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Peter Gerlach, Idylle<br />

dabei aktivierten Inspirationsquellen wurde in einer ebenso der ethnographischen und ethnologischen<br />

Forschung entnommenen Vorstellungswelt entlehnt. Dazumal knüpfte sie sich an den Begriff von<br />

„Ursprünglichkeit“ 32<br />

- mithin einen Zustand heimisch in jener mythischen Idealwelt, die die<br />

harmonieverheissende Idylle ebenso zu beschwören sich angeschickt hatte und weiterhin zu nähren nun<br />

erneut in skandalträchtigem Gewand antrat. Kasimir Edschmid formulierte Entsprechendes bereits zwischen<br />

1917 und 1918, was wohl auf die frühe expressionistische Phase der meisten der am Bauhaus tätigen<br />

Künstler zutreffen dürfte: "Die Künstler der neuen Bewegung geben nicht mehr die leichte Erregung. Sie<br />

geben nicht mehr die nackte Tatsache. Ihnen entfaltet das Gefühl sich maßlos... Sie sahen nicht. Sie<br />

schauten. Sie fotografierten nicht. Sie hatten Gesichte. Statt der Rakete schufen sie die dauernde Erregung.<br />

Statt dem Moment die Wirkung in die Zeit... In ihr stand die Erde, das Dasein <strong>als</strong> eine große Vision. Es gab<br />

Gefühl darin und Menschen. Sie sollten erfaßt werden im Kern und im Ursprünglichen. Dafür bedurfte es<br />

einer Gestaltung der künstlerischen Welt... Ein neues Weltbild mußte geschaffen werden, das nicht mehr<br />

teilhatte an jenem nur erfahrungsgemäß zu Erfassenden der Naturalisten, nicht mehr teilhatte an jenem<br />

zerstückelten Raum, den die Impression gab, das vielmehr einfach sein mußte, eigentlich, und darum<br />

schön... So wird der ganze Raum des expressionistischen Künstlers Vision. Die Tatsachen haben<br />

Bedeutungen nur so weit, <strong>als</strong>, durch sie hindurchgreifend, die Hand des Künstlers nach dem faßt, was hinter<br />

ihnen steht... Er sieht das Menschliche in den Huren, das Göttliche in den Fabriken, er wirkt die einzelne<br />

Erscheinung in das Große ein, das die Welt ausmacht... Alles bekommt Beziehung zur Ewigkeit... Die Welt<br />

ist da, es wäre sinnlos, sie zu wiederholen. Sie im letzten Zucken, im eigentlichen Kern aufzusuchen und zu<br />

schaffen, das ist die größte Aufgabe der Kunst... Jeder Mensch ist nicht mehr Individuum, gebunden an<br />

Pflicht, Moral, Gesellschaft, Familie. Er wird in dieser Kunst nicht <strong>als</strong> das Erhebendste und Kläglichste: Er<br />

wird Mensch... Nun ist der Mensch wieder großer, unmittelbarer Gefühle mächtig. Er bleibt nicht mehr Figur,<br />

er ist wirklich Mensch... So kann er sich steigern und zu Begeisterungen kommen, große Ekstasen aus<br />

seiner Seele aufschwingen lassen...". 33 In ihren Bauhausbüchern betonten die Lehrenden die<br />

emotionsevozierende Kraft jeglicher bildlichen Konfiguration von der einfachen Linie bis hin zur farbigen<br />

Fläche, wie sie es in den Forschungen der Wahrnehmungspsychologie des späten 19. und beginnenden 20.<br />

Jahrhunderts bereits hätten nachlesen können. 34 Diese Erkenntnis in Theorie und zuvor bereits in der<br />

malerischen Praxis war einer der entscheidenden Einblicke und Einsichten in die innere Natur menschlichen<br />

Vermögens und der Funktion, die Bildern dabei zukommt, an der Hirnforschung, Psychologie und<br />

Wahrnehmungstheorie noch heute weiter zu forschen haben. Komposition aus den elementaren optisch-<br />

bildlichen Elementen habe das Ziel, diese auf der Fläche des Blattes von Papier oder der Oberfläche von<br />

Leinwand zu einem in sich harmonischen Gefüge werden zu lassen, ohne sich dem Illusionswert von<br />

traditionellen, an der Realität orientierten Abbildern zu unterwerfen. Damit nun ließen sich einerseits die<br />

akademisch vorbelasteten Gegenstandshierarchien umgehen, andererseits das bisher <strong>als</strong> niedrigste<br />

Kunststufe geltende – das Ornament – zum einzig kunstwürdigen aufwerten. Das an die geometrisch-<br />

elementaren Formen geknüpfte Glücks- und Harmoniebedürfnis des Einzelnen wurde damit selber <strong>als</strong><br />

thematisches Zentrum der bildenden Kunst deklariert und das Erreichen dieses Zieles zum Prinzip von<br />

32 Peter Gerlach, „Ursprung und Ursprünglichkeit.“ In: Heinz Herbert Mann - Peter Gerlach (Hg.), »Regel<br />

und Ausnahme. Festschrift für Hans Holländer.« Aachen 1995, S. 97 - 110.<br />

33 Zitiert nach B. S. Myers, »Die Malerei des Expressionismus.« Köln 1957, S. 41 – 42.<br />

34 Peter Gerlach, „Zeichenhafte Vermittlung von Innenwelt in Konstruktivistischer Kunst.“ In: H. Holländer -<br />

Chr. W. Thomsen (Hg.), »Besichtigung der Moderne: Bildenden Kunst, Architektur, Musik, Literatur,<br />

Religion. Aspekte und Perspektiven.« Köln 1987, S. 157 - 190<br />

http://www.kunstserviceg.de/gerlach 11 von 15

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