />

Erkenntnissen die gescheiterten Versuche schuld sind, überall Staaten mit <strong>eine</strong>r eigenen,<br />

womöglich sogar konkurrenzfähigen Nationalökonomie aufzumachen bzw. mit viel Geld und<br />

Gewalt <strong>eine</strong> Entwicklung dahin in Gang zu bringen, was unter den dort gegebenen Umständen<br />

und mit so bitterarmen Leuten gar nicht geht. Was andererseits erst recht nicht geht, sind die<br />

abenteuerlichen Versuche tatkräftiger junger Leute aus diesen Gegenden, zu „uns“ in den<br />

„reichen Norden“ zu gelangen und dort <strong>eine</strong>n Job zu ergattern: Eine andere Chance haben sie<br />

zwar nicht, aber die kriegen sie nicht. Auf der Basis sind die besser gestellten Völker zu Mitleid<br />

mit den Opfern der modernen Weltordnung bereit, soweit die brav zu Hause bleiben und dort<br />

unschuldig von besonderen Katastrophen ereilt werden, auch zu Almosen, ausnahmsweise<br />

sogar zu Bedenken gegen ,Auswüchse’ <strong>eine</strong>r ,ungerechten Weltwirtschaftsordnung’. Um<br />

,Armutsflüchtlinge’ vor Schiffbruch im Mittelmeer und ähnlichem Unglück zu bewahren, kann<br />

man sich auch mit staatlichen Ausgaben für menschenrechtlich einwandfreie ,heimatnahe’<br />

Auffanglager anfreunden. Solange die noch nicht stehen und wenn ein paar Verzweifelte es<br />

doch bis in die ,1. Welt’ schaffen, behalten die Zuständigen sich vor, zu ,dulden’ oder<br />

abzuschieben; und das <strong>Volk</strong>sempfinden zieht mit: Man lehnt es ab, „das Elend der ganzen Welt“<br />

bei sich unterzubringen, bildet sich gar ein, „überfremdet“ zu sein. Eine Minderheit hat im<br />

Übrigen nichts gegen ein bisschen bunte Folklore im Stadtbild; und jeder weiß von irgend<strong>eine</strong>r<br />

Ausländerfamilie, bei der man <strong>eine</strong> humanitäre Ausnahme von der Regel machen sollte, dass<br />

sie eigentlich wieder dorthin zurück muss, wo „wir“ im Übrigen sämtliche Menschenrechte<br />

vermissen; so viel Großzügigkeit ist <strong>eine</strong> <strong>Volk</strong> erster Klasse sich schuldig. Die hört aber ganz<br />

schnell wieder auf, wenn die Obrigkeit ihren Bürgern von der Last berichtet, die sie mit den<br />

,Illegalen’ hat. Dann ist ganz schnell klar, dass die wegsortiert werden müssen. Die Selektion<br />

funktioniert ganz ohne Rassismus: Kriterium dieser Ausgrenzung ist die fremdländische Armut.<br />

− Bisweilen bekommen die maßgeblichen Völker es in der weniger maßgeblichen Staatenwelt<br />

nicht bloß mit mehr oder weniger ohnmächtigen Aufsichtsobjekten zu tun, sondern mit<br />

eigenständigen Regungen: nicht bestellten Gewaltaktionen, die Unruhe stiften; sogar mit <strong>eine</strong>m

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