Ausg. 35 - apr
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Sehr ehrgeizig sind die Ziele der sich gerade in der Startphase<br />
befindenden Gesellschaft La Compagnie Greenfield im französischen<br />
Château-Thierry (vgl. den Bericht in diesem Heft auf Seite<br />
XXX). Das neu gegründete Unternehmen möchte 150 000 t<br />
Deinking-Pulp einer neuen Qualitätsstufe mit einem Weißegrad<br />
von 88 und einem Anteil holzhaltiger Fasern von unter 10% produzieren.<br />
In Anlagen und Gebäude wurden insgesamt 195 Mio.<br />
US-$ investiert. Negative Erfahrungen anderer Deinking-Pulp-<br />
Hersteller in den USA konnten die Mannen um Generaldirektor<br />
R. Joseph Kneeland nicht abschrecken; im Gegenteil: man habe<br />
aus ihnen viel gelernt.Auch der norwegische Anlagenbauer Kvaerner<br />
verschrieb sich dem Projekt ganz und gar und sieht in ihm<br />
eine Referenzanlage für ähnliche Werke in Europa.<br />
Dreh- und Angelpunkt der Qualität des neuen Stoffes ist die<br />
Beschaffung entsprechender Altpapiersorten. Pro Jahr sollen<br />
220 000 t Altpapier vorwiegend aus Frankreich, 25% alleine aus<br />
dem Großraum Paris, verarbeitet werden. Die dabei verwendete<br />
Technologie ist neu und nach Ansicht der Betreiber etwas Besonderes.<br />
Wer Papierproduzenten kennt, weiß, daß sie nicht so ohne weiteres<br />
von einem Fasermaterial auf ein anderes wechseln, da die<br />
hiermit verbundenen Risiken hinsichtlich der Auswirkungen<br />
auf die Qualität des Endproduktes erheblich sind. Dieser Tatsache<br />
ist sich der Greenfield-Verkaufschef David Stedeford auch<br />
bestens bewußt. Die Überlegung, daß in Zukunft auch grafische<br />
Papiere bzw. Schreibpapiere einen höheren Anteil Altpapier enthalten<br />
sollten, ist insbesondere in Deutschland nicht von der<br />
Hand zu weisen. Politiker aller Couleur fordern dies, insofern<br />
entspricht es dem Zeitgeist.Ein höherer Altpapieranteil auf freiwilliger<br />
Basis oder erzwungen durch Verordnungen ist außerdem<br />
ein nicht zu unterschätzendes Verkaufsargument, insbesondere<br />
dann, wenn es sich um preis- und qualitätsgleiche Sorten<br />
handelt.<br />
75 000 t der geplanten Jahresproduktion von 150 000 t sind bereits<br />
an Papierhersteller wie z. B.Arjo Wiggins quasi „blind“ verkauft,<br />
und Greenfield weiß, daß man von den Papiererzeugern<br />
Greenfield will<br />
neue Zellstoff-<br />
EDITORIAL<br />
qualität produzieren<br />
einen erheblichen Vertrauensvorsprung erhalten hat. Letztlich<br />
gibt dies einen Hinweis auf die fachliche und menschliche Qualität<br />
der am Projekt Beteiligten. Viele Kunden haben sich auch<br />
finanziell engagiert.<br />
Fraglos gibt es auch Papiererzeuger, die den neuen Stoff, der<br />
den Markennamen G-Fibre tragen soll, kritisch abwartend gegenüberstehen,<br />
frei nach dem Motto:„Lassen wir erst einmal andere<br />
testen!” Sollte die Produktion allerdings erfolgreich anfahren,<br />
könnte das Werk, das am Rande des urbanen Waldes von Paris<br />
steht,zahlreiche Nachahmer in Europa finden.Entscheidend<br />
wird dabei die Frage sein, ob es gelingt, den typischen Büroangestellten<br />
darauf „zu trainieren“, holzfreie und holzhaltige Papiere<br />
in zwei verschiedene Abfallbehälter zu trennen.Greenfield<br />
arbeitet in Verbindung mit französischen Altpapierherstellern<br />
nachhaltig an der Einführung dieses Prozesses, wobei die entsprechenden<br />
Abfallbehälter auch werblich auf den späteren Verwendungszweck<br />
des holzfreien Altpapiers hinweisen.Wenn dies<br />
gelingt, können erhebliche Sortierkosten der Altpapierbetriebe<br />
gespart werden und damit die Altpapierpreise sinken bzw. die<br />
Produktionskosten verringert werden. Im Moment rechnet das<br />
Unternehmen mit Altpapierkosten von 500 FF pro Tonnen und<br />
einem Energieaufwand von ca. 800 kW pro lufttrockner Tonne<br />
DIP. Bei lediglich 68 Mitarbeitern dürften sich die Personalkosten<br />
im Rahmen halten. Ein anderes Risiko besteht in der Tatsache,daß<br />
der Preis für die neue G-Fibre auf Gedeih und Verderb<br />
am wahrlich in den letzten Jahren erheblich schwankenden<br />
Preis für Hartholz-Zellstoff hängen soll und davon zumindest in<br />
der Einführungsphase nicht loskommen wird. Sollte sich der<br />
Markenname G-Fibre zu einem dem Tempo-Taschentuch vergleichbaren<br />
Gattungsbegriff entwickeln, könnte sich dies freilich<br />
relativ rasch ändern.<br />
Insgesamt muß man den Mannen Respekt für ihren Mut zollen.<br />
Ich könnte mir außerdem vorstellen, daß ein solches Projekt<br />
in Deutschland auch aufgrund seines positiven Umweltcharakters<br />
mit weit mehr als 20 Mio. FF (nicht einmal 5% der Investitionssume)<br />
gefördert wird. G. W. Brucker<br />
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