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Peter Gerlach, Idylle<br />
Dichtung üblich seien. Dieser Satz nun hatte wohl die nachhaltigsten Folgen für die theoretischen<br />
Überlegungen auch zur modusspezifischen Gliederung der bildenden Kunst seit der Frührenaissance. 5 Mit<br />
dem Modus-Begriff wird indessen nicht nur ein Komplex von Regeln erfasst, nach der der Maler die<br />
Zusammenstellung seiner Figuren und Gegenstände im Illusionsraum seiner Komposition - oder der<br />
Architekt die Auswahl der der Bauaufgabe angemessenen Elemente - zu prüfen und auszuwählen hat,<br />
sondern der Modus-Begriff ist schon seit Leon Battista Alberti (De Pictura 1436) speziell in Hinsicht auf die<br />
Wirkung der Komposition auf den Betrachter diskutiert worden. 6 Er solle sich durch die präzise modale<br />
Auswahl auf eine bestimmte Seelenstimmung, in einem bestimmten Tenor seiner Gefühlswelt angesprochen<br />
empfinden.<br />
Was aber stellten sich die Theoretiker denn nun vor, was durch eine Idylle angesprochen werden sollte?<br />
Was sollte eine Idylle darstellen, damit sie ihr angepeiltes Ziel auch wirkungskräftig erreichen konnte? Natur<br />
ist das Repertoire. Aber eine spezifische Seite der natürlichen Umgebung des Menschen, die über lange Zeit<br />
hinweg alltäglich <strong>als</strong> gefährliches und feindliches Gegenüber erfahrbar blieb, sollte den sorgenlosen Einklang<br />
zwischen ihr, dem Körper des Menschen und seinen inneren Gestimmtheiten zum Ausdruck bringen. Schafe<br />
und Hirten, sanfte sonnendurchschienene Hügel, auf denen schattenspendende dichte Laubbäume locker<br />
verteilt waren, bildeten das figürliche Repertoire einer solchen gemalten idyllischen Landschaft. Erste<br />
erhaltene Belege für eine derartige Wahl finden sich in den Ausstattungen römischer Villen aus der<br />
Kaiserzeit, etwa in der pompejanischen Wandmalerei. 7 Das Thema selbst ging im Mittelalter nicht völlig<br />
verloren. Elemente aus diesem Szenarium lebten in der christlichen Bilderwelt fort. Der „bon pastor“,<br />
Christus <strong>als</strong> Träger eines Schafes, entstammt dieser idyllischen Bilderwelt, auch die im Rosenhag thronende<br />
Madonna. 8 Seit dem 16. Jahrhundert fanden sich Idyllen aus allen weiteren Bereichen des gesellschaftlichen<br />
Lebens, zumindest wurden sie immer wieder unterstellt. Die Idylle im Alltag, am Arbeitsplatz oder die Idylle<br />
am Ferienort: Schwer zu finden, oftm<strong>als</strong> nur für kurze Zeit und häufig genug auch nur <strong>als</strong> kurzfristige<br />
Täuschung. Immer aber vorgeführt <strong>als</strong> das schlechthin Andere zur bedrückenden Unerträglichkeit<br />
bestehender Alltäglichkeit. Und das bis in die zur Aufdringlichkeit selbstverständlichen Sprachregelung in<br />
den Werbeprospekten der Freizeitindustrie heutzutage.<br />
Bereits im 16. Jahrhundert wurden die Modi in der kunstkommentierenden Theorie je mit einem der<br />
gesellschaftlichen Stände assoziiert, wie es bereits in Vitruvs Architekturtheorie angelegt schien. 9 Die Idylle,<br />
<strong>als</strong> eine Sonderform der Landschaftsmalerei mit ihrem verklärten ländlich-bäuerlichen Personal, blieb dem<br />
untersten Stand zugewiesen. In der akademischen Rangordnung spiegelte sich diese ältere Zuweisung noch<br />
darin, dass die Landschaftsmalerei in der Themenhierarchie <strong>als</strong> die niedrigste eingestuft wurde, weil sie <strong>als</strong><br />
die gleichsam ungeschichtlichste wahrgenommen wurde, <strong>als</strong> absoluter Gegenpart zum Heroisch-<br />
5 Rensselaer W. Lee, „Ut pictura poesis: The humanitic theory of painting”, in: Art Bulletin 22 (1940),<br />
197-269; auch New York 1967<br />
6 Veronica Biermann, „Leon Battista Albert (1404-1472). De re aedificatoria libri decem”. In: Bernd Evers –<br />
Christof Thoenes, »Architektur Theorie von der Renaissance bis zur Gegenwart. 89 Beiträge zu 117<br />
Traktaten.« Köln 2003, S. 22 – 25.<br />
7 Ranuccio Bianchi Bandinelli, „Paesaggio“. In: »Encyclopedia dell’Arte Antica.« Rom 1963, S. 816 ff mit<br />
vorzüglichen einschlägigen Abb<br />
8 Anton Legner, „Hirt, guter Hirt“. In: »Lexikon der christlichen Ikonographie.«, 2. Bd., Rom/Freiburg 1970,<br />
Sp. 289 ff ; W. Braunfels, „Das Marienbild in der Kunst des Westens bis zum Konzil von Trient“. In: ebda.,<br />
Bd. 3, Rom/Freiburg 1971, Sp. 198 ff.<br />
9 [Markus] Vitruvius [Pollio] (v. 31 v. Chr. - n. 27 v. Chr.), »De Architectura libri decem.«, V. I., 6 - 10; ed. F.<br />
Krohm, Leipzig 1912, 97 - 98; Edidit et annotavit Curt Fensterbusch, Darmstadt 1964.<br />
http://www.kunstserviceg.de/gerlach 4 von 15